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daher an dieser überaus wichtigen Tatsache entweder mit völligem Stillschweigen oder mit sehr unzulänglichen Behandlungen vorüber und lassen so den Gegnern ihrer Bemühungen um eine gesetzmäßige Erklärung der Phänomene eine willkommene Handhabe zur Verfügung. Die Seele scheint in der Tat in der Erscheinung des Aufmerkens aller solcher Bemühungen zu spotten und sich unmittelbar, ganz im Sinne der populären Auffassung, als eine von ihren eigenen Inhalten wohl zu trennende, ihnen selbständig gegenüberstehende und se je nach Laune bald so bald anders behandelnde Realität zu erweisen.

Es ist das wesentlichste Verdienst Herbarts, hier einen schwachen Punkt erkannt und Abhilfe versucht zu haben.,,Die Gesetzmäßigkeit im Seelenleben," davon ist er überzeugt,,,gleicht vollkommen der am Sternenhimmel;" es handelt sich nur darum, die richtigen Voraussetzungen zu finden, um sie zu verstehen. Dabei leiten ihn, wenn auch unausgesprochen, wieder physikalische Analogien. Die Vorstellungen denkt er sich als einander abstoßende Gebilde oder auch gleichsam als elastische Körper, die auf einen Raum von beschränkter Fassungskraft angewiesen sind und sich in diesem durch wechselseitigen Druck zwar zusammenpressen und verkleinern, aber niemals vernichten können. Werden mehrere Vorstellungen gleichzeitig hervorgerufen, so werden sie wegen der Einheit der Seele, in der sie zusammen zu sein gezwungen sind, und wegen der Gegensätze, die zwischen ihnen bestehen, zu einander widerstrebenden Kräften. Sie h e m men sich wechselseitig, d. h. sie beeinträchtigen sich in der Klarheit, mit der sie vorgestellt werden, und der Energie, mit der sie sich im Bewußtsein geltend machen. Gleichwohl aber gehen sie nicht unter, sondern werden in eben dem Grade, in dem sie leiden, in Vorstellungs strebungen verwandelt, und sobald die Widerstände nachlassen, treten sie aus der ihnen aufgezwungenen Verdunkelung wieder hervor zu klarem Bewußtsein. Indem nun Herbart weiter gewisse einfache Voraussetzungen macht über die Stärke jener Hemmungen, findet er, daß schon zwei Vorstellungen hinreichen, um eine dritte aus dem Bewußtsein völlig zu verdrängen, und gewinnt so mit freudiger Genugtuung durch die Betrachtung eines einfachen Mechanismus,,Aufschluß über das allgemeinste aller psychologischen Wunder", darüber nämlich, daß von unserem sämtlichen Wissen, Denken, Wünschen in jedem einzelnen Augenblick unvergleichlich weniger uns wirklich beschäftigt, als auf gehörige Veranlassung in uns hervortreten könnte, ohne daß doch das jeweilig Abwesende uns etwa völlig entlaufen und verloren gegangen wäre, d. h. eben über die Erscheinung der Aufmerksamkeit. Dabei unterläßt Herbart nicht, auch das Assoziationsprinzip in seine Voraussetzungen in geeigneter Weise aufzunehmen, und indem er so über zwei Erklärungsmittel verfügt, Hemmung und Assoziation, vermag er zugleich den Kampf gegen die bloß klassifizierende und hypostasierende Vermögenspsychologie mit ganz besonderem Nachdruck und Erfolg zu führen. Die sämtlichen herkömmlich nebeneinander gestellten Betätigungen der Seele, selbst das Fühlen und Be

gehren, glaubt er lediglich als verschiedene Ergebnisse der Vorstellungsmechanik verständlich machen zu können.

Aber noch durch ein anderes Mittel sucht Herbart,,eine Seelenforschung herbeizuführen, welche der Naturwissenschaft gleiche: . . . wo es irgend sein kann, durch Erwägung der Größen und durch Rechnung". Den Gedanken, die Psychologie auf solche Weise zu fördern, finden wir auch vorher schon hie und da auftauchend; die glänzenden Erfolge, die das Messen und Rechnen der Naturforschung gebracht hatte, legten die Überlegung, ob sich für die Psychologie nicht Ähnliches tun lasse, natürlich sehr nahe. Allein man fand die richtigen Handhaben nicht und beruhigte sich daher in der Regel bei der das Unvermögen rechtfertigenden Behauptung von der Unmöglichkeit eines solchen Unternehmens. Am bekanntesten ist die Abweisung K an ts geworden, daß Mathematik auf die Phänomene des inneren Sinnes und ihre Gesetze nicht anwendbar sei, weil die Zeit, in der die Seelenerscheinungen zu konstruieren seien, nur eine Dimension habe. Nun ist freilich auch Herbart hier nicht der eigentliche Bahnbrecher geworden: er hat an keinem einzigen Beispiele gezeigt, wie eine auch nur irgendwie auf Seelisches sich beziehende Messung anzustellen sei. Indes, er erkannte doch wenigstens, daß das Seelenleben sich nicht nur hinsichtlich der Zeit, sondern noch nach anderen Seiten der Rechnung darbietet, und indem er nun durch die Aufstellung zahlenmäßig bestimmter Voraussetzungen und deren eingehendste Entwicklung in ihre Konsequenzen den Dingen auch numerisch beizukommen suchte, betonte er mit solchem Nachdruck eine bis dahin völlig vernachlässigte Seite der Sache, daß bald auch richtigere Wege zu ihrer Aufhellung gefunden wurden.

Starke und langdauernde Anregungen sind von Herbart ausgegangen, aber die weiteren Fortschritte der Psychologie geschahen gleichwohl nicht in direkter Verfolgung des von ihm eingeschlagenen Weges. Manche seiner allgemeinen Voraussetzungen und vor allem seine Rechnungsgrundlagen standen doch allzusehr in der Luft, um durch die ungefähre Übereinstimmung einzelner Folgerungen mit der Erfahrung glaubhaft zu werden. Zudem hatte schon längst eine starke Opposition eingesetzt gegen den ganzen von ihm sowohl wie den Assoziationspsychologen vertretenen Intellektualismus, die nahezu ausschließliche Berücksichtigung der denkenden und erkennenden Betätigung der Seele. Ist das Seelenleben wirklich nichts anderes als ein Getriebe von Vorstellungen, ein Miteinander und Gegeneinander von Vorstellungsreihen und Vorstellungsmassen, was ist dann z. B. eine Erscheinung wie die Religion? Ein kleiner Komplex wahrer und verstandesmäßig zu begründender Vorstellungen vermehrt um einen großen Komplex abergläubischer Erdichtungen, die von Priestern und Fürsten ersonnen oder doch gepflegt werden, um die Menschen in ihrer Botmäßigkeit zu erhalten? Mit einer so niedrigen Bewertung war der Sache doch nicht beizukommen. Oder was ist die Kunst? Ist sie wirklich, die Lyrik Goethes z. B. oder die symphonische Musik Beethovens, eine Veranstaltung zur Vermittlung von Erkenntnissen

bloß durch die Sinne, wie der Name Ästhetik andeutet, oder zur unvermerkten Beibringung von Vorstellungen, die die Menschen tugendhafter oder patriotischer machen? Namentlich eins, was doch im Mittelpunkt alles seelischen Daseins steht, erscheint als Resultat bloßer Vorstellungsmechanik schier unbegreiflich: nämlich das Wesen aller einheitlichen Individualität, jene Eigenart der Persönlichkeit und des Charakters, die da in aller Verschiedenheit und allem Wechsel der Betätigungen des Seelenlebens doch stets seinen gleichbleibenden Kern bildet und die bei annähernd dem gleichen Vorstellungsschatz sich in so enormen Unterschieden wie denen herrischer und unterwürfiger, gutmütiger und bösartiger, vornehmer und niederer Naturen bekundet. Und so erhoben immer zahlreicher und eindringlicher Männer wie Rousseau, Kant, Fichte, Schopenhauer ihre Stimmen, um neben dem Vorstellungsleben der Seele ihr Gefühls- und Willensleben zu betonen oder vielmehr als Äußerung ihres eigentlichsten und innersten Wesens an die erste Stelle zu setzen. Dem Intellektualismus trat der heute sogenannte Voluntarismus entgegen.

Die Übertragung naturwissenschaftlicher Anschauungen auf die seelische Forschung hatte eben trotz der mächtigen von ihr ausgegangenen Antriebe doch auch ihre Schattenseite. Die ersten glänzenden Errungenschaften der neueren Naturwissenschaft waren vorwiegend solche der Physik, besonders der Mechanik. Kein Wunder, daß man sich, um für die Psychologie Ähnliches zu leisten, zunächst an mechanisch-physikalischen Vorgängen orientierte. Beharrung, Anziehung und Abstoßung, wie wir gesehen haben, Aggregat und chemische Verbindung waren die Kategorien, mit denen man operierte. Kein Wunder aber auch, daß damit vielfach den Dingen Gewalt angetan und ihre Betrachtung in die Irre geleitet wurde. Ist die Seele ein Mechanismus, so ist sie es doch nicht in der Weise einer noch so kunstvollen Uhr oder einer galvanischen Batterie. Sie ist gebunden an den organischen Körper, zunächst an das Nervensystem, und dessen Bau und Funktionen sind irgendwie bestimmend für ihr eigenes Sein und Geschehen. Will man also materielle Analogien heranziehen und fruchtbar machen für das Verständnis der geistigen Bildungen, so sind sie dem zwar auch physikalisch-chemisch bedingten, aber doch in höchster Verwicklung so bedingten organischen Leben zu entnehmen. Hier findet man ähnliche Erscheinungen wie Individualität und Charakter, wie Gefühls- und Willensleben der Seele in dem einheitlichen Wesen jedes pflanzlichen und tierischen Organismus, in der eigenartigen Bestimmtheit seines innersten Lebenstriebes und den mannigfachen Sondertrieben, in denen dieser unablässig seine Entfaltung und gleichsam seine Befriedigung findet. So sind denn auch im 19. Jahrhundert die im engeren Sinne mechanischen Kategorien allmählich aus der Psychologie gewichen und haben biologischen Platz gemacht, wie Reflex, Reflexhemmung, Übung, Assimilation, Anpassung u. a. Namentlich die große Errungenschaft der neueren Biologie, der Entwicklungsgedanke, ist ohne weiteres auch von der psycholo

gischen Betrachtung ergriffen und für das Verständnis der seelischen Vorgänge sowohl innerhalb der Einzelseelen wie innerhalb der menschlichen Gemeinschaften fruchtbar verwertet worden.

Aber neben alle solche aus Übertragungen und Analogien fließende Förderung der Psychologie durch die Naturwissenschaft trat nun im 19. Jahrhundert, wie oben vorweg bemerkt, eine andere und direktere. In ihrem natürlichen Fortschreiten wurde die Naturforschung an verschiedenen Stellen selbst auf psychologische Fragen geführt, und indem sie sie eifrig aufnahm und zunächst für ihre Zwecke verfolgte, wurde sie unmittelbar bahnbrechend für die Psychologie.

Die ersten und zugleich auch stärksten dieser Impulse gingen aus von den Fortschritten der Sinnesphysiologie. Mit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts beginnt ein ungemein reges und erfolgreiches Arbeiten auf diesem Gebiet. Zahlreiche Physiologen und Physiker wetteifern in dem genauen Studium des Baues und der Funktionen der Sinnesorgane, und naturgemäß können sie dabei nicht Halt machen bei den ihrer Arbeit zunächst liegenden materiellen Funktionen; sie müssen ohne weiteres auch die durch diese vermittelten und sie erst verständlich machenden geistigen Leistungen, die Empfindungserlebnisse der Seele, in den Kreis ihrer Untersuchungen ziehen. Hauptsächlich ist es das durch seine dioptrischen und mechanischen Hilfsapparate besonders reichlich ausgestattete und durch die Feinheit und Mannigfaltigkeit seiner Funktionen besonders wichtige Auge, das die Beobachter scharenweise anzieht, aber auch die Hautsinne und das Gehör finden Beachtung. Joh. Müller, E. H. Weber, Brewster, vor allen besonders vielseitig und weitblickend und besonders erfindungsreich der etwas jüngere Helmholtz sind einige der bedeutendsten Träger dieser Forschungen aus einer großen Zahl anderer. Sie liefern der psychologischen Erkenntnis Arbeiten, wie diese sie bisher nie gekannt hatte: beruhend auf wohlüberlegten selbständigen Fragen an die Natur und der kunstvollen Herstellung geeigneter Umstände zu ihrer Beantwortung, d. h. auf dem Experiment, und womöglich auf genauer Messung der Resultate und ihrer Ursachen. Als E. H. Weber im Jahre 1829 die anscheinend kleinliche Neugier hatte, wissen zu wollen, mit welcher Feinheit an verschiedenen Stellen der Haut zwei getrennte Berührungen eben als solche erkannt werden können, und später: mit welcher Genauigkeit wir zwei auf die Hand gelegte Gewichte voneinander zu unterscheiden vermögen, oder als er überlegte, wie er wohl die beim Heben von Gewichten durch die Muskeln vermittelte Wahrnehmung von der durch die Haut vermittelten gesondert untersuchen könne, geschah mehr für den wahren Fortschritt der Psychologie als durch alle Distinktionen, Definitionen und Klassifikationen der Zeit etwa von Aristoteles bis Hobbes zusammengenommen. Sogar die überraschende, wenn auch erst später sichergestellte Entdeckung neuer, d. h. bis dahin unbeachtet gebliebener, Sinnesorgane machte man damals, der Muskeln nämlich und der Bogengänge des Ohres. Das bedeutete aber nicht nur eine

Vermehrung der Kenntnisse, sondern zugleich eine Erweiterung des Gesichtskreises, da das zunächst in die Augen Fallende dieser Organe darin besteht, daß sie nicht, wie die übrigen, äußere Reize im gewöhnlichen Sinne, sondern Vorgänge im Inneren des Körpers selbst zu unserer Kenntnis bringen.

Auf eigentümliche Weise wurde dann ein einzelnes Resultat der sinnesphysiologischen Untersuchungen zum Ausgangspunkt einer neuen starken Bewegung. Der Weg der Biologie in dem zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts ging nicht nur hin zu methodischer und exakter Untersuchung des empirisch Gegebenen, er ging zugleich auch fort von naturphilosophischen Spekulationen; eine Zeitlang lebte in vielen Köpfen das jüngst Vergangene und das nächst Zukünftige in gleicher Stärke nebeneinander. Der bedeutendsten einer war G. Th. Fechner. Einerseits ist er phantasievoller Philosoph, befruchtet durch Schellingsche Naturphilosophie und angeregt von dem Herbartschen Gedanken einer Übertragung der Mathematik auf die Psychologie. Als solcher spekuliert er über die möglichen exakten Beziehungen zwischen Leib und Seele, sucht nach einer mathematischen Fassung der Abhängigkeit des Geistigen von den ihm zugehörigen Nervenprozessen und findet dafür eines Morgens, Oktober 1850, im Bette eine ihm plausibel scheinende Formel. Gleichzeitig aber ist er höchst exakter Physiker, gewohnt, für das plausibel Scheinende sogleich nach einer erfahrungsmäßigen Bestätigung umzuschauen, und zugleich frei von der gewöhnlichen Scheu nachdenkender Naturen, die Dinge nicht nur mit ihren Gedanken, sondern auch mit den Händen zu begreifen. Bei der Verfolgung seiner Spekulationen stößt er auf einige Ergebnisse der Arbeiten E. H. Webers, führt dessen Untersuchungen weiter mit schärferen Methoden und in langen Reihen entsagungsvoller Versuche, zugleich mit Aufspürung unbeachtet gebliebener fremder Beobachtungen, und gelangt so dazu, das erste mathematisch formulierte Gesetz des Seelenlebens, sein Webersches Gesetz auszusprechen, daß nämlich einer gleichmäßigen Zunahme des Geistigen eine um gleiche Vielfache fortschreitende Zunahme der äußeren Reize entspricht (s. S. 62). Das Ganze seiner Spekulationen, Untersuchungen, Formulierungen, Folgerungen faßt er zusammen als einen neuen Wissenszweig, die Psychophysik,,,eine exakte Lehre von den Beziehungen zwischen Leib und Seele".

Eine Unzahl von Schriften, bestätigenden, bestreitenden, diskutierenden, weiterführenden Inhalts wurde durch diese Schöpfung hervorgerufen. Die von ihnen zunächst in den Mittelpunkt gestellte Frage nach der Gültigkeit des von Fechner aufgestellten Gesetzes hat inzwischen sehr an Wertschätzung verloren und anderen Fragestellungen Platz gemacht. Aber in dreifacher Hinsicht ist doch das Werk Fechners auch unabhängig von jener ersten Wirkung für die Psychologie von Bedeutung geworden. Er ersetzte die völlig in der Luft stehenden mathematischen Fiktionen Herbarts, die kaum begreiflich noch im Jahre 1852 Lotze der Aufsuchung empirischer Formeln vorzuziehen erklärt hatte, durch eine wirkliche Messung psychischer Gebilde und durch eine auf realem Boden stehende zahlen

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