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alte Literatur von Geschlecht zu Geschlecht, von Jahrhundert zu Jahrhundert.

Bei jedweder Schrift ist ein wesentliches Erforderniss die Aechtheit, die Richtigkeit ihres Textes. Wer den Plato liest, will eben nur dasjenige was Plato geschrieben: jeder Antheil einer fremden Hand daran, sie mag dazu oder davon gethan, oder auch den Ausdruck geändert haben, ist eine unwillkommene Beeinträchtigung der Aechtheit. Wodurch wurde nun die Textesächtheit der alten Schriften gesichert? Sie hing zumeist von den Abschreibern ab, von ihrem Geschick und ihrer Sorgfalt, von ihrer Ehrlichkeit und Gewissenhaftigkeit. Die Aufgabe einer treuen genauen Abschrift war, schon äusserlich betrachtet, nicht leicht. Nach alter Schreibweise lief der Text ohne Trennung der einzelnen Wörter von einander, auch ohne Interpunktion, also in einem Zuge fort: wie nahe lag da, zumal bei schleuniger Arbeit, Irrthum des Auges und Misverständniss. Es konnte sich aber auch Vorwitz und unberufener Eifer am ächten Texte vergreifen. Und war eine einzige mehr oder weniger gefälschte, unrichtige Abschrift in den Verkehr gebracht leicht konnte sie von neuem abgeschrieben und mit ihren Unrichtigkeiten weiter verbreitet werden.

So viel im Allgemeinen von der Fortpflanzung der alten Schrifterzeugnisse.

Denselben Verhältnissen unterlagen zunächst auch die Schriften des Neuen Testaments. Sie wurden in griechischer Sprache niedergeschrieben; auch das Matthäusevangelium, denn die alte und vielverbreitete Annahme eines hebräischen Originals dieses Buches beruht auf Irrthum. Die griechischen Originale der Evangelisten und Apostel waren, wahrscheinlich ohne eine einzige Ausnahme, auf der schon genannten ältesten Art von Papier, auf Papyrus verfasst. Die Zerbrechlichkeit dieses Pflanzenstoffes hatte gewiss grossen Antheil daran, dass diese Originale schon frühzeitig aus dem Verkehr geschwunden

sind; wenigstens erfahren wir von keinem christlichen Gelehrten, selbst wenn wir aufs zweite Jahrhundert zurückkehren, dass er ein solches gesehen habe; spätere darauf bezügliche Angaben ermangeln der Glaubwürdigkeit. Nichtsdestoweniger können wir uns selbst noch eine Vorstellung von den Neutestamentlichen Originalschriften machen, wenn wir zur Vergleichung die Papyrusrollen herbeiziehen, die aus den alten Grabkammern Aegyptens, sowie aus den im ersten christlichen Jahrhundert verschütteten Häusern von Herkulanum wieder ans Licht gezogen worden sind. Aber es unterliegt keinem Zweifel, dass die Originale des Neuen Testaments schon während der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts, also schon während der fünfzig Jahre ihrer Entstehung, mehrfach abgeschrieben und abschriftlich verbreitet worden sind.

Ich schalte hier ein dass die frühesten unter den Neutestamentlichen Schriften die Paulinischen Briefe waren, und dass die zuerst unter ihnen verfassten die zwei Briefe an die Thessalonicher zwanzig Jahre nach Christi Himmelfahrt geschrieben worden sind, während das wahrscheinlich zuletzt geschriebene Buch des Neuen Testaments, das JohannesEvangelium, gegen das Ende des ersten Jahrhunderts verfasst sein mag.

Also schon im ersten Jahrhundert sind ohne Zweifel von den Schriften der Evangelisten und Apostel manche Abschriften gemacht worden. Von solchen Abschriften, die seit dem zweiten Jahrhunderte, etwa seit der Mitte desselben, mehrere oder auch die Mehrzahl der Bücher des Neuen Testaments vereinigt enthielten, war die christliche Kirche in Glauben und Cultus in hohem Grade abhängig, wenn sich auch frühzeitig genug daneben das Ansehen der lebendigen, das heisst mündlichen Ueberlieferung entwickelte und geltend machte.

Fragen wir jetzt nach den Schicksalen dieser einfluss

reichen Abschriften, von den ältesten an, so tritt uns eine überraschende, ja wunderbare Thatsache damit entgegen, dass wir dergleichen, deren Abfassung bis ins vierte Jahrhundert zurückreicht, noch heute besitzen. Eben damals, im vierten Jahrhundert, wurde dem Papyrus das dauerhaftere Pergament vorgezogen, und solcher Pergamentschriften, angefertigt im vierten, fünften, sechsten Jahrhundert, besitzen wir, wenn auch meist nur von geringem Umfange, noch jetzt mehr als zwanzig, wozu einige dreissig aus dem siebenten, achten, neunten Jahrhundert kommen. Ich nannte die Thatsache dieses Besitzes überraschend und wunderbar. Oder ist sie es nicht? Wie vielen Gefahren der Vernichtung waren im Laufe von anderthalb tausend Jahren, die so vieles und so Wichtiges, so Kostbares, verschlungen haben, diese pergamentenen BibelHandschriften ausgesetzt, und thatsächlich sind diejenigen derselben Zeit, welche Werke griechischer Classiker enthielten, bis auf geringe Reste verloren gegangen. Ja die gesammte griechische Literatur, die aus so vielen hundert Werken besteht, hat bei weitem noch nicht den zehnten Theil der Handschriften höchsten Alters aufzuweisen, welche allein das griechische Neue Testament besitzt.

Was wir aber an den alten und ältesten Handschriften des Neuen Testaments besitzen, ist nichts weniger als ein todter Schatz, etwa den Reliquien eines Heiligen vergleichbar: nein, es sind lebendige und beredte Boten einer längst verklungenen Vorzeit. Sie setzen uns noch jetzt, im 19. Jahrhundert nach Christus, in den Stand, gleichsam unmittelbar zu erfahren, wie der Text der heiligen Schriften in den frühesten christlichen Jahrhunderten in der Kirche vorgelegen. Haben wir eine Handschrift in den Händen, geschrieben zur Zeit des ersten christlichen Kaisers und des ersten ökumenischen Concils vom Jahre 325, so dürfen wir zuversichtlich ausrufen: Siehe, so oder in ganz ähnlicher Weise hat der erste christliche

Kaiser das Neue Testament vor Augen gehabt, so haben es die gefeiertsten Kirchenlehrer der damaligen Zeit gelesen.

Und zu diesen Handschriften in der Originalsprache der Apostel kommt noch zweierlei, wodurch wir gleichfalls die älteste Textgestalt des Neuen Testaments kennen lernen. Schon im zweiten und dritten Jahrhundert nämlich wurde der griechische Text ins Lateinische, ins Syrische, ins Koptische übertragen. Diese Uebersetzungen besitzen wir gleichfalls noch. Die früheste lateinische Uebersetzung dies ist aber nicht die päpstliche Vulgata wurde, namentlich von den Evangelien und den Paulinischen Briefen, bald nach dem Jahre 150 der christlichen Zeitrechnung unternommen: daraus tritt uns also der Text vor Augen, wie er in der Mitte des zweiten Jahrhunderts aus der griechischen Mutterkirche in lateinische Hände gekommen ist. Zu derselben Zeit aber, von der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts an, bildete sich auch eine reiche christliche Literatur: rechtgläubige Kirchenväter so gut wie Gegner des kirchlichen Dogmas, sogenannte Häretiker, ja auch entschiedene Feinde des Christenthums, haben eine grosse Zahl von Schriften verfasst, in welche sie an unzähligen Stellen den Text des Neuen Testaments, so wie sie ihn zu ihrer Zeit vorfanden und in Gebrauch hatten, eingetragen haben.

Es ist klar dass wir aus allen diesen Quellen eine umfassende Kenntniss von dem Texte der Evangelisten und Apostel gewinnen wie derselbe im zweiten, dritten, vierten Jahrhundert innerhalb der ganzen Kirche verbreitet war.

Diesen Betrachtungen zufolge muss es aber auch möglich sein, eine Antwort auf die Frage zu geben: Haben wir heutzutage den Text der Evangelisten und Apostel so in Gebrauch, wie ihn diese heiligen Männer im ersten Jahrhundert verfasst haben? Mit den letzten Worten ist freilich zu viel gesagt, wenn wir recht vorsichtig sein wollen; denn die uns zu Gebote stehenden bestimmten Nachweise über den ältesten Text reichen nicht bis

auf die Originale selbst zurück, so dass wir an Textdokumenten des ersten christlichen Jahrhunderts unsere heutigen Bibelausgaben messen könnten. Doch ist eins unzweifelhaft: der Text der nachweislich im zweiten Jahrhundert gelesen und verbreitet war, lässt sich mit grösserem Rechte als Repräsentant des ächten ursprünglichen Textes betrachten, als derjenige den wir erst aus dem Gebrauche späterer Jahrhunderte nachweisen können.

Welchen Text hat denn nun die Kirche der Gegenwart in Gebrauch? und welche Gewähr haben wir für die Aechtheit, die unverfälschte Reinheit desselben?

Der verbreitetste deutsche Text des Neuen Testaments ist der von Luthers Hand der evangelischen Gemeinde, der christlichen Kirche dargebotene. Diesem Texte entspricht fast ganz auch der autorisirte Text der anglikanischen oder englischen Kirche, sowie derjenige anderer protestantischer Länder, und nicht minder der Text der orthodoxen Kirche, also der in der Kirche Russlands und im griechischen Oriente gebräuchliche. Woher stammt dieser Text?

Die Grundlage, die Quelle desselben ist derjenige griechische Text, den Erasmus, der grosse Humanist des sechzehnten Jahrhunderts, seit 1516 wiederholt herausgegeben; geschöpft hat er ihn aus einigen wenigen griechischen Handschriften des fünfzehnten und der nächstvorhergehenden Jahrhunderte, wie sie dem Herausgeber in Basel eben zur Hand waren.

Erasmus hatte keine Kenntniss vom Alter der Handschriften, noch davon wie sich ältere und neuere Handschriften zu einander verhielten; ebenso wenig hatte sie Dr. Luther: es gereichte ihm schon zur besonderen Genugthuung, dass er nicht nach den lateinischen Quellen der römisch-katholischen Kirche, sondern nach dem Griechischen, der Originalsprache der Apostel, seine Uebersetzung des Neuen Testaments verfasste. Seit jener

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