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Die folgenden Dichtungen gehören zu den reifsten Erzeugnissen der religiösen Lyrik Israels. Jedes dieser Lieder ist eine Perle des Psalters, und solange Menschen nach Gott fragen, werden diese ergreifenden Gebete, die in schlichtester Form das tiefste Fühlen und Sehnen der Seele enthalten, ein Echo in den Herzen aufrichtig Frommer finden. Alle vier stehen mit dem tiefen Ernst ihrer Lebensbetrachtung in stärkstem Gegensatz zu dem heiteren Glaubensmut des Dichters von Ps. 124, vgl. o. S. 93.

13u dir erheb' ich mein Auge, 2Ach, wie die Augen der Sklaven

123.

der du thronest im Himmel!
auf die Hand ihres Herrn,

Wie der Sklavin Auge auf die Hand ihrer Herrin,
So schaut unser Auge auf Gott,

"Sei gnädig, Herr, sei uns gnädig, Ja, übersatt ist uns die Seele

bis er gnädig uns anblickt,

des Spotts der Hoffährtigen,

denn übersatt sind wir des Hohnes! des Hohnes der Stolzen?!

4 Lies halla ag leša'anannim und am Schlusse legha'ajonim.

Mit gläubigem Aufblick zu Gott bittet der Fromme für sich und sein armes Volk um einen einzigen Lichtstrahl göttlichen Erbarmens in der Nacht seines Leidens. Ach, es ist eine trübe 3eit für Israel! Schon lange liegt der Druck eines stolzen Herrenvolkes wie ein Alp auf seiner Seele. Es fühlt sich durch dessen hochfahrendes Wesen im Innersten verletzt, und je länger das Joch der Fremdherrschaft dauert, um so schmerzlicher fühlt es sich von seinem Herrn verlassen und verzehrt sich in wehmütigem Schmerz nach einem Erleben des lebendigen Gottes. Hat er sein erwähltes Volk ganz vergessen? Gedenkt er nie mehr der Verheißungen, die er ihm in einer langen Geschichte durch seine Propheten gegeben hat? Soll es aus sein mit Israels Hoffnung auf eine Zeit seligen Glückes und Friedens in der Versöhnung mit Gott? All dieses heiße Sehnen und Fragen faßt der Fromme zusammen in die eine rührende Bitte: sei uns gnädig, Gott, die wie ein gepreßter Seufzer zum Himmel dringt. Er braucht ja nicht viele Worte zu machen. In dem Auge des Glaubens, mit dem er, und alle Frommen Israels mit ihm, zum Himmel aufschaut, tritt sein Gebet klarer und reiner vor Gottes Angesicht als in den schönsten Worten.

Für diesen Blick voll Bitte und Hoffnung aber hat der fromme Dichter nach dem Geschmack seiner Zeit das lieblichste Bild gefunden, eine häusliche Kleinszene, so alltäglich wie möglich und doch dem Auge des Künstlers im Unscheinbaren das Große zeigend. Der Hausherr ist unzufrieden mit seinem Sklaven, er herrscht ihn zornig an, will wohl gar zum Stocke greifen, um den Lässigen zu strafen; oder die Herrin hadert in launischem Unmut mit der Sklavin da trifft sie ein rührend bittender Blick aus den weinenden Augen der armen, geplagten Wesen. Als fromme Juden denken sie des Gebots, daß man auch den Sklaven, und gerade ihnen Menschlichkeit schuldet, und beglücken das in Unterwürfigkeit vor ihnen knieende Wesen mit einem freundlichen Blick. Das ist nach orientalischem Geschmack das rechte Bild für Israels Verhältnis zu seinem himmlischen Herren.

Aus dem kurzem Gebetsruf V. 3f. geht deutlich hervor, daß Israel das Joch der Fremdherrschaft schon lange zu tragen hat. Der Psalm mag also etwa dem 5. oder 4. Jahrhundert angehören.

Psalm 126 und 85 stimmen im Thema und im Eingang und Ausklang der Gedankenführung harmonisch zusammen. Hier wie dort blickt der fromme Dichter erst rückwärts in die Zeit der überschwänglichen Hoffnungen und dann mit einem glaubensmutigen „dennoch“ über die Leiden der Gegenwart hinweg in eine bessere Zukunft. Beidemal wird also das beliebte Thema „Einst und Jegt" (vgl. o. S. 113 ff.)

Die Schriften des A. T. in Auswahl, III, a: Stärk.

9

mit einem tröstenden Ausblick abgeschlossen. Es empfiehlt sich daher, diese beiden Dichtungen zusammen zu behandeln.

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Vielleicht stand hier

"Die mit Tränen säen, werden ernten mit Jubel:
Wohl geht man jetzt weinend dahin,
Doch jubelnd kommt man einst heim,

1 Nach der Lesung sebhuth wie v. 4 und 14, 7. statt az „damals" ursprünglich die auch Ps. 124 verwendete archaische Form 'asai und danach male' und 'ameru. Nach der Lesung mošekh.

85.

Du hast einst dein Land, Herr, begnadet, hast Jakobs Schicksal' gewandt, Die Schuld deines Volkes vergeben, *Du ließest dein Grollen hinfahren,

5Ach, heile uns, Gott, unsre Hülfe,
6Willst ewig du zürnen mit uns,
"Gott, du kannst neu uns beleben,
Laß, Herr, uns schau'n deine Gnade

all seine Sünden verziehen, standst ab von 3orn und von Grimm

'laß ab' vom Unmut wider uns! den Kindeskindern noch gram sein?

daß dein Dolk sich deiner noch freue. und dein Heil versage uns nicht!

Ich will lauschen, was Gott zu mir redet

Ja, der Herr, er redet von Heil! Zu seinem Dolk, zu all seinen Frommen, 10Ja, nahe ist sein Heil den Frommen, 11Liebe und Treue vereinen sich, 12Treue sproßt auf von der Erde 13Dann giebt der Herr seinen Segen, 14 Gnade geht vor ihm her,

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und

zu denen, die treu ihm ergeben?! daß Herrlichkeit unter uns wohne. Gerechtigkeit und Friede küssen sich, und Gnade blidt vom Himmel herab. daß das Land uns reichliche Frucht bringt, Heil' folgt dem Weg, den er wandelt.

2 Wie o. in Ps. 126, 1. 5 Wörtl.: „Stelle uns wieder her, Gott unserer Hülfe"; oder: wende dich zu uns"? Lies haser. Lies nach der griech. Übers. ha'el. 9 Am Schluß ist der Text nicht in Ordnung; obige Übersetzung ist sinngemäß. 14 Lies šalom.

Die Dichter dieser Gebete voll innigster Frömmigkeit leben in einer Zeit, wo die Stunde der Erlösung für Israel, deren Anbruch der große Unbekannte einst mit seinen Liedern des Glaubens verkündet hatte, wie ein schöner Traum verflogen war. Wie ist es doch so ganz anders gekommen, als man damals gehofft hatte! 3war ist Israel in seiner alten Heimat wieder aufgelebt, und auch der Tempel des Herrn ist wohl wieder aus den Trümmern erstanden, aber die Frommen fühlen es nur zu sehr, daß Gottes 3orn noch immer nicht von seinem Volke gewichen ist. Das zeigt ihnen die schmerzliche Tatsache der Fremdherrschaft, unter der Israel

seufzt und die täglich neue Erfahrung von der ungebrochenen Macht der Sünde im eigenen Volke, vgl. o. S. 27 zu Ps. 81. In dieser Not, die jedem Frommen im Volke das Herz brechen will, klammern sie sich mit allen Fasern ihrer Seele an Gottes erbarmende Liebe, denn diese Liebe kann ja nimmer aufhören. Er kann ja seines erwählten Volkes, von dem noch einst nach prophetischem Glauben ein Segensstrom für die Heidenwelt ausgehen soll, nicht für immer vergessen. Die göttliche Derheißung hat noch eine Erfüllung. Jene große Wende, als der persische König Cyrus die Erlaubnis zur Wiederherstellung des politischen Gemeinwesens Israels gab, war also gleichsam nur das Angeld auf das Kommen der Heilszeit mit der Fülle ihrer geistigen und irdischen Güter. Ja, so ist es in Gottes Heilswillen beschlossen, und indem die Frommen aus ihrem heißen Gebetsringen diese Zuversicht als göttliche Erhörung gewinnen, haben sie den rechten Trost in Tränen gefunden. Nun wissen sie: die jetzt mit Tränen säen, werden dereinst mit Freuden ernten, und wenn auch jetzt Israel der Steppe gleicht, auf die des Sommers verzehrende Gluten niederbrennen, es kommt das erquickende Naß der göttlichen Gnade über das lechzende Land, füllt die steinigen Bachbetten mit schäumenden Wassern und läßt mit der Fülle irdischer Saat die unendlich größere der geistigen Gnadengaben, Gerechtigkeit, Friede und Freude in Gott, aufgehen. So erfährt schon der Fromme des alten Bundes nach dem Maße seines Gottesglaubens den Segen der Frohbotschaft Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden" (Matth. 5, 4).

Das Bild, unter dem der Dichter von Ps. 126 diesen Glaubensgedanken darstellt, ist nach orientalischem Empfinden von hervorragender Schönheit, weil es doppelsinnig ist. Wir dürfen die Aussagen des Dichters zunächst ganz wörtlich nehmen: zu seiner Zeit hat der jüdische Landmann ein sorgenvolles Dasein, weil er am meisten unter der Unsicherheit der politischen Verhältnisse zu leiden hat. Jezt bestellt gar mancher sorgenvoll seinen Acker, weiß er doch nicht, ob er im nächsten Jahre von seiner Hände Arbeit werde leben können. Aber hat nicht Gottes Gnade schon oftmals die Sorgen und Tränen des Landmanns in Freude über einen glücklichen Ernteertrag verwandelt? So geht es im Kleinen, und im Kleinen schaut der Dichter das Große: auch Israel säet mit Tränen, denn was die Frommen jeßt sorgen und schaffen um des Volkes Heil, daß es gerecht dastehe vor dem zürnenden Gott, ist Saat auf Hoffnung in dürrem Lande. Aber Gottes Gnadensonne wird diesen in die Herzen gesäten Samen aufgehen lassen zum Erntejubel der vollendenden Heilszeit.

Ps. 85 und 126 haben liturgische Form. In Pf. 85 ist das 1. und 2. Gesäßz wohl im Wechselchor gesungen zu denken, ebenso die beiden Gesäße von Pf. 126, und mit dem Abgesange von Pf. 85 setzt eine einzelne Stimme aus dem Chore der Frommen ein, denen der Dichter dieses Gebet in den Mund legt. Dieser Wechsel ist uns schon aus Pf. 95 und 81 bekannt, vgl. o. S. 10 und 26, und auch S. 95. Hier läßt der Dichter, gleichsam als Echo auf das erschütternde Gebet der frommen Gemeinde, eine prophetische Stimme erklingen. Einer der Frommen spürt im Gebete das Wehen des göttlichen Geistes, sein Blick entschleiert sich und in heiliger Begeisterung offenbart er den andächtig Lauschenden Gottes Gnadenwillen mit seinem Volke. Diese dramatische Szene erinnert uns an ähnliche Vorgänge in den ältesten christlichen Gemeinden, wo sich die enthusiastische Stimmung oftmals in wunderbaren Wirkungen des neuen Geistes entlud (vgl. 1. Kor. 14, 26 ff.). Der Dichter unseres Psalms hat es verstanden, sie mit wenigen Worten plastisch uns vor Augen zu stellen: der Fromme, vielleicht ein würdiger Alter, erhebt sich, aller Blicke richten sich plötzlich auf des Greisen Antlitz, der wie ein Prophet unter seinem Dolke steht, das Auge geschlossen, um die geheimnisvolle Stimme zu fassen, die sein Ohr vernimmt. Jegt verklären sich seine Züge und „Heil euch" tönt es von seinen bebenden Lippen. Ja, von Heil und Segen hat ihm die göttliche Stimme gesprochen, und nun schaut er selig in jene Zukunft, deren Anbruch die Frommen eben noch in heißem Gebet erfleht haben, und Worte fließen von seinen Lippen, die aller Herzen höher schlagen lassen: alle Gnadengaben und geistigen Güter, Gerechtigkeit, Friede

und Freude, Liebe, Treue und Gnade, vereinen sich wie gute Geister, um Israel zu beglücken; ja der Herr selbst geht durch sein Volk und unter seinen Schritten wandelt sich das Land zum Paradiese. So wird der Herr die Trauernden 3ions trösten.

90.

'Herr, eine Zuflucht bist du uns gewesen für und für!

2Ehe Berge geboren wurden und Welt und Erdrund gekreißt ward', Warst du, Gott, und bleibst ewiglich! 3Du führst uns zum Staube zurück 4Was sind tausend Jahre bei dir?

und gebeutst: fahrt hin, Menschenkinder!

Wie das Gestern, das flücht'ge',

wie eine Wache der Nacht!

5 Wir aber müssen dahin', dem sprossenden Grase vergleichbar:

"Am Morgen blüht es und sproßt,

am Abend welkt es und dorrt.

uns vernichtet dein Grimm, Geheimstes in deines Angesichts Licht!

Ja, wir vergehn durch deinen Zorn,
Unfre Sünden stehn dir vor Augen,
All unsre Tage schwinden in deinem Grimm,
dahin sind unsre Jahre wie Seufzer.

10Unfres Lebens 'Maß' sind siebenzig Jahr,

und wenn's ihrer viele, find's achtzig an Zahl,

Und ihr Gepränge ist Mühsal und Nichts,

denn es verweht, und wir fliegen dahin.

11Wer achtet deines 3ornes Gewalt und deines Grimms in heiliger Ehrfurcht?

12 lehre du uns unsre Tage zählen,

daß ein weises Herz wir gewinnen!

13Laß ab, Herr willst ewig du grollen?
14 Deiner Gnade Frühlicht erquid' uns,
15 Erfreu' uns, wie wir Tage des Elends,
16Erzeige deinen Knechten dein Walten,

17Die Huld unsres Gottes sei mit uns!

erbarm dich deiner Knechte! daß wir allezeit jubeln?!

Jahre des Unglücks geschaut! deine Majestät ihren Kindern!

Laß das Werk unsrer Hände bei uns gedeihen, ja gedeihen das Werk unsrer Hände!

5 Da der überlieferte

2 watteḥolal. 4 Es wird ki 'abhar zu lesen sein. Text unübersetzbar ist, so haben wir sinngemäß ergänzt. 9 Nach der Lesart kalu. 10 Statt bahem ist wohl gobhham ihre Höhe" zu lesen; am Anfang ist jeme metrisch anstößig. 12 Erwähnt sei die von einigen Forschern aufgenommene Lesart wenabho lebhabh hokhma „daß wir zur Pforte der Weisheit gelangen“. 14 wenismeha ist wohl nur Variante. 17 Oder: die Huld des Herrn, aber jahwae 'elohenu ist metrisch nicht möglich.

Eine tiefe Schwermut liegt über diesem erschütternden Gebet, dessen gehaltene Töne uns allen von Jugend auf im Herzen klingen. Der Dichter hebt an mit dem Bekenntnis zu Israels Helfer in aller Not und spricht dann von Gottes Ewigkeit, als wollte er einen Hymnus auf sie anstimmen, denn darauf scheinen seine Worte mit ihrem leisen Anklang an den Eingang der Schöpfungsgeschichte und ihrem eigenartigen antik-mythologischen Gehalt (vgl. Hiob 15, 7 und 38, 8f.) hinzulenken. In Wirklichkeit bildet diese Erinnerung an den ewigen Gott nur den großartigen Hinter

grund, von dem sich der Mensch in seiner kreatürlichen Schwachheit und Vergäng= lichkeit abheben soll. Dort der allmächtige Gott, der da war vor allem Anfang und sein wird in alle Ewigkeit, bei dem tausend Jahre sind wie ein paar flüchtige Stunden; hier die staubgeborene Menschheit, deren kurzlebige Geschlechter kommen und gehen in unaufhörlichem Wechsel, vergänglich wie die Gräser auf den Wiesen und Dächern, die, kaum aufgeschossen, von der Glut des Tages versengt werden. Ähnliches lesen wir in dem Hymnus Pf. 103 (vgl. o. S. 76 ff.), und bei dem großen Propheten des Erils heißt es (Jes. 40, 6ff.):

und all seine Pracht der Blume des Feldes:

es welket die Blume,

„Alles Fleisch gleicht dem Gras
Es verdorret das Gras,
fährt Gottes Odem

Es verdorret das Gras,

über sie hin,

es welket die Blume,

aber das Wort unsres Gottes

Und der Dichter des „Hiob“ klagt (14, 1f.):

bleibt ewiglich fest."

„Der Mensch, vom Weibe geboren, kurzlebig und satt von Unrast Wie eine Blume blüht er auf und welkt,

flieht dahin wie der Schatten, hat keinen Bestand."

Aber der fromme Psalmsänger bleibt bei diesem gewaltigen Kontrast nicht stehen. Ihn erschüttert nicht so sehr die Tatsache, daß der Mensch zum Staube zurück muß, von dem er genommen, als die Ursache dieses auf dem Menschengeschlecht lastenden Todesverhängnisses. Das aber ist, so sagt er mit dem Erzähler des alten tiefsinnigen Paradiesesmärchens (1. Mose 3), die Sünde. Die hat den Menschen in ihre Gewalt bekommen und bereitet ihm sein bitteres Los, denn vor Gottes heiligen Augen kann kein sündiger Mensch bestehen, und sein richtender Blick dringt bis in die verborgensten Winkel des Herzens. Das ist das tiefste Elend des menschlichen Lebens, daß wir alle unter dem Fluche der Sünde stehen und Gottes Jorn tragen müssen in einem kurzen Dasein voll nichtiger Freuden.

Sollte da nicht ein Jeder ernste Einkehr halten und dem 3orn des himmlischen Richters durch ein Leben nach seinem heiligen Willen zu begegnen suchen? Aber nein, so verkehrt ist das Menschenherz, daß es sich des furchtbaren Ernstes des Lebens garnicht bewußt wird. Leben doch die Meisten sorglos dahin, als gäbe es weder Sünde noch Gericht und Tod. Es fehlt ihnen an der Hauptsache, am rechten Sündenernst, und darum auch an der rechten Bußstimmung. Sonst würden sie Gott bitten um das eine, was not ist, nämlich die Erkenntnis unserer Sündhaftigkeit als Quelle unseres Elends im Leben und Sterben.

So hat der Dichter, in tiefem Bußschmerz sich vor dem Ewigen beugend, die Fürbitte für sein Volk würdig vorbereitet. Nun richtet sich sein hoffender Blick zu Gott empor, und wie ein hohepriesterliches Gebet fließt es von seinen Lippen: Herr, erbarme dich unser, mach' ein Ende mit unserer irdischen Not und laß uns wieder Glauben fassen, daß du der Herr über alle Welt bist und wir dein erwähltes Volk! Und wie ein rechtes priesterliches Gebet schließt es mit einem frommen Segenswunsch: Gott segne all unser Tun und Treiben, daß jede ehrliche Arbeit ihren Segen habe und uns so stark mache im Glauben und Hoffen! Mit diesem Gedanken lenkt das Gebet sinnig zu den Eingangsworten zurück, die über alle Trübsal der Gegenwart hinweg Gottes treuer Liebe mit Israel dankbaren Sinnes gedenken:

Ob bei uns ist der Sünden viel,
Bei Gott ist viel mehr Gnade,
Sein Hand zu helfen hat kein Ziel,
Wie groß auch sei der Schade!

Ps. 90 ist so recht ein Gebet „aus tiefer Not“, aus der allgemeinen Not menschlicher Sündhaftigkeit und der besonderen von Israels Leiden in der Welt. Das Ineinanderklingen beider Gebetsmotive und ihre Modulierung durch das Ewigkeitsmotiv erzeugt eine wunderbare Harmonie, die umsomehr ergreift, als sie frei ist von aller Sentimentalität. Eine männlich starke Frömmigkeit spricht aus diesem Psalm zu uns, der es mit der Erkenntnis der Sündenschuld und mit Buße und Reue heiliger Ernst ist. Der Dichter ergeht sich nicht in müßigen Klagen über das

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