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Unsere Thaten richten sich nach Unseren Gedanken (Ideen, Vorstellungen, Glauben), wie in der Kindheit nach den Befehlen der Aeltern.

Indeß gedacht haben Wir auch schon als Kinder, nur waren unsere Gedanken keine fleischlosen, abstracten, absoluten, d. h. nichts als Gedanken, ein Himmel für sich, eine reine Gedankenwelt, logische Gedanken.

Im Gegentheil waren es nur Gedanken gewesen, die Wir Uns über eine Sache machten: Wir dachten Uns das Ding so oder so. Wir dachten also wohl: die Welt, die Wir da sehen, hat Gott gemacht; aber Wir dachten („erforschten“) nicht die „Tiefen der Gottheit selber"; Wir dachten wohl: „das ist das Wahre an der Sache", aber Wir dachten nicht das Wahre oder die Wahrheit selbst, und verbanden nicht zu Einem Sage „Gott ist die Wahrheit". Die Tiefen der Gottheit, welche die Wahrheit ist“, berührten Wir nicht. Bei solchen rein logischen, d. h. theologischen Fragen: „Was ist Wahrheit“ hält sich Pilatus nicht auf, wenngleich er im einzelnen Falle darum nicht zweifelt, zu ermitteln, „was Wahres an der Sache ist", d. h. ob die Sache wahr ist. Jeder an eine Sache gebundene Gedanke ist noch nicht nichts als Gedanke, absoluter Gedanke.

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Den reinen Gedanken zu Tage zu fördern, oder ihm anzuhängen, das ist Jugendlust, und alle Lichtgestalten der Gedankenwelt, wie Wahrheit, Freiheit, Menschenthum, der Mensch u. s. w. erleuchten und begeistern die jugendliche Seele.

Ist aber der Geist als das Wesentliche erkannt, so macht es doch einen Unterschied, ob der Geist arm oder reich ist, und man sucht deshalb reich an Geist zu werden: es will der Geist sich ausbreiten, sein Reich zu gründen, ein Reich, das nicht von dieser Welt ist, der eben überwundenen. So sehnt er sich denn Alles in Allem zu werden, d. h. obgleich Ich Geist bin, bin Ich doch nicht vollendeter Geist, und muß den vollkommenen Geist erst suchen.

Damit verliere Ich aber, der Ich Mich so eben als Geist gefunden hatte, sogleich Mich wieder, indem Ich vor dem vollkommenen Geiste, als einem Mir nicht eigenen, sondern jenseitigen. Mich beuge und meine Leerheit fühle.

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Auf Geist kommt zwar Alles an, aber ist auch jeder Geist der „rechte" Geist? Der rechte und wahre Geist ist das Ideal des Geistes, der heilige Geist". Er ist nicht Mein oder Dein Geist, sondern eben ein idealer, jenseitiger, er ist „Gott“. „Gott ist Geist". Und dieser jenseitige „Vater im Himmel giebt ihn denen, die ihn bitten“ *).

Den Mann scheidet es vom Jünglinge, daß er die Welt nimmt, wie sie ist, statt sie überall im Argen zu wähnen und verbessern, d. h. nach seinem Ideale modeln zu wollen; in ihm befestigt sich die Ansicht, daß man mit der Welt nach seinem Interesse verfahren müsse, nicht nach seinen Idealen.

So lange man sich nur als Geist weiß, und all seinen Werth darin legt, Geist zu sein (dem Jünglinge wird es leicht, sein Leben, das „leibliche“, für ein Nichts hinzugeben, für die albernste Ehrenkränkung), so lange hat man auch nur Gedanken, Ideen, die man einst, wenn man einen Wirkungskreis gefunden, verwirklichen zu können hofft; man hat also einstweilen nur Ideale, unvollzogene Ideen oder Gedanken.

Erst dann, wenn man sich leibhaftig liebgewonnen, und an sich, wie man leibt und lebt, eine Lust hat so aber findet sich's im reifen Alter, beim Manne - erst dann hat man ein persönliches oder egoistisches Interesse, d. h. ein Interesse nicht etwa nur Unseres Geistes, sondern totaler Befriedigung, Befriedigung des ganzen Kerls, ein eigennüßiges Interesse. Vergleicht doch einmal einen Mann mit einem Jünglinge, ob er Euch nicht härter, ungroßmüthiger, eigennütziger erscheinen wird. Ist er darum schlechter? Ihr sagt Nein, er sei nur bestimmter, oder, wie Ihr's auch nennt, "praktischer" geworden. Hauptsache jedoch ist dies, daß er sich mehr zum Mittelpunkte macht, als der Jüngling, der für Anderes, 3. B. Gott, Vaterland und dergl. „schwärmt“.

Darum zeigt der Mann eine zweite Selbstfindung. Der Jüngling fand sich als Geist und verlor sich wieder an den allgemeinen Geist, den vollkommenen, heiligen Geist, den Menschen, die Menschheit, kurz alle Ideale; der Mann findet sich als leibhaftigen Geist.

*) Lucas 11, 13.

Knaben hatten nur ungeistige, d. H. gedankenlose und ideenlose, Jünglinge nur geistige Interessen; der Mann hat leibhaftige, persönliche, egoistische Interessen.

Wenn das Kind nicht einen Gegenstand hat, mit welchem es sich beschäftigen kann, so fühlt es Langeweile: denn mit sich weiß es sich noch nicht zu beschäftigen. Umgekehrt wirft der Jüngling den Gegenstand auf die Seite, weil ihm Gedanken aus dem Gegenstande aufgingen: er beschäftigt sich mit seinen Gedanken, seinen Träumen, beschäftigt sich geistig oder „sein Geist ist beschäftigt“.

Alles nicht Geistige befaßt der junge Mensch unter dem verächtlichen Namen der „Aeußerlichkeiten". Wenn er gleichwohl an den kleinlichsten Aeußerlichkeiten haftet (z. B. burschikosen und andern Formalitäten), so geschieht es, weil und wenn er in ihnen Geist entdeckt, d. h. wenn sie ihm Symbole find.

Wie Ich Mich hinter den Dingen finde, und zwar als Geist, so muß Ich Mich später auch hinter den Gedanken finden, nämlich als ihr Schöpfer und Eigner. In der Geisterzeit wuchsen Mir die Gedanken über den Kopf, dessen Geburten sie doch waren; wie Fieberphantasien umschwebten und erschütterten sie Mich, eine schauervolle Macht. Die Gedanken waren für sich selbst leibhaftig geworden, waren Gespenster, wie Gott, Kaiser, Papst, Vaterland u. s. w. Zerstöre Ich ihre Leibhaftigkeit, so nehme Ich sie in die Meinige zurück und sage: Ich allein bin leibhaftig. Und nun nehme Ich die Welt als das, was sie Mir ist, als die Meinige, als Mein Eigenthum: Ich beziehe Alles auf Mich.

Stieß Ich als Geist die Welt zurück in tiefster Weltverachtung, so stoße Ich als Eigner die Geister oder Ideen zurück in ihre Eitelkeit“. Sie haben keine Macht mehr über Mich, wie über den Geist keine Gewalt der Erde" eine Macht hat.

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Das Kind war realistisch, in den Dingen dieser Welt befangen, bis ihm nach und nach hinter eben diese Dinge zu kommen gelang; der Jüngling war idealistisch, von Gedanken begeistert, bis er sich zum Manne hinaufarbeitete, dem egoistischen, der mit den Dingen und Gedanken nach Herzenslust gebahrt und sein persönliches Interesse über Alles seßt. Endlich der Greis? Wenn Ich einer werde, so ist noch Zeit genug, davon zu sprechen.

II.

Menschen der alten und neuen Beit.

Wie ein Jeder von Uns sich entwickelte, was er erstrebte, erlangte oder verfehlte, welche Zwecke er einst verfolgte und an welchen Plänen und Wünschen sein Herz im Augenblicke hängt, welche Umwandlungen seine Ansichten, welche Erschütterungen seine Principien erfuhren, kurz wie er heute geworden, was er gestern oder vor Jahren nicht war: das hebt er mit mehr oder minderer Leichtigkeit aus seiner Erinnerung wieder hervor und empfindet besonders dann recht lebhaft, welche Veränderungen in ihm selbst vorgegangen sind, wenn er das Abrollen eines fremden Lebens vor Augen hat.

Schauen Wir daher in das Treiben hinein, welches Unsere Vorältern verführten.

1. Die Alten.

Da das Herkommen einmal Unseren vorchristlichen Ahnen den Namen der „Alten" beigelegt hat, so wollen Wir es ihnen nicht vorrücken, daß sie gegen Uns erfahrene Leute eigentlich die Kinder heißen müßten, und sie lieber nach wie vor als Unsere guten Alten ehren. Wie aber sind sie dazu gekommen zu veralten, und wer konnte sie durch seine vorgebliche Neuheit verdrängen?

Stirner, der Einzige.

Wir kennen den revolutionären Neuerer und respectlosen Erben wohl, der selbst den Sabbath der Väter entheiligte, um seinen Sonntag zu heiligen, und die Zeit in ihrem Laufe unterbrach, um bei sich mit einer neuen Zeitrechnung zu beginnen: Wir kennen ihn und wissen's, daß es der — Christ ist. Bleibt er aber ewig jung und ist er heute noch der neue, oder wird auch er antiquirt werden, wie er die Alten" antiquirt hat?

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Es werden die Alten wohl selbst den Jungen erzeugt haben, der sie hinaustrug. Belauschen Wir denn diesen Zeugungsact.

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„Den Alten war die Welt eine Wahrheit," sagt Feuerbach, aber er vergißt den wichtigen Zusaß zu machen: eine Wahrheit, hinter deren Unwahrheit sie zu kommen suchten, und endlich wirklich kamen. Was mit jenen Feuerbachschen Worten gesagt sein soll, wird man leicht erkennen, wenn man sie mit dem christlichen Saze von der Eitelkeit und Vergänglichkeit der Welt“ zusammenhält. Wie der Christ nämlich sich niemals von der Eitelkeit des göttlichen Wortes überzeugen kann, sondern an die ewige und unerschütterliche Wahrheit desselben glaubt, die, je mehr in ihren Tiefen geforscht werde, nur um so glänzender an den Tag kommen und triumphiren müsse: so lebten die Alten ihrerseits in dem Gefühle, daß die Welt und weltliche Verhältnisse (z. B. die natürlichen Blutsbande) das Wahre seien, vor dem ihr ohnmächtiges Ich sich beugen müsse. Gerade dasjenige, worauf die Alten den größten Werth legten, wird von den Christen als das Werthlose verworfen, und was jene als das Wahre erkannten, brandmarken diese als eitle Lüge: die hohe Bedeutung des Vaterlandes verschwindet, und der Christ muß sich für einen „Fremdling auf Erden" ansehen *), die Heiligkeit der Todtenbestattung, aus der ein Kunstwerk wie die sophokleische Antigone entsprang, wird als eine Erbärmlichkeit bezeichnet („Laß die Todten ihre Todten begraben"), die unverbrüchliche Wahrheit der Familienbande wird als eine Unwahrheit dargestellt, von der man nicht zeitig genug sich losmachen könne **), und so in Allem. Sieht man nun ein, daß beiden Theilen das Umgekehrte für

*) Hebräer 11, 13. **) Marc. 10, 29.

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