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Aber diese Theorie ist irrig; sie wird durch die unbestreitbare Tatsache widerlegt, daß der Stammgott in den ältesten Religionen nicht als Mensch vorgestellt wird, sondern als lebendiges Naturwesen himmlischer oder irdischer Art. Mit Recht hat man daher gesagt: Nicht weil er Ahnherr war, wird er als Gott verehrt, sondern weil er als Gott verehrt wird, gilt er auch als der Ahnherr, der Stammvater seiner Verehrer (E. Caird). Für uns erscheint es freilich als eine schwer vollziehbare Vorstellung, daß ein sinnliches Naturobjekt, wie der Himmel oder die Sonne oder die Erde oder ein Berg, ein Baum, ein Fluß, ein Tier, sollte Menschen erzeugt haben; aber wir dürfen uns durch diese Schwierigkeit doch nicht dazu verleiten lassen, diese Vorstellung, die in den ältesten Religionen überall wiederkehrt und zahllosen Mythen zugrunde liegt, zu verneinen oder zu bloß uneigentlicher Symbolik abzuschwächen; Symbolik im Sinn bewußter Bildersprache gibt es in der Urzeit überhaupt noch nicht, sondern da ist alles ganz eigentlich und leibhaftig gemeint. Übrigens wird hierbei zweierlei zu beachten sein: einmal, daß die Schwierigkeit, die in jener Vorstellung für uns liegt, nicht ebenso auch für die Urmenschen bestand, und zwar darum nicht, weil ihnen unsere scharfe Unterscheidung zwischen den verschiedenen Gattungen von Wesen, zwischen Menschen, Tieren, Pflanzen, zwischen belebten und unbelebten Dingen, noch ganz ferne lag; wie es ihnen nicht unnatürlich erschien, daß eines in das andere übergehe, sich verwandele, ebensowenig erschien ihnen das Erzeugtwerden des einen aus dem anderen unmöglich. Sodann aber wollen wir nicht übersehen, daß in jener uns zunächst so wunderlich erscheinenden Vorstellung im Grunde doch ein guter vernünftiger Sinn sich verbirgt. In der Vorstellung ihres Stammgottes verbindet

sich für die Urmenschen beides zur Einheit: die übermenschliche, geheimnisvolle, dauernde Macht, die in seiner Naturseite ausgedrückt ist, und die in seiner Eigenschaft als Stammvater enthaltene innige Verwandtschaft mit den Menschen, die ein Verhältnis gegenseitiger Verbundenheit, der Schirmherrschaft und der Pietät, begründet. Wäre er nicht Naturwesen, so käme ihm nicht die dem Menschen überlegene dauernde Macht zu, die vom Gottesgedanken unabtrennlich ist; wäre er aber nicht zugleich der Vater (bzw. die Mutter) seines Stammes, die Quelle des gemeinsamen Lebens der Generationen, so würde das feste Band zwischen ihm und den Menschen, der Anknüpfungspunkt für das religiöse Verhältnis, fehlen. Sie sehen also wohl, daß jene auf den ersten Blick uns so paradox, ja grotesk erscheinende Vorstellung der Urreligion von der Gottheit im Grunde nur die naive, für den kindlichen Geist allein mögliche Ausdrucksform war für den vernünftigen Gedanken Gottes als der Einheit von übermenschlichem und innermenschlichem Wesen, von Natur und Geist.

So diente denn auch diese Gottesvorstellung von Anfang an schon nicht bloß zur Anknüpfung eines religiösen Verhältnisses, sondern auch als sittliches Gemeinschaftsband für die Verehrer desselben Gottes. Es gab ursprünglich kein anderes sittliches Band für die Menschen als dieses religiöse; in ihrer gemeinsamen Gebundenheit an ihren göttlichen Erzeuger, Erhalter und Beschützer fühlten sich die Stammgenossen auch miteinander solidarisch verbunden. Die religiöse und die soziale Gemeinschaft fielen von Anfang an zusammen; nicht weiter, als die letztere, konnte auch die erstere sein, daher der engbegrenzte Umfang einer Kultgenossenschaft und des Herrschaftsbereiches ihres Gottes. Aber wie eng begrenzt auch, so war es doch

immer irgend welche Gemeinschaft, in der ein religiöser Glaube gepflegt und kultisch betätigt wurde. Die Meinung, daß die Religion als individuelle Angelegenheit und mit der Verehrung von göttlichen Wesen, die nur Einzelnen angehörten, begonnen habe, ist ein gründlicher Irrtum. Überall in der menschlichen Geschichte war die natürliche, auf Blutsverwandtschaft beruhende Gemeinschaft das erste; die Individuen gingen in diesem solidarischen Ganzen noch unterschiedslos auf und haben sich erst allmählich und sehr langsam auf ihre besondere Eigenheit und Berechtigung besonnen. So war es auf allen Kulturgebieten, nicht am wenigsten auf dem der Religion. Auch sie begann mit dem gemeinsamen Kult der blutsverwandten Sippe, der Einzelne hatte und verehrte keine anderen Götter als die seines Stammes. Wurde er aus diesem verstoßen, von seinem Kultus getrennt, so fühlte er sich ebendamit auch von seinem Gotte getrennt und fremden Göttern verfallen, von denen er nichts Gutes zu erwarten hatte; ebendarin lag für den antiken Menschen das Furchtbare der Verbannung vom Boden und vom Kult der Heimat.

Über die älteste Form des Gottesdienstes läßt sich kaum etwas sagen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, spätere Bräuche in den Anfang zurückzutragen. Anrufungen der Gottheit und Opfer werden wohl immer dazu gehört haben; aber welchen Sinn das Opfer ursprünglich hatte, ist eine schwierige Frage. Daß es von Anfang an ein Tribut an die Gottheit gewesen, ist keineswegs sicher; manches scheint für die Ansicht zu sprechen, die der gelehrte und scharfsinnige Religionsforscher Robertson Smith aufgestellt hat, daß das Opfer ursprünglich nichts anderes als eine,,heilige Kommunion" gewesen, sei es im Sinne eines gemeinsamen Mahles, zu dem die Götter als Gäste geladen wurden und

ihren Anteil an Speise und Trank bekamen, oder auch in dem vielleicht noch älteren Sinn, daß man in dem Leben des geopferten Tieres oder Menschen das Leben der Gottheit selbst innewohnend dachte und durch den Genuß des rohen Fleisches und Blutes dieses göttliche Leben sich anzueignen glaubte; danach wären die späteren Mysterienbräuche, denen unzweifelhaft ein derartiger Gedanke zugrunde lag, nur die verfeinerte Form des ältesten Opferkultus. Demselben Zweck der Vereinigung mit der Gottheit dienen auch die orgiastischen Tänze, bei denen sich die Teilnehmer in das Gewand und die Masken ihres Gottes zu hüllen pflegen: sie meinen sich damit in sein Wesen zu versetzen, und die ekstatische Raserei erscheint dann als Wirkung des Ergriffen- und Erfülltseins vom Gott (,,Enthusiasmus“). In hohes Altertum reichen ferner die Bräuche zurück, die man als,,Analogiezauber" zu bezeichnen pflegt: Handlungen, die eine göttliche Tätigkeit, wie das Befruchten der Erde, den Regen u. dgl. Naturvorgänge nachahmen und damit befördern und hervorrufen sollen; übrigens ist die Bezeichnung,,Analogiezauber" insofern irreführend, als ursprünglich jene Handlungen nicht als bloße Analogie, als Bild, sondern als ein wirkliches und wirksames Mitwirken mit dem Tun der Gottheit, sonach als reales Mittel zum gewünschten Effekt, gemeint waren. Später erst, wenn diese ursprüngliche Bedeutung nicht mehr verstanden wurde, sank die Handlung zur bloßen Zeremonie herab, der eine magische Wirkung zugeschrieben wurde. Auf diese Weise konnte überhaupt aus anfänglichen naiv-religiösen Kultushandlungen mit der Zeit die eigentliche ,,Zauberei" entstehen, die also nicht der Anfang, sondern eine Entartung der Religion ist, weil in ihr der Mensch nicht im Dienste der Gottheit und für deren Zwecke handelt, sondern ohne

und wider sie eigenwillige Zwecke durch geheimnisvolle Mittel erreichen will. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Fetischismus, den man mit ebensowenig Recht wie die Zauberei für den Anfang der Religion erklärt hat. Das Wort,,Fetisch" bedeutet ein beliebiges natürliches oder künstliches Ding, das als Kultusmittel insofern dient, als sich an dasselbe die Vorstellung von der Gegenwart und wirksamen Kraft einer Gottheit knüpft. Solche sakramentalen Zeichen für das praesens numen finden sich in allen Kulten, weil sie dem natürlichen Bedürfnis nach anschaulicher Vergegenwärtigung des Göttlichen entsprechen. Aber nirgends sind sie mit der Gottheit einfach identisch, nirgends der erschöpfende Ausdruck ihres Wesens. Den Spiegel im Tempel der Sonnengöttin hält der Japaner für das Zeichen der Gegenwart der Göttin, aber es fällt ihm nicht ein, ihn für die göttliche Sonne selbst zu halten. Wie wäre es denn auch psychologisch zu erklären, daß die Menschen tote Dinge, von denen sie gar keine Wirkungen ausgehen sahen, für ihre Götter gehalten hätten? Erst wenn die Vorstellung der Gottheit auf dem vorhin beschriebenen Wege gewonnen war, konnte man beliebige Dinge zu ihr in eine derartige Beziehung setzen, daß sie als Mittel ihrer kultischen Vergegenwärtigung dienten. Und daraus konnte dann freilich die abergläubische Vorstellung sich bilden, als ob das heilige Ding an sich, abgesehen von seiner kultischen Beziehung zur Gottheit, eine übernatürliche Wunderkraft besäße, der sich der Einzelne zur Hervorbringung beliebiger Zauberwirkungen bedienen könne. So wird aus dem anfänglichen Kultusmittel ein Zaubermittel; was anfangs zur frommen Vergegenwärtigung der Gottheit diente, drängt sich an deren Stelle und wird zum Ersatz der Gottheit. Für diese abergläubische Entartung

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