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in dem durch Eigenwillen getrübten und in Menschensaßungen noch befangenen Eifer das zum Grunde liegende Göttliche zu erkennen weiß. Von der Liebe sagt ja der Apostel Paulus: „sie eifert nicht, sie sucht nicht das Ihrige, sie läßt sich nicht erbittern, sie freut sich überall der Wahrheit, sie erträgt Alles, sie hofft immer das Beste." 1. Kor. 13. Er sagt zu denen in der Korinthischen Gemeinde, welche in der Einbildung ihrer vermeinten Erkenntniß, ihre schwachen, beschränkten Brüder verachteten:,,Das bloße Wissen blähet auf, aber die Liebe erbaut. So aber sich Jemand dünken lässet, er wisse Etwas, der weiß noch Nichts, wie er wissen soll" 1. Kor. 8, 1. 2. Hier, wo der Apostel von dem Verhältniß der Freisinnigeren zu den Beschränkteren, der Stärkeren zu den Schwächeren redet, be= zeichnet er die Liebe allein als das Erbauende, wodurch das Reich Gottes allein könne gefördert werden. Er verdammt allen gewalt= samen Eifer gegen die den Beschränkteren noch anklebenden Irrthümer; er verlangt, daß die Liebe der in der Erkenntniß weiter Geförderten Jene geduldig trage, das zum Grunde liegende Göttliche in ihnen pflege, und sie so allmählig mit brüderlicher Hand in der Erkenntniß weiter zu führen suche.

Zu allen Zeiten ist der Lauf des göttlichen Wortes, welches durch die ihm inwohnende Gotteskraft über Alles siegen muß, was sich demselben entgegenstellt, am meisten gehindert worden durch die Sünden, Fehler und Mängel derjenigen, welche sich zu demselben bekannten, ohne durch ihr Leben wahrhaft von demselben zu zeugen. Und was noch immer von dem alten Menschen uns anklebt, ein Wandeln in fleischlichem Eifer, in beschränkendem Eigenwillen, in dem Geiste der Unfreiheit, in dem Mangel der Alles beseelenden und verklärenden Liebe, alles dies steht ja mit einer solchen Zeugenschaft in Widerspruch; das haben auch wir erfahren können. Sehen wir zurück auf jene erste Begeisterung, welche diesen Verein in's Daseyn rief, so schien uns damals die Morgenröthe einer neuen herrlichen Zeit der über den Unglauben triumphirenden Kirche entgegenzuleuchten; aber das dem Evangelium entgegenstehende Princip hatte zu tief in die Bildung der neuern Zeit eingegriffen, als daß es so schnell überwunden werden konnte. Wir sehen dasselbe in mannichfaltigen Erscheinungen mit größerer Gewalt und Frechheit wieder hervorbrechen. Es ist dieses eine Mahnung für uns, wo

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durch wir an unsere eigenen Uebel erinnert werden, daß wir zu dem Bewußtseyn gelangen, woran wir selbst es haben fehlen lassen das Wort Gottes durch unser Leben zu verherrlichen — und was wir hingegen gethan haben, den Glanz desselben zu verdunkeln. Auch dieser Feind kann nur durch die Macht des Wortes, der Wahrheit und der Liebe, wodurch die Kirche, wie sie dadurch gegründet und erhalten worden, so auch aus allen Kämpfen immer siegreich hervorgegangen ist, endlich überwunden werden.

Also fordert uns die Erinnerung an die Entstehung und fünf und zwanzigjährige Dauer dieses Vereins auf, Gott zu danken für das, was er gewürkt hat durch seine allmächtige Hand in dem Laufe der Geschichte und durch seinen Geist in den Gemüthern der Menschen. Es fordert uns diese Erinnerung dann aber auch auf, uns selbst anzuklagen und Buße zu thun in Beziehung auf den Mangel an der Treue gegen das Werk Gottes unter uns, wodurch wir den Fortgang desselben gehemmt haben. Sodann werden wir dadurch gemahnt, indem wir unsre eigene Sünde und Ohnmacht erkennen, auf den Gott zu vertrauen, der, was er angefangen hat, wohl zu vollbringen weiß, und der es an sich nicht fehlen lassen wird, wenn wir nur von Neuem in heiligem Vorsatz mit Wachen und Beten uns ihm hingeben. Die Hülfe Gottes, welche die Entscheidung herbeiführt, ist oft am nächsten, wenn sie nach oberflächlicher Betrachtung am fernsten zu seyn scheint. Schon dämmert das Licht des neuen Lages, wenn wir um uns her nur Finsterniß zu sehen glauben.

Werfen wir einen Blick auf eine Zeit, welche im Verhältniß zu dem Entwicklungsgange der Kirche mit unsrer Zeit manches Aehnliche hat, *) auf die Zeit, welche der Reformation voranging. Das auf's Höchste gestiegene Verderben der Kirche hatte das Bewußtseyn ihrer inneren Gebrechen und der Ursachen, durch welche diese erzeugt worden, hervorgerufen, und die Sehnsucht nach Heilung jener Uebel und einer Wiedergeburt des Lebens der Kirche mächtig geweckt. Wie die Theologie jener Zeit beschaffen war, bes zeichnet ein Mann, der tief in das Verderben seiner Zeit blickte,

*) Wenngleich die Zeit der ersten Erscheinung des Christenthums noch mehr Vergleichungspunkte darbieten dürfte.

Nicolaus von Clemangis, zur Zeit des Conciliums zu Constanz in seinem Buche über das theologische Studium: „Wir sehen," sagt er,,,wie die Zeugnisse der heiligen Schrift von den meisten unsrer Theologen verachtet werden, so daß sie die Berufung auf ihre göttliche Autorität als Etwas, das nur der Trägheit dient und scharfsinniger Geister unwürdig ist, verspotten. Als ob, was menschliche Einbildung ersinnt, größeres Gewicht hätte, als was durch göttliche Offenbarung uns mitgetheilt worden. Die Dinge, womit heut zu Tage die Meisten sich beschäftigen, dienen zwar wohl, den Verstand zu schärfen, aber die Flamme heiliger Gefühle kann dadurch nicht entzündet, keine Andacht kann dadurch erregt, dem Gemüthe kann keine Nahrung dadurch gegeben werden; sie lassen es kalt, dürre und todt." Er vergleicht die Früchte jener Theologie mit den Sodomsäpfeln, welche zwar äußerlich schön aussehen, aber, wenn man sie mit der Hand berührt, in Staub und Asche sich auflösen. - Die Häupter der Kirche, Fürsten und Gelehrte, hatten ihre Kräfte vereinigt, um das Verderben der Kirche zu heilen; Versammlungen, von denen die schmachtende Kirche ihre Befreiung und Rettung erwartete, waren deshalb gehalten worden. Aber es war geschehen, was der schon genannte treffliche Mann in seinem Buche über das Verderben der Kirche mit diesen Worten ausdrückt:,,Je mehr wir unternommen, je mehr wir in einander gemischt haben, desto verwickelter und trüber ist die Sache gewors den, weil Gott unsrer Mühen spottet, die wir meinen, durch unsre Klugheit, ohne seine Hülfe, was sein Werk ist, vollbringen zu können." Das Verderben, welches man heilen wollte, stieg ohngeachtet der wiederholten Versuche, der immer von Neuem angeregten Hoffnungen auf seinen höchsten Gipfel. Zeugen der Wahrheit traten auf, unterlagen aber dem verderbten Geiste der Zeit; die großen Bewegungen, die sie hervorgebracht hatten, schienen spurlos vorüber gegangen zu seyn; immer stärker regte sich das Gefühl des Unbefriedigenden in dem dermaligen Zustande der Kirche; es entstanden wilde Gährungen der Gemüther, die von dem Bestehenden sich lossagten, ohne Etwas zu gewinnen, das ihre wilde Sehnsucht hätte stillen, ihr unruhiges Treiben hätte beschwichtigen können. Licht und Finsterniß gingen, wie uns die Geschichte der Sekten dieser Zeit lehrt, in mannichfachen trüben Mischungen durch

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einander. Von der einen Seite die eiteln Bemühungen, das alte, morsche Gebäude aufrecht zu erhalten; von der andern Seite die aus der Auflösung hervorgehende chaotische Gährung. Die Einen weissagten schon den Untergang des Christenthums, das sich selbst überlebt habe; Andere wollten einstweilen durch eine, wieder in's Leben gerufene alte Philosophie, der Religion eine Stüße verschaffen, und sie den Gebildeten empfehlen. *) Andere erwarteten neue, in die Augen fallende, sinnliche Wunder, dem gesunkenen Glauben wieder aufzuhelfen. Und siehe, wie einst, als die Sehnsucht der Völker auf den großen König, der in glanzvoller Erscheinung von Osten her kommen sollte, mit gespannter Sehnsucht harrte, der Gründer des Reiches Gottes auf Erden in Knechtsgestalt aus der Wohnung des Zimmermanns hervorging: so kam die Erneuerung der Kirche wiederum nicht mit einem in die Augen fallenden Ge= pränge, nicht von daher, von wo man sie erwartete; sondern, als die Zeit erfüllt war, ging aus der Zelle eines in der Welt verachteten Mönchs die siegreiche Kraft des einfachen Wortes hervor, durch welches das Leben und die Gestalt der Kirche erneut werden sollte. Ein unbedeutend scheinender Anfang, der zuerst von den Meisten unbeachtet blieb, erzeugte die ungeheuren Bewegungen, welche sich in kurzer Zeit über halb Europa verbreiteten. Der Herr ist nicht in dem großen starken Winde, der die Berge zerreißt und die Felsen zerbricht, er ist nicht im Erdbeben und nicht im Feuer, sondern alles dies geht seiner Erscheinung voran; Er selbst kommt in dem stillen, sanften Sausen, welches auf das Feuer folgt.

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Ja, großer und treuer Gott, derselbe jeßt, wie Du damals warst, gestern und heute, nahe Dich Deiner schmachtenden, nach dem Wehen Deines Geistes sich sehnenden Kirche! Belebe durch die Macht Deines Wortes und Deines Geistes die todten Gebeine! Heiliger Geist, der Du allein neues Leben zu schaffen vermagst, erfülle die Herzen Deiner Gläubigen und führe die Ungläubigen zum Glauben!

*) Der Gebrauch, den Marsilio Ficino von der Platonischen Philosophie machen wollte, wie diese nach seinem Wunsche zur Vorbereitung für das Evangelium selbst von den Kanzeln sollte vorgetragen werden.

Denkwürdigkeiten

aus dem

religiösen und theologischen Entwicklungsgange Georg Wizel's.

Das dritte Säkularfest der Gründung der evangelischen Kirche

in diesen Gegenden *) erinnert uns an einen merkwürdigen Mann der Reformationszeit, welchen wir als Repräsentanten einer ganzen eigenthümlichen religiösen und theologischen Geistesrichtung in ders selben betrachten tönnen, den Georg Wizel. **) Der Entwicklungsgang der religiösen Ueberzeugung des Fürsten, unter dem die evangelische Kirche in der Mark Brandenburg gegründet wurde, Joachim II., steht im umgekehrten Verhältnisse zu dem Entwicklungsgange der religiösen Ueberzeugung Wizel's. Wenn dieser aus einem eifrigen Anhänger der Reformation ein Gegner derselben wurde, doch so, daß er immer einen vermittelnden Standpunkt in dem Streite zwischen beiden Partheien einnahm: so ging hingegen Joachim II. von einer solchen vermittelnden Richtung, welche die bleibende Denkweise Wizel's bildete, nachdem er sich von der evan

*) Diese Gelegenheitsschrift erschien zuerst als ein lateinisches Programm, welches der Verfasser als d. Z. Dekan der theologischen Fakultät zur Ankündigung des akademischen Säkularfestes zu schreiben hatte: Commentacio de Georgio Vicelio ejusque in ecclesiam evangelicam animo. Sie erscheint hier in veränderter Form und vermehrt, wozu dem Verfasser mehrere seltene Schriften, welche er bei der ersten Ausarbeitung nicht benußen konnte, besonders Gelegenheit gaben.

**) Die vollständigsten Nachrichten über denselben und dessen Schriften hat Strobel mit der ihm eigenen Gründlichkeit in seinen Beiträgen zur Literatur, besonders des sechszehnten Jahrhunderts, im 2ten Bande, 1stes u. 2tes Stück, mitgetheilt.

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