40 45 50 55 60 65 70 Ach, so hält man mich in meiner Klause! Auf dem Lager dort, Und ich gehe schnell, so wie ich kam. Bleibe, schönes Mädchen! ruft der Knabe, Liebe, komm und lass', Lass' uns sehn, wie froh die Götter find. Ferne bleib, o Jüngling, bleibe stehen; Jugend und Natur Sei dem Himmel künftig unterthan. Und der alten Götter bunt Gewimmel Weder Lamm noch Stier, Aber Menschenopfer unerhört. Und er fragt und wäget alle Worte, Unfrer Väter Schwur Hat vom Himmel Segen uns erfleht. Mich erhältst du nicht, du gute Seele! Meiner zweiten Schwester gönnt man dich. 75 80 85 90 95 100 105 Wenn ich mich in stiller Klause quäle, Die an dich nur denkt, Die fich liebend kränkt; In die Erde bald verbirgt sie sich. Nein! bei dieser Flamme sei's geschworen, Feire gleich mit mir Unerwartet unsern Hochzeitschmaus. Und schon wechseln sie der Treue Zeichen; Silbern, künstlich, wie nicht eine war. Doch ich bitte dich, Eine Locke gieb von deinem Haar. Eben schlug die dumpfe Geisterstunde, Das er freundlich bot, Nahm sie nicht den kleinsten Bissen ein. Und dem Jüngling reichte sie die Schale, Wie er immer fleht, Bis er weinend auf das Bette sank. Und sie kommt und wirft sich zu ihm nieder: Ach, wie ungern seh' ich dich gequält! 110 115 120 125 130 135 140 Goethe, 1. Aber, ach! berührst du meine Glieder, Fühlst du schaudernd, was ich dir verhehlt. Aber kalt wie Eis Ist das Liebchen, das du dir erwählt. Heftig faßt er sie mit starken Armen, Liebesüberfluß! Brennst du nicht und fühlest mich entbrannt? Liebe schließet fester sie zusammen, Thränen mischen sich in ihre Lust ; Wärmt ihr starres Blut, Doch es schlägt kein Herz in ihrer Brust. Unterdessen schleichet auf dem Gange Bräutigams und Braut Und des Liebestammelns Raserei. Bist du wieder da? und Kuß auf Kuß. Länger hält die Mutter nicht das Zürnen, Öffnet das bekannte Schloß geschwind: 10 Giebt es hier im Hause solche Dirnen, Die dem Fremden gleich zu Willen sind? 145 So zur Thür hinein. 150 155 160 Bei der Lampe Schein Sieht sie Gott! fie sieht ihr eigen Kind. Und der Jüngling will im ersten Schrecken Mit dem Teppich die Geliebte decken; Lang und langsam sich im Bett empor. Mutter! Mutter! spricht sie hohle Worte: Daß ins Leichentuch, Daß ihr früh mich in das Grab gebracht? Aber aus der schwerbedeckten Enge 165 170 175 Eurer Priester summende Gesänge Und ihr Segen haben kein Gewicht; Salz und Wasser kühlt Nicht, wo Jugend fühlt; Ach! die Erde kühlt die Liebe nicht. Dieser Jüngling war mir erst versprochen, Als noch Venus' heitrer Tempel stand. Mutter, habt ihr doch das Wort gebrochen, Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' euch band! Doch kein Gott erhört, Wenn die Mutter schwört, Zu versagen ihrer Tochter Hand. Aus dem Grabe werd' ich ausgetrieben, Noch zu suchen das vermißte Gut, 180 185 190 Noch den schon verlornen Mann zu lieben Ist's um den geschehn, Muß nach andern gehn, Und das junge Volk erliegt der Wuth. Schöner Jüngling! kannst nicht länger leben; Meine Kette hab' ich dir gegeben, Morgen bist du grau, Und nur braun erscheinst du wieder dort. Höre, Mutter, nun die lehte Bitte: Bring in Flammen Liebende zur Ruh! Wenn der Funke sprüht, 195 Wenn die Asche glüht, 5 10 Eilen wir den alten Göttern zu. Der Gott und die Bajadere. Indische Legende. Mahadöh, der Herr der Erde, Muß er Menschen menschlich sehn. Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet, Verläßt er sie Abends, um weiter zu gehn. Als er nun hinausgegangen, |