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Nun muß man jedoch nicht glauben, die Alten seien ge= dankenlos gewesen, wie man ja auch den geistigsten Menschen sich nicht so vorstellen darf, als könnte er leblos sein. Vielmehr hatten sie über alles, über die Welt, den Menschen, die Götter u. s. w. ihre Gedanken, und bewiesen sich eifrig thätig, alles dies sich zum Bewußtsein zu bringen. Allein den Gedanken kannten sie nicht, wenn sie auch an allerlei dachten und sich mit ihren Gedanken plagten". Man vergleiche ihnen gegenüber den christlichen Spruch: „Meine Gedanken sind nicht Eure Gedanken, und so viel der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch Meine Gedanken höher, denn Eure Gedanken," und erinnere sich dessen, was oben über Unsere. Kindergedanken gesagt wurde.

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Was sucht also das Alterthum? Den wahren Lebensgenuß, Genuß des Lebens! Am Ende wird es auf das „wahre Leben“ hinauskommen.

Der griechische Dichter Simonides singt: „Gesundheit ist das edelste Gut dem sterblichen Menschen, das nächste nach diesem ist Schönheit, das dritte Reichthum ohne Tücke erlanget, das vierte geselliger Freuden Genuß in junger Freunde Gesellschaft." Das sind alles Lebensgüter, Lebensfreuden. Wonach anders suchte Diogenes von Sinope, als nach dem wahren Lebensgenuß, den er in der möglichst geringen Bedürftigkeit entdeckte? Wonach anders Aristipp, der ihn im heiteren Muthe unter allen Lagen fand? Sie suchen den heitern, ungetrübten Lebensmuth, die Heiterkeit, sie suchen guter Dinge zu sein“.

Die Stoiker wollen den Weisen verwirklichen, den Mann der Lebensweisheit, den Mann, der zu leben weiß, also ein weises Leben; sie finden ihn in der Verachtung der Welt, in einem Leben ohne Lebensentwickelung, ohne Ausbreitung, ohne freundliches Vernehmen mit der Welt, d. h. im isolirten Leben, im Leben als Leben, nicht im Mitleben: nur der Stoiker lebt, alles Andere ist für ihn todt. Umgekehrt verlangen die Epikuräer ein bewegliches Leben.

Die Alten verlangen, da sie guter Dinge sein wollen, nach Wohlleben (die Juden besonders nach einem langen, mit Kindern und Gütern gesegneten Leben), nach der Eudämonie, dem Wohlsein

in den verschiedensten Formen. Demokrit z. B. rühmt als solches die „Gemüthsruhe“, in der sich's „sanft lebe, ohne Furcht und ohne Aufregung“.

Er meint also, mit ihr fahre er am besten, bereite sich das beste Loos und komme am besten durch die Welt. Da er aber von der Welt nicht loskommen kann, und zwar gerade aus dem Grunde es nicht kann, weil seine ganze Thätigkeit in dem Bemühen aufgeht, von ihr loszukommen, also im Abstoßen der Welt (wozu doch nothwendig die abstoßbare und abgestoßene bestehen bleiben muß, widrigenfalls nichts mehr abzustoßen wäre): so erreicht er höchstens einen äußersten Grad der Befreiung, und unterscheidet sich von den weniger Befreiten nur dem Grade nach. Käme er selbst bis zur irdischen Sinnenertödtung, die nur noch das eintönige Wispern des Wortes Brahm" zuläßt, er unterschiede sich dennoch nicht wesentlich vom sinnlichen Menschen.

Selbst die stoische Haltung und Mannestugend läuft nur darauf hinaus, daß man sich gegen die Welt zu erhalten und zu behaupten habe, und die Ethik der Stoiker (ihre einzige Wissenschaft, da sie nichts von dem Geiste auszusagen wußten, als wie er sich zur Welt verhalten solle, und von der Natur [Physik] nur dies, daß der Weise sich gegen sie zu behaupten habe) ist nicht eine Lehre des Geistes, sondern nur eine Lehre der Weltabstoßung und Selbstbehauptung gegen die Welt. Und diese besteht in der „Unerschütterlichkeit und dem Gleichmuthe des Lebens", also in der ausdrücklichsten Römertugend.

Weiter als zu dieser Lebensweisheit brachten es auch die Römer nicht (Horaz, Cicero u. s. w.).

Das Wohlergehen (Hedone) der Epikuräer ist dieselbe Lebensweisheit wie die der Stoiker, nur listiger, betrügerischer. Sie lehren nur ein anderes Verhalten gegen die Welt, ermahnen nur eine kluge Haltung gegen die Welt sich zu geben: die Welt muß betrogen werden, denn sie ist meine Feindin.

Vollständig wird der Bruch mit der Welt von den Skeptikern vollführt. Meine ganze Beziehung zur Welt ist „werth- und wahrheitslos“. Timon sagt: „die Empfindungen und Gedanken, welche wir aus der Welt schöpfen, enthalten keine Wahrheit.“ „Was ist

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Wahrheit!" ruft Pilatus aus. Die Welt ist nach Pyrrhon's Lehre weder gut noch schlecht, weder schön noch häßlich u. s. w., sondern dies sind Prädicate, welche Ich ihr gebe. Timon sagt: „An sich sei weder etwas gut noch sei es schlecht, sondern der Mensch denke sich's nur so oder so;“ der Welt gegenüber bleibe nur die Ataraxie (die Ungerührtheit) und Aphasie (das Verstummen oder mit andern Worten: die isolirte Innerlichkeit) übrig. In der Welt sei „keine Wahrheit mehr zu erkennen“, die Dinge widersprechen fich, die Gedanken über die Dinge seien unterschiedslos (gut und schlecht seien einerlei, so daß, was der Eine gut nennt, ein Anderer schlecht findet); da sei es mit der Erkenntniß der „Wahrheit“ aus, und nur der erkenntnißlose Mensch, der Mensch, welcher an der Welt nichts zu erkennen findet, bleibe übrig, und dieser Mensch lasse die wahrheitsleere Welt eben stehen und mache sich nichts aus ihr.

So wird das Alterthum mit der Welt der Dinge, der Weltordnung, dem Weltganzen fertig; zur Weltordnung oder den Dingen dieser Welt gehört aber nicht etwa nur die Natur, sondern alle Verhältnisse, in welche der Mensch durch die Natur sich gestellt sieht, z. B. die Familie, das Gemeinwesen, kurz die sogenannten „natürlichen Bande". Mit der Welt des Geistes beginnt dann das Christenthum. Der Mensch, welcher der Welt noch gewappnet gegenüber steht, ist der Alte, der Heide (wozu auch der Jude als Nichtchrist gehört); der Mensch, welchen nichts mehr leitet als seine „Herzenslust“, seine Theilnahme, Mitgefühl, sein Geist, ist der Neue, der - Christ.

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Da die Alten auf die Weltüberwindung hinarbeiteten und den Menschen von den schweren umstrickenden Banden des Zusammenhanges mit Anderem zu erlösen strebten, so kamen sie auch zuletzt zur Auflösung des Staates und Bevorzugung alles Privaten. Gemeinwesen, Familie u. s. w. sind ja als natürliche Verhältnisse lästige Hemmungen, die meine geistige Freiheit schmälern.

2. Die Neuen.

„Ist jemand in Christo, so ist er eine neue Creatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“ *)

Wurde oben gesagt: „den Alten war die Welt eine Wahrheit,“ so müssen Wir hier sagen: „den Neuen war der Geist eine Wahrheit," dürfen aber, wie dort, so hier den Zusaß nicht auslassen: eine Wahrheit, hinter deren Unwahrheit sie zu kommen suchten und endlich wirklich kommen.

Ein ähnlicher Gang, wie das Alterthum ihn genommen, läßt sich auch am Christenthum nachweisen, indem bis in die die Reformation vorbereitende Zeit hinein der Verstand unter der Herrschaft der christlichen Dogmen gefangen gehalten wurde, im vorreformatorischen Jahrhundert aber sophistisch sich erhob und mit allen Glaubenssäßen ein kezerisches Spiel trieb. Dabei hieß es denn, zumal in Italien und am römischen Hofe: wenn nur das Herz christlich gesinnt bleibt, so mag der Verstand immerhin seine Lust genießen.

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Man war längst vor der Reformation so sehr an spitfindiges Gezänk“ gewöhnt, daß der Papst und die Meisten auch Luther's Auftreten anfänglich für ein bloßes „Mönchsgezänk“ ansahen. Der Humanismus entspricht der Sophistik, und wie zur Zeit der Sophisten das griechische Leben in höchster Blüthe stand (Perikleisches Zeitalter), so geschah das Glänzendste zur Zeit des Humanismus, oder, wie man vielleicht auch sagen könnte, des Macchiavellismus (Buchdruckerkunst, Neue Welt u. s. w.). Das Herz war in dieser Zeit noch weit davon entfernt, des christlichen Inhalts sich entledigen zu wollen.

Aber die Reformation machte endlich, wie Sokrates, mit dem Herzen selber Ernst, und seitdem sind die Herzen zusehends unchristlicher geworden. Indem man mit Luther anfing, sich die Sache zu Herzen zu nehmen, mußte dieser Schritt der Reformation dahin führen, daß auch das Herz von der schweren Last der Christ

*) 2. Cor. 5, 17.

lichkeit erleichtert wird. Das Herz, von Tag zu Tag unchristlicher, verliert den Inhalt, mit welchem es sich beschäftigt, bis zuleßt ihm nichts als die leere Herzlichkeit übrig bleibt, die ganz allge= meine Menschenliebe, die Liebe des Menschen, das Freiheitsbewußtsein, das „Selbstbewußtsein“.

So erst ist das Christenthum vollendet, weil es kahl, abgestorben und inhaltsleer geworden ist. Es giebt nun keinen Inhalt mehr, gegen welchen das Herz sich nicht auflehnte, es sei denn, daß es unbewußt oder ohne „Selbstbewußtsein“ von ihm beschlichen würde. Das Herz kritisirt alles, was sich eindrängen will, mit schonungsloser Unbarmherzigkeit zu Tode, und ist keiner Freundschaft, feiner Liebe (außer eben unbewußt oder überrumpelt) fähig. Was gäbe es auch an den Menschen zu lieben, da sie allesammt „Egoisten“ sind, keiner der Mensch als solcher, d. h. keiner nur Geist. Der Christ liebt nur den Geist; wo wäre aber Einer, der wirklich nichts als Geist wäre?

Den leibhaftigen Menschen mit Haut und Haaren lieb zu haben, das wäre ja keine „geistige“ Herzlichkeit mehr, wäre ein Verrath an der „reinen“ Herzlichkeit, dem „theoretischen Interesse“. Denn man stelle sich die reine Herzlichkeit nur nicht vor wie jene Gemüthlichkeit, die Jedermann freundlich die Hand drückt; im Gegentheil, die reine Herzlichkeit ist gegen Niemand herzlich, sie ist nur theoretische Theilnahme, Antheil am Menschen als Menschen, nicht als Person. Die Person ist ihr widerlich, weil sie „egoistisch“, weil sie nicht der Mensch, diese Idee, ist. Nur für die Idee aber giebt es ein theoretisches Interesse. Für die reine Herzlichkeit oder die reine Theorie sind die Menschen nur da, um kritisirt, verhöhnt und gründlichst verachtet zu werden: sie sind für sie nicht minder, als für den fanatischen Pfaffen, nur „Dreck“ und sonst dergleichen Sauberes.

Auf diese äußerste Spize interesseloser Herzlichkeit getrieben, müssen Wir endlich inne werden, daß der Geist, welchen der Christ allein liebt, nichts ist, oder daß der Geist eine - Lüge ist.

Was hier gedrängt und wohl noch unverständlich hingeworfen wurde, wird sich im weitern Verlauf hoffentlich aufklären.

Nehmen wir die von den Alten hinterlassene Erbschaft auf

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