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Als die Römer die Germanen kennen lernten, zerfielen diese in eine Unzahl kleinerer politischer Gemeinwesen. Aber verschiedene Völker, die staatlich getrennt waren, sahen sich dennoch als einen Stamm an. Was hielt sie also zusammen? Die Religion war das einigende Band: sie verehrten eine Stammesgottheit, zu deren Feier sie an grossen Festtagen in Scharen herbeieilten. Es waren also Kultverbände, die alljährlich, als eine grosse Familie und Blutsverwandtschaft sich betrachtend, zu einer gemeinsamen Feier in einem Stammestempel sich vereinigten und ihre Gemeinschaft bei einem blutigen Opfer erneuerten. Von allen vier Stammeskulten haben wir genaue Berichte. Die Ingväonen verehrten den Himmelsgott und seine Gemahlin, die Terra mater, die sie Nerthus nannten (Germ. 40), auf einer Insel; die Istväonen den Himmelsgott und die Tanfana (Ann. 11), ebenfalls eine Bezeichnung der Erdgöttin Pfleger des Heiligtums waren die Marsen; die Erminonen, deren Stammestempel im Gebiete der Semnonen lag (Germ. 39), den Himmelsgott und seine Gemahlin, deren deutscher Name Nehalennia in der interpretatio romana Isis lautet (Germ. 9). Die vandilisch-gotischen Völkerschaften hatten als Bundesheiligtum einen Hain der Dioskuren, der bei den Nahanarvalen lag (Germ. 43). Seit der Mitte des 3. Jahrh. stellen sich jene religiösen Verbände plötzlich auch als politische Verbände dar, die früheren Priestergeschlechter an den Stammestempeln stehen an der Spitze erobernder Heeresmassen, die alten Amphiktyonien werden organisierte Gemeinwesen: so sucht man die Entstehung der drei Stämme der Franken, Sachsen und Alemannen zu erklären, zu denen sich als vierter die Bayern gesellen Die Götter der Westgermanen sind die eigentlich deutschen Götter. Aber eine deutsche Mythologie als Ganzes in der geschichtlichen Zeit giebt es eigentlich nicht; es giebt nur eine Anzahl von Kultkreisen, wenn sich auch die Verehrung einzelner Götter über ganz Germanien erstreckt. In historischer Zeit steht kaum ein Gott in gleichem Ansehen bei allen Stämmen. Das sächsische Taufgelöbnis z. B. ich entsage dem Thunder und Woden und Sarnôt zeigt, dass bei den

Sachsen nicht Woden und nicht Tius die erste Stelle in der Göttertrias einnehmen, sondern der Gewittergott; die Angabe des Tacitus (Germ. 9),von den Göttern verehren die Germanen am meisten den Wodan' findet also für die Sachsen keine Anwendung. Die Darstellung müsste also von den Zeugnissen des Pytheas, Caesar und Tacitus ausgehen, die Inschriften und dann die Nachrichten aus der Völkerwanderung folgen lassen; gesondert wäre Glaube und Brauch der rheinanwohnenden Germanen, der Nord- und Ostseevölker und der im Innern Deutschlands sesshaften Stämme sowie der vandilischgotischen Völker zu betrachten, und auch hier wäre noch. zwischen mittelbaren und unmittelbaren Zeugnissen zu scheiden. Aber eine solche Darstellung würde nimmermehr ein einheitliches Bild ergeben, fortwährende Wiederholungen würden sich lästig machen, und ein Überblick würde doch nicht erreicht. Werden nur die Überlieferungen in der Zeit und an dem Orte festgehalten, wo sie entstanden sind, so kann eine Entstellung und Fälschung des zu entwerfenden Bildes nicht erfolgen.

Name und Zahl der Götter.

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Die gemeingermanische Bezeichnung Guda,Gott' hat man zu aind. ghoras schrecklich, scheueinflüssend, ehrfurchtgebietend gestellt und Gott als ein Wesen erklärt, dessen Hilfe der Germane in Ehrfurcht erflehte: so sagt Tacitus,die Germanen bezeichnen mit dem Namen der Götter jenes Geheimnisvolle, das sie allein durch fromme Ehrfurcht schauen‘ (Germ. 9). Eine andere Erklärung bringt die ursprünglich neutrale Wortform Gott (idg. ghu-tó-m) mit der idg. Wurzel ghu, skr. hû zusammen Götter anrufen: das anzurufende Wesen, oder mit skr. hû opfern das Wesen, dem geopfert wird (skr. hu-tá).

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Ausser guda, gu-pa,Gott ist auch die Bezeichnung Asen gemeingermanisch. Die Goten nannten ihre Edlen, deren Glück sie den Sieg verdankten, nicht mehr einfach Menschen, sondern Ansen d. h. Halbgötter (Jord. 13). Als die Westgoten im Jahre 378 in Thracien den Römern schlacht

bereit gegenüberstanden, priesen sie in wüstem Geschrei die Thaten ihrer Ahnen d. h. der Götter, von denen das Volk und die Könige stammten (Am. Marc. 317,10). Die gotischen ansîz (sing. ans) waren also siegspendende Götter, göttliche Wesen, die in das Geschick der Menschen eingreifen. Im Friesischen begegnet dasselbe Wort in ees - den Weg, den Tius Forseti die zwölf Asegen führte, um sie das friesische Recht zu lehren, nannte man Eeswey=Götterweg und im an. áss, plur. aesir. Der deutsche Name lautete ahd. ans, as. ags. ôs (ags. pl. êse), wie zahlreiche Eigennamen beweisen: Anshelm, Ansbrant, Ansbert, Anshilt, inschriftlich Asinarius Ansbald, Ansheri (Gottesheld), Anso, langob. Ansegranus (der mit dem Götterbarte), Ansvald (as. Oswald = der über die Asen waltet), Ansolf, Ansgar as. Oskar (Götterspeer). Uralt ist Asleikr, ahd. Ansleicus, ags. Óslâc Leich für die Götter. Die Ansivaren, deren Wohnsitze in älterer Zeit nördlich der Sieg lagen, waren die Verehrer des Ans oder Wodan, wie die Ziuwaren die Verehrer des Ziu. Die langob. Sage von Alboin bei den Gepiden erwähnt ein Asfeld (Götterfeld), wo die Gebeine der Erschlagenen liegen (D. S. Nr. 394). Aber âs und ôs in deutschen Namen ist nicht zusammen zu werfen die Osenberge, Ochsenberge, Ossensteine sind nach dem Rindvieh, nicht nach den Göttern benannt, man vergleiche die Schaf, Reh-, Geissberge. Die Bedeutung des Wortes ist noch unklar. Bei Wulfila (Luc. 61, 2) bedeutet. ans einen Balken, dieselbe Bedeutung hat auch an. áss: die Götter wären also die Tragbalken, die Träger und Stützer der Weltordnung. Andere vergleichen skr. ásu Leben, zend. anhu Herr: Gönner und Helfer, oder skr. anas Hauch', gr. avεuos Wind', got. anan hauchen: grosser Geist, Weltgeist; noch andere erinnern an das Beiwort des idg. Himmelsgottes Dieus Asura, lat. erus, esus: Herr oder Höchster.

Gemeingermanisch endlich war die Vorstellung der Götter als der Ratenden. Im an. heissen die Götter regin, got. ragin ist der Ratschluss, ragineis der Ratgeber, raginôn regieren. Im Heliand (2594, 3348) ist das Schicksal Schöpfung der Ratenden (regano giscapu). Dasselbe meint as. metodo

giscapu (Hel. 2190, 4827) und ags. meotodsceaft, metodsceaft (Beov. 1077, 1180, 2815), ags. meotudvang, Schlachtfeld' erinnert an Idisiaviso. Altgerm. metodus, got. mitodus, an. miqtudr,das ordnende, messende Wesen' gehört zu miton ermessen, bedenken (S. 99). Rater und Richter waren also bereits die urgerm. Götter.

Seit der ältesten Zeit begegnen die himmlischen Wesen in der Dreizahl, das jüngere Bedürfnis nach verstärkten Mitteln hat die 3X3 erzeugt. Cäsar kennt als die einzigen göttlichen Mächte, an die die Germanen glaubten, die Dreiheit Sol, Luna, Vulcanus (621). Plinius (H. N. 499) und Tacitus (Germ. 2) nennen die drei Verbände der Istväonen, Ingväonen, Erminonen, die auf die 3 Beinamen des Himmelsgottes Istvio, Ingvio, Irmino zurückgehen. Tacitus weiss von der Verehrung des Wodan, Tius und Donar (Germ. 9). Thuner, Woden und Saxnot mussten die heidnischen Sachsen abschwören, als Karl der Grosse sie zur Taufe zwang. Zu dreien treten die Schicksalsfrauen auf (S. 96, 100); in 3 Haufen geteilt lassen sich die Idisi des Merseburger Zauberspruches auf dem Schlachtfelde nieder. Gruppen von neun hohen Gottheiten kannten die alten Germanen nicht. Aber neun Seeungeheuer erlegt Beowulf (V. 575; S. 160); gegen ,neunerlei Elfen giebt es eine mecklenburgische Schutzformel. Neun Kräuter gebrauchen die Hexen zu den Zaubermitteln. Gegen die Wichte, gegen die neun Gifte und die neun aufliegenden Krankheiten schützen nach dem altengl. Neunkräutersegen neun Kräuter. In demselben Zauberspruche heisst es auch von Wodan, dass er mit neun heiligen Zweigen die Natter schlug, dass sie in neun Stücke brach. Neun Jahre halten die gefangenen Schwanjungfrauen bei ihren Männern aus, dann trieb sie die Sehnsucht nach dem göttlichen Leben zur Flucht. Neun Jahre gebietet der Engel dem Orendel und der Bride, sich der Liebe zu enthalten. Neun Tage dauert die dem Totenkulte gewidmete Frist, die am neunten Tage mit einem Opfer abschloss. Neun Tage währte der Werwolfszauber, am zehnten kommen die Menschen aus der Wolfshaut wieder heraus (S. 32). Neun Klafter tief wird der wilde Schoss (Elbenschuss) in die Erde beschworen; neun Fuss

Herrmann, Mythologie.

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weit muss bei dem Feuerordal das glühende Eisen getragen werden, oder der Beklagte muss mit blossen Füssen über neun glühende Pflugschare schreiten, die je einen Fuss von einander liegen. Die semitisch-orientalische Sieben drang als herrschende Zahl in die christliche Kirche ein, und in der christlichen Sieben erwuchs der alten deutschen Neun ein sehr gefährlicher Nebenbuhler; aber sie konnte die Neun wohl beschränken, jedoch nicht vernichten.

Mythenansätze und Mythenkreise.

Eine deutsche Mythologie als Ganzes giebt es nicht, sondern nur eine Mythologie der einzelnen Stämme (S. 222). Diese Mythen sind natürlich um so reicher entwickelt, je kräftiger der Stamm seine religiöse Anlage ausleben konnte, je später er also zum Christentum übertrat. Auch Dichtkunst, Lage des Landes und Geschichte tragen zur schöneren Entfaltung und Gestaltung der Mythen bei. Durch die Lehre der Liebe vom leidenden Erlöser wurden manche im Keime erstickt, manche in ihrer Entwickelung gehemmt, während von andern sich Spuren und Trümmer hier und da zerstreut finden. Viele, und vielleicht die bedeutendsten, waren bereits zur Blüte und Frucht gelangt, sie schliessen sich naturgemäss an die Hauptgötter an und werden dort erörtert werden. Die übrigen sind eben nur Trümmer, Ansätze, die gesondert betrachtet werden müssen; zum Teil sind sie mit andern Mythen verschmolzen, haben ihr ursprüngliches Gebiet erweitert und fügen sich einer übersichtlichen Darstellung im Anschlusse an die einzelnen Götter nicht gut ein. Es empfiehlt sich daher, diese allein zu betrachten, selbst auf die Gefahr hin, dass ein gelegentliches Vor- und Zurückgreifen unvermeidlich sein wird. Es werden also zunächst die Mythenansätze oder Keime behandelt, diesen folgen die Mythenkreise, und denen schliessen sich die einzelnen Götter an.

1. Der Feuergott.

Die rohe Verehrung des Barbaren für die wirkliche Flamme, die ihm beweglich, heulend und verzehrend wie ein

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