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„Entwurf einer Farbenlehre."

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ferngestanden hatte. Fünf Jahre vergingen noch nach Schillers Tod, bis das gesammte chromatische Archiv endlich wohlnummerirt gedruckt war, der erste Band unter dem Titel „Entwurf einer Farbenlehre", der zweite unter dem ebenso bescheidenen „Materialien zur Geschichte der Farbenlehre". Der erste Band ist wieder in zwei Theile geschieden, einen didaktischen und einen polemischen 1. Ton und Haltung des Werkes sind aber keineswegs so bescheiden wie der Titel. Der Widerstand der Fachmänner gegen seine eigene Theorie hatte den sonst sehr abgemessenen Hofmann so in Harnisch gebracht, daß er Newton, den großen Physiker und Astronomen, oft nahezu im Reitpeitschenstil der Genieperiode behandelt. Jezt nennt er dessen Säße „bis zum Unglaublichen unverschämt“, jetzt „baaren Unsinn“, dann wieder „eine fragenhafte Erklärungsart“, „Advokatenstreiche“, Hokuspokus“, „Taschenspielerei“, „höchst bewundernswerth für die Schüler in der Laufbank“. Eine noch seltsamere Redeblume ist es, wenn er von dem „Newtonischen siebenfarbigen Schmuße" redet oder grollend ausruft: „Aber ich sehe wohl, Lügen bedarfs und über die Maßen!" 2 Am Schlusse des ersten Bandes angelangt, fühlte er selbst den parlamentarischen Anstand arg verlegt, aber indem er sich herauszureden suchte, trat die persönliche Gereiztheit und Leidenschaftlichkeit nur von Neuem hervor:

„Wir haben mehrere Jahre erlebt und gesehen, daß es im Konflikt von Meinungen und Thaten nicht darauf ankommt, seinen Gegner zu schonen, sondern ihn zu überwinden, daß Niemand sich aus seinem Vortheil herausschmeicheln oder herauskomplimentiren läßt, sondern daß er, wenn es ja nicht anders sein kann, wenig

1 Zur Farbenlehre von Göthe. I. Bd. Tübingen, J. G. Cotta, 1810. XLVIII u. 654 S. gr. 8o. II. Bd. XXVIII u. 757 S. gr. 8o. Dazu ein Atlas mit 17 theils illum., theils schw. Kupfern und 12 S. Tert gr. 4o. (Vom ersten Band existiren Exemplare mit der Jahreszahl 1808.) - S. Göthe's Werke [Hempel]. Bd. XXXV

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u. XXXVI.

514.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XXXV. 514.

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Der optische Apfel unter den Karpfen.

stens herausgeworfen sein will. Hartnäckiger als die Newtonsche Partei hat sich kaum eine in der Geschichte der Wissenschaften. bewiesen. Sie hat manchem wahrheitsliebenden Manne das Leben verkümmert, sie hat auch mir eine frohere und vortheilhaftere Benutzung mehrerer Jahre geraubt; man verzeihe mir daher, wenn ich von ihr und ihrem Urheber alles mögliche Böse gesagt habe. Ich wünsche, daß es unsern Nachfahren zu Gute kommen möge." 1

Eine sonderbare Klage im Munde des Mannes, der die Frankfurter Recensionen, Götter, Helden und Wieland, den Satyros und die Xenien geschrieben, zahllose Leute mit Spott und Wiz verfolgt hatte und nun in das friedliche Gebiet der Optik ganz unaufgefordert und ohne alle mathematischen Vorkenntnisse eingebrochen war, mit der ausdrücklichen Absicht, Newtond. h. die durch die gesammte Fachwissenschaft vertretene, wissenschaftlich erprobte, allgemein anerkannte Farbenlehre des größten Physikers und Astronomen über den Haufen zu werfen 2. Wenn er höflich abgewiesen wurde, hatte er es sich selbst zuzuschreiben. Es war das Mildeste, was ihm begegnen konnte.

Ist schon diese persönlich gereizte, leidenschaftliche Auffassung einer wissenschaftlichen Frage als einer förmlichen Parteisache ein. höchst ungünstiges Anzeichen für den Werth der Untersuchung, so ergibt eine eingehendere Prüfung derselben wesentlich den Schluß, der seltenbegabte Dichter und Kunstliebhaber habe hier sein Bereich in höchst unvorsichtiger Weise überschritten und mit

1 Ebds. S. 526.

2 Etwas von diesem fröhlichen Leichtsinn besaß er jedenfalls noch, als er im Weinjahr 1811 an den Philologen F. A. Wolf schrieb: „Es freut mich, daß meine Farbenlehre als Zankapfel die gute Wirkung thut. Meine Gegner schmaßen daran herum wie die Karpfen an einem großen Apfel, den man ihnen in den Teich wirft. Diese Herren mögen sich geberden wie sie wollen, so bringen fie wenigstens dieses Buch nicht aus der Geschichte der Physik heraus. Mehr verlang' ich nicht; es mag übrigens, jetzt oder künftig, wirken was es kann.“ M. Bernays, Göthe's Briefe an Wolf. S. 115.

Der didaktische Theil.

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unendlichem Aufwand von Zeit, Mühe, Fleiß ein Werk geschrieben, das zu seinem Ruhme besser ungeschrieben geblieben wäre. Schon die Anordnung entspricht nicht ganz dem ruhigen Gang einer vorurtheilsfreien Forschung. Jeder, der eine solche Theorie entwickeln will, wird naturgemäß kurz den Stand der Frage erläutern, die bisherigen Lösungsversuche auseinanderseßen, das etwa Ungenügende derselben nachweisen, dann seine eigene Theorie vortragen und die Einwürfe, die sich dawieder erheben. lassen, zu lösen versuchen. Wäre Göthe ernst und besonnen, wahrhaft wissenschaftlich nach solcher Methode verfahren, so hätte er an seinem Unternehmen selbst zweifelhaft werden müssen. Sie hätte ihn auf den richtigen und vernünftigen Weg zurückgebracht. Statt dessen sucht er zuerst mit Advokatenkünsten seine „Entdeckung“ plausibel zu machen, dann Newton zu widerlegen und endlich durch einen Rückblick auf die Geschichte seine unbewiesene Hypothese zu einer Art von Weltfrage aufzubauschen 1.

In dem „didaktischen Theil“, der in 920 Paragraphen alle erdenklichen Notizen und Beobachtungen über Licht und Farben aphoristisch zusammenstellt, ist wieder keine methodische Ordnung innegehalten. Göthe behandelt erst die „physiologischen Farben“, dann die „physischen“, aber ohne Newtons Theorie der Refraction, auf die schließlich alles ankommt, gründlich zu prüfen; dann die „chemischen Farben", stellt allgemeine Ansichten auf, bespricht die Beziehung der Farben zu Wissenschaften, Künsten und Gewerben und schildert endlich die „sinnlich-sittliche“ Wirkung der Farben. Verbunden mit der willkürlichen Anordnung hat die aphoristische Behandlung einen doppelten, tiefgreifenden Nachtheil: 1. daß Thatsache ohne Verkettung an Thatsache gereiht und nichts eigent

1 Das Drolligste ist, wie er, der begeisterte Verehrer des mathematischen Spinoza, jezt die Mathematik los zu werden sucht, sie zu einer Art Rhetorik herabseßt, mit dem „Französischsprechen“ ver= gleicht, ihr vorwirft, daß ihr „Idee und Liebe“ fehlen, und der Physik deßhalb räth, sich ganz von der Mathematik zu trennen. W. Danzel, Ueber Göthe's Spinozismus. Hamburg 1843. S. 408 ff.

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Die Urphänomene und die Puhmacherei.

lich bewiesen wird; 2. daß eine Unmasse unzugehörigen Stoffs die hauptsächlichen Thatsachen verwirrt, erdrückt und stört. Neben ganz verbürgten Erscheinungen werden im selben Tone die schiefsten Mißdeutungen aufgereiht, neben richtigen Beobachtungen nichtssagende Schimpfereien, neben geistreichen und allenfalls noch erklärlichen Abschweifungen die wunderlichsten Albernheiten.

Man lese nur etwa die Lehre von den Urphänomenen § 175, 176, 1771, den Wirrwarr, der von § 178 ab an Stelle der Refractionslehre Newtons gesezt ist, und dazu die Kraftthese § 558:

„Daß alle Farben zusammengemischt Weiß machen, ist eine Absurdität, die man nebst andern Absurditäten schon ein Jahrhundert gläubig und dem Augenschein entgegen zu wiederholen gewohnt ist."

Als Beitrag zur sinnlich-sittlichen Farbentheorie tischt Göthe dagegen in allem Ernst Säße auf wie die folgenden:

„S 762. Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben besondere Gemüthsstimmungen geben. Von einem geistreichen. Franzosen wird erzählt: Il prétendait que son ton de conversation avec Madame était changé depuis qu'elle avait changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui était bleu 2.

1 Die beste wissenschaftliche Erklärung dieses sogen. Urphänomens, d. h. der Farben trüber Mittel, hat Hr. Brücke gegeben. Sizungsberichte der mathematisch-physikalischen Klasse der Wiener Akademie der Wissenschaften. 1852. S. 530. Die Physiologie der Farben

für die Zwecke der Kunstgewerbe 2c. Leipzig 1866. S. 95.

2 Dazu passen die Winke, welche Göthe seinem Adepten von Henning gab, falls er auch den Berliner Damen die Farbenlehre predigen wollte: "Steht doch einer Blondine Blaßgelb und Veilchenblau ganz gut; warum schmückt sich die Jugend so gern mit Rosenfarb und Meergrün? Eine tüchtige Brünette hat Himmelblau und Orange nicht zu fürchten, doch wird immer ein gewisses Zartgefühl diese Gegenfäße nicht in ihrer elementaren Entschiedenheit, sondern in einem gewiffen ausweichenden Schwanken sich anzueignen suchen. Muster-Charten von älteren und neueren Kleiderstoffen erweisen hier

Das hierarchische Violett.

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"S 790. Blauroth (Violett). Jene Unruhe nimmt bei der weiterschreitenden Steigerung zu, und man kann wohl behaupten, daß eine Tapete von einem ganz reinen gesättigten Blauroth eine Art unerträglicher Gegenwart sein müsse. Deßwegen es auch, wenn es als Kleidung, Band oder sonstiger Zierrath vorkommt, sehr verdünnt und hell angewendet wird, da es dann seiner bezeichneten Natur nach einen ganz besondern Reiz ausübt.

S 791. Indem die hohe Geistlichkeit diese unruhige Farbe sich angeeignet hat, so dürfte man wohl sagen, daß sie auf den unruhigen Staffeln einer immer vordringenden Steigerung unaufhaltsam zu dem Kardinalpurpur hinaufstrebe.“

Das ist wohl Gerede, wie es Diderot drucken ließ, um die schweren Auslagen seiner Libertinage zu bestreiten; aber Optik ist das denn doch wohl nicht mehr.

1

Am Schlusse des didaktischen Theils hat Göthe einen an ihn gerichteten Brief des jungen Malers Philipp Otto Runge 1 vom 3. Juli 1806 abdrucken lassen, der offenbar eine Bundesgenossenschaft aus dem künstlerischen Lager vorstellen soll, aber dabei denn auch kritisches Material zur Beurtheilung des Unternehmens liefert.

„Man wird,“ sagt Göthe, „bei aufmerksamer Vergleichung gewahr werden, daß mehrere Stellen genau mit meinem Entwurf übereinkommen, daß andere ihre Deutung und Erläuterung aus meiner Arbeit gewinnen können, und daß dabei der Verfasser in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung und wahrem Gefühle mir selbst auf meinem Gange vorgeschritten ist." 2

Man wird aber bei aufmerksamer Vergleichung noch mehr gewahr, besonders wenn man die ausführlichere Farbenlehre zur

gute Dienste!"

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Göthe-Jahrbuch. III. 212. So verwandelt sich der Kampf gegen Newton zum friedlichen Besuch beim Damenschneider und bei der Puhmacherin.

1 Geboren den 23. Juli 1777 zu Wollgast in Pommern, also 28 Jahre jünger als Göthe.

2 Göthe's Werke [Hempel]. XXXV. 315-322.

Baumgartner, Göthe. III. 2. Aufl.

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