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dem sie vom Rationalismus oder Pantheismus oder Materialismus ausgeht. Was diese drei Richtungen mehr oder weniger Einheitliches und Gemeinschaftliches haben, besteht darin, daß sie die Naturordnung für das unabänderliche, unverbrüchliche Weltgesetz erklären, also alles übernatürliche, wunderbar göttliche Hereinwirken leugnen und für unmöglich halten. Ebenso einig sind sie in der Auffassung und Betrachtung der Sünde. Dieselbe erscheint ihnen als etwas Nothwendiges, ein nothwendiger Durchgangspunkt in der Entwicklung der Menschen und der Mensch kann sie auch, sofern sie seine harmonische Ausbildung und den gesellschaftlichen Frieden stört, überwinden. Einer übernatürlichen Erlösung bedarf er nicht. Neben diesem Gemeinsamen gehen die genannten Richtungen im Uebrigen noch weit auseinander. Diejenige derselben, welche den anderen den Rang fast schon abgelaufen hat und immer breiteren Boden in der civilisirten Welt gewinnt, die materialistische, leugnet alles Uebersinnliche, nicht bloß Gott, sondern auch den menschlichen Geist, erklärt die Welt, d. i. die Materie für ewig, die Weltordnung für ein Werk des blinden Zufalls, spricht dem Menschen die Willensfreiheit ab und die Verantwortlichkeit für seine Gedanken, Worte und Werke, macht also die Sünde und Schuld zunichte, lacht über die Erlösung als über ein thörichtes Mährchen, spottet über die Behauptung einer unsichtbaren Welt, eines Himmels und einer Hölle, und glaubt nur an Eins, nämlich an einen allmählichen Fortschritt der Welt zum Besseren, was ihr jedoch die allerneueste Philosophie des Pessimismus als thörichten Rest von Glauben vorwirft, indem sie die Welt für die denkbar schlechteste erklärt und nur Heil erwartet vom gänzlichen Untergang derselben, welchen herbeizuführen die Menschheit sich einigen müsse.

Mit größter Leichtigkeit hat die modern-heidnische Weltanschauung sich Eingang in die Christenheit und über dieselbe hinaus zu verschaffen gewußt und mit beklagenswerther Bereitwilligkeit haben die vordem christlichen Anschauungen ergebenen Massen diese neue Weisheit aufgenommen, denn sie entspricht dem natürlichen Menschen und seinem der Sünde und dem Frdischen zugewandten Sinne viel mehr als das Sinnesänderung, Weltverleugnung und Fleischesertödtung gebietende und fordernde Christenthum, dem sich das Menschenherz von jeher nur unter großen Schwierigkeiten und mit heftigem Widerstreben geöffnet hat. Wenn wir nun behaupten, früher habe Jahrhunderte hindurch die Weltanschauung des Christenthums das Leben der Völker und Einzelnen, die den Christennamen trugen, beherrscht, so sind wir damit keineswegs der Meinung, als sei das Christenthum mit seinen himmlischen Lehren und Kräften, mit seinen ernst sittlichen Geboten und Ansichten allen oder auch nur den meisten Gliedern der Kirche in succum et sanguinem, in Fleisch und Blut übergegangen, oder habe sich ihrem Sinn und Geiste dermaßen assimilirt, daß Jeder von sich hätte sagen dürfen: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir!" Wir sind vielmehr der wohlbegründeten Ueberzeugung, daß mit Ausnahme der ersten Jahrhunderte christlicher Zeitrechnung die Zahl der wirklich bekehrten, vom Geiste Christi erleuchteten und wiedergeborenen Christen in früheren Perioden der Kirche verhältnißmäßig nicht größer gewesen ist, als in der Gegenwart. Was wir behaupten, ist dies, daß es der Kirche, nachdem sie unter Constantin dem Großen Staatskirche geworden war, gelungen sei, den Völkern auf dem Wege des Gesezes die Weltanschauung des Christenthums wenigstens in den gröbsten Zügen äußerlich beizubringen. Innerlich

vermittelte Erkenntniß des Christenthums und wirkliches geistliches Verständniß der christlichen Gedanken und Lehren war in den zur Kirche zählenden und die von derselben vorgeschriebenen religiösen Formen und Gebräuche mitmachenden Massen des Christenvolks in früheren Perioden nicht mehr vorhanden, als heutzutage. Das Evangelium, das doch dazu bestimmt ist, inneres, geistiges Leben in den Seelen zu werden, lag als äußeres Gesez, als Glaubensgesetz auf der Christenheit und wurde als so bindend angesehen und gehandhabt, daß Abweichungen von demselben, Abweichungen von dem durch die Kirche dogmatisch formulirten Christenglauben, als todeswürdige Verbrechen galten und demgemäß bestraft wurden, wie die Keßerverbrennungen und Autodafes, die Kreuzzüge gegen die Waldenser und Albigenser, wie die Bluthochzeit der Hugenotten, die Inquisition und die Religionskriege beweisen. Neben diesem äußerlich anerzogenen christlichen Gedankenkreis ging deßhalb auch der altgewohnte heidnische Aberglaube fortwährend her, ja die Kirche verkehrte das lebendige Christenthum selbst in einen dem gößendienerischen Heidenthum gleichenden todten Aberglauben. Daß, während dieß geschah, also im Laufe des Mittelalters, Versuche gemacht wurden, das Christenthum in den Geistern zum Leben zu erwecken, ist freilich wahr; aber von der herrschenden Kirche gingen diese löblichen Versuche zum wenigsten aus, sondern meist von den verfolgten Keßern und Sectirern. Erst die Reformation führte den Grundsatz zum Siege, daß das Christenthum subjectiv angeeignet, vom Einzelnen geistig erfahren und erlebt, und in das Verständniß und Leben der Individuen eingeführt werden müsse. Dennoch blieb auch die aus der Reformation hervorgegangene evangelische Kirche sowohl lutherischen als reformirten Bekenntnisses viel zu sehr

eine Pastoren- und Geistlichkeitskirche, und während der Herrschaft der Orthodoxie wurde das Evangelium wieder vollständig als Gesez gehandhabt. Erst der Pietismus auf deutschem Gebiete, und auf englischem der Methodismus, gingen auf die Tendenz der Reformation zurück und strebten darnach, das Christenthum zur innersten Herzensangelegenheit zu machen, und nachdem auf die allgemeine Herrschaft des Rationalismus auf evangelischem Gebiete ein neues Erwachen des Glaubens gefolgt ist und die seitherige Verbindung des Staates mit der Kirche eine bedeutende Lockerung erfahren hat, läßt sich wohl annehmen, daß da, wo in unserer Zeit christliches Bekenntniß auftritt, es in den meisten Fällen auf persönlicher Uebereinstimmung und subjectiver Aneignung beruht und ebenso, daß da, wo in der Gegenwart die christliche Weltanschauung die Geister beherrscht, dieselbe in den meisten Fällen nichts äußerlich Angelerntes oder gar Aufgezwungenes, sondern eine innerlich angeeignete und geistig begriffene Ueberzeugung ist. Leider ist es aber nur eine gar kleine Minorität, von der wir dies sagen können, die in unseren Tagen den biblischkirchlichen Glauben vertritt und in der Weltanschauung des Christenthums steht, während die ungeheuere Mehrheit der sogenannten Christen in den oben beschriebenen widerchristlichen Gedanken und Meinungen befangen oder wenigstens dermaßen von denselben angesteckt ist, daß sie als der christlichen Denkungsweise entfremdet und für die lebendige Gliedschaft in der Kirche, dem sichtbaren Reiche Gottes, verloren, mit einem Worte als in vollem Abfall vom Christenthum be griffen und in ein modernes, christusfeindliches Heidenthum verstrickt erachtet werden muß.

Oder sollte vielleicht die in neuerer Zeit erfundene Theorie dom unbewußten Christenthum“ eine Wahrheit sein,

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und sollte sich etwa von dieser Theorie aus eine günstigere Ansicht von dem gegenwärtigen Zustande der Christenheit gewinnen, ein freundlicheres Bild von dem kirchlichen Leben unserer Zeit entwerfen lassen? Unter dieser von dem übrigens hochachtbaren, jezt vollendeten Heiligen" des Protestantenvereins aufgebrachten Bezeichnung versteht man nämlich dieses, daß der mächtige, sittlich erneuernde Einfluß des Christenthums eine reiche Fülle gesellschaftlicher Tugenden, eine edele Gesittung, ja auch eine große Reinheit und einen schäßenswerthen Adel der Gesinnung im Laufe der Zeit unter dem ihm offen stehenden Theile der Menschheit erzeugt habe. Dies Alles sei in der jeßigen christlichen Menschheit vorhanden, deutlich sichtbar und erkennbar vorhanden, und dadurch unterscheide sich dieselbe sehr vortheilhaft von allen früheren Zeitaltern. Freilich aber sei der ebenso merkwürdige als betrübende Umstand eingetreten, daß die Tochter die Mutter nicht allein vergessen habe, sondern geradezu in unerhörter Verblendung und schnödem Undank verleugne oder - um ohne Bild zu reden der vom Christenthum erzeugte Lobens- und anerkennenswerthe sittliche Zustand der heutigen christlichen Welt kenne nicht mehr seine Abstammung und halte sich für ein Erzeugniß menschlichen Strebens und eigener Anstrengung. Nachdem diese Behauptung einmal ausgesprochen war, bemächtigte sich mit hastigem Eifer diejenige Partei derselben, deren wohl gut gemeintes, aber nichts desto weniger verkehrtes Streben darauf gerichtet ist, wie sie sagt, das Christenthum in Einklang zu sehen mit der Culturentwicklung und den geistigen und wissenschaftlichen Errungenschaften unseres Jahrhunderts, und diese Partei spißte dann jene Theorie gar noch zu der tollen Behauptung zu, die Vertreter des ,, unbewußten Christenthums“ seien die eigentlichen, wahren

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