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Glieder doch die Erhaltung des Ganzen abgewinnt, bekundet sich weiter auch darin, daß sie dieses gemeinschaft-fördernde Tun mit der zweckmäßigsten Sicherung versieht: sie läßt seinen eigentlichen Sinn den Handelnden nicht zum Bewußtsein kommen, sondern zeigt ihnen nur die geringerer Voraussicht bedürfenden Teilzwecke und sichert deren Erreichung durch Autorität. Objektiv vorhanden und wirksam ist deshalb aber die Beziehung auf die Gesamtheit jederzeit; sie bestimmt und verändert den konkreten Inhalt der sittlichen Gebote.

Daß der bestehende Zusammenhang so richtig aufgefaßt ist, zeigen aufs klarste die nicht seltenen Fälle, wo die beiden, das kategorische Gebot und das Gesamtwohl, miteinander in Konflikt geraten, wo auch dem unterdurchschnittlichen Verstand die gemeinschaft-schädigende Wirkung einer sonst als sittlich geforderten Handlung evident ist. Da weicht nicht das Fundamentale, die Rücksicht auf die Gesamtheit, sondern das Abgeleitete, das im allgemeinen aber nicht immer taugliche Mittel, die Unbedingtheit des Gebots. Die Notlüge ist für einzelne Moraltheoretiker eine Verlegenheit, für das unbefangene sittliche Bewußtsein ist sie in 1000 Fällen, gegenüber Kindern, Kranken, Irren u. a. durchaus sittliche Pflicht. Wo ist der Staatsmann oder der Feldherr, der sich in seinem Gewissen bedrückt fühlte, wenn er das Wohl seines Landes durch eine List förderte oder dies aus anderen Gründen unterließe, als um seinen Kredit nicht zu schädigen? der das sechste Gebot im Kriege auch für den Feind gelten lassen wollte? Fort mit ihm, müßte man sagen.

Die Schätzung der Gesinnung bei den gemeinschaft-erhaltenden Handlungen ist nun leicht verständlich; sie hat dieselben Gründe wie die Schätzung des Handelns aus Pflicht. Der entferntere Zweck seines sittlichen Handelns kann dem Menschen verborgen bleiben, der nähere Zweck, das, worauf sich die Handlung zunächst richtet, rechtschaffenes Verhalten, Aufopferung usw., natürlich nicht mehr. Aber auch in bezug hierauf ist das Vernünfteln, das Abhängigmachen der Handlung von Überlegungen über ihre Aussichten oder Aussichtslosigkeit höchst bedenklich. Das mit ihr verbundene Opfer hat alle Chancen, nicht gebracht zu werden, weil die Schwierigkeiten des Gelingens gar zu groß erscheinen. Darum muß auch hier die Gefährdung des Zwecks durch eine entsprechende Maxime abgeschnitten werden: auf den Erfolg deiner Handlung kommt es gar nicht an, kümmere dich nicht darum. Habe du den guten Willen, zu tun, was das Gewissen befiehlt, das ist das allein Wertvolle. Die hierin liegende objektive Vernunft sozusagen ist dieselbe wie vorhin: durch die Schätzung der Gesinnung wird die objektiv wichtige, aber vielfach schwer durchzusetzende Handlung gesichert. Mögen auch einzelne Mißgriffe durch Vernachlässigung der besonderen Umstände, die den Erfolg verbürgen, mit unterlaufen, besteht nur der gute Wille, sittlich zu handeln, so wird er in unvergleichlich häufigeren Fällen die dem Sittlichen nun einmal eigene Wirkung auch herbeiführen.

Guter Wille und kategorischer Charakter sind mithin höchst wertvolle

Attribute der Sittlichkeit, aber sie bedeuten nicht eine Verneinung ihrer gemeinschaft-erhaltenden Wirkung, sie sind deren Konsequenzen; sie bilden den wirksamen Schutz dieser Wirkung gegen das häufig widerstrebende selbsterhaltende Handeln. Und wie sie aus der Natur des gemeinschaft-fördernden Handelns hervorgegangen sind, so setzen sie die Beziehung darauf auch dauernd voraus; nimmt man sie ihnen, so werden sie sinnlos. Man stelle die Frage:,,wann ist denn der einer Handlung zugrunde liegende Wille unbedingt und schlechthin gut?" Die Antwort darauf läßt sich eine Weile hinausschieben, indem man etwa sagt:,,wenn ich ihn mit voller Überzeugung für gut halte“, und dies weiter:,,wenn ich mir bewußt bin, daß er meiner wahren Pflicht gemäß ist." Aber wenn man mit einer solchen Umgehung inhaltlicher Bestimmungen nicht endlich einmal Halt macht und die ganze Kette an den festen Nagel der Gemeinschaftsförderung anhängt, so gleicht der gute Wille und das Pflichtbewußtsein dem Strick, an dem Münchhausen sich vom Monde herunterließ. Oder man läuft Gefahr, daß alles Beliebige, was einer auf Grund irgendwelcher Verkehrungen und Vorurteile mit voller Überzeugung vertritt, von ihm deshalb schon als sittlich behauptet werden darf.

Mit dem kategorischen Charakter der Sittlichkeit hängt dann wieder anderes zusammen.

Die sittlichen Gebote finden wir durchweg in enger Verbindung mit der Religion: sie erscheinen als Gebote der Götter oder der Gottheit; ihre Befolgung wird erzwungen durch göttliche Strafen und Belohnungen in dem diesseitigen oder jenseitigen Leben. Woran mag das liegen? Außer der Moral und dem ihr verwandten Recht erscheint nur noch die Religion selbst so unter die Sanktion der Gottheit gestellt: der Glaube an Gott und die richtige Art seiner Verehrung wird von ihm selbst geboten. Die Gesetze des logischen Denkens dagegen und des künstlerischen Schaffens sind frei. Gott hat sie gegeben, gewiß; aber er schützt sie nicht weiter durch besondere Strafen; Irrtum und Geschmacklosigkeit sind keine Sünden. Offenbar ist ein solcher Schutz hier nicht erforderlich. Der Mensch mag das Richtige und das Schöne verfehlen, er hört nicht auf, es unermüdlich zu suchen, und wenn es ihm gezeigt wird, nimmt er es in der Regel freudig hin. Auch die Religion könnte im Grunde des Schutzes entbehren. Der Mensch, und zwar als einzelnes Individuum, würde sie immer wieder finden, wenn sie ihm einmal verloren gehen sollte. Aber freilich, die Religion des einen würde nicht genau, bisweilen sehr wenig genau, die des anderen sein, und da der religiöse Glaube bei der gewaltigen Größe der durch ihn vertretenen Interessen mehr noch als jeder andere Glaube ausschließenden, oft geradezu fanatisch ausschließenden Charakter hat, so ist allerdings eine besondere Beglaubigung nötig, um die eine wahre Religion, die nach seiner Meinung jeder hat, den anderen, die sie nicht haben, beizubringen. Die Moral aber bedarf einer solchen Beglaubigung in besonderem Maße. Dem einzelnen Individuum würde sie im allgemeinen nicht entspringen, obwohl sie in ihm veranlagt ist. Sie ist ein Erzeugnis der angesammelten Voraus

sicht von Generationen, und wenn sie dem Einzelnen gezeigt wird, so findet sie an anderem, was auch in ihm veranlagt ist, dauernd einen gewissen Widerstand. Die Moral sucht geradezu eine Verstärkung des Schutzes, den ihr sonst der Glaube an irdische Autoritäten allein bieten müßte. Daß sie ihn in der Religion findet, wird verschiedene Gründe haben; einer davon, der es ihr sehr leicht macht, ist eben der kategorische Charakter ihrer Gebote. Was soll der Vater dem Kinde, dem großen Frager, denn antworten, wenn es wissen will: warum muß ich denn von dem abgeben, was ich so gerne selbst behalte, warum muß ich sagen, wofür ich doch Strafe bekomme? Er kann nur antworten, was er auf die anderen Fragen, wer die Pferde gemacht hat und die ganze Welt gemacht hat, antwortet, was er sich selbst antwortet, wo er im Grunde keine Antwort zu geben weiß: das will der liebe Gott so haben. Der göttliche Wille ist die natürliche Erklärung für die kategorische Form der sittlichen Vorschriften; in dieser Einkleidung erscheint sie verständlich. Nicht übel wäre es freilich, wenn die Festhaltung dieser Einkleidung so geschähe, daß Gott in den Sittengesetzen den Menschen nicht etwas auferlegt habe, was ihrer Natur fremd und feindlich sei, bloß weil er es so wollte, sondern daß er sie in ihnen auf ihr eigenstes Wesen hinweise, und zwar deshalb hinweise, weil diese Erkenntnis nicht ganz leicht, aber auch dem minder Einsichtigen höchst nötig sei. Woraus dann folgen würde, daß da, wo der Zusammenhang verstanden wird, die Sittlichkeit dieser Anlehnung entraten kann und nun erst als eine wahrhaft frei und autonom gewordene, aber zugleich begriffene Schöpfung der Seele sich allein aus deren eignen Kräften erhält.

Noch ein letzter Punkt. Von Gemeinschaft war bisher sehr viel die Rede, aber ohne nähere Bestimmung dieses Wortes. Nun steht der Mensch in zahlreichen Gemeinschaften: Familie, Gemeinde, Volk, Freunde, Berufsgenossen, Glaubensgenossen, schließlich die ganze Menschheit; welche ist gemeint? Für uns gegenwärtig sind sie alle gemeint, aber so, daß im Streitfalle die engeren Gemeinschaften den weiteren vorgehen; wohltätige Frauen, die ihre Familie vernachlässigen, scheinen uns nicht pflichtgemäß zu handeln. Das ist keineswegs überall so, noch ist es immer so gewesen. Natürlich kann in einfachen Verhältnissen, wo der Mensch überhaupt nur in wenigen Gemeinschaften steht, die Sittlichkeit auch nicht eine so beziehungsreiche sein, wie bei uns. Aber das Charakteristische liegt nicht hier, sondern darin, daß sie ursprünglich nie auf die ganze Menschheit ausgedehnt ist. Sie gilt immer nur bis zu der höchsten der engeren Gemeinschaften, in denen der Mensch sich noch durch ein lebendiges Band mit anderen zusammengehalten fühlt; die außerhalb des eignen Stammes, des eignen Volkes Stehenden sind grundsätzlich von ihren Wohltaten ausgeschlossen. Durch Erweiterung der staatlichen, sprachlichen, religiösen Verbände kann die Zahl der in sittlicher Wechselwirkung stehenden Individuen ungeheuer vermehrt werden, aber die Überwindung jener grundsätzlichen Schranke konnte dadurch nicht herbeigeführt werden. Sie ist aus anderen Gründen

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erfolgt, in historischer Zeit, vor unseren Augen. Zusammengewirkt hat dazu wohl Verschiedenes: der kategorische Charakter der sittlichen Gebote, ihr Freisein von Bedingungen in gewisser Hinsicht, legt ihre Verallgemeinerung und Uneingeschränktheit in jeder Hinsicht jedenfalls nahe; die Entwicklung des Denkens zu Vorstellungen von der wesentlichen Gleichartigkeit der Menschen oder gar Einheitlichkeit der ganzen Welt macht eine allgemeingültige Sittlichkeit fast zu einer notwendigen Folge. Daß diese dann von großer Bedeutung geworden ist für die Ausbildung des Monotheismus in der Religion, wurde oben (S. 165) erwähnt. Aber vielleicht ist sie umgekehrt durch das Aufkommen monotheistischer Anschauungen auch selbst wieder gefördert worden. Wenn jedes Volk seine eignen Götter hat, dann ist es selbstverständlich, daß die von diesen gegebenen Befehle auch nur für das Volk selbst gelten. Aber wenn nur ein Gott existiert, derselbe für alle Völker, so kann er nicht kategorisch erklären: ,,Du sollst nicht lügen" und damit an der Landesgrenze Halt machen; das ist absurd. Sind meine Feinde etwa auch seine Feinde, die er doch wie mich nach seinem Bilde geschaffen hat? So finden wir denn innerhalb unseres Kulturkreises in den letzten Jahrhunderten vor unserer Zeitrechnung zugleich mit der Entwicklung einer monotheistischen Religion und eines in gewisser Hinsicht monistischen Denkens auch die allmähliche Entwicklung einer allgemeingültigen, alle Menschen umfassenden Sittlichkeit. Der Gerechte schadet auch dem Feinde nicht, lehrt Plato und sagt damit sichtlich seinen Volksgenossen etwas Neues und Befremdendes. Ebenso Zeno, der Stoiker: die Menschen sind nicht durch Städte und Dörfer und Verfassungen geschieden, sondern sämtlich als Bürger eines Staates zu betrachten, als Glieder einer Herde. Das jüdische Gesetz, das neben vielem anderen auch die Sittlichkeit des Volkes umfaßt, hat ursprünglich rein nationale Bedeutung; der Nächste ist nicht der Assyrer oder Perser, sondern der Volksgenosse. Es wird noch angedeutet durch das Wort Christi:,,Ihr habt gehört, daß gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen." Aber indem er fortfährt: „Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde," tut er den entschiedenen Schritt zu einer allgemeingültigen Sittlichkeit. Übrigens ist die Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Bestehlen und Plündern auch des unbewaffneten Feindes zur See gehört wohl nicht mehr zu den guten Werken wie ursprünglich, aber doch auch noch nicht zu den Schandtaten wie das Plündern zu Lande.

Die enge Beziehung der Unbedingtheit der sittlichen Gebote zu ihrer Allgemeingültigkeit wird bekanntlich auch von Kant verwertet; er basiert seine Ethik darauf. Aber im übrigen stellt er die Dinge auf den Kopf, was ihm denn hinterher viele Mühe verursacht, um sie wieder auf die Füße zu bringen. Um zu bestimmten sittlichen Vorschriften zu gelangen, wird die Allgemeingültigkeit des Sittengesetzes in Verbindung gebracht mit den als etwas Fremdes und Untergeordnetes neben ihm stehenden Tendenzen der Selbsterhaltung und Gemeinschaftserhaltung des Menschen.

In Wahrheit ist das Verhältnis umgekehrt, begrifflich so gut wie historisch. Das frei gewollte Handeln, das, wenn nicht bewußt so doch objektiv, gerichtet ist auf Erhaltung der Gemeinschaft, das ist der Kern der Sittlichkeit. Als wertvolle Hilfe zu ihrem eignen Schutz erwächst daraus die Unbedingtheit der sittlichen Maximen, und diese wiederum trägt bei zu ihrer Verallgemeinerung.

Schluß.

Ein wie seltsam verworrenes Wesen ist doch der Mensch nach der volkstümlichen und leider oft nicht bloß volkstümlichen Vorstellung. Da hat er eine Sinnlichkeit, die ihn über die Welt belehren soll, aber doch dazu nichts taugt, da sie ihn in die Irre führt. Neben ihr wirkt also eine ganz andere Kraft, der Verstand, oder die Vernunft, die nach besonderen Grundsätzen die Sache wieder in Ordnung bringt und die wahre Beschaffenheit der Welt enthüllt, obwohl sie doch jene Grundsätze der Welt nicht entnommen hat. Sein Denken betätigt sich in Vorstellungen, die nach bestimmten Gesetzen kommen und gehen. Allein zugleich sitzt er nochmal in sich selbst, als kleiner Mensch in dem großen Menschen, und vermag nun mit souveräner Außerachtlassung jener Gesetzmäßigkeit völlig beliebig in die Vorstellungen einzugreifen, sich ihnen zuzuwenden, von ihnen abzuwenden, sie zu suchen, wenn sie verloren gegangen sind, festzuhalten, wenn sie entschwinden wollen, sie zu verbinden, zu trennen usw. Die Grundrichtung seines Handelns ist die Förderung des eignen Selbst, zumal des sinnlichen Selbst. Indes entspricht das auch wieder nicht seinem eigentlichen und wahren Wesen; es leben in ihm noch direkt entgegengerichtete und höhere Prinzipien: der Billigkeit und Gerechtigkeit gegen Andere, der Nächstenliebe und der Abtötung des Fleisches, die freilich die größte Mühe haben, sich gegen jenes erste zur Geltung zu bringen. Unvermittelt neben dem einen Trieb, sich zum Herrn der Dinge und diese seinen Zwecken dienstbar zu machen, hat er das direkt entgegengesetzte Bedürfnis, sich höheren Wesen unterworfen zu fühlen, und zu dessen Befriedigung ward ihm der Glaube an eine Gottheit von dieser selbst eingepflanzt. Aber zugleich gab sie ihm, da sie doch alles gab, eine strafwürdige Neigung, sich von diesem Glauben abzuwenden, und verwirrte ihn durch hundert einander widerstreitende Offenbarungen, deren jede mit dem festen Bewußtsein ihrer Richtigkeit ausgestattet ist. Überall Zerrissenheit und Unverträglichkeit, nicht zwei Schritte möglich ohne die ärgsten Widersprüche, alles unverständlich in der gänzlichen Verschiedenheit seiner Herkunft von dem sonst Anzuerkennenden, sinnlos in dem Zweck dieses ganzen gegensätzlichen Getriebes, verständlich allein darin, daß hier eine kindliche, wunschvolle, zerstückelte Betrachtung der Dinge zu uns spricht.

Ein wie staunenswert sinnvolles Wesen ist doch der Mensch für die

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