ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub

In dem ältesten deutschen Romane, dem Ruodlieb (um 1030), sieht die Mutter des Helden im Traume zwei Eber und eine grosse Anzahl von Säuen mit ihren Hauern drohend auf Ruodlieb eindringen, doch er tötet sie alle. Dann sieht sie ihn auf einer hohen, breitwipfligen Linde sitzen, umgeben von den kampfbereiten Seinen. Da kommt eine schneeweisse Taube, d. h. die Seele der ihm bestimmten Königstochter, bringt im Schnabel eine kostbare, edelsteingeschmückte Krone und setzt sie Ruodlieb auf das Haupt. Obwohl die Mutter wusste, dass damit Ehre verkündigt wäre, fürchtete sie doch, da sie aufgewacht war, ehe der Traum zu Ende war, dass sie vor seiner Erfüllung sterben müsste (17, 85-128). Die Verkündigung des Geschickes im Traum ist ein beliebtes Motiv der mhd. Dichtung; oft ist es ein Engel, der dem Träumenden Befehle giebt, ihn warnt, an seine Pflicht erinnert und gutes Ende voraussagt. In ganz Deutsch.

land finden sich noch heute auffallend übereinstimmende Traumdeutungen. Läuse und anderes Ungeziefer bedeuten Geld, ein Wagen mit Schimmeln, oder Schimmel überhaupt, weisse Mäuse bringen Tod. Leichen bedeuten eine Hochzeit, eine Hochzeit hingegen Leichen, und zwar sterben die, die man als Brautleute gesehen hat.

4. Der Aufenthaltsort der Seelen.

Nachdem die Seele oder der Geist beim Tode den Körper verlassen hat, hält er sich in der Nähe des Grabes auf, wandelt auf der Erde oder fliegt in der Luft umher oder zieht in das eigentliche Geisterreich. Unter den Boden, unter die Schwelle grub man den Toten ein, um dem Hause einen Schutzgeist zu sichern. Der beliebteste Sammelplatz der Seelen ist der Altar des Hauses, d. h. der Herd, die uralte Begräbnisstelle. Norddeutsche Bauern erinnern sich noch, dass an den Ufern des sumpfigen Drömling der Eintrittsort in das Land der abgeschiedenen Seelen war. Das Schauspiel der in die Unterwelt versinkenden Sonne rief den Glauben hervor, dass das Seelenheim im fernen Westen gelegen wäre. England, die Gegend des Sonnenunterganges, galt dem ger

manischen Altertum als das Land der Toten. Procop, der Geschichtsschreiber des gotischen Krieges, hat im 6. Jahrhundert einen ausführlichen Bericht aufgezeichnet (IV, 20): An der Küste, die Britannien gegenüberliegt, befindet sich eine grosse Anzahl von Dörfern, deren Bewohner von Fischfang, Ackerbau und Schiffahrt nach Britannien leben. Sie sind den Franken unterthan, zahlen aber keinen Tribut, da sie von alters her die beschwerliche Pflicht haben, abwechselnd die Seelen der Verstorbenen überzusetzen. Vor Mitternacht merken sie, wie es an ihre Thüren klopft, und hören die Stimme eines Unsichtbaren, der sie an die Arbeit ruft Sogleich stehen sie auf, ohne sich zu besinnen, und begeben sich an den Strand, durch eine unbekannte Gewalt angetrieben. Dort finden sie Kähne vor, zur Abfahrt bereit, aber ganz menschenleer. Es sind das nicht ihre eigenen, sondern fremde Fahrzeuge. Sie steigen hinein und greifen zu den Rudern. Dann fühlen sie, wie die Schiffe durch die Menge der Mitfahrenden so schwer belastet werden, dass sie bis an die Deckbalken und die Rudereinschnitte im Wasser liegen und kaum einen Finger breit daraus hervorragen; aber zu sehen ist niemand. In einer Stunde schon sind sie am anderen Ufer, während ihre eigenen Boote die Überfahrt nicht unter einer Nacht und einem Tage machen. Am jenseitigen Strande entleert sich das Schiff und wird so leicht, dass nur noch der Kiel die Wellen berührt. Sie sehen niemand auf der Reise, niemand bei der Landung, aber hören eine Stimme, die von jedem neu Ankommenden Namen, Stand und Herkunft ausruft; bei Frauen wird der Name dessen ausgerufen, dem sie im Leben angehörten. Bis im 13. Jahrhundert war die Erinnerung an ein britannisches Totenreich in Deutschland lebendig.

Deutsche Sagen wiederholen noch heute das Thema, wie die Mare aus Engeland über das Meer herüberkomme; da hört die von Heimweh Erfüllte von England her die Glocken klingen, noch einmal will sie ihre Mutter sehen, sie schmeichelt dem Manne den Urlaub ab und verschwindet, oft mit dem Rufe:,,wie klingen die Glocken in Engeland!"

Da aber die Seelen des heidnischen Volksglaubens in christlicher Zeit häufig in Engel übergingen, ist es nicht ausgeschlossen, dass das himmlische Totenreich als Engelland bezeichnet wurde.

Eine besonders von den Seelen heimgesuchte Stelle sind, wie bei den Indern, Griechen und Römern, auch die Kreuzwege, vermutlich alte verlassene Begräbnisplätze. Sie sind daher der Sitz des mannigfachsten Zaubers. Schon Eligius verbietet das Lichtanzünden an Kreuzwegen.

Floh der Lebenshauch aus dem erstarrten Körper, so schwebte er in die Luft empor und die Seele flog mit dem wütenden Heere einher. War der Sturm als die Vereinigung von Seelen gedacht, so musste den Geistern, während der Wind ruhte, ein bestimmter Ruheort zugeschrieben werden. Aus den Bergen bricht der Wind hervor, im Berge verweilte der Windgott Wodan, so wurden die Berge zum Seelenheim. Der Indiculus (Nr. 7) verbietet die Opfer auf Steinen, Felsen und Bergen; denn in Bergen und Höhlen hausten die Seelen der Verstorbenen und kamen zu bestimmten Zeiten daraus hervor. Der Rattenfänger von Hameln lockt die Seelen der Kinder zu den Unterirdischen in den Koppenberg. In den Venus- und Hollenbergen verschwindet die wilde Jagd, und oft hört man das Heulen und Wimmern der Seelen aus dem Berge. Aus einem Berge bei Worms kommen die Geister der gestorbenen Ritter hervor (S. 7). Im Münchener Nachtsegen werden allerlei biblische Stellen citiert, um die Schwarzen und Weissen, die die Guten heissen, d. h. die alten Hausgeister abzuwehren; denn auch sie können schaden, wenn sie erzürnt sind. Zwar sind sie nach dem Blocksberg ausgewandert und haben dort ihren ständigen Sitz; aber sie sind beleidigt und gekränkt dem Christentum gewichen, d. h. nach der Anschauung des Volkes in den Berg entrückt; und wenn sie des Nachts zum Hause zurückkehren, muss der im Bette liegende Schläfer ihren Zorn fürchten und versuchen, ihren feindlichen Einfluss abzuwehren.

In den Bergen ist auch der Wohnsitz der Lieblinge der deutschen Volksdichtung Karl der Grosse ruht im Desem

berge bei Paderborn oder im Unterberge bei Salzburg, Heinrich der Erste im Sudemerberge bei Goslar. Der im elsässischen Bergschlosse Geroldseck (richtiger: in dem Wasserschlosse Geroldseck an der Saar) hausende Siegfried ist von dem Dichter Moscherosch († 1669) erfunden, ebenso das Fortleben des Ariovist, Hermann und Widukind im Hügel Bablionie in Westfalen (D. S Nr. 21). Nach dieser Vorlage hat dann unser Jahrhundert weiter gearbeitet; im Fichtelgebirge weilt Erzherzog Karl von Österreich, in der Sarner Scharte oder im Iffinger lebt Andreas Hofer fort und wird einst wieder erscheinen.

Obwohl die Darstellung auf das wütende Heer bei Wodan zurückkommen wird, sei doch schon bemerkt, dass es noch im 13. Jahrhundert, im Münchener Nachtsegen, Wûtanes her genannt wird. Wütendes Heer ist also entstellt aus Wutensheer Heer des Wuotan. Der Nacht- und Windgott ist in ältester Zeit bereits mit den im Sturme einherfahrenden Seelen in Verbindung gebracht und das Totenheer nach dem Führer benannt. Der nächtliche Schrecken des wilden Heeres wird noch durch die Begleitung anderer entfesselter Naturgewalten gesteigert, durch den aus schwarzen Gewitterwolken hervorleuchtenden Blitz. Glôzan und Lodevan, Wûtan und Wûtanes her werden im Münchener Nachtsegen abgewehrt: ihr sollt von hinnen gehn! Glô-zan, Feuerzahn, (mhd. gelohe Flammie, ahd. mhd. zan Zahn) ist der Blitz; Lode-van (mhd. lode Zotte, ahd. ludo zottige Decke) bedeutet Zottelfahne, und unter der zottigen Fahne ist die Wolke zu verstehen. In demselben Segen werden Herbrot und Herebrant aufgefordert, in ein anderes Land auszufahren. Auch diese beiden Namen scheinen mit dem wilden Heere zusammen zu hängen. Herbrot ist der im Gebälk des Hauses wohnende und auf Plünderung ausziehende Hausgeist, und vergleicht sich dem bekannteren Ausdruck Heerwisch. Wird von einem Baume, der Feuer in sich birgt', d. h. den der Blitz versehrt hat, ein Balken zum Bau verwendet, so brennt das Haus ab. Wenn der Herbrand in ein Haus fällt, so brennt dieses nach sieben Jahren ab. Vielleicht ist Herbrot das Femininum

dazu. Neuerdings erklärt man Herbrant als die Brandstif tungen des einbrechenden feindlichen Heeres, und *Herebrort als die Vorhut, die nächtlicherweile verheerend einfällt, sieht also in den Namen nur poetische, nicht mythische Beziehungen. Wenn aber in demselben Nachtsegen von Wûtanes Heer und allen seinen Mannen die Rede ist, die, geradebrecht und gehängt, von den Rädern und den Strängen getragen werden, so ist Beziehung zum Seelenglauben nicht abzuleugnen. Denn die Seelen der mit dem Rade Hingerichteten und Gehängten werden vom Winde entführt, vom wilden Heere aufgenommen und kreisen mit diesem durch die Lüfte.

5. Der Seelenkultus.

Verschiedene Gebräuche der Seelenabwehr sind über den ganzen Erdkreis verbreitet. Zu gleichen Zwecken hat der Mensch überall Vorkehrungen getroffen, um die spukende. Seele zu vertreiben oder unschädlich zu machen. Die Geister und Gespenster scheuen den nackten Menschen. Wer von bösen Träumen heimgesucht wird, kann sich dagegen wehren, wenn er beim Schlafengehen sich in der Mitte der Stube ganz entkleidet und rückwärts zu Bette geht. Nach einem Todesfalle werden sogleich die Fenster geöffnet, damit die Seele nicht länger im Hause bleibt. Die Töpfe werden umgekehrt, damit die Seele nicht irgendwo unterschlüpfen kann. Hinter dem Sarge her wird die Stube ausgekehrt, um das Wiederkommen zu verhüten, oder man giesst der Leiche einen Eimer Wasser nach, dann kann sie nicht umgehen. Der Wunsch, die Rückkehr des Verstorbenen zu verhindern und zugleich seine Reise ins Jenseit für ihn selbst bequemer und sicherer zu machen, hat zu dem weitverbreiteten Brauche geführt, dem Toten Schuhe mit ins Grab zu geben. Pommersche Leidtragende lassen, wenn sie vom Kirchhofe zurückkehren, Hirsenstroh hinter sich zurück, damit die wandernde Seele darauf ruhen und nicht nach Hause zurückkehren möge. Wie Stroh einst das Wesentlichste am Lager war, so knüpfen gerade hieran noch alte Bräuche. Das Revestroh (got. hraiws,

« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »