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dafür halten, aber bald gewahrte man, dass es sichtbar in Fäulnis überging; oder das Herz konnte es sein, aber der Leib vermoderte und mit ihm das Herz. Das was mit dem Tode entschwand, musste etwas vom toten Leibe Verschiedenes sein, was nicht mit den Augen wahrzunehmen war, und das war der Atem, der jetzt aufhörte und sich von dem Körper getrennt hatte. Mit dem Aufhören des Atems war das Leben dahin. Ausatmen, aushauchen, den letzten Atemzug thun ist in vielen Sprachen das Wort für sterben. Wo aber und was war der Atem, der früher in dem Körper war? Er stirbt nicht mit dem Körper, fällt nicht der Auflösung anheim wie Blut, Herz, Gehirn und Gebein, er musste weiterleben, auch nachdem er den Leib verlassen hatte. Eine besondere Stütze erhielt die Vorstellung vom Fortbestehen des im Tode scheinbar aus dem Körper entwichenen Lebensprincipes durch die Erscheinung des Traumes. Der Körper des Schlafenden liegt da wie der des Toten, noch thätig aber ist und weiter lebt die Seele, sagt Cicero. Welche Wirkung das Traumleben auf den einfachen Menschen ausübt, hat Grillparzer in seinem dramatischen Märchen ,,Der Traum ein Leben“ packend veranschaulicht. Wenn der Schlafende aus dem Traume erwacht, muss er sich erst besinnen, ob die Erlebnisse der Nacht wirklich Thatsachen gewesen sind. Der Mensch im Naturzustande vermag nicht zwischen subjektiv und objektiv, zwischen Einbildung und Wirklichkeit scharf zu unterscheiden. Im Traume vermag er entfernte Gegenden aufzusuchen, er vermag sich an Dingen zu ergötzen, die längst hinter ihm oder in weiter Ferne vor ihm liegen. Angehörige erscheinen wieder, die längst verstorben sind, um zu raten und zu warnen; Feinde beunruhigen den Schläfer und quälen ihn wie zu Lebzeiten.

Seelenglaube und Traumleben berühren sich also nahe; der Tod wie der Traum mussten den Menschen auf das Dasein und die Fortdauer der Seele führen. Beim Tode verlässt die Seele den Körper für immer und schweift als Geist umher. Erscheint der Verstorbene dem Schläfer, so muss es seine Seele, sein anderes Ich, sein Trug- und Ebenbild

Mit

sein, das mit dem Träumenden in Verbindung tritt. dieser Vorstellung, wo die fremde Seele handelnd gedacht ist, hängt eine andere unmittelbar zusammen. Im Schlafe verlässt die Seele den Leib nur auf kurze Zeit; sie selbst ist jetzt die handelnde, sie kann Freud und Leid erfahren, mit Personen und Gegenständen verkehren, die ihr lieb sind oder ihr Angst und Furcht einflössen. Je mehr der Mensch von der Wirklichkeit der Erlebnisse des Traumlebens überzeugt war, um so erklärlicher wird uns das Grauen, mit dem er diesem Rätsel gegenüberstand. Sein erstes Bestreben musste sein, diese verwirrenden und beängstigenden Erscheinungen von sich fern zu halten: Abwehr wird der Anfang des Kultus gewesen sein. Auch beim Eintritt des Todes war das Grauen das naturgemässe Gefühl. Die Seele musste widerwillig den Leib verlassen haben, feindlich musste die Stimmung sein, in der sie vom Körper geschieden war; sie musste nach der grausamen Logik des Naturmenschen auch dem Überlebenden zu schaden suchen: so entstand die Seelenabwehr. War aber die Seele persönlich gedacht, so musste sie auch an den bescheidenen Freuden des Lebens teilnehmen; Essen und Trinken und was sonst den Menschen im Leben ergötzte, musste auch die Seele gern haben, und so entstand die Totenpflege. Die Aufgabe, den Verkehr mit den Seelen und Geistern zu vermitteln und dadurch über Leben und Gesundheit der Stammesgenossen zu wachen, musste einer Person übertragen werden, die zugleich Arzt, Medicinmann und Zauberer war. Er musste mit seinem Amte die Fähig keit verbinden, die rätselvollen Vorgänge erklären zu können. So entstand die Traumdeuterei, die bis auf unsere Tage in Blüte steht, und da die Seele im Traume Dinge erlebt, die noch der Zukunft angehören, steht an der Schwelle des Glaubens neben dem Zauber auch die Weissagung.

Da die Furcht das erregende Moment gewesen war, ist der ganze Seelenglaube mehr oder weniger in dumpfem Aberglauben und scheuer Gespensterfurcht befangen: sämtliche Naturerscheinungen sind Äusserungen des Zornes oder Wohlwolleus der Toten. Himmel und Erde, Wald und Feld,

Berg und Thal, das irdische Wasser und das himmlische
Wasser der Wolke, alles ist beseelt von Scharen von
Geistern:

Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,
Dass Niemand weiss, wie er ihn meiden soll.

1. Die Seele als Atem, Dunst, Nebel, Schatten, Feuer, Licht und Blut.

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Das ist in den allgemeinsten Zügen die Seelentheorie, wie sie allen Völkern eigen ist, in der das Leben, der Geist, der Atem, Träume und Visionen in einen gewissen Zusammenhang gebracht werden, um das eine durch das andere zu erklären. Selbst in den Sprachen der civilisiertesten Völker finden wir noch ihre Spuren. Noch heute sagen wir: er ist ausser sich, er kommt zu sich, und wenn er wirklich tot bleibt, bestätigen wir, er ist nicht mehr zu sich gekommen; in dem ersten Falle bezeichnen wir mit 'er' den geistigen, in dem anderen den leiblichen Menschen. Wenn das Volk sagt, 'er' geht um, meint es seinen Geist. In einer gesunden oder kranken Haut stecken, aus der Haut fahren, sind bekannte Redensarten. Das Wort Geist bedeutet vielleicht den erregten und bewegten Lufthauch (engl. gust Windstoss, Sturm; yeast ==== Gäscht); west- und ostgerm. Seele gehört zu gr. alólos 'beweglich, regsam' und hängt mit dem Namen für See, got. saiws, zusammen: es ist nicht ausgeschlossen, für Secle an den sich bewegenden Atem zu denken. Ostgerm. and gehört zur Wurzel anan und vergleicht sich gr. av-euos, lat. an-ima Luft, Wind, Atem. Auf dieselbe Wurzel geht auch ahd. ano, der Ahne zurück. Der Ahn ist der Totliegende, Verstorbene, der ausgeatmet hat; auch nhd. ‘ahnen', voraussehen kann zu der Wurzel an gehören. Man fasste also die als Atem den Leib verlassende Seele als Wind, als Lufthauch auf. Darum glaubt man noch heute, dass sich beim Verscheiden eines Menschen die Luft im Sterbezimmer mit leisem Wehen bewege, dass grosser Sturm entstünde, wenn sich jemand erhängt habe, dass man ein Fenster oder eine Thür für die Seele öffnen müsse, wenn

sie den Leib verlasse, und dass man eine Thüre nicht stark zuschlagen dürfe, sonst klemme man die Seelen ein. Floh der Lebenshauch aus dem erstarrten Körper, so vereinigten sich die Seelen mit der wilden Jagd oder dem wütenden Heere, das mit dem Nacht- und Windgott Wodan durch die Lüfte fährt. Das Seelenheer lässt laute Musik, das Sturmlied, ertönen; man hört aus diesem Zuge wilden Lärm und Gesang erschallen von den jüngsten und feinsten Kinderstimmen bis zu den gröbsten und ältesten Männerstimmen.

Bekannt ist die rührende thüringische Volkssage von dem Kinde mit dem Krüglein, in das die Thränen der Mutter gesammelt sind: es zieht nach seinem Tode mit den Geistern durch die wehende Luft. Nach dem Tode behalten die Seelen ihre menschliche Beschäftigung bei: die Geister der Gefallenen kämpfen über den Schlachtfeldern weiter, z. B. über den katalaunischen Gefilden die Hunnen und die Westgoten. Bei Worms wurde einst einige Tage hindurch eine grosse bewaffnete Menge von Rittern gesehen, die aus einem Berge herauszog und wieder dorthin zurückkehrte. Endlich näherte sich einer von den Bewohnern ängstlich dem Heere und redete einen daraus an. Da ward ihm die Antwort: 'wir sind nicht, wie ihr glaubt, blosse Einbildungen, noch eine Schar Soldaten, sondern die Geister der gestorbenen Ritter'. Auch ein Graf, der vor wenigen Jahren getötet war (1117), wurde in dem gespenstischen Zuge wahrgenommen.

Wenn der Wald kahl und das Feld verödet lag, die Stürme über die Heide tobten, jagte das Totenheer durch die Luft, besonders zur Zeit der Zwölfnächte; dann muss das Haus fest verschlossen sein, sonst reisst es den Menschen zu sich empor, dann walten auch die Hexen frei und der wilde Jäger braust mit Gesellen und Hunden lautrufend einher. Selbst das Vieh hört man dann im Stalle mit menschlicher Sprache reden; aber es ist nicht gut, solches zu hören, man stirbt danach. Orakel aller Art blühen in den Zwölften; es ist die beste Zeit, einen Blick in die Zukunft zu thun.

Die Seele konnte auch als Rauch, Dunst und Nebel aufgefasst werden; denn bei kaltem Wetter sah man für

einen Augenblick den Atem als eine schwache Wolke, die zwar für das Auge alsbald wieder verschwand, von deren Gegenwart man sich aber durch das Gefühl überzeugen konnte. Auch beim Gähnen scheint der Glaube gewesen zu sein, dass aus dem weitgeöffneten Munde die Seele entfliehen könnte; heute gebietet der Anstand, die Hand vor den Mund zu halten, einstmals that man es, um das Entweichen des Seelenhauches zu verhindern.

In Hersfeld dienten zwei Mägde in einem Hause; die pflegten jeden Abend, ehe sie zu Bette schlafen gingen, eine Zeit lang in der Stube still zu sitzen. Den Hausherrn nahm das endlich Wunder, er blieb daher einmal auf, verbarg sich im Zimmer und wollte die Sache ablauern. Wie die Mägde sich beim Tische allein sitzen sahen, hob die eine an und sagte:

„Geist thue dich entzücken

Und thue jenen Knecht drücken!“

Darauf stieg ihr und der andern Magd gleichsam ein schwarzer Rauch aus dem Halse und kroch zum Fenster hinaus; die Mägde fielen zugleich in tiefen Schlaf. Da ging der Hausherr zu der einen, rief sie mit Namen und schüttelte sie, aber vergebens, sie blieb unbeweglich. Endlich ging er davon und liess sie; des Morgens darauf war diejenige Magd tot, die er gerüttelt hatte, die andere aber, die er nicht angerührt, blieb lebendig (D. S. Nr. 248). In Kolmar hatte ein Kind die Eigenschaft, dass es an dem Orte, wo Tote lagen, immer ihre ganze Gestalt in Dünsten aufsteigen sah. - An Tausend und eine Nacht erinnert folgende Geschichte: ein Holzhacker fand eine versiegelte Kanne und hatte kaum zu Hause den Deckel abgestemmt, als aus der Kanne dickes Gewölk aufstieg, sich nebelartig zusammenballte und in Form eines menschlichen Wesens an den Tisch setzte. Die Tochter eines Bauern in Oldenburg pflegte nachts wie tot zu liegen. Als einst ein kundiger Handwerksbursch den Alkoven schloss, worin sie schlief, erblickte man die ausgefahrene Seele als eine Art Rauch

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