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hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen an's Licht gebracht durch das Evangelium.“*) „Unvergänglichkeit“, Stabilität.

Der Sittliche will das Gute, das Rechte, und wenn er die Mittel ergreift, welche zu diesem Ziele führen, wirklich führen, so sind diese Mittel nicht seine Mittel, sondern die des Guten, Rechten u. s. w. selbst. Unsittlich sind diese Mittel niemals, weil der gute Zweck selbst sich durch sie vermittelt: der Zweck heiligt die Mittel. Diesen Grundsah nennt man jesuitisch, er ist aber durchaus sittlich". Der Sittliche handelt im Dienste eines Zweckes oder einer Idee: er macht sich zum Werkzeuge der Idee des Guten, wie der Fromme ein Werk- oder Rüstzeug Gottes zu sein sich zum Ruhme anrechnet. Den Tod abzuwarten, heischt das sittliche Gebot als das Gute; ihn sich selbst zu geben, ist unsittlich und böse: der Selbstmord findet keine Entschuldigung vor dem Richterstuhle der Sittlichkeit. Verbietet der Religiöse ihn, weil du dir das Leben nicht gegeben hast, sondern Gott, der es dir auch allein wieder nehmen kann“ (als ob, auch in dieser Vorstellung gesprochen, Mir's Gott nicht ebensowohl nähme, wenn ich mich tödte, als wenn Mich ein Dachziegel oder eine feindliche Kugel umwirft: er hätte ja den Todesentschluß auch in mir geweckt!): so verbietet der Sittliche ihn, weil Ich mein Leben dem Vaterlande u. s. w. schulde, weil ich nicht wisse, ob ich durch mein Leben nicht noch Gutes wirken könne.“ Natürlich, es verliert ja das Gute an mir ein Werkzeug, wie Gott ein Rüstzeug. Bin ich unsittlich, so ist dem Guten mit meiner Besserung gedient, bin Ich „gottlos“, so hat Gott Freude an meiner Bußfertigkeit. Selbstmord ist also sowohl gottlos als ruchlos. Wenn einer, dessen Standpunkt die Religiosität ist, sich das Leben nimmt, so handelt er gottvergessen; ist aber der Standpunkt des Selbstmörders die Sittlichkeit, so handelt er pflichtver= gessen, unfittlich. Man quälte sich viel mit der Frage, ob Emilie Galotti's Tod vor der Sittlichkeit sich rechtfertigen lasse (man nimmt ihn, als wäre er Selbstmord, was er der Sache nach auch ist). Daß sie in die Keuschheit, dies sittliche Gut, so vernarrt ist, um

*) 2. Tim. 1, 10.

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selbst ihr Leben dafür zu lassen, ist jedenfalls sittlich; daß sie aber sich die Gewalt über ihr Blut nicht zutraut, ist wieder unsittlich. Solche Widersprüche bilden in dem sittlichen Trauerspiele den tragischen Conflict überhaupt, und man muß sittlich denken und fühlen, um daran ein Interesse nehmen zu können.

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Was von der Frömmigkeit und Sittlichkeit gilt, wird nothwendig auch die Menschlichkeit treffen, weil man dem Menschen, der Menschheit oder Gattung gleichfalls sein Leben schuldig ist. Nur wenn ich keinem Wesen verpflichtet bin, ist die Erhaltung des Lebens - meine Sache. Ein Sprung von dieser Brücke macht Mich frei!" Sind Wir aber jenem Wesen, das Wir in Uns lebendig machen. sollen, die Erhaltung unseres Lebens schuldig, so ist es nicht weniger unsere Pflicht, dieses Leben nicht nach unserer Lust zu führen, sondern es jenem Wesen gemäß zu gestalten. All mein Fühlen, Denken und Wollen, all mein Thun und Trachten gehört ihm.

Was jenem Wesen gemäß sei, ergiebt sich aus dem Begriffe deffelben, und wie verschieden ist dieser Begriff begriffen oder wie verschieden ist jenes Wesen vorgestellt worden! Welche Forderungen macht das höchste Wesen an den Muhamedaner, und welch' andere glaubt wieder der Christ von ihm zu vernehmen; wie abweichend muß daher beider Lebensgestaltung ausfallen! Nur dies halten Alle fest, daß das höchste Wesen unser Leben zu richten habe.

Doch an den Frommen, die in Gott ihren Richter und in seinem Wort einen Leitfaden für ihr Leben haben, gehe Ich überall nur erinnerungsweise vorüber, weil sie einer verlebten Entwicklungsperiode angehören und als Versteinerungen immerhin auf ihrem firen Plaze bleiben mögen; in unserer Zeit haben nicht mehr die Frommen, sondern die Liberalen das große Wort, und die Frömmigkeit selbst kann sich dessen nicht erwehren, mit liberalem Teint ihr blasses Gesicht zu röthen. Die Liberalen aber verehren nicht in Gott ihren Richter und wickeln ihr Leben nicht am Leitfaden des göttlichen Wortes ab, sondern richten sich nach dem Menschen: nicht „göttlich“, sondern „menschlich“ wollen sie sein und leben.

Der Mensch ist des Liberalen höchstes Wesen, der Mensch seines Lebens Richter, die Menschlichkeit sein Leitfaden oder Katechismus. Gott ist Geist, aber der Mensch ist der „vollkommenste Geist“,

das endliche Resultat der langen Geistesjagd oder der „Forschung in den Tiefen der Gottheit," d. h. in den Tiefen des Geistes.

Jeder deiner Züge soll menschlich sein; Du selbst sollst es vom Wirbel bis zur Zehe, im Innern wie im Aeußern sein: denn die Menschlichkeit ist dein Beruf.

Beruf Bestimmung Aufgabe!

Was Einer werden kann, das wird er auch. Ein geborener Dichter mag wohl durch die Ungunst der Umstände gehindert werden, auf der Höhe der Zeit zu stehen und nach den dazu unerläßlichen großen Studien ausgebildete Kunstwerke zu schaffen; aber dichten wird er, er sei Ackerknecht oder so glücklich, am Weimarschen Hofe zu leben. Ein geborener Musiker wird Musik treiben, gleichviel ob auf allen Instrumenten oder nur auf einem Haferrohr. Ein geborener philosophischer Kopf kann sich als Universitätsphilosoph oder als Dorfphilosoph bewähren. Endlich ein geborener Dummerjan, der, was sich sehr wohl damit verträgt, zugleich ein Pfiffikus sein kann, wird, wie wahrscheinlich Jeder, der Schulen besucht hat, an manchen Beispielen von Mitschülern sich zu vergegenwärtigen im Stande ist, immer ein vernagelter Kopf bleiben, er möge nun zu einem Büreauchef Ko'y "einexercirt und dressirt worden sein, oder demselben Chef als Stiefelpußer dienen. Ja die geborenen beschränkten Köpfe bilden unstreitig die zahlreichste Menschenklasse. Warum sollten auch in der Menschengattung nicht dieselben Unterschiede hervortreten, welche in jeder Thiergattung unverkennbar sind? Ueberall finden sich Begabtere und minder Begabte.

Bildung

So blödsinnig sind indeß nur Wenige, daß man ihnen nicht Ideen beibringen könnte. Daher hält man gewöhnlich alle Menschen für fähig, Religion zu haben. In einem gewissen Grade sind sie auch zu andern Ideen noch abzurichten, z. B. zu einigem musikalischen Verständniß, selbst etwas Philosophie u. s. w. Hier knüpft denn das Pfaffenthum der Religion, der Sittlichkeit, der Bildung, der Wissenschaft u. s. w. an, und die Communisten z. B. wollen durch ihre „Volksschule“ Allen Alles zugänglich machen. Eine gewöhnliche Behauptung wird gehört, daß diese große Masse" ohne Religion nicht auskommen könne; die Communisten erweitern sie zu dem Saße, daß nicht nur die „große Masse“, sondern schlechthin Alle zu Allem berufen seien.

Nicht genug, daß man die große Masse zur Religion abgerichtet hat, nun soll sie gar mit „allem Menschlichen“ sich noch befassen müssen. Die Dressur wird immer allgemeiner und umfassender.

Ihr armen Wesen, die Ihr so glücklich leben könntet, wenn Ihr nach eurem Sinne Sprünge machen dürftet, Ihr sollt nach der Pfeife der Schulmeister und Bärenführer tanzen, um Kunststücke zu machen, zu denen Ihr selbst Euch nimmermehr gebrauchen würdet. Und Ihr schlagt nicht endlich einmal dagegen aus, daß man Euch immer anders nimmt, als Ihr Euch geben wollt. Nein, Ihr sprecht Euch die vorgesprochene Frage mechanisch selber vor: „Wozu bin Ich berufen? Was soll Ich?" So braucht Ihr nur zu fragen, um Euch sagen und befehlen zu lassen, was Ihr sollt, euren Beruf Euch vorzeichnen zu lassen, oder auch es Euch selbst nach der Vorschrift des Geistes zu befehlen und aufzuerlegen. Da heißt es denn in Bezug auf den Willen: Ich will, was Ich soll.

Ein Mensch ist zu nichts „berufen“ und hat keine „Aufgabe“, keine „Bestimmung“, so wenig als eine Pflanze oder ein Thier einen „Beruf“ hat. Die Blume folgt nicht dem Berufe, sich zu vollenden, aber sie wendet alle ihre Kräfte auf, die Welt, so gut sie kann, zu genießen und zu verzehren, d. h. sie saugt so viel Säfte der Erde, so viel Luft des Aethers, so viel Licht der Sonne ein, als sie bekommen und beherbergen kann. Der Vogel lebt keinem Berufe nach, aber er gebraucht seine Kräfte so viel es geht: er hascht Käfer und singt nach Herzenslust. Der Blume und des Vogels Kräfte sind aber im Vergleich zu denen eines Menschen gering, und viel gewaltiger wird ein Mensch, der seine Kräfte anwendet, in die Welt eingreifen als Blume und Thier. Einen Beruf hat er nicht, aber er hat Kräfte, die sich äußern, wo sie sind, weil ihr Sein ja einzig in ihrer Aeußerung besteht und so wenig unthätig verharren können als das Leben, das, wenn es auch nur eine Secunde „stille stände“, nicht mehr Leben wäre. Nun könnte man dem Menschen zurufen: gebrauche deine Kraft. Imperativ würde der Sinn gelegt Aufgabe, seine Kraft zu gebrauchen. vielmehr wirklich Jeder seine Kraft, anzusehen: es gebraucht Jeder in jedem Augenblicke so viel Kraft,

Stirner, der Einzige.

Doch in diesen

werden, es sei

des Menschen

So ist es nicht.

Es gebraucht

ohne dies erst für seinen Beruf

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als er besigt. Man sagt wohl von einem Besiegten, er hätte seine Kraft mehr anspannen sollen; allein man vergißt, daß, wenn er im Augenblicke des Erliegens die Kraft gehabt hätte, seine Kräfte (z. B. Leibeskräfte) anzuspannen, er es nicht unterlassen haben würde: war es auch nur die Muthlosigkeit einer Minute, so war dies doch eine minutenlange - Kraftlosigkeit. Die Kräfte lassen sich allerdings schärfen und vervielfältigen, besonders durch feindlichen Widerstand oder befreundeten Beistand; aber wo man ihre Anwendung vermißt, da kann man auch ihrer Abwesenheit gewiß sein. Man kann aus einem Steine Feuer schlagen, aber ohne den Schlag kommt keines heraus; in gleicher Art bedarf auch ein Mensch des „Anstoßes“.

Darum nun, weil Kräfte sich stets von selbst werkthätig erweisen, wäre das Gebot, sie zu gebrauchen, überflüssig und sinnlos. Seine Kräfte zu gebrauchen ist nicht der Beruf und die Aufgabe des Menschen, sondern es ist seine allezeit wirkliche, vorhandene That. Kraft ist nur ein einfacheres Wort für Kraftäußerung.

Wie nun diese Rose von vorn herein wahre Rose, diese Nachtigall stets wahre Nachtigall ist, so bin Ich nicht erst wahrer Mensch, wenn Ich meinen Beruf erfülle, meiner Bestimmung nachlebe, sondern Ich bin von Haus „wahrer Mensch“. Mein erstes Lallen ist das Lebenszeichen eines „wahren Menschen“, meine Lebenskämpfe seine Kraftergüsse, mein leßter Athemzug das lezte Kraftaushauchen „des Menschen".

Nicht in der Zukunft, ein Gegenstand der Sehnsucht, liegt der wahre Mensch, sondern daseiend und wirklich liegt er in der Gegenwart. Wie und wer Ich auch sei, freudvoll und leidvoll, ein Kind oder ein Greis, in Zuversicht oder Zweifel, im Schlaf oder im Wachen, Ich bin es, Ich bin der wahre Mensch.

Bin Ich aber der Mensch und habe Ich ihn, den die religiöse Menschheit als fernes Ziel bezeichnete, wirklich in Mir gefunden, so ist auch alles „wahrhaft Menschliche“ mein eigen. Was man der Idee der Menschheit zuschrieb, das gehört Mir. Jene Handelsfreiheit z. B., welche die Menschheit erst erreichen soll, und die man wie einen bezaubernden Traum in ihre goldene Zukunft versezt, Ich nehme sie Mir als mein Eigenthum vorweg und treibe sie einstweilen in der Form des Schmuggels. Freilich möchten nur

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