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Abhandlungen.

Dionyfius Areopagita in der alten päpstlichen Lalastkapelle und die Regensburger Fälschungen des 11. Jahrhunderts.

Von Prof. H. Grisar S. J.

1. Bei der Eröffnung des Schayes der alten, Sancta Sanctorum genannten päpstlichen Hauskapelle am Lateran Ende Mai 19051) fand ich ein Pergamentblatt von 21 cm Höhe und 20,5 cm Breite, auf dem mit Schriftzügen des elften Jahrhunderts oben die legendarische Geschichte des vermeintlichen' Areopagiten Dionysius, angeblich Bischof von Paris, ja Apostel von ganz Frankreich und Metropolit, beschrieben, unten aber, durch zwei Linien unterschieden, Notizen über die Entwendung seines Leibes aus der ursprünglichen Grabstätte und die Überführung nach Regensburg in das Emmeramkloster enthalten waren.

Die bezeichnete Legende lautet auf dem Schriftstücke:

In nomine sancte et individue Trinitatis. Notum sit omnibus, quod hic est corpus sanctissimi Dyonisii, qui

1) S. meine Abhandlungen Il Sancta Sanctorum in Roma e il suo tesoro novamente aperto, in der römischen Civiltà Cattolica 1906, Bd. 2 S. 513 ff., 708 ff., Bd. 3 S. 161, Bd. 4 S. 51. Die Ahandlungen, die in Form eines illustrierten Buches auch in deutscher Sprache erscheinen werden, enthalten die erstmaligen Mitteilungen über den reichen Schaß der Kapelle. Vgl. auch meinen in der Kölnischen Volkszeitung 1906, 26. Oktober n. 917 skizzierten Vortrag.

Zeitschrift für lath. Theologic. XXXI. Jahrg. 1907.

1

a loco Ariopagita et patricio prenomine Jonicus, christiano autem agnomine est apostolus appellatus Macharius, a sancto Paulo Atheniensium ordinatus archiepiscopus, apostolica auctoritate beati Clementis pape universalis tocius Gallie constitutus apostolus. Pro fide Christi sub Domiciano caesare et prefecto Sisinnio VII idus Octobris gloriosum martyrium perpetravit et caput proprium per duo milia fere deportanti (1. deportavit) usque ad locum, in quo nunc Dei dispositione requiescit humatum, sine cessatione te Deum laudans et dicens Gloria tibi Domine. Es folgen drei Monogramme, von denen das mittlere den Namen DIONISIVS ergibt, dasjenige zur Linken AREOPAGITA, das zur Rechten METROPOLITANVS.

Die unten beigesetzten Zeilen reden vom Regensburger Emmeramkloster:

Emmerammus Aquitanus, Dionisius Areopagita hic requiescunt, sub Arnolfo imperatore et Odone rege.

Sub Ebulone abbate monasterii sancti Dionisii Gisalbertus furavit.

Furatus est V nonas Julii. Huc venit II nonas Decembris tempore Tutonis episcopi.

Der zuletzt genannte Tuto war Bischof von Regensburg von 894 (893) bis 930. Unter ihm soll also die Beisetzung des Arcopagitenleibes zu St. Emmeram stattgefunden haben nach seiner angeblichen Entführung aus dem Kloster Saint-Denis bei Paris, die zu so vielen Erörterungen zwischen den Mönchen von Saint-Denis und St. Emmeram im Mittelalter, wie zwischen den Gelehrten Frankreichs und Deutschlands in späterer Zeit Veranlassung gegeben hat, über die aber die Akten heute definitiv geschlossen sind. Obiger Fund von Rom an einem so unerwarteten Orte kann immerhin noch einiges zur Klärung beitragen, wiewohl die mitgeteilten Texte schon anderswoher, wie wir sehen werden, bekannt sind.

Ebenso bildet einen Beitrag zur Frage des vermeintlichen Regensburger Areopagiten eine Reliquie des Sancta Sanctorum, von welcher schon der unter Papst Alexander III. (1159-1181) von Johannes Diakonus verfaßte Reliquienkatalog des Heiligtums1) Kenntnis gibt mit der Angabe: spatula sancti Dionysii Areo

1) Migne Patrol. lat. 78 p. 1390.

pagitae. In der dem Volkslatein entnommenen Form spatula führt auch Panvinius aus einem Manuskript des Johannes die Reliquie auf1), während Rasponi nach dem Katalog des Bonincontri von 1624 sie besser benennt humerus sancti Dionysii Areopagitae2) und Marangoni nach derselben Quelle italienisch sagt spalla di san Dionisio Areopagita3).

Im Nachfolgenden müssen wir, um über den Areopagiten als Eindringling im römischen Sancta Sanctorum ein vollgültiges Urteil abgeben zu können, vor allem die bezüglichen Fälschungen von Regensburg im 11. Jahrhundert ins Auge fassen. Sie gewähren einen merkwürdigen Einblick in eine mittelalterliche Fälschungsfabrik; sie enthüllen zum Nutzen unserer Studien die Manipulation, womit man vorging, und sind geeignet, an einem einzelnen Falle kennen zu lehren, wie sehr Kritik und Vorsicht gegenüber manchen überlieferten. Annahmen aus der Geschichte des Kultus geboten ist. Sodann wird die Frage zu lösen sein, wie kommen obige Dinge, das Dokument und die Reliquie, in den Schatz des Sancta Sanctorum.

2. Über die unrichtige Behauptung des Emmeramklosters, den Leib des Dionysius von Paris infolge von Entführung zu besitzen, wurde besonders Licht verbreitet durch die von L. v. Heinemann im 15. Bande des Neuen Archivs der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde (1890-91) veröffentlichte Translatio s. Dionysii nach ihrem älteren und besseren Texte). Vorher war nur eine Umarbeitung oder Ausschmückung dieses Textes bekannt, die J. B. Kraus, Abt von St. Emmeram, 1750 in seiner Schutzschrift für den Besitz der Dionysiusreliquien herausgegeben hatte), und die R. Köpke in den Mon. Germ. hist. abermals herausgab6). Der ursprüngliche Text ist gegen Ende des Jahres 1049, in dem die angebliche Auffindung der Beweise für die Beiseßung des Heiligen im Emmeramkloster stattgefunden hätte, in eben diesem Kloster geschrieben worden.

1) De septem ecclesiis (1570) p. 193.

*) De basilica et patriarchio Lateranensi (1656) p. 371.

3) Istoria del Sancta Sanctorum (1747) p. 42.

*) S. 331 ff.

5) De translatione corporis s. Dionysii Areopagitae seu Parisiensium apostoli e Gallia in Bavariam ad civitatem Ratisbonam disser

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Die Umarbeitung entstand am gleichen Orte noch in den fünfziger Jahren des nämlichen Jahrhunderts, wie die Untersuchungen von S. Rietschel gezeigt haben1). Die folgenden Mitteilungen sind dem ursprünglichen Texte entnommen.

Da wird erzählt, Kaiser Arnulf sei auf seinem siegreichen Feldzuge nach Frankreich in die Gegend von Paris gekommen (während er tatsächlich niemals einen solchen Feldzug gemacht hat) und habe das Verlangen geäußert, in den Besitz eines Heiligenleibes zu gelangen. Ein Kleriker aus seiner Umgebung, ein Franzose namens Giselbert, habe sich daraufhin erboten, ihm den seit alters in der Abtei Saint-Denis bei Paris ruhenden hl. Dionysius zu verschaffen, wenn er ihm eine gute Zahl Goldstücke zur Verfügung stelle. Mit der Summe ausgerüstet, habe sich Giselbert zu den Mönchen von Saint-Denis begeben, vor ihnen geheuchelt, dem Heiligen das Geld darzubringen, und nachdem er sie durch langes Gebet am Heiligengrab in falsche Sicherheit versetzt, sei es ihm vom Abte Ebulo ge= stattet worden, das Innere des Grabes genau zu mustern. In der dritten Nacht habe er dann die Kirchenwärter durch reichlichen Trunk berauscht, mit zwei Männern den Leib dem Grabe entnommen und ihn glücklich dem Kaiser überbracht. Er und der Fürst hätten über den allerheiligsten Raub Gott dem Herrn unter Freuden Dank ge= sagt2), über das Kloster aber habe sich zum Zeichen himmlischer Trauer ob des Verlustes dichte Finsternis zwei volle Tage niedergesenkt. Nach der Erzählung hält der Abt sofort Nachforschung, wo der Schatz des Klosters hingekommen sei, geht zu Arnulf, kann aber von diesem keine Zurückerstattung erlangen, sondern nur das Versprechen, die Entfernung der Reliquien aus dem Kloster solle nicht durch ihn kundbar gemacht werden. Auch der Abt sucht nun alles mit Schweigen zu bedecken, damit das Kloster keinen Schaden an seiner Ehre und an den materiellen Interessen leide. Er führt vor den Mönchen eine Komödie auf, indem er einen Behälter mit dem angeblich von Arnulf zurückerhaltenen Leibe ins Grab legt; aber das Grab ist und bleibt leer. Als Arnulf 899 zum Sterben kommt (seine Begräbnisstätte zu St. Emmeram ist historisch), vermacht er

1) Alter der Translation des hl. Dionysius, im Neuen Archiv für ält. Deutsche Geschichtskunde 29 (1904) S. 643 ff.

...

2) Furtum sacratissimum pro hac re nimium gaudens Deo gratias egit. Neues Archiv 15 (1890--91) S. 342, 343.

dem Regensburger Kloster neben vielen Kostbarkeiten, worunter ein mit Goldschrift geschriebenes und mit vielen Edelsteinen besettes Evangeliar, auch die Gebeine des hl. Dionysius.

Kaum sind aber hundert Jahre vorbei, heißt es weiter, da wird zu St. Emmeram schon an dem Vorhandensein des Heiligenleibes gezweifelt, weil man kein schriftliches Zeugnis in Händen hat. Die Zweifel beseitigt ein wunderbarer Fund unter Abt. Nicholf (994–1023); denn bei den damals vorgenommenen Nachforschungen ergeben sich beim Emmeramsgrabe (man hört nicht unter welcher Beglaubigung) zwei Säckchen mit den Dionysiusgebeinen, und, offenbares Mirakel, das eine mit dem Haupte bewegt sich bei der Entdeckung von selbst zu dem andern hin! Wozu also noch menschliche Zeugnisse? Statt den Heiligen gebührend zu ehren, verbirgt man ihn wieder ebenda, was mit der Verfolgung des Klosters seitens des Bischofs Gebhard I. von Regensburg begründet wird. Infolge der Verbergung jedoch im Jahre 1049 neuer Streit unter den Mönchen über den Besitz des Heiligen. Da ist nun die Stunde zu seiner definitiven Offenbarung ge=

Man findet jest, in einen Sack zusammengelegt, alle heiligen Gebeine mit einer Schrift (ossa cum litteris alligatis notata, p. 348) und zum Überfluß noch einen heiligen Terengarius (Berengarius), der schon mit seinem Namen auf französische Herkunft hinweist und an Saint-Denis erinnern kann. Außerdem tritt nunmehr an einem ganz geheimen Orte beim Grabe St. Emmerams ein Beglaubigungsdokument (epistola ebd.) für die Dionyfiusreliquien ans Licht. Weder die litterae noch die epistola sind in der Translation dem Texte nach angeführt.

Aber noch viel mehr. Der Bischof erlaubt, daß dem heiligen Dionys an der Westwand der Abteikirche ein würdiges Grabmal bereitet werde. Da finden die Arbeiter nach zwei Wochen beim Niederlegen der Mauer plötzlich in derselben alte Inschriften, zunächst eine Ziegelplatte mit der durch Alter und Kalkbeschmutzung stark mitgenommenen Inschrift Emmeramus etc. (wie oben S. 2 auf dem römischen Bergamentblatte). Triumphierend trägt der anonyme Verfaffer der Translatio selbst diesen Beweis für die Wahrheit des Dionysiusgrabes in Regensburg beim Klerus und in den Klöstern herum.

Weil sich das Kloster durch öffentliche Dankgefänge dem Himmel erkenntlich zeigt, so folgt bald eine neue Entdeckung eines beweisenden Steines am gleichen Orte. Die Inschrift Sub Ebulone etc. (oben) fommt auf einer andern Ziegelplatte ans Licht (Ebulo war Abt von

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