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I.

Die Eigenheit.

„Lechzt der Geist nicht nach Freiheit?" Ach, mein Geist nicht allein, auch mein Leib lechzt stündlich danach! Wenn meine Nase vor der duftenden Schloßküche meinem Gaumen von den schmackhaften Gerichten erzählt, die darin zubereitet werden, da fühlt er bei seinem trockenen Brote ein fürchterliches Schmachten; wenn meine Augen dem schwieligen Rücken von weichen Dunen sagen, auf denen sich's lieblicher liegt, als auf seinem zusammengedrückten Stroh, da faßt ihn ein verbissener Grimm; wenn - doch verfolgen Wir die Schmerzen nicht weiter. — Und das nennst Du eine Freiheitssehnsucht? Wovon willst Du denn frei werden? Von deinem Kommisbrot und deinem Strohlager? So wirf es weg! - Damit aber scheint Dir nicht gedient zu sein; Du willst vielmehr die Freiheit haben, köstliche Speisen und schwellende Betten zu genießen. Sollen die Menschen Dir diese Freiheit“ geben, sollen sie Dir's erlauben? Du hoffft das nicht von ihrer Menschenliebe, weil Du weißt, sie denken alle wie Du: Jeder ist sich selbst der Nächste! Wie willst Du also zum Genuß jener Speisen und Betten kommen? Doch wohl nicht anders, als wenn Du sie zu deinem Eigenthum machst!

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Du willst, wenn Du es recht bedenkst, nicht die Freiheit, alle diese schönen Sachen zu haben, denn mit der Freiheit dazu hast Du sie noch nicht; Du willst sie wirklich haben, willst sie dein nennen und als dein Eigenthum besißen. Was nüht Dir auch eine Freiheit, wenn sie nichts einbringt? Und würdest Du von allem

frei, so hättest Du eben nichts mehr; denn die Freiheit ist inhaltsleer. Wer sie nicht zu benußen weiß, für den hat sie keinen Werth, diese unnüße Erlaubniß; wie Ich sie aber benuße, das hängt von meiner Eigenheit ab.

Ich habe gegen die Freiheit nichts einzuwenden, aber Ich wünsche Dir mehr als Freiheit; Du müßtest nicht blos los sein, was Du nicht willst, Du müßtest auch haben, was Du willst, Du müßtest nicht nur ein „Freier“, Du müßtest auch ein „Eigner“ sein.

Frei wovon? was läßt sich nicht alles abschütteln! Das Joch der Leibeigenschaft, der Oberherrlichkeit, der Aristokratie und Fürsten, die Herrschaft der Begierden und Leidenschaften; ja selbst die Herrschaft des eignen Willens, des Eigenwillens, die vollkommenste Selbstverleugnung ist ja nichts als Freiheit, Freiheit nämlich von der Selbstbestimmung, vom eigenen Selbst, und der Drang nach Freiheit als nach etwas Absolutem, jedes Preises Würdigem, brachte Uns um die Eigenheit: er schuf die Selbstverleugnung. Je freier Ich indeß werde, desto mehr Zwang thürmt sich vor meinen Augen auf, desto ohnmächtiger fühle Ich Mich. Der unfreie Sohn der Wildniß empfindet noch nichts von all' den Schranken, die einen gebildeten Menschen bedrängen: er dünkt sich freier als dieser. In dem Maße als Ich Mir Freiheit erringe, schaffe Ich Mir neue Grenzen und neue Aufgaben; habe Ich die Eisenbahnen erfunden, so fühle Ich Mich wieder schwach, weil Ich noch nicht, dem Vogel gleich, die Lüfte durchsegeln kann, und habe Ich ein Problem, dessen Dunkelheit meinen Geist beängstigte, gelöst, so erwarten Mich schon unzählige andere, deren Räthselhaftigkeit meinen Fortschritt hemmt, meinen freien Blick verdüstert, die Schranken meiner Freiheit Mir schmerzlich fühlbar macht. „Nun ihr frei worden seid von der Sünde, seid ihr Knechte worden der Gerechtigkeit."*) Die Republikaner in ihrer weiten Freiheit, werden sie nicht Knechte des Gesetzes? Wie sehnten sich allezeit die wahren Christenherzen, „frei zu werden“, wie schmachteten sie, von den „Banden dieses Erdenlebens“ sich erlöst zu sehen; sie schauten nach dem Lande der Freiheit aus. („Das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser aller Mutter“. Gal. 4, 26.)

*) Römer 6, 18.

Frei sein von etwas

heißt nur: ledig oder los sein. „Er ist frei von Kopfweh“ ist gleich mit: er ist es los. „Er ist frei von diesem Vorurtheil“ ist gleich mit: er hat es nie gefaßt oder er ist es losgeworden. Im „los" vollenden Wir die vom Christenthum empfohlene Freiheit, im sündlos, gottlos, sittenlos u. s. w.

Freiheit ist die Lehre des Christenthums. „Ihr, lieben Brüder, seid zur Freiheit berufen." *) „Also redet und also thut, als die da sollen durch's Gesetz der Freiheit gerichtet werden." **)

Müssen Wir etwa, weil die Freiheit als ein christliches Ideal sich verräth, sie aufgeben? Nein, nichts soll verloren gehen, auch die Freiheit nicht; aber sie soll unser eigen werden, und das kann fie in der Form der Freiheit nicht.

Welch ein Unterschied zwischen Freiheit und Eigenheit! Gar vieles kann man los werden, Alles wird man doch nicht los; von Vielem wird man frei, von Allem nicht. Innerlich kann man troß des Zustandes der Sklaverei frei sein, obwohl auch wieder nur von Allerlei, nicht von Allem; aber von der Peitsche, der gebieterischen Laune u. s. w. des Herrn wird man als Sklave nicht frei. „Freiheit lebt nur in dem Reich der Träume"! Dagegen Eigenheit, das ist mein ganzes Wesen und Dasein, das biu Ich selbst. Frei bin Ich von Dem, was Ich los bin, Eigner von dem, was Ich in meiner Macht habe oder dessen Ich mächtig bin. Mein eigen bin Ich jederzeit und unter allen Umständen, wenn Ich Mich zu haben verstehe und nicht an Andere wegwerfe. Das Freisein kann Ich nicht wahrhaft wollen, weil Ich's nicht machen, nicht erschaffen kann: Ich kann es nur wünschen und darnach trachten, denn es bleibt ein Ideal, ein Spuk. Die Fesseln der Wirklichkeit schneiden jeden Augenblick in mein Fleisch die schärfsten Striemen. Mein eigen aber bleibe Ich. Einem Gebieter leibeigen hingegeben, denke Ich nur an Mich und meinen Vortheil; seine Schläge treffen Mich zwar: Ich bin nicht davon frei; aber Ich erdulde sie nur zu meinem Nußen, etwa um ihn durch den Schein der Geduld zu täuschen und sicher zu machen, oder auch um nicht durch Widerseßlichkeit

*) 1. Petri 2, 16. **) Jacobi 2, 12. Stirner, der Einzige.

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Aergeres Mir zuzuziehen. Da Ich aber Mich und meinen Eigennuß im Auge behalte, so fasse Ich die nächste, gute Gelegenheit beim Schopfe, den Sklavenbesizer zu zertreten. Daß Ich dann von ihm und seiner Peitsche frei werde, das ist nur die Folge meines vorangegangenen Egoismus. Man sagt hier vielleicht, Ich sei auch im Stande der Sklaverei „frei“ gewesen, nämlich „an sich“ oder „innerlich“. Allein „an sich frei“ ist nicht „wirklich frei“ und „innerlich“ nicht äußerlich“. Eigen hingegen, mein eigen war Ich ganz und gar, innerlich und äußerlich. Von den Folterqualen und Geißelhieben ist mein Leib nicht „frei“ unter der Herrschaft eines grausamen Gebieters; aber meine Knochen sind es, welche unter der Tortur ächzen, meine Fiebern zucken unter den Schlägen, und Ich ächze, weil mein Leib ächzt. Daß Ich seufze und erzittere, beweist, daß Ich noch bei Mir, daß Ich noch mein eigen bin. Mein Bein ist nicht „frei“ von dem Prügel des Herrn, aber es ist mein Bein und ist unentreißbar. Er reiße Mir's aus und sehe zu, ob er noch mein Bein hat! Nichts behält er in der Hand als den — Leichnam meines Beines, der so wenig mein Bein ist, als ein todter Hund noch ein Hund ist: ein Hund hat ein pulsirendes Herz, ein sogenannter todter Hund hat keines und ist darum kein Hund mehr.

Meint man, daß ein Sklave doch innerlich frei sein könne, so sagt man in der That nur das Unbestreitbarste und Trivialste. Denn wer wird wohl behaupten, daß irgend ein Mensch ohne alle Freiheit sei? Wenn Ich ein Augendiener bin, kann Ich darum nicht von unzähligen Dingen frei sein, z. B. vom Glauben an Zeus, von Ruhmbegierde u. dergl.? Warum also sollte ein gepeitschter Sklave nicht auch innerlich frei sein können von unchristlicher Gesinnung, von Feindeshaß u. s. w.? Er ist dann eben „christlich frei“, ist das Unchristliche los; aber ist er absolut frei, von Allem srei, z. B. vom christlichen Wahne oder vom körperlichen Schmerze u. s. w.?

Inzwischen scheint dies Alles mehr gegen Namen als gegen die Sache gesagt zu sein. Ist aber der Name gleichgültig, und hat nicht stets ein Wort, ein Schiboleth, die Menschen begeistert und

bethört? Doch zwischen der Freiheit und der Eigenheit liegt auch noch eine tiefere Kluft, als die bloße Wortdifferenz.

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Alle Welt verlangt nach Freiheit, Alle sehnen ihr Reich herbei. Obezaubernd schöner Traum von einem blühenden Reiche der Freiheit", einem „freien Menschengeschlechte“! -wer hätte ihn nicht geträumt? So sollen die Menschen frei werden, ganz frei, von allem Zwange frei! Von allem Zwange, wirklich von allem? Sollen sie sich selbst niemals mehr Zwang anthun? „Ach ja, das wohl, das ist ja gar kein Zwang!" Nun, so sollen sie doch frei werden vom religiösen Glauben, von den strengen Pflichten der Sittlichkeit, von der Unerbittlichkeit des Gesetzes, von liches Mißverständniß!" Nun, wovon sollen sie und wovon nicht ?

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„Welch fürchter= denn frei werden,

Der liebliche Traum ist zerronnen, erwacht reibt man die Halbgeöffneten Augen und starrt den prosaischen Fruger an. „Wovon die Menschen frei werden sollen ?“ Von der Blindgläubigkeit, ruft der Eine. Ei was, schreit ein Anderer, aller Glaube ist Blindgläubigkeit; sie müssen von allem Glauben frei werden. Nein, nein, um Gotteswillen, fährt der Erste wieder los, werft nicht allen Glauben von Euch, sonst bricht die Macht der Brutalität herein. Wir müssen, läßt sich ein Dritter vernehmen, die Republik haben und von allen gebietenden Herren ist nichts geholfen, sagt ein Vierter; Wir neuen Herrn, eine „herrschende Majorität“; der schrecklichen Ungleichheit Uns befreien. O unselige Gleichheit, höre Ich dein pöbelhaftes Gebrüll schon wieder! Wie hatte Ich so schön noch eben von einem Paradiese der Freiheit geträumt, und welche Frechheit und Zügellosigkeit erhebt jezt ihr wildes Geschrei! So flagt der Erste und rafft sich auf, um das Schwert zu ergreifen gegen die „maßlose Freiheit“. Bald hören Wir nichts mehr als das Schwertergeklirr der uneinigen Freiheitsträumer.

frei werden. Damit kriegen dann nur einen vielmehr laßt Uns von

Der Freiheitsdrang lief zu jeder Zeit auf das Verlangen nach einer bestimmten Freiheit hinaus, z. B. Glaubensfreiheit, d. h. der gläubige Mensch wollte frei und unabhängig werden; wovon? etwa vom Glauben? nein! sondern von den Glaubensinquifitoren. So jest politische oder bürgerliche" Freiheit. Der Bürger will frei werden, nicht vom Bürgerthum, sondern von Beamtenherrschaft, Fürstenwillkür u. dergl. Fürst Metternich sagte einmal, er habe

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