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Geschichte

des

geistigen Lebens in Deutschland

von Leibnih bis auf Lessing's Tod

1681-1781.

Bon

Julian Schmidt.

Erster Band.

Von Leibnit bis auf Klopstock.

1681-1750.

Leipzig,

Fr. Wilh. Grunow.

1862.

Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Vorrede.

Das geistige Leben eines für Deutschland hochwichtigen Jahrhunderts (1681-1781) in einem möglichst anschaulichen Gesammtbild darzustellen, ist die Aufgabe dieses Werks. Die Aufgabe und mehr noch die Art, wie ich dieselbe zu lösen gesucht, weicht nicht unerheblich von dem ab, was man bisher Literaturgeschichte nannte.

Statt,,Literaturgeschichte“ pflegt man jezt genauer zu sagen „Geschichte der deutschen Nationalliteratur." Nur diejenigen Schriften fallen in ihr Bereich, welche nationales Leben enthalten, um welche die Nation sich kümmert, durch welche sie in dem Kern ihrer geistigen Existenz bestimmt wird, zu ihrem Nußen oder zu ihrem Schaden.

Durch die Vorliebe für unsere „classische“ Periode, in welcher die Dichtung alle andere geistige Thätigkeit beherrschte, ist es gekommen, daß die Geschichte der Nationalliteratur sich in der Regel in eine Geschichte der Dichtung verwandelt hat. Entweder sind die übrigen Disciplinen von vornherein ausgeschlossen, wie bei Gervinus, oder sie werden nur nebenbei behandelt, wie bei Koberstein. Aus dieser Scheidung dessen, was eigentlich zusammengehört, gehn manche Uebelstände hervor.

Schon für jene classische Periode. Auch in ihr steht die Dichtung mit der Philosophie im innigsten Zusammenhang; sie entnimmt aus ihr zum Theil Stoff und Methode, wird durch sie gefördert und auf Abwege ge= führt, und wenn man sich das Verhältniß zwischen Kant, Jacobi, Lavater,

Fichte nicht klar gemacht, so wird man auch von dem Entwicklungsgang Goethe's, Schiller's, der Romantiker nur ein ungenaues Bild erhalten. Wenn man ferner die historisch-politische Literatur jener Zeit unberücksichtigt läßt, mit andern Worten, wenn man die Dichtung von der Wirklichkeit isolirt, so wird man die auffallende Wendung der Poesie im Jahr 1806 nicht verstehn. Schlimmer noch wird es in jeder andern Periode der deutschen Literatur.

Am mißlichsten sieht es mit der Periode von 1681-1750 aus. Ihre poetischen Leistungen sind so unerheblich, daß die Geschichtschreiber gewöhnlich in Verzweiflung gerathen und sich mit wahrem Heißhunger auf Alles stürzen, was nach einer Thatsache aussieht, um von diesen langen 70 Jahren doch irgend etwas zu erzählen. So werden die Klatschereien zwischen Wernike und Postel, zwischen Gottsched und Bodmer mit einer Wichtigkeit vorgetragen, die sie in der That nicht verdienen, und der Leser gewinnt eine ganz falsche Perspective in das geistige Leben des Volks. Anziehend sind jene 70 Jahre gar nicht, aber ebensowenig leer an geistigem Interesse; es wurden viel bedeutendere Schlachten in ihnen geschlagen als die zwischen den Hamburger Literaten; Schlachten, durch welche der Entwickelungsgang der deutschen Literatur überhaupt bestimmt wurde.

In dieser Periode von dem Kampf der Aufklärung und des Pietismus gegen die Rechtgläubigkeit abzusehn, ist fast ebenso arg, als wenn man aus der Literaturgeschichte von 1750-1806 die Dichtung auslafsen wollte. Es macht nicht blos einen wunderlichen Eindruck, wenn man Leibniz blos als Hofpoeten darstellt, es verwirrt das ganze Bild der Li

teratur.

Jede geistige Thätigkeit des Volks hat ihre Zeit: bald tritt die Dichtkunst, bald die Philosophie, bald das Rechtswesen, bald die Politik, bald die religiöse Stimmung in den Vordergrund, und beeinträchtigt die andern Momente, oder wenigstens die Theilnahme des Volks und die Wirkung auf dasselbe. Die höchste Aufgabe der Literaturgeschichte, wie ich sie verstehe, ist, für jede Periode in der Darstellung das Uebergewicht des einen geistigen Moments über die andern eben so deutlich hervortreten zu lassen, wie es in der Wirklichkeit stattfand.

Zum richtigen Verständniß der Schriften gehört ferner Einsicht in das Publicum und die Persönlichkeit der Schriftsteller; man versteht jene nur halb, wenn man nicht weiß, aus welchen Motiven sie hervorgegangen, in welchem Geist sie geschrieben und wie sie aufgenommen sind.

Nicht immer geben die Schriftsteller ihr Bestes in ihren Werken aus. Leibnitz bemerkt einmal, daß wer ihn nur aus seinen gedruckten Sachen kennt, ihn gar nicht kennt. Goethe's Dichtungen sind Illustrationen seines Lebens; Männer wie Jacobi, Hamann, Lavater, zum Theil auch Herder, die doch auf den Gang unserer Literatur den größten Einfluß ausübten, würde man ganz schief beurtheilen, wenn man ihre persönlichen Mittheilungen unberücksichtigt ließe. Es giebt Perioden, wo der vertrauliche individuelle Verkehr für das Verständniß des herrschenden Geistes wichtiger ist als der öffentliche; Perioden, wo das Gemüth eine allgemeine Macht wird, wo Liebes- und Freundschaftsbriefe eine literarhistorische Wichtigkeit haben. Will man solchen Perioden gerecht werden, so wird man sie auch von dieser Seite studiren müssen.

Die politische Geschichte hat seit ihren ersten Anfängen, indem sie die Kriege, Staatsveränderungen, Revolutionen erzählte, zugleich sich bemüht von den Hauptpersonen dieser Ereignisse ein möglichst deutliches Bild zu geben. Die Zahl dieser Hauptpersonen ist verhältnißmäßig eine beschränkte, und wenn Schiller's Ausspruch, daß in der Menschheit nur wenige Treffer zählen, daß alles Uebrige Nieten sind, philosophisch nicht gebilligt wer den kann, so hat er vom künstlerischen Standpunkt seine volle Berechtigung. Die Kraft der Zeit drängt sich in wenig Individuen zusammen, die ihr den Ausdruck geben; kennt man diese vollständig, so kennt man auch die ganze Zeit, die ihnen als Basis dient.

Zwar hat man neuerdings der politischen Geschichte eine andere Aufgabe gestellt: sie soll sich nicht mehr mit Kaisern und Königen, Feldherrn und Staatsmännern, Päpsten und Reformatoren beschäftigen, sondern mit dem Volk; nicht was auf der Oberfläche vorgeht, ist zu wissen wichtig, sondern das stille Wachsen im Innern der Erde. Statistische Tabellen, Populationslisten, vergleichende Nachrichten vom Consum und Export, vom

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