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Fürstengewalt u. s. w.), so rütteln die Aufgeklärten mit, und nur die Altgläubigen jammern. Rüttelt man aber an der Wahrheit selbst, so hat man gleich beide als Gläubige zu Gegnern. So mit Sittlichkeiten: die Strenggläubigen sind unnachsichtig, die helleren Köpfe sind toleranter. Aber wer die Sittlichkeit selbst angreift, der bekommt's mit beiden zu thun. „Wahrheit, Sittlichkeit, Recht, Licht u. s. w." sollen „heilig" sein und bleiben. Was man am Christenthum zu tadeln findet, das soll nach der Ansicht dieser Aufgeklärten eben „unchristlich“ sein; das Christenthum aber muß das "Feste" bleiben, an ihm zu rütteln ist frevelhaft, ist ein „Frevel“. Allerdings seßt sich der Kezer gegen den reinen Glauben nicht mehr der früheren Verfolgungswuth aus, desto mehr aber gilt es jezt dem Kezer gegen die reine Sitte.

Die Frömmigkeit hat seit einem Jahrhundert so viele Stöße erfahren und ihr übermenschliches Wesen so oft ein „unmenschliches“ schelten hören müssen, daß man sich nicht versucht fühlen kann, noch einmal sich gegen sie auszulegen. Und doch sind fast immer nur sittliche Gegner auf der Mensur erschienen, um das höchste Wesen anzufechten zu Gunsten eines andern höchsten Wesens. So sagt Proudhon ungescheut *): „Der Mensch ist bestimmt, ohne Religion zu leben, aber das Sittengeset (la loi morale) ist ewig und absolut. Wer würde es heute wagen, die Moral anzugreifen?" Die Sittlichen schöpften das beste Fett von der Religion ab, genossen es selbst und haben nun ihre liebe Noth, die daraus entstandene Drüsenkrankheit loszuwerden. Wenn Wir deshalb darauf hinweisen, daß die Religion noch bei weitem nicht in ihrem Innersten verlegt wird, so lange man ihr nur ihr übermenschliches Wesen zum Vorwurfe macht, und daß sie in letter Instanz allein an den „Geist“ appellirt (denn Gott ist Geist), so haben Wir ihre endliche Eintracht mit der Sittlichkeit genugsam angedeutet, und können ihren hartnäckigen Streit mit derselben hinter Uns liegen lassen. Um ein höchstes Wesen handelt es sich bei beiden, und ob dasselbe ein übermensch

*) De la création de l'ordre etc., pag. 36. Stirner, der Einzige.

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liches oder ein menschliches sei, das kann Mir, da es jedenfalls ein Wesen über Mir, gleichsam ein übermeiniges ist, nur wenig_ver= schlagen. Zulegt wird das Verhalten zum menschlichen Wesen oder zum „Menschen“, hat es nur erst die Schlangenhaut der alten Religion abgestreift, doch wieder eine religiöse Schlangenhaut tragen.

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So belehrt uns Feuerbach, daß, wenn man die speculative Philosophie nur umkehre, d. h. immer das Prädicat zum Subject, und so das Subject zum Object und Princip mache, man die unverhüllte, die pure, blanke Wahrheit habe" *). Damit verlieren Wir allerdings den beschränkten religiösen Standpunkt, verlieren den Gott, der auf diesem Standpunkte Subject ist; allein Wir tauschen dafür die andere Seite des religiösen Standpunktes, den sittlichen ein. Wir sagen z. B. nicht mehr: Gott ist die Liebe", sondern „die Liebe ist göttlich". Seßen wir noch an die Stelle des Prädicats „göttlich“ das gleichbedeutende „heilig“, so kehrt der Sache nach alles Alte wieder zurück. Die Liebe soll darnach das Gute am Menschen sein, seine Göttlichkeit, das was ihm Ehre macht, seine wahre Menschlichkeit (sie „macht ihn erst zum Menschen“, macht erst einen Menschen aus ihm). So wäre es denn genauer gesprochen so: Die Liebe ist das Menschliche am Menschen, und das Unmenschliche ist der lieblose Egoist. Aber gerade alles dasjenige, was das Christenthum und mit ihm die speculative Philosophie, d. h. Theologie als das Gute, das Absolute offerirt, ist in der Eigenheit eben nicht das Gute (oder, was dasselbe sagt, es ist nur das Gute), mithin würde durch die Verwandlung des Prädicats in das Subject das christliche Wesen (und das Prädicat enthält ja eben das Wesen) nur noch drückender firirt. Der Gott und das Göttliche verflöchte sich um so unauflöslicher mit Mir. Den Gott aus seinem Himmel zu vertreiben und der „Transscendenz zu berauben, das kann noch keinen Anspruch auf vollkommene Besiegung begründen, wenn er dabei nur in die Menschenbrust gejagt und mit unvertilgbarer Immanenz beschenkt wird. Nun heißt es: Das Göttliche ist das wahrhaft Menschliche!

Dieselben Leute, welche dem Christenthum als der Grundlage

*) Anekdota II, 64.

des Staates, d. h. dem sogenannten christlichen Staate widerstreben, werden nicht müde zu wiederholen, daß die Sittlichkeit der Grundpfeiler des gesellschaftlichen Lebens und des Staates" sei. Als ob nicht die Herrschaft der Sittlichkeit eine vollkommene Herrschaft des Heiligen, eine „Hierarchie“ wäre.

So kann hier beiläufig der aufklärenden Richtung gedacht werden, die, nachdem die Theologen lange darauf bestanden hatten, nur der Glaube sei fähig, die Religionswahrheiten zu fassen, nur den Gläubigen offenbare sich Gott u. s. w., also nur das Herz, Gefühl, die gläubige Phantasie sei religiös, mit der Behauptung hervorbrach, daß auch der natürliche Verstand", die menschliche Vernunft fähig sei, Gott zu erkennen. Was heißt das anders, als daß auch die Vernunft darauf Anspruch machte, dieselbe Phantastin zu sein wie die Phantasie. In diesem Sinne schrieb Reimarus seine „Vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion“. Es mußte dahin kommen, daß der ganze Mensch mit allen seinen Fähigkeiten sich als religiös erwies; Herz und Gemüth, Verstand und Vernunft, Fühlen, Wissen und Wollen, kurz Alles am Menschen erschien religiös. Hegel hat gezeigt, daß selbst die Philosophie religiös sei. Und was wird heutiges Tages nicht Alles Religion genannt? Die „Religion der Liebe“, die „Religion der Freiheit“, die „politische Religion“, kurz jeder Enthusiasmus. So ist's auch in der That.

Noch heute brauchen Wir das welsche Wort „Religion", welches den Begriff der Gebundenheit ausdrückt. Gebunden bleiben Wir allerdings, soweit die Religion unser Inneres einnimmt; aber ist auch der Geist gebunden? Im Gegentheil, der ist frei, ist alleiniger Herr, ist nicht Unser Geist, sondern absolut. Darum wäre die richtige affirmative Uebersehung des Wortes Religion die Geistesfreiheit"! Bei wem der Geist frei ist, der ist gerade in derselben Weise religiös, wie derjenige ein sinnlicher Mensch heißt, bei welchem die Sinne freien Lauf haben. Jenen bindet der Geist, diesen die Lüste. Gebundenheit oder religio ist also die Religion in Beziehung auf Mich: Ich bin gebunden; Freiheit in Beziehung auf den Geist: der Geist ist frei oder hat Geistesfreiheit. Wie übel es Uns bekommt, wenn frei und zügellos die

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Lüste mit Uns durchgehen, davon wird Mancher die Erfahrung gemacht haben; daß aber der freie Geist, die herrliche Geistigkeit, der Enthusiasmus für geistige Interessen, oder wie immer in den verschiedensten Wendungen dies Juwel benannt werden mag, Uns noch ärger in die Klemme bringt, als selbst die wildeste Ungezogenheit, das will man nicht merken, und kann es auch nicht merken, ohne bewußter Weise ein Egoist zu sein.

Reimarus und Alle, welche gezeigt haben, daß auch Unsere Vernunft, Unser Herz u. s. w. auf Gott führe, haben damit eben gezeigt, daß Wir durch und durch besessen sind. Freilich ärgerten sie die Theologen, denen sie das Privilegium der religiösen Erhebung nahmen, aber der Religion, der Geistesfreiheit eroberten sie dadurch nur noch mehr Terrain. Denn wenn der Geist nicht länger auf das Gefühl oder den Glauben beschränkt ist, sondern auch als Verstand, Vernunft und Denken überhaupt sich, dem Geiste, angehört, also auch in der Form des Verstandes u. s. w., an den geistigen und himmlischen Wahrheiten Theil nehmen darf, dann ist der ganze Geist nur mit Geistigem, d. h. mit sich beschäftigt, also frei. Jezt sind Wir so durch und durch religiös, daß „Geschworene“ Uns zum Tode verdammen, und jeder Polizeidiener als guter Christ durch „Amtseid" Uns ins Loch bringt.

Die Sittlichkeit konnte erst von da ab gegen die Frömmigkeit in einen Gegensaß treten, wo überhaupt der brausende Haß wider alles, was einem „Befehle“ (Ordonnanz, Gebote u. s. w.) ähnlich sah, sich revoltirend Luft machte, und der persönliche „absolute Herr“ verhöhnt und verfolgt wurde: sie konnte folglich zur Selbstständigkeit erst durch den Liberalismus kommen, dessen erste Form als „Bürgerthum" sich weltgeschichtliche Bedeutung verschaffte, und die eigentlich religiösen Gewalten schwächte (siehe unten „Liberalismus“). Denn das Princip der neben der Frömmigkeit nicht blos beihergehenden, sondern auf eigenen Füßen stehenden Sittlichkeit liegt nicht mehr in den göttlichen Geboten, sondern im Vernunftgeseze, von welchem jene, so weit sie noch gültig bleiben sollen, zu ihrer Gültigkeit erst die Berechtigung erwarten müssen. Im Vernunftgesehe bestimmt sich der Mensch aus sich selbst, denn „der Mensch“ ist vernünftig, und aus dem „Wesen des Menschen“ er

geben sich jene Geseze mit Nothwendigkeit. Frömmigkeit und Sittlichkeit scheiden sich darin von einander, daß jene Gott, diese den Menschen zum Gesezgeber macht.

Von einem gewissen Standpunkte der Sittlichkeit aus räsonnirt man etwa so: Entweder treibt den Menschen seine Sinnlichkeit, und er ist, ihr folgend, unsittlich, oder es treibt ihn das Gute, welches, in den Willen aufgenommen, sittliche Gesinnung (Gesinnung und Eingenommenheit für das Gute) heißt: dann beweist er sich als sittlich. Wie läßt sich von diesem Gesichtspunkte aus z. B. die That Sand's gegen Kozebue unsittlich nennen? Was man so unter uneigennüßig versteht, das war sie doch gewiß in demselben Maße als unter anderem die Diebereien des heiligen Crispin zu Gunsten der Armen. Er hätte nicht morden sollen, denn es stehet geschrieben: Du sollst nicht morden!" Also dem Guten zu dienen, dem Volkswohl, wie Sand wenigstens beabsichtigte, oder dem Wohl der Armen, wie Crispin, das ist sittlich; aber der Mord und Diebstahl ist unsittlich. Warum? „Weil der Mord, der Meuchelmord etwas absolut Böses ist." Wenn die Guerillas die Feinde des Landes in Schluchten verlockten und sie ungesehen aus den Büschen niederschossen, so war das etwa kein Meuchelmord? Ihr könntet dem Princip der Sittlichkeit nach, welches befiehlt, dem Guten zu dienen, doch nur fragen, ob der Mord nie und nimmer eine Verwirklichung des Guten sein könne, und müßtet denjenigen Mord anerkennen, der das Gute realisirte. Ihr könnt die That Sand's gar nicht verdammen: sie war sittlich, weil im Dienst des Guten, weil uneigennüßig; sie war ein Strafact, den der Einzelne vollzog, eine mit Gefahr des eigenen Lebens vollzogene - Hinrichtung. Was war am Ende sein Unterfangen anders gewesen, als daß er Schriften durch rohe Gewalt unterdrücken wollte? Kennt Ihr dasselbe Verfahren nicht als ein „geseßliches“ und sanctionirtes? Und Was läßt sich aus Eurem Princip der Sittlichkeit dagegen einwenden? „Aber es war eine widergeseßliche Hinrichtung." Also das Unsittliche daran war die Ungefeßlichkeit, der Ungehorsam gegen das Gesetz? So räumt Ihr ein, daß das Gute nichts anders ist, als das Gesez, die Sittlichkeit nichts anders als Loyalität. Es muß auch bis zu dieser Aeußerlichkeit der „Loyalität“ Eure

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