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Zueignung. Prolog. Vorspiel.

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zugefügt werden, um Faust zur Hauptperson zu machen, ihn zum Bornherein loszusprechen und die gesammte christliche Weltanschauung auf den Kopf zu stellen.

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Dem Stück wurde zunächst eine dreifache Einleitung vorangeschickt: die Zueignung", das Vorspiel auf dem Theater", der Prolog im Himmel". Es war eine sehr kluge Idee. Denn lyrische Gelegenheitsdichtung, geistreiche kleine Maskenspiele und Theaterprologe waren Göthe's stärkste Seite. Daran hatte er lange Jahre verschwendet; in diesem bunten, spielerischen Genre war er unbedingt der größte Meister, während ihm der Plan einer großen historischen Tragödie sein ganzes Leben lang nie gelingen wollte. Die Zueignung“, obwohl ursprünglich ein Verlegenheitsgedicht, schlägt so rührende Accorde an, ladet so träumerisch in ein stilles Geisterreich ein, daß sie jede poetische Seele sympathisch anmuthen muß. Darauf das kecke, muntere „Vorspiel", eine gedankensprühende kleine Dramaturgie, ganz aus dem Leben gegriffen, für Jeden verständlich, ohne höhere Anforderung an die Kunst, als zu unterhalten, und doch in dem Versprechen endigend, das ganze bunte Weltschauspiel in einem Drama zu versammeln. Im Prolog" wird dann der Stoff vollends auf die höchste Höhe gerückt, die überhaupt denkbar ist. In grandiosem Festgesang feiern die drei Erzengel Gottes Majestät, Macht und Güte. Faust bisher nur der Held einer Gretchentragödie - ist der Auserwählte, der Knecht Gottes, ein er habener Idealmensch, um den Himmel und Hölle sich streiten. Man könnte fast vergessen, daß dieser Himmel, diese Scene am Thron des Allerhöchsten ein bloßes Maskenspiel, ein bloßer coup de théâtre ist, wenn Mephistopheles der Voltaire der Geister: welt es nicht in seiner fastnachtsmäßigen Sprache verriethe. Die Behandlung des Allerheiligsten nähert sich dadurch der Blasphemie. Denn diese Sprache gehört in die Hölle, nicht in den Himmel. Durch die Wette wird dann taschenspielerisch sowohl die Heiligkeit als die Gerechtigkeit Gottes hinweggezaubert. Statt eines Job, des vorbildlichen Typus Christi, wählt der Herr zur Rechtfertigung seiner moralischen Weltordnung einen wirren, ge

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Die Wette im Himmel.

nußsüchtigen, phantastischen Schwärmer, der am Glauben wie an der Wissenschaft schon völlig Bankerott gemacht hat.

„Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt: Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne Und von der Erde jede höchste Lust,

Und alle Näh' und alle Ferne

Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.“

Einen solchen hochmüthigen Zweifler und Träumer soll die Hölle nicht überwinden können, und zwar nicht in Folge übernatürlichen Gnadenbeistandes, sondern wegen der übermäßigen Trefflichkeit einer solchen „genialen“ Natur:

„Zieh' diesen Geist von seinem Urquell ab
Und führ' ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,

Und steh' beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch, in seinem dunkeln Drange,
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt."

Diese Verse sind die entscheidenden für die ganze neue Dich-. tung. Das christliche Sittengesetz ist hiermit abgeschafft. „Der Herr" selbst erklärt, daß das Genie unsündlich und vom rechten Wege nicht abzubringen ist. Faust hat einen Freipaß für alle Sünden und Laster: seine gute Natur wird ihn durch alle hindurch in den Himmel bringen! Je dunkler und verworrener, desto besser! Gott selbst liebt die Finsterniß und das Dunkel, und sittliche Verworrenheit ist der beste Weg zu ihm!

Nach dieser feierlichen Vorbereitung erscheint der an aller Wissenschaft verzweifelnde Faust schon bedeutend großartiger. Göthe ließ den Anfang des Stückes, wie er war: Spottmonolog auf alles Wissen, Beschwörung des Erdgeistes, pantheistische Tiraden, Störung durch Wagner. Doch hier stockte das Fragment; es mußte hier ein Uebergang geschaffen werden, wenn Faust sich nicht allzuschnell als ein bankerotter Schwindler entpuppen sollte, der eben ein Mädchen verführt.

Fauft zum tragischen Genie erhoben.

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Göthe löste die Aufgabe mit bewundernswerther Geschicklichkeit. Für jeden, der keine klaren religiösen und philosophischen Ideen besitzt, ist Faust in einigen Scenen zu einem erhabenen Genie, einem Gelehrten, einer großartigen tragischen Persönlichkeit aufgebauscht, einer Art typischer Figur für das ernsteste, tiefste, wenn auch immer unbefriedigte Ringen nach Wahrheit. Diese ganze Maschinerie beruht zwar abermals auf Irrthum und Täuschung. Denn der aufrichtig nach Wahrheit ringende Genius kann nie so jämmerlich unbefriedigt bleiben, als Faust sich hier zeigt: Gott läßt ihm so viel natürliche Erkenntniß zu Theil werden, daß sie für sein natürliches Leben ausreicht, und so viel Gnade, daß er durch den Glauben demüthige Zufrieden: heit in diesem Leben, feste Zuversicht für das Jenseits findet. Alles pomphafte Gerede des Faust von Streben nach Wahrheit und Gottähnlichkeit ist deßhalb bloßer Schein und im Grunde nichts weniger als erhaben und tragisch. Diese Armseligkeit und Schwäche hat Göthe aber meisterlich zu bedecken und zu be schönigen gewußt.

Mit einem fast unerschöpflichen Aufwand der schönsten Verse und Gedanken wird aus dem an Glauben und Wissen schiffbrüchigen, wirren, hochmüthigen, abergläubischen Zweifler und Zauberer, der gewissenlos genug ist, nebenher medicinische Charlatanerie zu treiben, ein idealer Dulder gemacht, der ohne jede Schuld, ja gerade weil er das Edelste anstrebt, Gott ähnlich werden möchte, namenlos unglücklich wird und das tiefste Mitleid einflößt. Nicht wegen toller Selbstüberschätzung und Vermessenheit, sondern aus dem edelsten Trieb nach Wahrheit fällt er der entsetzlichsten Seelenqual, ja der Verzweiflung anheim. Er setzt schon die Giftphiole an den Mund, um diesem Jammer ein Ende zu machen. Die Osterglocken und das Lied der Engel, Jünger und frommen Frauen halten ihn im Leben zurück; aber den Glauben seiner Kindheit kann er nicht mehr finden. Der Osterspaziergang mit Wagner verseht ihn in neue Traurigkeit, weil er auch in seinem praktischen Leben nichts als Lüge und Täuschung zu finden glaubt. Er bringt einen schwarzen geheim

Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl.

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Die Wette auf Erden.

nißvollen Pudel mit nach Hause, der sich beim Lesen des Johannis-Evangeliums als Dämon zu erkennen gibt. Durch ma gische Künste beschworen, bietet Mephistopheles dem unbefriedigten Forscher seine Dienste an. Faust willigt ein. Ein Zauberschlaf bietet ihm die erste Probe magischer Kräfte. Faust verflucht nun sich, die Welk, Glauben, Hoffnung, Liebe. Die Dichtung ist eine Strecke weit von der ganzen Kraft der alten Volkssage angehaucht. Aber schon in dem Geisterchor, der den Fall der alten Welt be trauert, taucht der fremde, moderne Gedanke auf, eine neue Welt zu erbauen. Faust nimmt Mephistopheles in seinen Dienst, er verschreibt sich ihm, doch ohne jeden Glauben an seine Macht. Der Teufel kann ihm nichts bieten, was er sich nicht auch selbst verschaffen könnte. Um das Jenseits kümmert er sich nicht:

„Aus dieser Erde quillen meine Freuden Und diese Sonne scheinet meinen Leiden; Kann ich mich erst von ihnen scheiden,

Dann mag, was will und kann, gescheh’n.“

Spöttisch und verächtlich verpfändet er sich Mephistopheles mit der Versicherung, es werde ihm nie gelingen, ihn zu befriedigen, zur Ruhe zu bringen, am Weiterstreben zu hemmen:

„Werd' ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen, So sei es gleich um mich gethan!

Kannst du mich schmeichelnd je belägen,

Daß ich mir selbst gefallen mag;
Kannst du mich mit Genuß betrügen,

Das sei für mich der lezte Tag!
Die Wette biet' ich!"

Diese Wette ist der zweite große Angelpunkt der neuen Dichtung. Faust läßt sich die Moral wohl gefallen, die „der Herr“ im Prolog aufgestellt. Auch ihm gelten die Sittengesetze der alten Welt nicht mehr. Die einzige Forderung, die Gott an den Menschen stellt, ist, sich immer weiter zu entwickeln, immer

Die Walpurgisnacht. Gretchen im Kerker.

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weiterzustreben. Alle Sünden, alle Verbrechen können den Menschen nicht von Gott abbringen, wenn er sich nicht hier auf der Erde zur Ruhe set. Verführung der Unschuld schadet nichts, wenn man nur nicht bei der Verführten beharrt, sondern immer wieder neue Lüste und Genüsse sucht. Mord und Todtschlag haben nichts zu sagen, wenn der geniale Urheber des Mordes sich nur zeitig davonmacht und in neuen Kreisen strebend weiterwirkt.

„Wer immer strebend sich bemüht,
Den können wir erlösen."

Nachdem Göthe so alle alten beschränkten“ Sittenbegriffe bei Seite geräumt und mit dem dunkeln Phrasenthum eines ewigen Fortschritts ersetzt hatte, wagte er es nunmehr beherzt, die Gretchentragödie" als Hauptbestandtheil in sein Weltgedicht aufzunehmen. Durch den Blick in den Zauberspiegel und den Herentrant ist sie bereits in den Kreis dämonischer Magie gerückt und damit verbunden. Fausts Liebe ist kein bloßes Spiel mehr, sondern ein furchtbares Netz, in dem er sich und die Geliebte verstrickt. Die anscheinend harmlose Tändelei führt zur Schuld und zum Verbrechen. Die neu eingerückte Valentinsscene beleuchtet mit der packendsten volksthümlichen Gewalt die Niederträchtigkeit Fausts und die namenlose Schmach, zu der das unschuldsvolle, engelgleiche Gretchen herabgesunken. Faust verläßt sie jetzt, um mit Mephisto auf dem Brocken alle Orgien einer Walpurgisnacht durchzutoben. Da, mitten im wüstesten Herenreigen und Zauberspuk sieht er das gespenstische Bild der Verlassenen mit dem rothen Streifen um den Hals. Er will sie retten. In zwei gedrängten Prosascenen ist Fausts Qual und Elend mitten im Saus und Braus der Leidenschaft mit hinreißender Kraft gezeichnet. Und nun folgt die gewaltigste, ergreifendste Scene, die Göthe je geschrieben hat: die Scene im Kerker. In Gretchens wahnsinnigen Fieberträumen schildert der Dichter das Schrecklichste, was sich der directen dramatischen Darstellung entzog: den Muttermord, den Kindsmord, Gret

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