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wenn auch schließlich wieder im Dienst seiner Erhaltung, doch breiter und reicher angelegt, als auf die bloße Fristung des Daseins für eine beschränkte Zeit, zumal diese unter bestimmten Umständen in sehr einförmiger Weise zu geschehen pflegt. Werden diese weiteren Anlagen nicht betätigt, so schrumpfen sie, und schließlich leidet dann auch die bloße Daseinsfristung. Deutliche Hinweise auf sie haben wir in unseren Gefühlen, denn diese sind, wie oben (S. 71) hervorgehoben, nichts als die subjektiven Zeichen einer objektiv bestehenden Förderung oder Schädigung des Organismus. Jedermann erfreut sich an der Pracht satter Farben, dem glühenden Rot des Mohns, dem tiefen Blau des wolkenlosen Himmels, dem Feuer glitzernder Diamanten. Zur Lebensfristung stehen sie in keiner erkennbaren Beziehung; die eßbaren oder giftigen Gegenstände, die gefährlichen Tiere sind nicht überwiegend besonders satt gefärbt. Dennoch muß ihr Anblick aus irgendwelchen uns verborgenen Gründen etwas Förderliches haben, sonst wäre er nicht lustvoll und würde er nicht begehrt. Starke und daher zweifellos auch starke Bedürfnisse anzeigende Lust dieser Art gewähren uns namentlich die oben (S. 139) erwähnten Formalgefühle: nicht durch bestimmte Inhalte oder bestimmte Betätigungen, sondern dadurch, daß mehrere ganz beliebige Inhalte oder Betätigungen sich zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügen, werden wir erfreut. Solchen über die Erhaltung im engsten Sinne hinausgehenden Bedürfnissen trägt nun schon der primitive Mensch Rechnung. Er nimmt grelle Farben, glitzernde Schnüre, hochragende Federn in den Dienst des Erhaltungskampfes, um sich dem anderen Geschlecht begehrenswert oder auch dem Feinde schreckhaft zu machen. Er gestaltet seine Geräte in symmetrischen Formen, auch ohne daß ihr Zweck es direkt fordert. Er tanzt, singt, ja er arbeitet selbst, wo es möglich ist, in Gemeinschaft mit anderen und in strengem Takt, und er bindet so die Einzeläußerungen seiner eignen Tätigkeit durch die Einheit des Rhythmus und zugleich die Tätigkeit der gesamten Schar durch die Einheit eines Zweckes oder die Herrschaft eines Willens zu einem geschlossenen Ganzen.

Allein die Erhaltungshandlungen haben, um so mehr, je weitgreifender die ihnen zugrunde liegende Intelligenz schon geworden ist, überaus häufig noch einen anderen Mangel, dem nun durch eine einfache Umgestaltung oder Bereicherung ihrer selbst nicht mehr abgeholfen werden kann. Sie bringen dem Menschen, selbst wenn sie ihren Zweck nicht erreichen und es bei dem bloßen Streben verbleibt, viele Freuden, sie bringen ihm nicht leicht dauernden Frieden. Kaum ist das ersehnte und noch so verlockend vorgestellte Ziel errungen, so wird sein Besitz selbstverständlich, die Freude an ihm geht zurück, es zeigt sich, daß es keineswegs frei von Mängeln ist, und der begehrliche Gedanke schweift weiter nach einem anderen Ziel und rastlos weiter. ,,Wozu verdienst du dein Geld, Kaufmann?“ „Um mehr Geld damit zu verdienen." Acht Tage wohnte die bettelarme Fischersfrau in der behaglichen Hütte, die ihr der verzauberte Prinz geschenkt hatte, dann erschien sie ihr doch recht klein und sie

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wünschte sich ein Schloß; schon einen Tag später wollte sie König werden und unmittelbar nach Erfüllung dieses Wunsches hielt sie es nicht mehr aus, ohne Kaiser zu sein. Sicherlich ist es nicht immer so, noch bei allen so, wie denn ja auch das Märchen der begehrlichen Frau den zurückhaltenden Manh an die Seite setzt; aber sicherlich auch liegen in der Natur des menschlichen Fühlens und Denkens starke Momente, die dazu treiben, daß es so sei. In vielen Fällen ist nach Erreichung eines Zieles nach Lage der Sache ein neues zunächst nicht vorhanden die Seehunds- oder Renntierjagd der Eskimos hat so gut ihre tote Jahreszeit wie die Fabrikation von Saisonartikeln oder die Erreichung ist so aussichtslos, daß der auftauchende Gedanke durch dieses Bewußtsein sogleich wieder verdrängt wird. Aber auch dann ist nicht ruhiges Genießen die Folge, sondern nun wird das Fehlen neuen Strebens schmerzlich und quälend empfunden in der Langeweile. Die Erhaltungshandlungen im engeren Sinne, muß man also sagen, haben eine zwiefache Tendenz der Unlusterzeugung: sie führen zur Verkümmerung mancher Seiten der menschlichen Natur, namentlich durch ungenügende Gelegenheit zur Befriedigung des starken Bedürfnisses nach Einheit oder Vereinheitlichung, und sie schaffen nicht leicht dauernde Befriedigung, sondern Unrast oder Leere.

Eine dritte Gruppe leidvoller Folgen entspringt gleichfalls dem vorausschauenden Handeln, nur nicht allein seinen Wirkungen für die handelnden Individuen selbst, sondern auch, und zwar in erster Linie, den Wirkungen für die übrigen. Die natürlichen Mittel der verschiedenen Individuen für den Erhaltungskampf, ihre körperliche Kraft und Gewandtheit, ihre Schönheit, geistige Begabung und Erfahrung sind höchst verschieden. Das führt auch zu sehr verschiedenen Erfolgen in dem Erhaltungskampf. Bei großer Ungunst der äußeren Verhältnisse, sowie in den ursprünglichsten kleinen Gemeinschaften, in denen die Menschen zu gemeinsamem Daseinskampf und zur Erhaltung der Gattung zusammenleben, in der Familie, bleiben diese Unterschiede von geringer Bedeutung. Der Einzelne hat keine Sonderexistenz innerhalb seiner Gruppe; er ist ein Teil des Ganzen; was er erbeutet oder erwirbt, erwirbt er dem Ganzen. Die einzelnen Gruppen aber sind die eine ungefähr so arm wie die andere. Allein bei größerer Gunst der Umstände, bei zunehmender Beherrschung der Natur durch weitergreifendes Denken, vor allem bei dem Wachsen der Gruppen, ihrer Angliederung aneinander bilden sich Gegensätze. Was der Einzelne an Erhaltungsmitteln beschafft, kann nicht mehr der ganzen Gemeinschaft zugute kommen; es verbleibt ihm oder seinem kleineren Kreise. Er erwirbt Besitz; zugleich werden damit die einzelnen Glieder der Gemeinschaft bis zu einem gewissen Grade natürliche Gegner in ihrem Erhaltungskampf. Durch größere Klugheit oder andere natürliche Gaben aber kommen dabei nun einzelne weit besser fort als die übrigen. Sie wissen ihren Besitz schneller zu mehren als die große Masse, vermögen daher auch andere Menschen in ihren Dienst zu bringen und durch deren Hilfe die Vermehrung zu beschleunigen. Es entsteht eine Kluft zwischen

Herrschenden und Dienenden. Da nun freilich der Mensch seiner ganzen Anlage nach die Gemeinschaft doch sucht und sie zudem auch zu seiner Erhaltung nicht entbehren kann, so wird der ihr Bestehen bedrohende Daseinskampf in ihrem Inneren in gewissen Schranken gehalten. Aber gegen die außerhalb Stehenden, die Fremden, richtet er sich dauernd als etwas Selbstverständliches; sie insgeheim zu bestehlen, zu berauben oder offen mit Krieg zu überziehen, ist durchaus dasselbe, wie den Pflanzen ihre Früchte und den Tieren das Leben zu nehmen. Die so gewonnenen Besitztümer häufen sich natürlich wieder vorwiegend in der Hand der durch ihre Anlagen Begünstigten und dienen ihnen und ihren Nachkommen zu weiterer Steigerung ihrer Macht. Schließlich kommt es zu ungeheuren Gegensätzen: dem Herrenglück einiger weniger steht das Sklavenelend einer hundertfach größeren Masse gegenüber. Die Gesamtbilanz ist schlecht: überwiegende Schaffung von Leid und Unlust, d. h. Lebenshemmung, als Ergebnis des fortschreitenden Erhaltungskampfes für die Gesamtheit.

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Natürlich werden die Herren geneigt sein, zu sagen und diejenigen, die noch nicht Herren sind, aber das Zeug in sich fühlen, es zu werden, die Wortführer der Jugend, werden geneigt sein, ihnen beizustimmen warum nicht? Unsere Begünstigung vor der großen Masse ist der natürliche Tribut für die besondere Tauglichkeit zum Bestehen des Daseinskampfes, die uns auszeichnet oder unsere Vorfahren ausgezeichnet hat. Und warum sollte es nicht förderlicher sein für die Gesamtheit und sie im ganzen eher auf eine höhere Stufe heben, wenn hervorragende Grade der zu ihrer Erhaltung und zu ihrem Fortschritt nötigen Fähigkeiten durch besonders günstige Umstände Gelegenheit erhalten, sich reicher zu entfalten und in immer höherer Steigerung fortzupflanzen, als wenn alle auf dem gleichen und dann verhältnismäßig niedrigen Niveau der Lebensführung gehalten werden? Allein die Sache hat eine Kehrseite oder vielmehr einige Kehrseiten. Das menschliche Denken und Fühlen verläuft u. a. nach assoziativer Gesetzmäßigkeit. Der Anblick des Leides bei den Sklaven ruft mithin bei den Herren Vorstellungen dieses Leides hervor; sie müssen mit leiden, wenn auch in schwächerem Grade. Die von ihnen ausgehende Unlust wendet sich also gegen sie zurück; sie trübt den reinen Genuß ihrer bevorzugten Stellung etwas und drückt auf ihn. Immerhin ist diese Beeinträchtigung keine allzu starke. Zudem tritt sie, wenn man sich wegwendet und nicht absichtlich hinsieht, nur ab und zu einmal störend dazwischen, und auch daran gewöhnt man sich endlich. Viel schwerer wiegt dies. Die Sklaven vermögen sich jene Ansicht der Herren von der inneren Berechtigung der Zustände, unter denen sie leiden, durchaus nicht zu eigen zu machen. Die größere Tüchtigkeit der Herren finden sie in ihren Erfahrungen nur zum Teil bestätigt; die Belohnung der Verdienste der Väter an den Söhnen bis in die spätesten Glieder sind sie nicht geneigt als begründet anzuerkennen. Ihr durch die stärksten Wünsche getragener und durch den Vergleich mit dem Wohlergehen der Herren besonders genährter Bedürfnisglaube führt ihnen vielmehr immer wieder Vorstellungen

einer baldigen Besserung ihrer Lage oder gar ihrer selbst als Herren vor die Seele, und der Autoritätsglaube an die Vortrefflichkeit der Zustände und selbst eine durch Generationen gefestigte Gewöhnung an sie hat demgegenüber einen schweren Stand. Im ganzen bilden sie einen zu Unruhen geneigten und nicht recht zuverlässigen Boden für das Dasein der Herren; sie müssen daher durch Gewalt und andere geeignete Mittel im Zaum gehalten werden. Das zerklüftet auf alle Fälle die Gemeinschaft, die der Mensch doch, wie vorhin schon gesagt, weder als Herdentier entbehren mag, noch ohne Gefährdung seiner Existenz entbehren kann; es zerreißt ihren Zusammenhalt durch Erbitterung und Klassenhaß und verringert dadurch ihre Widerstandsfähigkeit nach außen. Die stärksten Gemeinschaften sind die, deren Wahlspruch lautet: alle für einen, jeder für alle; früher oder später überrennen sie die anderen. Bisweilen aber gelingt die Niederhaltung überhaupt nicht; die Spannung des mißachteten und in den Boden getretenen Elends und der dadurch geweckten Befreiungsvorstellungen und -tendenzen wird zu groß, und in der Explosion der entfesselten Leidenschaften werden die Herren hinweggefegt.

Insgesamt also: Unlust der Unkenntnis und Ohnmacht, Unlust der unzureichenden Betätigung und der Friedlosigkeit, Elend der Bedrückung durch die Mächtigen, Lockerung der Gemeinschaft und Furcht vor den Revolten der Unterdrückten, das sind die dem Erhaltungskampf neben allen Wohltaten doch auch entspringenden Übel. Vermag die Seele sie abzuwehren? Ja, sie vermag es; nicht überall so, daß sie die Übel schlechthin beseitigt, aber doch so, daß sie sie einschränkt und zum Teil überwindet.

§ 25. Die Religion.

Hilfe gegen das undurchdringliche Dunkel der Zukunft und die unüberwindliche Macht feindlicher Gewalten schafft sich die Seele in der Religion. Unter dem Druck der Ungewißheit und in den Schrecken großer Gefahren drängen sich dem Menschen nach Analogie der Erfahrungen, die er in Fällen des Nichtwissens und Nichtkönnens sonst gemacht hat, naturgemäß Vorstellungen zu, wie auch hier geholfen werden könnte, so wie man in Feuersnot an das rettende Wasser, in Kampfesnot an den helfenden Kameraden denkt. Die natürliche Handhabe dazu bietet ihm eine andere, wie jedes Kind zeigt, überaus naheliegende analogische Übertragung: der Mensch betrachtet ursprünglich alle Dinge als belebt und beseelt wie sich selbst und alles Geschehen nach Analogie seines eignen absichtsvollen oder auch launenhaften Handelns. Sich selbst aber lernt er sehr früh durch eine seinem primitiven Denken entsprechende Deutung verbreiteter Erfahrungen als ein Doppelwesen auffassen, als bestehend aus dem äußeren, jedermann sichtbaren schwerfälligen Leibe und einem darin sitzenden beweglichen, feinen, schattenhaften Wesen, der Seele. Im Traum z. B. glaubt er die Unabhängigkeit der beiden voneinander deutlich zu erkennen: da verläßt die Seele den Leib, fliegt anderswohin

in bekannte und unbekannte Gegenden und erlebt die seltsamsten Dinge. Ebenso in der eindrucksvollen Erscheinung des Todes. Heute spricht der Mensch, bewegt sich, schadet einem oder nützt einem, morgen liegt er starr da, und von alledem ist keine Rede mehr. Freilich kann man nicht sehen, was denn diesen ungeheuren Unterschied hervorgebracht hat, aber es ist doch zweifellos etwas vorhanden, was in dem Lebenden gegenwärtig war, der eigentliche Träger seiner Kräfte, seiner Bedürfnisse, seiner feindlichen und freundlichen Gesinnungen, und nun aus dem Toten davongeflogen ist und sich unsichtbar anderswo aufhält. Gibt es ferner nicht Besessene, die es unmittelbar empfinden, daß ein anderes Wesen in sie hineingefahren ist und sie nun zwingt, sich in Krämpfen auf dem Boden zu wälzen oder auf andere loszufahren? Die plötzlich mit fremdklingender Stimme verzückt und prophetisch zu reden vermögen und nach einiger Zeit wieder ruhig werden, wenn eben jener Dämon sie wieder verlassen hat?

Entsprechend diesen Vorstellungen bevölkert der Mensch nun alle Dinge zwischen Himmel und Erde, nicht nur Tiere und Pflanzen, sondern auch Felsblöcke und Holzstücke, Seen und Wasserläufe, die Witterungserscheinungen und Gestirne mit einer Fülle von Dämonen, Geistern, abgeschiedenen Seelen, Gespenstern, die, mit menschenähnlichen Kräften ausgerüstet, aber seinem eignen Wissen und Können vielfach weit überlegen, bei allem Geschehen ihre Hand im Spiele haben. Aber nicht etwa aus Vergnügen an theoretischen Spekulationen verfährt er so, um einem Bedürfnis nach Erklärung zu genügen, wie wohl gesagt wird; davon wird der primitive Mensch wenig gedrückt. Sondern um der lebendigsten praktischen Interessen willen: um die Dinge behandeln zu können, um mit ihnen nach seiner kindlichen Kenntnis oder vielmehr Unkenntnis ihres Verhaltens fertig zu werden. Indem er nämlich die Dinge vermenschlicht, gewinnt er die Möglichkeit, mit ihnen zu verfahren, wie er es mit Menschen gewohnt ist, kann er sich ihrer Gunst und ihrer Hilfe für seine Zwecke versichern, erhält er also eine gewisse Gewalt über sie. Denn diese Geister gewinnen ohne weiteres für ihn objektive Existenz. Wie das Bedürfnis, sich aufrechtzuerhalten und nicht zu verzweifeln, bei jener Mutter den Glauben an die Zukunft ihres Sohnes erzeugte (S. 136), so schafft es hier den Glauben an die Wirklichkeit der von dem Assoziationsspiel der Gedanken hervorgerufenen Geister. Sie müssen existieren, weil sie aufs notwendigste gebraucht werden; ohne sie wäre überall Ratlosigkeit und Ohnmacht.

Naturgemäß entstehen sie von vornherein in zwei Arten, denselben, die auch die Menschen in ihrem Verhalten gegen einander unterscheiden. Die einen sind feindlich, tückisch, bösartig. Sie bringen eben all das Ungemach an Krankheiten und Gefahren über den Menschen, dessen er sich aus eigner Kraft nicht zu erwehren vermag. Was man von ihnen erlangen kann, ist bestenfalls, daß sie aufhören, zu schaden. Die Gefühle, die sie einflößen, sind Furcht und Angst; man zittert vor ihnen. Die anderen dagegen sind freundlich, hilf

Ebbinghaus, Abriß

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