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Mit Theodor Mommsen, der am Sonntag den 1. November 1903 die durchdringend leuchtenden, wiewohl zuletzt leis verschleierten Augen geschlossen hat, ist nicht nur der grosse Forscher, Arbeiter und Darsteller dahingegangen, zu dem die gesamten Historiker und Altertumsforscher als zu ihrem Führer und Vorbilde aufblickten. Sein Hinscheiden besiegelt auch endgültig den Abschluss einer Blüteperiode deutschen Geisteslebens. Er wandelte unter uns als der letzte von den Grossen, die, in deutschem Boden wurzelnd und deutschen Geistes Träger und Förderer, aber weit über die Grenzen der Heimat hinaus wirkend, der Wissenschaft im vergangenen Jahrhundert den Stempel sinnender Tiefe, schöpferischer Kraft, ragender Höhe und weltumfassenden Weitblickes verliehen haben, der allezeit ein Merkzeichen dieses, für die menschliche Kulturentwicklung so entscheidenden Zeitabschnittes bleiben wird.

Wäre es so eine Vermessenheit, ihn für eine engere Disziplin allein in Anspruch zu nehmen, so bleibt es doch Pflicht der Vertreter der alten Geschichte, die jederzeit im Mittelpunkt seines Schaffens gestanden hat, seine Persönlichkeit festzuhalten und seines Wirkens Vorbildlichkeit zur Richtschnur zu nehmen. Und dieser Verpflichtung muss

sich vor allem die Leitung dieser, der alten Geschichte ihr ganz und ihr allein gewidmeten Zeitschrift bewusst sein.

Uns allen, die wir Mommsen als den vom Alter gekrönten aber nicht gebeugten, in seiner Erscheinung ungewollt Ehrfurcht gebietenden Weisen gekannt haben, der doch in jeder Bewegung des geschmeidigen Körpers, in jedem Zuge des die bewegte Seele in stetem Wandel wiederspiegelnden Antlitzes die nie versiegte und bis kurz vor dem Ende kaum je erlahmte feurige Jugendlichkeit bewahrte, uns steht seine Gestalt unauslöschlich im Gedächtnis. Aber den Mitlebenden in der Ferne, denen eigenes Schauen nicht vergönnt war und den nachfolgenden Generationen sollen seine Züge und seine Gestalt wenigstens im Bilde nahe gebracht werden und erhalten bleiben.

Zwei Schöpfungen bildnerischer Kunst, von der Hand eines werdenden Meisters, dem der brennende Wunsch Mommsens Erscheinung in ihrer Gesamtheit und bis in die feinsten Züge nachzugestalten, die Seele erfüllte, dürfen wir dazu verwerten.

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Herrn Dr. Walter Lobach war es vergönnt, Theodor Mommsen, mit dessen Genehmigung, in Paris zur Zeit des Kongresses der Akademien im Jahre 1901 bei der Arbeit in der Bibliothèque nationale zu beobachten und bildnerisch zu skizzieren. Später hat ihm Mommsen zu der so begonnenen Büste in Berlin, noch im letzten Jahre seines Lebens, mehrfach gesessen. In fortwährend erneuter, oft unvermerkter Beobachtung und rastloser Arbeit des sich nie genügenden Künstlers ist so die Büste des über einen Codex gebeugten Forschers vollendet. worden, die wir in zwei Ansichten im Profil mit dem Buch, en face ohne dieses hier wiedergeben, und an deren gelungener und ungewöhnlich feiner Charakteristik sich auch die erfreuen werden, die einer Auffrischung ihrer Vorstellung von Mommsens Zügen nicht geradezu bedürfen. Das gleiche wird von der ebenfalls von Lobach unmittelbar nach der Natur geschaffenen Statuette gelten, die Mommsen in seinem Gartenstuhl lesend, in sehr charakteristischer Haltung äusserst lebensvoll darstellt und die ein Seitenstück bildet zu der Statuette des durch die Strassen dahinwandelnden Gelehrten, der bekannten Schöpfung Carl Prachts, dem wir auch eine Büste Mommsens aus älterer Zeit verdanken.

Allen aber, Ferneren wie Nächstehenden, Älteren und Jungen, wird das Bild des jugendlichen Verfassers der römischen Geschichte willkommen sein, das Rudolf Lehmann am 14. Dezember 1859, ein Jahr nach Mommsens Berufung nach Berlin, dortselbst gezeichnet hat. In

III

Rudolf Lehmanns englischem Prachtwerke „Men and Women of the Century" nur den wenigsten zugänglich, wird es hier mit Genehmigung und unter Mitwirkung des 85 jährig in London lebenden Künstlers wiedergegeben. Dem Eindruck der Überraschung ob der grossen Jugendlichkeit der Erscheinung, dem Rudolf Lehmann in seinen Erinnerungen") Äusserung

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verleiht, werden auch wir uns nicht entziehen können. Erst der Brand, der Mommsens Studierstube vernichtete, hat nach der Beobachtung Nächststehender das Alter ernstlicher zur Geltung gebracht.

Was aber die Züge und die Werke des jugendlichen wie des greisen Mommsen lehren, ist ein Vermächtnis, nicht dem einzelnen bestimmt noch 1) Erinnerungen eines Künstlers. Deutsche (zugleich mit der englischen vom Verfasser besorgte) Ausgabe. Berlin, 1896 S. 146.

ausführbar; aber von jedem an seinem Teil und nach seinen Gaben zu befolgen und zu fördern. Und die Lehre lautet: Treue im Kleinsten, nicht als Selbstzweck, aber als Voraussetzung der Wahrheit im Grossen; Herr sein auf engerem Felde: die Schätze der Tiefe fördern, den Acker bestellen und die Früchte ernten, aber keine Zäune errichten, und sich umschränkter Enge rühmen, sondern die Wege in die Welt hinaus aufsuchen, pflegen, erschliessen. Sind Volkstum und Landschaft im Rahmen des Ganzen gegebene Abschnitte, die notwendiger aber selten erwünschter Weise trennend wirken, so ist die zeitliche Einteilung der Geschichte, wie die Scheidung der einzelnen Wissenszweige Notbehelf, bedingt durch die menschliche Unzulänglichkeit. Nicht in der Ehrfurcht vor diesen Schranken und dem Bestreben sie zu stärken beruht die Wissenschaft sondern sie zu überbrücken und niederzulegen ist wahrer historischer Forschung Ziel.

Und was von den Zielen, das gilt auch von den Mitteln. Die unscheinbare Grabinschrift eines Privaten und der Rechenschaftsbericht über ein kaiserliches Leben, der späte Chronist und der dürftige Epitomator neben dem nüchternen Annalisten und dem tiefsinnigen Historiker, die ihre eigene Epoche behandeln; der Papyrus, die Tontafel und das Schleuderblei; die Münze, nicht bloss nach Aufschrift und Bild, sondern nach Schrot und Korn; Rechtsnorm wie Mass und Gewicht; Kunstschöpfung und Stümperwerk, Sprachgeschichte und Schrift, religiöse Lehre und rituelle Mystik — sie alle sind an sich gleichberechtigte Gegenstände und Hilfsmittel der historischen Forschung. Ihre gegenseitige Abschätzung im einzelnen Fall richtet sich lediglich nach dem Gewinn, den sie versprechen, und gänzlich gleichgültig ist, ob sie einem säuberlich gefügten Schubfach zunftmässigen Betriebes oder einem noch nicht eingeschachtelten und eingeschulten Gebiete entstammen.

Mommsens Forschung hat von der Jurisprudenz und vom römischen Recht ihren Ausgang genommen, und die Vereinigung des Juristen und des Historikers, die grossartige Beherrschung und gegenseitige Durchdringung beider Gebiete, die sich in seiner Person betätigte und in seinem römischen Staatsrecht wohl die reifste und kostbarste unter den schier unzähligen wertvollen Früchten seines Schaffens zeitigte, ist es vornehmlich, die Mommsens Lebenswerk den einzigen und eigenartigen Charakter verliehen hat.

Seine Geschichte des römischen Münzwesens hat nicht nur das Gebiet, das der Titel benennt, bahnbrechend und umfassend, der Ent

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