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besonders aber, als Drama, an,,Hamlet" an, diejenige Shakespeare'sche Tragödie, welche Goethe am Meisten beschäftigt hat, aus welcher er auch Einzelnheiten direkt in den Faust hinübernahm.*) Hatte die Größe, man kann sagen, die Inkommensurabilität der Aufgabe dem Dichter die Nöthigung auferlegt, die Dichtung wiederholt ruhen zu lassen und nur, wenn ihm selbst in seiner raftlosen Entwicklung neuer Lebensgehalt gereift war, sie wieder aufzunehmen und damit neu zu befruchten, so ist die durch dies Zögern eingebüßte frühere und lebendigere Wirkung durch den späteren allgemeinen und so nachhaltigen Erfolg mehr als ersetzt. Aus einem Zeitwerke ist ein Werk für die Jahrhunderte, aus einem nur poetischen ein Werk von kulturhistorischer Mission geworden. Dies gilt von der Tragödie als einem Ganzen, vorwiegend aber vom zweiten Theile, der, an Lebendigkeit, warmem Kolorit und Kraft hinter dem ersten zurückstehend, diesen doch vielleicht als poetisches Kunstwerk überhaupt, jedenfalls aber an Ideengehalt und durch das Aussprechen gleichsam positiver Resultate überragt.

Wir führen hier noch Hegel's Urtheil über den „Faust"

und europäischen Literatur seit zwei Jahrhunderten“, und Sealsfield: „Seit Shakespeare und Milton ist „Faust“ unstreitig das glänzendste Geistesprodukt.“

*) Wir erinnern an die Serenade in der Valentinszene und an das Todtengräberlied im fünften Akt des zweiten Theils. Auch der „Fortinbras“ der Paralipomena zu Faust (2. Theil) deutet auf Hamlet. Die Verwandtschaft des „Faust“ und des „Hamlet" ist oft erörtert worden, noch neuerdings von Schellwien in Bergmann's Philosoph. Monatsheften, II. S. 271, 1869. Guzkow hat schon 1839 (Skizzenbuch, S. 55 ff.) Beide in der dramatischen Skizze „Hamlet in Wittenberg" zusammengeführt und die Aufnahme der deutschen Elemente des Zweifels" bei Hamlet von seinem Verkehr mit Faust abgeleitet. Die Darstellung von Gretchens Wahnsinn am Schlusse des ersten Theils wäre ohne Ophelia's Wahnsinn wol nicht erfolgt.

an, um daran einige kurze Bemerkungen über die Irrthümer zu knüpfen, welchen die Auslegung desselben ausgesetzt ist. Hegel nennt Faust die absolute philosophische Tragödie, in welcher einerseits die Befriedigungslosigkeit in der Wissenschaft, andrerseits die Lebendigkeit des Weltlebens und irdischen Genusses, überhaupt die tra gisch versuchte Vermittlung des subjektiven Wissens und Strebens mit dem Absoluten in seinem Wesen und feiner Erscheinung, eine Weite des Inhalts giebt, wie fie in einem und demselben Werke zu umfassen, kein andrer dramatischer Dichter gewagt hat." *)

Die Hegel'sche Schule hat sich in einer Zeit, als man in der Goethe'schen Poesie überhaupt die künstlerische Darstellung der Hegel'schen Philosophie finden wollte, wie anfangs die der Schelling'schen und jezt der Schopenhauer'schen,**) um die Auslegung des Faust sehr verdient gemacht, zugleich aber sich einer dem poetischen Kunstwerke fremden abstrakten Auffassungsweise hingegeben, - einer Richtung, die man nach Vischer's berühmtem Artikel in den Hallischen Jahrbüchern ***) für völlig beseitigt halten sollte. Leider begegnet man noch immer Aeußerungen, die aus der fal schen Neigung entspringen, in dem poetisch Dargestellten nicht die idealisirte Wirklichkeit, sondern Hieroglyphen abstrakter Gedanken oder Allegorien zu suchen. Fauft und Mephistopheles sollen noch immer vereint den wahren, den ganzen Menschen ausmachen: als ob zwei Individuen, deren zum

*) Aesthetit, III. S. 564.

**) David Ascher (1859) und Sauerländer (1864).

***) 1839, Nr 9., und in den „Kritischen Gängen" 1844, II. S. 49 ff.

Theil ganz entgegengesette Eigenschaften einander ausschlicsen, zusammen als idealer Mensch gedacht werden könnten. Das Stück soll die Entwicklung des menschlichen Geistes oder der Menschheit überhaupt enthalten. Eine solche Darstellung ließe sich vielleicht auf dem unpoetischen Wege der Allegorie erreichen. Das Drama verlangt aber handelnde Menschen, konkrete, individuell beschränkte Wesen, und es stellt lediglich deren Schicksale, deren Entwicklung dar. Wenn sich Faust in der Reformationszeit oder, wenn man will, in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts aus Neberdruß an unbefriedigendem Wissen dem Leben zuwendet, so ist damit durchaus nicht gesagt, daß dies der Weg sei, auf welchem sich die Menschheit überhaupt entwickle. Ein andres Drama kann mit ebenso viel, vielleicht sogar mit größerer Wahrheit die Entwicklung vom Leben, vom Ueberdruß an der Empirie zum Wissen und reinen Denken darstellen. Grade die farcenartigen Szenen, in denen Goethe's Kunsthumor phantastisch waltet, wo Satire und Polemik, wie in Rosenplüt's Fastnachtsspielen, ihre Stelle finden, die Herenküche und die Walpurgisnacht, müssen gleich verwandten Szenen des zweiten Theils für diese abstraktisirende Manier besonders herhalten. Als Probe führen wir aus einer erst in diesem Jahr (1869) erschienenen Schrift: Die Faustsage und der sittlich religiöse Standpunkt" zu den Worten der Here (I. S. 82): Hier hab' ich eine Flasche, Aus der ich selbst zuweilen nasche" folgende Erklärung an: „Dieser Trank nun ist nichts anderes als der glatte, artige Gesellschaftston, in welchem bei einem Vergnügen schon wieder ein neues, raffinirteres besprochen wird. Nur auf den Sinnenreiz kommt es dabei an. Darum warnt die

Here: Wer ohne Gehalt und Vorbereitung diesem Tone lauscht, geht dadurch geistig und sittlich schnell zu Grunde.“

Einer solchen allegorisirenden Betrachtungsweise verwandt ist die Neigung, Faust als das dramatisirte eigne Leben des Dichters anzusehn, da man hiebei auch das Gegebne sich nicht genügen lassen, sondern darunter eben ein Anderes begreifen will (Deycks, S. 21). Diese durchaus unhaltbare Auffassung hat, besonders bei den Auslegern des zweiten Theils, leider noch immer Cours, und wir kommen in der Vorbemerkung zu demselben auf diesen Punkt zurück.

Wenn Carriere *) unter den philosophischen Erklärern des Faust Weiße und Rötscher hervorhebt, so können wir ihm nur beitreten, gestehen jedoch, von Carriere selbst in dieser Beziehung am Meisten befriedigt worden zu sein. Auch Gervinus' Erörterung des ersten Theils des Faust in seiner Literaturgeschichte ist noch immer nicht veraltet, so wenig diese im Allgemeinen Goethe gerecht wird. In dem schönen Abschnitte, **) der beginnt: „Es gab eine Jugendzeit der Menschheit, wie es eine des Individuums giebt, wo die Triebe der Natur mit den Forderungen des Geistes in jenem Einklang waren, den nur der ungeirrte Instinkt treffen und bewahren kann," bezeichnet Gervinus als den geistigen Mittelpunkt unsrer Dichtung das titanische Streben, Wiffen und Leben“, „Natur und Kultur" zu vereinigen, die Totalität unfres Wesens in reiner Menschlichkeit" zu gewinnen. Alexander von Humboldt hat denselben Gedanken noch verallgemeinert; nach ihm (Kosmos, Bd. II) hat Goethe überhaupt das „Bündniß erneuert, welches im *) S. XVII der Einleitung zu seiner Fauft-Ausgabe. **) Gesch. d. deutschen Dichtung, V. S. 103.

Jugendleben der Menschheit Philosophie, Physik und Dich tung mit einem Bande umschlang." Auch des Engländers Lewes Würdigung des „Faust" gehört, namentlich in der Vergleichung mit „Hamlet",*) dem Faustus von Marlowe und Calderon's wunderthätigem Magus,**) zu dem Besten, was über Faust, „das größte Gedicht der neuern Zeit, das den Kampf des Menschen gegen die SchranEen seiner geistigen Eristenz darstelle“, überhaupt gesagt ist. Was die streng sachliche Erklärung betrifft, auf die zunächst noch ein größeres Gewicht gelegt werden muß als auf die philosophische, so scheint uns der nicht genügend anerkannte, wenn auch allseitig benußte, Dünßer'sche große Kommentar alle andern völlig in den Schatten zu stellen und überflüssig zu machen; vor der Hand ist keine befriedigende Detailerklärung denkbar, die von dieser hervorragenden Leistung Umgang nähme.

Die schönste Auslegung kann einem Kunstwerke nur die Kunst selbst geben. Es eristirt wol kein deutsches Werk, das so malerisch gedichtet, so reich an bildlicher Darstellung wäre und die Künstler produktiv so angeregt hätte wie der „Faust." ***) Außer Cornelius, dessen schon gedacht ist, haben ihn Retsch und Seibert und in neuerer Zeit auch Kaulbach illustrirt. Fast jede Kunstausstellung liefert neue Faustbilder. Wir heben von früheren hier nur die junge

*) Schon Pustkuchen bemerkt in den falschen „Wanderjahren“, 1821 (1. 220), Hamlet erscheine unter allen Shakespeare'schen Charakteren allein den Goetheschen verwandt. Ebenso sind nach Lewes (II. 240) beide Stücke in der Vorstellung der Engländer mit einander verwachsen. Vergl. 2. Eckardt über Hamlet (Bern 1853, Kap. 1) und die Gegenschrift: Fauft und Hamlet (Berlin 1855).

**) Im Abschnitt 7 des 2. Theiles von Goethe's Leben und Schriften." Von Andern (Wiener Zeitschrift. 1821, Nr. 9. S. 68 ff.) wird Faust mit Calberon's Los dos amantes del Cielo I, 1 verglichen.

***) Stiegliß, in Raumer's hist. Taschenbuch, 1884, S. 177.

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