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ältesten Bewußtsein der Gemeinde und auch bei Jesus selbst der Fall war, blos in den Mittelpunkt der messianischen Anschauung vom göttlichen Reiche gestellt; sondern sie wird auch zum Mittelpunkt des neuen Verhältnisses zu Gott in der Art erhoben, daß sie als der fortwährende Begründer und Vermittler dieses neuen Verhältnisses betrachtet wird. Jesus wird nicht blos als gottgesandter Verkündiger und thätiger Vollbringer der wahren Gerechtigkeit angesehen, sondern zugleich als der Begründer des neuen geistig-sittlichen Verhältnisses zu Gott in jedem Einzelnen betrachtet; er gilt als derjenige, von welchem jeder Einzelne erst die Kraft der Erlösung vom Fluch des Gesezes und der Sünde erhalten müssen.

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Die hervorragende Stellung, die Jesus sich selbst gab, war zunächst nur die Stellung als König des messianischen Reiches, der freilich zugleich sich bewußt war, in dem Gedanken der im Kindesverhältniß zu Gott möglichen wahren Gerechtigkeit ein neues Princip des praktischen Verhaltens zum Erstenmal ausgesprochen zu haben. Kam nun in der paulinischen Anschauung noch eine weitere gegenständliche Bedeutung des Messias zu jener ersten Anschauung dessel= ben als Königs des göttlichen Reiches hinzu; so ist freilich nicht zu leugnen, daß wenigstens die Veranlassung und der Keim zu dieser Erweiterung bereits im Bewußtsein Jesu selbst und in der Stellung, die er sich selbst zu Gott gab, vorhanden war. Denn indem er sich selbst als den Sohn des Menschen hinstellte und von Gott als seinem himmlischen Vater redete, indem er sich überhaupt an die Spiße der neuen geistig-sittlichen Ordnung im messianischen Reiche stellte, hat er fich damit ohne Zweifel als derjenige, in welchem jenes neue Verhält niß zu Gott zuerst aufging und im Leben und Sterben bewährt worden war, eine unterscheidende Stellung denen gegenüber gegeben, die in dieser Kindschaft Gottes eben nur seine Nachfolger find.

Und diese unterscheidende Stellung Jesu als des gekreuzigten und auferstandenen Messias zu seiner gläubigen Gemeinde hält Paulus mit Bewußtsein fest, entwickelt sie weiter, erhebt sie zu ihrer Consequenz; er schaut in Christus eine entschieden höhere Persönlichkeit, den Erlöser und Versöhner der Gläubigen mit Gott. Die von Jesus selbst geforderte Hingebung des Einzelnen an Gott, wodurch die in der Kindschaft Gottes bestehende vollendete Gerechtigkeit erreicht wird, wird bei Paulus zum gänzlichen Hingegebensein an

den Messias Jesus selbst 111), zum Glauben an ihn in der Art, daß Christus der Gestorbene und Auferstandene auch in ihm gestorben und auferstanden ist, wie derselbe in jedem Gläubigen sterben und auferstehen soll.

Der paulinische Glaube oder die Zuversicht auf Christus Jesus ist darum ein Begriff, der folgende Elemente in sich schließt: zunächst die Zuversicht auf die großen Thaten Gottes an Jesu, wodurch dieser eben als Sohn Gottes und Christus kräftig erwiesen ist112); dann die Zuversicht auf den Messias selbst, welche wesentlich die dreifache Zuversicht ist auf die in seinem Tode geschehene Erlösung von der Sünde und den Fluch des Gesezes, auf den in seiner Auferstehung gezeigten Weg zur Auferstehung und auf die bei seiner Wiederkunft stattfindende Theilnahme an seiner Herrlichkeit im ewigen Leben; endlich aber ist im Glauben noch die Aneignung der neuen Kraft der Versöhnung, die Aneignung der von Christus dargebotenen göttlichen Gnade, enthalten 113).

Was die Lehre des Paulus über die Sünde, ihren Ursprung und Folgen, den Tod und das Gesez und seine Werke angeht, so ist es ganz die pharisäische, die er nur zu seiner Anschauung vom Erlösungstode des Messias in ein neues Verhältniß sezt. Im Lehrbegriff des Pharifäerschülers Paulus ist die pharisäische Weltanschauung christlich geworden; vom dogmatischen Standpunkt des Pharifäers aus hat sich Paulus die Erscheinung des Messias zurecht gelegt, und diesem pharisäischen Kern seiner Anschauung nach ist der Heidenapostel jüdischer als selbst die Urapostel; er hat damit Elemente in das christliche Bewußtsein eingeführt, die der durchaus pharifäerfeindlichen Geistesrichtung Jesu und dem ursprünglichen Bewußtsein der Gemeinde ganz und gar fremd waren, und in dieser Rücksicht war Paulus judenchristlicher, als die judenchristlichen Urapostel, deren vorwaltend mit essenischen Anschauungen erfülltes Bewußtsein über derartige Elemente hinaus war und an dem einfach praktischen Inhalt der Lehrverkündigung Jesu festhielt, mochten sie auch nach einer andern Seite, in Bezug auf das Verhältniß zum mosaischen Geseße (Beschneidung und Tempeldienst), befangener sein, als Paulus.

111) Galater 2, 19 ff. 6, 14.
112) Römer 10, 9. 4, 24.
113) Römer 5, 1 ff. 10, 22.

Darum war die Opposition des Urchristenthums gegen den Apostel Paulus keineswegs blos judaistische Engherzigkeit, welche die Beschneidung und Beobachtung des Gesetzes auch von den sich zu Jesu bekennenden Heiden verlangte; es lag ihr vielmehr ein tieferer, sachlicher Gegensaß der ganzen Anschauung zum Grunde; es kam ihnen, wie es thatsächlich bei Jesus selbst der Fall war, auf die Sache, das neue Verhältniß zu Gott und die darin begründete Gerechtigkeit an, während bei Paulus das Hauptgewicht auf die Person Christi und ihre erlösende Kraft fiel. Daraus erklärt es sich auch einerseits, daß Paulus nicht blos am palästinensischen Judenchristenthum, sondern auch am freiern, vergeistigten Standpunkt des hellenistischen, namentlich alexandrinischen Juden christenthums einen entschiedenen Gegensaß fand und daß in der Entwickelung des apostolischen Zeitalters diese drei Richtungen als unterscheidende Lebensformen des urchristlichen Geistes neben einander herliefen: das paulinische Christenthum, das palästinensische Judenchristenthum und das hellenistisch alexandrinische Juden christenthum. Andererseits erklärt sich daraus die Erscheinung, daß sich der Paulinismus nur bei Lebzeiten des christgewordenen Pharisäers in seiner Einseitigkeit erhalten konnte, in der Gestalt aber, wie ihn der Apostel in seinen Briefen verkündigte, nach dem Abtreten desselben vom Schauplaße seiner Wirksamkeit nirgends Eingang in den apostolischen Gemeinden fand. Die Gewißheit des Heils lag für die Einzelnen nur in der Angemessenheit des Willens mit dem Geseze Christi; und der paulinische Ge= danke der Rechtfertigung durch den Glauben allein, ohne die Werke, fand keinen Eingang, obwohl Paulus selbst darunter eben nur die Werke des mosaischen Gesezes verstanden hatte. Die Gefeßeserfüllung als wahrhafte Gerechtigkeit galt als der Grundinhalt des Christenthums, und als das Erlösende nicht die Persönlichkeit Christi, sondern die zur Gesezeserfüllung befähigende Kraft der Hingebung an Gott, das Kindesverhältniß zu Gott.

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Schon innerhalb der palästinensischen Urgemeinde bestand in der Zeit, als Stephanus gesteinigt wurde, nach dem Bericht der Apostelgeschichte, eine Differenz, die sich nicht blos im unmittelbar praktisch-gesellschaftlichen Verhältniß, sondern auch in der Grundauffassung des Christenthums selbst zeigte.

Die Apostelgeschichte erzählt nämlich, es sei in der Zeit, da sich die Jünger vermehrten, ein Murmeln der Hellenisten gegen die Hebräer,

daß ihre Wittwen bei der täglichen Handreichung übersehen wurden 114). Von den Aposteln und den ersten Jüngern wird nun aber erzählt, daß sie sämmtlich Eiferer für's (mosaische) Geseß gewesen, daß sie im Zusammenhang mit der jüdischen Synagoge und der Sabbathfeier blieben und sich an den Tempel anschlossen 115). Noch bis in die Zeiten Hadrian's hatte die jerusalemitische Gemeinde, von Jakobus dem Gerechten an, nur beschnittene Bischöfe116); und in der Apostelgeschichte wird das Christenthum mehrmals als jüdische Sekte bezeichnet, in ähnlicher Weise wie Pharisäer und Sadducäer117).

In der Urgemeinde zu Jerusalem waren aber, nach einer ausdrücklichen Notiz der Apostelgeschichte, auch Hellenisten aus Cilicien und Asien, Cyrene und Alexandrien 118), und gerade jenes erwähnte Murren der Hellenisten über Verkürzung derselben bei der täglichen Handreichung bei Tische wurde dadurch beschwichtigt, daß unter den Dienern (Diakonen) für den Dienst bei Tisch, d. h. eben für die tägliche gemeinsame Feier der Mahlzeiten, auch Hellenisten eingesezt wurden 119). Daß nun zwischen den palästinensischen Christen in der Urgemeinde und den Hellenisten auch eine Verschiedenheit in der Anschauung des Christenthums selbst stattfand, geht unwiderleglich aus der Verfolgung des Stephanus und den in seiner Rede ausgesprochenen Grundsäzen hervor, sowie aus dem Umstand, daß bei der Zerstreuung der Gemeinde die Apostel in der Stadt blieben und unter den Zerstreuten später auch nur Hellenisten auftraten 120), woraus ersichtlich ist, daß die Apostel selbst an diesen freiern Grundfäßen der Hellenisten, als deren Opfer Stephanus fiel, keinen Antheil hatten.

Wir erkennen die vom palästinensisch-jüdischen Standpunkt der Apostel abweichenden, freiern und vergeistigten Grundsäße und Anschauungen dieser alexandrinisch-hellenistischen Judenchristen der Urgemeinde deutlich genug aus den Anschauungen, welche der in der

114) A. G. 6, 1.

115) A. G. 21, 20. 15, 21. 2, 46. 3, 1. 5, 42.

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116) Eusebius, Kirchengeschichte 4, 5. Sulpicius Severus, heilige Geschichte 2, 31.

117) A. G. 24, 5. 28, 22. Vgl. 5, 17. 15, 5. 26, 5.

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Apostelgeschichte enthaltenen Rede des Stephanus 121) zum Grunde liegen. Daß zwar diese Rede in ihrer vorliegenden Gestalt nicht von Stephanus herrühren kann, sondern eine Composition des Verfassers der Apostelgeschichte ist, mit dessen schriftstellerischer Eigenthümlichkeit sie im Wesentlichen übereinstimmt 122), steht fest; nichtsdestoweniger aber weisen nicht blos einige Spracheigenthümlichkeiten, welche diese Rede vor der übrigen Darstellung des Lucas voraushat, sondern ihr eigenthümlicher Gedankengehalt auf eine besondere geschichtliche Quelle hin, aus welcher der Darsteller schöpfte, und auf die Absicht desselben, die Eigenthümlichkeit der Stellung des Stephanus und damit der Hellenisten in der Urgemeinde ausdrücklich anzudeuten. Wie nämlich überhaupt der Verfasser der Apostelgeschichte einen großen Theil seines Stoffes in der apostolischen Ueberlieferung vorfand und bei der Verarbeitung desselben in seine Darstellung vorhandene ältere Quellen benußt hat, so weisen insbesondere die unterscheidenden Kerngedanken und Grundanschauungen in der Rede des Stephanus auf eine besondere geschichtliche Quelle, aus der unser Verfasser schöpfte. Denn er läßt keineswegs123) den Stephanus nur ebendasselbe wie bei anderer Gelegenheit den Petrus und Paulus aussprechen, von denen er den erstern paulinisirt, den leztern judenchristlich macht. Stephanus erscheint in seiner Rede, weder paulinisch, noch palästinensisch judenchriftlich, und eine Aehnlichkeit mit den petrinischen und paulinischen Reden der Apostelgeschichte mit der Nede des Stephanus findet nur in der schriftstellerischen Anlage derselben statt, welche den sachlichen Grundunterschied nicht ausschließt. Bielmehr enthält die Rede keineswegs 124) die Ideen und praktischen Grundfäße des Paulus, sondern die vom Paulinismus als dem christinifirten Pharisäismus wesentlich verschiedene Grundanschauung des alexandrinisch-hellenistischen Judenchristenthums. Aus dieser allein, nicht aus dem Paulinismus, erklären sich die bedeutsamen Einzelheiten und eigenthümlichen Züge, an denen diese Rede so reich ist, obwohl dieselben so fein sind, daß sie erst dem aufmerksamen Blicke bemerkbar werden. Fanden ja doch auch in ebenderselben Weise

121) A. G. 7, 2—55.

122) Zeller, theologische Jahrbücher 1849, S. 80 f.

123) Wie auch Zeller glaubt: a. a. D. 1849, S. 580 ff..
124) Baur, Paulus S. 39 ff.

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