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Aus therapeutischen Anschauungen oder wenigstens einer Kenntniß Philons erklärt sich ferner die Gleichnißrede, die unser Verfasser an die Ermahnung knüpft, nicht blos sich selbst täuschende Hörer, sondern Thäter des Logos zu sein. Denn (heißt es) ist Einer Hörer des Logos und nicht Thäter, so gleicht dieser einem Manne, welcher das Angesicht seiner Geburt im Spiegel überdenkt und nachdem er sich so betrachtet hat, hingeht und vergißt, welcher Art er war. Wer aber in das vollkommene Gesez der Freiheit hineinlugt und festbleibt und nicht ein Hörer der Vergessenheit, sondern ein Thäter des Werkes ist, dieser wird selig sein in seiner That 194). Bei der Schilderung der heiligen Festfeier der Therapeuten am fünfzigsten Tage, die Philon gibt, wird nun erwähnt, daß der Aelteste auftritt und weise und verständige Worte spricht, die auf allegorischer Auslegung der Schrift ruhen, und die vernünftige Seele der Hörer schaut in den vernünftigen Worten wie in einem Spiegel ihr eigen Angehöriges 195). Die Rede des Aeltesten hat also den Zweck, dem Hörer im göttlichen Logos sein eignes göttliches Urbild vorzuhalten, worin er sich selbst seinem wahren Wesen und himmlischen Ursprunge nach zu erkennen habe, um sich diesem seinem himmlischen Bilde ähnlich zu machen und also durch das Wort der Wahrheit gezeugt, ein göttliches Geschöpf zu sein 196).

Der Verfasser unsers Briefes wirft einen mißbilligenden Blick auf diejenigen, die da für die Zukunft Pläne machen, in diese oder jene Stadt zu gehen und dort Geschäfte zu machen und zu gewinnen 197). Dies weist ebenfalls auf die Abneigung der Therapeuten und Philon's selbst gegen Handel, Gastwirthschaft und Seewesen, weil solche Beschäftigungen zu Habsucht Veranlassung geben, wogegen die friedlichen Geschäfte und Künste und der Landbau gepriesen werden, bei denen Bedürfnißlosigkeit und Zufriedenheit als wahrer Reichthum gelte 198). Aus dem Zusammenhang dieser alexandrinisch-jüdischen Anschauungen erklärt sich auch der Sinn des vollkommenen Gesezes der Freiheit, welches eben kein anderes als das heilige Leben

194) Jakobus 1, 23-25.

195) Philon, vom beschaulichen Leben (Frankf. Ausg.) S. 901.
196) Vgl. Jakobus 1, 18.

197) Jakobus 4, 11.

198) Philon, daß jeder Gerechte frei sei (Frankf. Ausg.) S. 876 ff. u. Fragmente (Mangey's Ausg.) II, S. 633.

und Streben nach Vollkommenheit, als Freiheit von aller Befleckung mit der Welt 199), von aller Berührung mit dem Ungöttlichen, dem Weltleben. Denn die Weisheit ist ja der Weg Gottes und die Lehrerin der Enthaltsamkeit des Bauches und der Zunge, wie Philon sagt, und ganz ähnlich auch unser Verfasser 200). Das ist der rechte Gottesdienst, der reine und unbefleckte.

Wie die Verwerfung des Reichthums unserm Briefe mit Philon und den Therapeuten gemeinsam ist, so auch das Eidverbot, denn nicht blos die Therapeuten verwerfen denselben, sondern auch Philon wollte den Schwur vermieden wissen, wenn man nicht etwa dazu gezwungen würde 201). In unserm Briefe aber scheint das Eidverbot überdies eine besondere polemische Beziehung auf den korinthischen Gegner des alexandrinischen Weisheitslehrers in sich zu schließen, da sich dieser in einer etwas auffallenden Weise über den Eidschwur rechtfertigt 202), dessen er sich selbst als pharisäisch gebildeter Jude öfter ganz unbefangen bediente, indem er Gott zum Zeugen anruft, was gerade der Alexandriner mißbilligte. Eine andere polemische Beziehung auf seinen korinthischen Gegner scheint der Verfasser des Jakobusbriefes auch in der Stelle beabsichtigt zu haben, wo er sich dagegen ausspricht, daß man sich vornehme, heute oder morgen in diese oder jene Stadt zu gehen, um dort ein Jahr lang Geschäfte zu machen und zu gewinnen 203). Auch Paulus® schreibt den Korinthern viel davon, wohin er sich wenden wolle, um sein Evangelium zu verkündigen, von dem er verlangt, daß es ihn auch ernähren müsse 204). Und wenn unser Verfasser gleich darauf den Tadel vom Zaun bricht, seine Leser rühmten sich in ihrem Uebermuth, aber alles solches Rühmen sei verwerflich 205), so hält es in der That schwer, hierbei an einen polemischen Seitenblick auf

199) Jakobus 1, 27. 4, 4 f.

200) Philon's Werke (Mangey's Ausg.) I, 229. 294. 530. Verglichen mit Jakobus 1, 26 f. 5, 5. 3, 6. 1, 14 f. Auch der Ausdruck Jonoxɛia (Gottesdienst) ist hier wie bei Philon derselbe (vgl. Dähne a. a. D. I, S. 420).

201) Jakobus 5, 12. Dähne a. a. O. I, 494 f. Zeller, die Philosophie der Griechen III, 2. S. 659. A. 2.

202) 2 Korinther 1, 17-20.

203) Jakobus 4, 13 f.

204) 1 Korinther 9, 7 ff. 2 Korinther 11, 7 f.
205) Jakobus 4, 16.

Paulus nicht zu denken, dessen zweiter Korintherbrief von solchen Aeußerungen des Rühmens in der That wimmelt 206).

Eigenthümlich alexandrinisch und näher philonisch ist ferner in unserm Briefe dies, daß der Verfasser bald die Ausdrücke Gott und Vater ausdrücklich gebraucht, bald aber sich des Ausdrucks „Herr“ in einem Zusammenhange bedient, welcher eine Beziehung auf den „Herrn Jesus Christus "207) ausschließt und nur die Beziehung auf Gott zuläßt 208); der Verfasser hält bei diesem abwechselnden Gebrauch beis der Bezeichnungen ganz den philonischen Unterschied fest, sofern bei Philon die gütig-weltschöpferische Kraft Gott, die mächtig-weltherrschende und die Welt erhaltende und regierende Herr genannt wird 209).

Darf es nach allem Bisherigen als so gut wie gewiß gelten, sowohl daß unser Brief die Korinther als Leser, als auch einen in der Gemeinde derselben genau und durch eigne Anschauung bekannten alexandrinischen Verfasser auf das Bestimmteste vorausseßt; welches kann dieser anders sein, als eben Apollos, dessen Wirksamkeit als Lehrer in Korinth durch die paulinischen Briefe thatsächlich bezeugt wird? Der Schüler Philon's, der mit den alexandrinischen Therapeuten nahe befreundete 210) Verfasser des Buches der Weisheit? Ueberdies ist die Verwandtschaft des leztern mit unserm Brief in Gedanken, Bildern, Lieblingsausdrücken und Anschauungen so auffallend, daß sich fast in jeder Zeile des Briefes Berührungspunkte und Anklänge an das Buch der Weisheit einem aufmerksam verglei chenden Blicke darbieten. Diese Berührungspunkte sind zugleich solche, welche nicht etwa als eine Benußung des Buches der Weisheit durch den Verfasser des Briefes sich zu erkennen geben, sondern den legtern als Solchen kenntlich machen, welchem die Bekanntschaft mit dem Buche der Weisheit als seiner eignen Arbeit gegenwärtig war,

206) 2 Korinther 8, 24. 9, 3 f. 10, 13. 16. 17. 11, 12. 16 ff. 30 ff. 12, 1 f. 5 f. 11 f.

207) Jakobus 2, 1.

208) Gott: 1, 13. 27. 2, 23. 3, 9. 4, 7 f. Herr: 1, 7. 4, 10. 15. 5, 4. 10. 11. 14 f.

209) Dähne a. a. D. I, S. 231 ff. II, 51 ff. (auch in der Uebersezung der LXX dieselbe Unterscheidung).

210) Moses und Aaron werden im Buche der Weisheit als degánovres des Herrn genannt und von den der Weisheit Dienenden (Jɛganɛvσavras) gesprochen: 10, 9. 16. 18, 21.

sodaß er zu derselben zugleich in dem freien Verhältniß eines Verfassers stand, dem der Gedankenkreis und die Grundanschauungen seines frühern Werkes bei der Abfassung des spätern natürlich fortwährend geläufig waren. Und wenn die Darstellung des Buches der Weisheit eine größere rhetorische Fülle, der Brief dagegen prägnante Kürze bei gleicher Gewandtheit und Correctheit des hellenistischen Styls zeigt, so erklärt sich dieser formelle Unterschied vollauf aus dem gereiftern Alter, in welchem der Verfasser des Briefes nahe an zwanzig Jahre später, als das Buch der Weisheit abgefaßt war, sich befand.

Wir glauben durch unsere Erörterung das Räthsel glücklich gelöst zu haben, als welches der sogenannte Brief des Jakobus bisher in der Entwickelungsgeschichte des ältern Christenthums dastand. Es sind nicht wesentlich paulinische Elemente, die sich troß der Antithese gegen die paulinische Lehre in dem Briefe fänden 211), sondern derselbe athmet durch und durch den Geist ebendesselben alexandrinischjüdischen Wesens, als dessen Lehrer und Vertreter Apollos in Korinth, dem Paulus gegenüber, aufgetreten war. Die Opposition des Verfassers gegen Paulus und paulinische Anschauungsweise und Wirksamkeit ist durch den ganzen Brief eine so entschiedene, wie sie nur irgend aus dem Kreis alexandrinisch-jüdischer Bildung hervorgehen konnte, eine Opposition jedoch, die sich zugleich ebenso scharf von dem engherzigen Standpunkt der palästinensischen Judenchristen und der Urapostel selbst unterscheidet. Keine Spur finden wir in dem Briefe vom Tempelcultus, woran die jerusalemitische Gemeinde fest= hielt, von Sabbathfeier und Beschneidung, welche zwischen Paulus und den Uraposteln ein Gegenstand des Streites war; keine Spur endlich von jener heidenfeindlichen Gesinnung des Jakobus, deren Paulus gedenkt 212), von jener äußerlichen, an die Lebensweise eines Nasiräers erinnernden Heiligkeit, deren sich nach der kirchlichen Ueberlieferung 213) der gefeierte Vorsteher der jerusalemitischen Gemeinde, Jakobus der Jüngere, der Bruder Jesu, befleißigte. Das Christen

211) Wie die Tübinger Schule (Baur, das Christenthum der drei ersten Jahrhunderte, S. 97) und Ritschl (die Entstehung der altkatholischen Kirche) S. 150 annehmen.

212) Galater 2, 12.

213) Hegesipp's, bei Eusebius, Kirchengeschichte 2, 23. Vgl. Schweg ler, das nachapostolische Zeitalter, I, S. 137 f.

thum des Verfassers ist weder das palästinensisch-jüdische, noch das pharisäisch-hellenistische des Apostels Paulus, sondern die vergeistigte alexandrinisch-judenchristliche Auffassung des Christenthums.

Die von Paulus bei Seite geschobene tiefere Wahrheit des ursprünglichen Christenthums, welche in der einfachen Hingebung an Gott und der darin enthaltenen vollkommenen Gesezeserfüllung liegt, ist im Gegensay gegen die paulinische Einseitigkeit von dem Alexandriner Apollos dargestellt worden. Das Erlösende wird nicht, wie es von Paulus geschah, in die Persönlichkeit Christi und den Glauben an ihn, sondern in das vollendete Verhalten des Menschen zu Gott gesezt, in einen Glauben, welcher von der paulinischen Fassung des Glaubens grundverschieden ist, seinem Wesen nach aber mit der von Jesus geforderten Hingebung an den Willen Gottes zusammenfällt, d. h. in der Liebe wurzelt 214), welche in unserm Brief als das königliche Gesez bezeichnet wird. Auch in seiner Fassung des Glaubens ist der Verfasser ganz philonisch, indem auch Philon den Glauben, der Abraham's Zierde und Belohnung war, als Vertrauen auf Gott schildert, im Gegensatz zum Vertrauen auf irdische Dinge, Reichthum, Ehre und Genüsse des Körpers, und die Frage, wie Gotte geglaubt werde, so beantwortet: Wenn Einer lernt, daß alles Andere sich wandelt, Gott allein treu und unwandelbar ist 215).

Die tiefere Fassung des Begriffes der Sünde, welche man gewöhnlich als dem paulinischen Christenthum eigenthümlich und dem übrigen Urchristenthum abgehend bezeichnet, verträgt sich mit der alexandrinisch-jüdischen Anschauung unseres Briefes, wenn sie auch nicht die paulinische ist, nichtsdestoweniger so gut, daß der Verfasser öfter auf die Sünde zurückkommt und ihren Ursprung gründlich erfaßt. Nicht Gott, so lehrt derselbe 216), ist ein Versucher zum Bösen, sondern ein Jeder wird versucht, von seiner eignen Begierde gezogen und verlockt, und wenn die Begierde empfangen hat, ge= biert sie die Sünde, die vollendete Sünde aber erzeugt den Tod 217).

214) Jakobus 2, 1, 5. 24. 1, 6. 5, 15.

215) Dähne a. a. D. I, S. 392 f.

216) Auch hier, wie es scheint, in Opposition gegen die paulinische Anschauung, wornach das Gesez, das doch göttlichen Ursprungs ist, die Sünde mäch. tiger werden lasse.

217) Jakobus 1, 13-15.

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