Legende.
Waffer holen geht die reine, Schöne Frau des hohen Bramen, Des verehrten, fehlerlosen, Ernstester Gerechtigkeit.
Täglich von dem heiligen Flusse Holt sie köstlichstes Erquicken; - Aber wo ist Krug und Eimer? Sie bedarf derselben nicht. Seligem Herzen, frommen Händen Ballt sich die bewegte Welle Herrlich zu krystallner Kugel; Diese trägt sie, frohen Busens, Reiner Sitte, holden Wandelus, Vor den Gatten in das Haus. Heute kommt die morgendliche Im Gebet zu Ganges Fluthen, Beugt sich zu der klaren Fläche Plöglich überraschend spiegelt, Aus des höchsten Himmels Breiten Ueber ihr vorübereilend, Allerlieblichste Gestalt
Hehren Jünglings, den des Gottes Uranfänglich schönes Denken Aus dem ew'gen Busen schuf; Solchen schauend fühlt ergriffen Von verwirrenden Gefühlen Sie das innere tiefste Leben, Will verharren in dem Anschaun, Weis't es weg, da kehrt es wieder
Und verworren strebt sie fluthwärts, Mit unsichrer Hand zu schöpfen; Aber ach! sie schöpft nicht mehr! Denn des Wassers heilige Welle Scheint zu fliehn, sich zu entfernen, Sie erblickt nur hohler Wirbel Grause Tiefen unter sich.
Arme sinken, Tritte straucheln,
Ist's denn auch der Pfad nach Hause? Soll sie zaudern? soll ste fliehen? Will sie denken, wo Gedanke, Rath und Hülfe gleich versagt? Und so tritt sie vor den Gatten; Er erblickt sie, Blick ist Urtheil, Hohen Sinns ergreift das Schwert er, Schleppt sie zu dem Todtenhügel Wo Verbrecher büßend bluten. Wüßte sie zu widerstreben? Wüßte sie sich zu entschuld'gen, Schuldig, keiner Schuld bewußt?
Und er kehrt mit blutigem Schwerte Sinnend zu der stillen Wohnung Da entgegnet ihm der Sohn:
„Wessen Blut ist's? Vater! Vater! “
Denn es starret nicht am Schwerte
Wie verbrecherische Tropfen;
Fließt wie aus der Wunde frisch. Mutter, Mutter! tritt heraus her! Ungerecht war nie der Vater,
Sage was er jeßt verübt."
Schweige! Schweige! 's ist das ihre!
Wäre meiner Mutter Blut!!!
Was geschehen? was verschuldet?
Her das Schwert! ergriffen hab' ich's;
Deine Gattin magst du tödten,
Aber meine Mutter nicht!
In die Flammen folgt die Gattin Ihrem einzig Angetrauten, Seiner einzig theuren Mutter In das Schwert der treue Sohn. “
Salt, o halte! rief der Vater, Noch ist Raum, enteil', enteile! Füge Haupt dem Rumpfe wieder, Du berührest mit dem Schwerte Und lebendig folgt sie dir.
Eilend, athemlos erblickt er Staunend zweier Frauen Körper Ueberkreuzt und so die Häupter; Welch Entseßen! weiche Wahl! Dann der Mutter Haupt erfaßt er, Küßt es nicht, das tudt erblaßte, Auf des nächsten Rumpfes Lücke Seßt er's eilig, mit dem Schwerte Segnet er das fromme Werk.
Aufersteht ein Riesenbildniß.
Von der Mutter theuren Lippen,
Göttlich - unverändert-füßen, Tönt das grausenvolle Wort: Sohn, o Sohn! Welch Uebereilen! Deiner Mutter Leichnam dorten, Neben ihm das freche Haupt Der Verbrecherin, des Opfers Waltender Gerechtigkeit!
Mich nun hast du ihrem Körper Eingeimpft auf ewige Tage; Weisen Wollens, wilden Handelns Werd' ich unter Göttern seyn. Ja des Himmelsknaben Bildniß Webt so schön vor Stirn und Auge, Senkt sich's in das Herz herunter, Regt es tolle Wuthbegier.
Immer wird es wieder kehren, Immer steigen, immer sinken, Sich verdüstern, sich verklären, So hat Brama dieß gewollt. Er gebot ja buntem Fittig, Klarem Antlig, schlanken Gliedern, Göttlich einzigem Erscheinen Mich zu prüfen, zu verführen; Denn von oben kommt Verführung, Wenn's den Göttern so beliebt. Und so soll ich die Vramane, Mit dem Haupt im Himmel weilend Fühlen Varia dieser Erde Niederziehende Gewalt.
Sohn, ich sende dich dem Vater! Tröste! Nicht ein traurig Büßen, Stumpfes Harren, stolz Verdienen Halt' euch in der Wildniß fest; Wandert aus durch alle Welten, Wandelt hin durch alle Zeiten Und verkündet auch Geringstem: Daß ihn Brama droben hört!
Ihm ist keiner der Geringste Wer sich mit gelähmten Gliedern, Sich mit wild zerstörtem Geiste, Düster ohne Hülf' und Rettung, Sey er Brame, sey er Varia, Mit dem Blick nach oben kehrt, Wird's empfinden, wird's erfahren: Dort erglühen tausend Augen, Ruhend lauschen tausend Ohren, Denen nichts verborgen bleibt.
Heb' ich mich zu seinem Throne, Schaut er mich, die Grausenhafte, Die er gräßlich umgeschaffen, Muß er ewig mich bejammern, Euch zu Gute komme das.
Und ich werd' ihn freundlich mahnen Und ich werd' ihm wüthend sagen, Wie es mir der Sinn gebietet, Wie es mir im Busen schwellet. Was ich denke, was ich fühle Ein Geheimniß bleibe das.
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