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ins Stammbuch geschriebnen Distichon (M. Bernays a. a. D.); in Vers 101 Anspielung auf Horaz' Verse aus den Episteln:

Multa ferunt anni venientes commoda secum,

Multa recedentes adimunt.

52. „Natur und Vernunft", Nr. 22 der Tabulae votivae, mit dem 2. Distichon:

Wärt ihr, Philister, im Stand, die Natur im großen zu sehen, Sicher führte sie selbst euch zu Ideen empor.

Die beiden Dichter selbst waren die Exponenten dieses Doppelspruchs, der auf die Identität des Idealen und Realen hinführt.

53. „Glaubwürdigkeit“, Nr. 25 der Tab. vot. Vergl. Lehrjahre VII, 6, daß Gott nicht durch Bücher und Geschichten zu uns spreche: Wem die Welt nicht unmittelbar eröffnet" u. s. w.

54. Im Pentameter klingt an des Horaz: Aut prodesse volunt aut delectare poetae. Vergl. den Anfang des 9. Buchs von „Dichtung und Wahrheit".

55. Was nutt", Nr. 26 der Tabulae votivae. Entgegengesett Wieland (Jdr. u. 3en. II, 10):

Ein Wahn, der mich beglückt,

Ist eine Wahrheit werth, die mich zu Boden drückt.

Anders gewendet der orientalische Spruch: J'estime plus un mensonge qui procure la paix qu'une vérité qui cause une sédition (Blanchet, Apologues et contes orientaux, 1784, p. 199). Vergl. nachstehend Nr. 57, das Distichon „Zucht“.

56. Was schadet", Nr. 27 der Tabulae votivae. Der Jrrthum als einzelne Abweichung von dem immer im Auge behaltnen Ziele (vergl. Nr. 58), das Frren als ein Verlassen des Weges, ein Aufgeben des Zieles. Bacon stellt ebenso dem Irrthum, der wohl zur Wahrheit führen könne, die confusio, die Verwirrung, das Irren gegenüber. Vergl. die Zahme Xenie (III): „Irrthümer sollen uns plagen?"

57. Das Schooßkind", Nr. 29 der Votivtafeln, mit dem vorhergehenden Distichon (Zucht):

Wahrheit ist niemals schädlich, sie straft, — und die Strafe der Mutter Bildet das schwankende Kind, wehret der schmeichelnden Magd.

58. Trost", Nr. 30 derselben, sich mit Nr. 56 verbindend.

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59. Aufgabe", Nr. 55 derselben, auch unter Schiller's Gedichten. Berührt sich mit Nr. 45: dort der Schwächere „als Supple

ment" einer fremden Existenz wie Natalie in den Lehrjahren (VIII, 7), hier als selbständig.

60. „Die schwere Verbindung", gleichfalls aus den Votivtafeln und in Schiller's Gedichten.

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61. Vergebliches Geschwät", aus den Votivtafeln. Ein echt Goethischer Gedanke. Vgl. die Zahme Xenie (V): Was ist denn die Wissenschaft?" mit der Antwort: „Ihr erzeuget nicht das Leben, Leben erst muß Leben geben" - und den oriental. Spruch: Le monde périrait, s'il n'y avait que des savans (Blanchet a. a. D. oben zu Nr. 55).

62. Der berufene Leser" unter den letzten Votivtafeln.

63.

Der Freund", besonders unter Goethe's Namen. Von der Freundschaft mit Schiller s. Nr. 363 und 366 der Sprüche in Pr.; danach ist die wahre Freundschaft „die thätige, produktive" (vgl. Eckermann, Gespr. I, 343).

64. „Das blinde Werkzeug", Nr. 13 der Votivtafeln. Vgl. Nr. 62 der Xenien: „Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin.“ - Die Beziehung auf Herder erscheint nicht motivirt.

65. Moderecension", aus den Xenien (Nr. 277).

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66. Das Verbindungsmittel", Nr. 12 derselben, auch durch Körner unter Schiller's Gedichte aufgenommen. Gegen Lavater, in der Schüß'schen Gegenschrift,,Neues Archiv der Schwärmerei" (1797, Hft. 2) gegen die Xeniendichter selbst mit dem Schlusse des Pentameters: Sie bringt Goethe und Schiller hervor."

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67. H. S., Nr. 19 derselben, gedeutet als Heinrich Stilling; besonders gegen dessen „Heimweh“ 1794 (Saupe).

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68. Revolutionen", Nr. 93 der Xenien. Hiezu Nr. 11 der Weissagungen (oben S. 465). In der Reformation eine Parallele der französischen Revolution wegen ihrer die humanistische Entwicklung zerstörenden oder doch kreuzenden Einflüsse. Erasmus war ein Gegner Luther's. Bunsen erblickte in Goethe's Schreiben an Zelter vom 14. Nov. 1816 (II, 349. Nr. 274) von den Worten: „Da der Hauptbegriff des Lutherthums" bis die Bibel als Weltspiegel zu betrachten" eine authentische Auslegung des Distichon, besonders in dem Schlusse: „daß das Lutherthum mit dem Papstthum nie vereinigt werden kann, der reinen Vernunft aber nicht widerstrebt." Demgemäß fand Bunsen darin das, was wir den Lutheranismus nennen, jene unselige, ungeschichtliche und unphilosophische, untheologische wie unevangelische" Scholastik des lutheri

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schen Bekenntnisses (Zeichen der Zeit, II. 127 flg.). Auch Hamann fah das römisch- wälsche Papstthum als die leibliche Mutter des deutschen Lutherthums" an (Flieg. Brief an Niemand den Kundbaren). Aber schon das Weim. Sonntagsbl. 1856 (Nr. 34) trat Bunsen's Einschränkung des Sinnes nicht bei; das Distichon enthalte vielmehr die Klage des Dichters über unlautre Elemente beider Zeitepochen, und ebenso deutete F. Vischer die Stelle auf Luther felbft und seine Zeit (1858 im Augustheft des Litt.-BI. zum Kunstblatt über Strauß's Hutten). Vergl. Scherer's Litteraturgeschichte (S. 377) über die Rohheit des 16. Jahrhunderts.

69 und 70 aus Goethe's Nachlaß treffend eingeschoben; sie fanden sich auf demselben Blatte mit fieben Distichen des XenienAlmanachs, und zwar Nr. 69 überschrieben: Demüthigung, und Nr. 70: Versteckte Absicht (Xenien-Manuskr., S. 132). Der „stolzeste Mann" ist, mit Boas, auf Reichardt zu beziehn. Das deutsche Revolutionsspielen war dem Dichter besonders zuwider (vgl.. seinen Bürger-General) und Gegenstand vieler Xenien (Nr. 158, 215, 216, 232 flgg.). In Nr. 70 ein Wortspiel mit Pöbel und populus (vgl. V. 10 der Elegie „Hermann und Dorothea"). Die neuere historische Forschung bestätigt, daß damals Pöbel und Volk, auch in Frankreich, sich nicht deckten, wie schon Körner an Schiller 1797 schreibt, daß die Pariser Werkzeuge der kämpfenden Faktionen nicht die französische Nation ausmachen." So auch Schiller's Votivtafel Majestas Populi:

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„Majestät der Menschennatur! Dich soll ich beim Haufen suchen?" 71. Partheygeist", Nr. 94 der Xenien. 72, Zusah v. J. 1800. Vgl. Zahme Xenie (II): „O Freiheit füß der Presse“ zu Ende.

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73. Väterlichster Rath". Jm Almanach besonders unter Goethe's Namen, wie die folgenden Nummern. Eine leise Ironie schon in der Überschrift und im Rath selbst. Denn es ist keine leichte Aufgabe, etwas Rechtes zu lernen", wie der Schüler im Faust (I, V. 1525: Möchte gern was Rechts hieraußen lernen“) und „genüg= sam" zu bleiben. Freilich steht Jedem diese Unabhängigkeit offen. Aber nur die philosophisch angelegten, die Diogenes-Naturen, als deren klassisches Muster Spinoza gelten kann, werden dem Rath folgen, die affektvolleren Thatmenschen, gleich dem rafchen Sohn des Philippus für die Lehre zu groß“ (oben S. 162), dem Väterlichsten antworten wie der Adler in der Fabel: „O Weisheit, du redst wie

eine Taube!" Auch hat Goethe selbst seines Vaters: Nie blicke
nach oben hinauf!" (Dichtung und Wahrheit, Thl. III, S. 186 flg.:
Procul a Jove, procul a fulmine) nicht befolgt. - Verspottet 1796
im Hamb. Unparth. Correspondenten.

74.,,Der Biedermann" (Nr. 67 in 3), verkörpert in manchen
Figuren Goethe's, z. B. in Lothario, welcher keine Güter steuerfrei be-
sizen wollte (Lehrj. VIII, 2), in der Gräfin der „Aufgeregten“ (III, 1):
,,3u keiner Ungerechtigkeit will ich mehr schweigen" u. s. w. und
im Dichter selbst. Vgl. den Brief an Schiller Nr. 186: „So
werde ich immer gerne incognito reisen, das geringere Kleid vor
dem bessern wählen und in der Unterredung mit Fremden oder Halb-
bekannten den unbedeutenderen Gegenstand oder doch den weniger
bedeutenden Ausdruck vorziehen."

in 3).

75.,,Würde des Kleinen", sich anschließend an Nr. 59 (Nr. 68

76 und 77.,,Das Heilige und Heiligste", als ein Gedicht im Mu-
senalmanach (S. 41) unter Goethe's Namen. Den Seelen (V. 151)
die Geister (V. 153), der Seelengemeinschaft die geistige gegenüber-
gestellt, welche die Wissenschaft, um nur ein Wort zu gebranchen,
über die Schranken der Religionen, Nationalitäten und Jahr-
hunderte hinweg begründet. Es winken sich die Weisesten aller
Zeiten (oben das 1. Kophtische Lied). Zum Heiligsten wird id, quod
semper, quod ubique et quod ab omnibus creditum est.
Binsenwahrheit (V. 152, nicht bei Grimm) im Sinne von Gemein-
play.

78.,,Der Würdigste", folgt im Musenalmanach unmittelbar der
Nr. 75. Vergl. unten Nr. 89 und ausgeführter im Vorspiel von
1807 (XI, 1, S. 96, 1. Ausg.):

,,Du hast mit wenig Worten
Ausgesprochen, was die Städte

Bauet, was die Staaten gründet:
Bürgersinn."

79.,,Der Erste", als Wortspiel mit Fürst, sprachlich dem „Er-
sten" (engl. the first).

In der Form scherzhafter Tautologie ausgesprochen, daß nicht
die Geburt, sondern erworbne Eigenschaften den Fürsten machen:
,,Herrschaft wird Niemand angeboren, und der sie ererbte, muß
fie so bitter gewinnen als der Eroberer" (Goethe an Lavater im
Okt. 1780 vom Herzog Karl August). Dem „ein Fürst sein“ ent-

Goethe 1.

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gegengesetzt das „Fürst sein" (bei Luther, 3, 325: wo aber ein Fürst... sich dünken laßt, er sei ... Fürst“), wie in der spätern Zahmen Xenie von den Napoleoniden (III, 288, 1. Ausg.): „Wären's Könige gewesen!" Vgl. Mann sein (Grimm, Mann 3, d u. f, auch 11, d). Fr. Schlegel fand (Minor's Fr. Schlegel, II. 24) hier „eine von denjenigen Wahrheiten, die sich von selbst verstehen, aber doch erst aus langer Erfahrung erlernt zu werden pflegen."

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80. Ultima ratio". Bildlich: die Kanonen. Nach Vorgängen der französischen Revolution vom äußern Kriege auf den innern übertragen. Sich verbindend mit Nr. 83.

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81. Wer will die Stelle." Die Überschrift genau passend auf die republikanische Verfassung der Vaterstadt Goethe's. Auch in das alte Venedig hatte er 1786 und 1790 einen Einblick gewonnen. Das Distichon ward von der französischen Republik mit ihrem Verfassungswechsel hervorgerufen.

82 und 83. „Zum ewigen Frieden“ und „Zum ewigen Krieg“. Boas (Schiller und Goethe im Xenienkampf, I. 262) hat bereits nachgewiesen, daß Kant's Schrift „Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf" (1795, 2. A. 1796), ursprünglich Schiller's Horen zugedacht, die Distichen weckte. Kant wollte die Kriege föderativ, durch Bündnisse nach Art, obschon nicht im Geiste der spätern Heiligen Allianz beseitigen, Goethe sie durch Entwicklung des allgemein Menschlichen wenigstens mildern (XXIX, 779, 1. Ausg. und an Carlyle den 20. Juli 1827).

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84 und 85. Unterschied“ und „Ursache". V. 168 sich ausprägend einerseits im Parlament, Reichstage, Landtage, andrerseits im Geheimen Rath des Fürsten: dort öffentliches, hier geheimes Verfahren. Goethe nimmt die Sprüche aber allgemein. Der Fürst steht dem Freunde der Xenie Nr. 239 „Ausnahme" gleich. Johann Jacoby's Wort: „Das ist das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen", mußte, weil in öffentlicher Audienz fallend, nothwendig abprallen. Aus demselben Grunde sollte vormals sich Pharao's Trot verstocken, Weil die Plagen ihm einst öffentlich Moses gesandt“, meinte spöttisch der Hamburger unpartheyische Correspondent (1796, Stück 3, antigenistisch). Der Einzelne unter Vielen zieht dagegen nur das Lob, nicht die Vorwürfe auf sich. Ein drastisches Beispiel gab schon Gellert in seinem Amtmann: „Ihr Ochsen, die ihr alle seid, Euch Flegeln geb' ich den Bescheid" u. s. w.

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