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glieder nicht etwa verloren, sondern namentlich die in Bewegungen nach außen tretenden Wirkungen, die objektiven Folgen der seelischen Reaktionen auf die häufig durchlaufene Reihe von Eindrücken bleiben vollkommen erhalten. Der einzelnen Buchstaben oder selbst der einzelnen Worte wird sich der schnell Lesende, der einzelnen Noten der fertige Klavierspieler nicht deutlich bewußt, aber die Bewegungen der Sprachwerkzeuge oder der Finger, die bei dem früheren Bewußtwerden jener Zeichen mit ihnen fest verknüpft wurden, laufen gleichwohl ab. Ebenso bei allen anderen langsam erlernten und vielfach wiederholten Bewegungsfolgen, wie Stricken und Nähen, Schwimmen und Reiten, Tanzen und Schlittschuhlaufen: die ursprünglich mit ihnen verbundene starke Inanspruchnahme bewußter seelischer Energie kommt allmählich bis auf verschwindend geringe Reste in Wegfall; die Bewegungen selbst aber bleiben; sie sind automatisch geworden.

In den Erscheinungen der Übung haben wir mithin eine wunderbare Vervollkommnung der Anpassung der Seele an die Umgebung, in der sie ihre Selbsterhaltung erstrebt. Durch die Gesetzmäßigkeit der Assoziation und Reproduktion paßt sie sich den häufig wiederkehrenden Vorgängen an, indem sie deren Verwicklungen und Verlauf vorwegnimmt, noch ehe diese für sie sinnliche Wirklichkeit gewonnen haben. In der Übung betätigt sie eine noch weitergehende Anpassung an die besonders häufigen und im ganzen dadurch wohl besonders wichtigen Vorgänge. Sie faßt sie auf in besonders feiner, schneller und umfassender Weise und begegnet ihnen sogleich mit den vielfach als zweckentsprechend erprobten und jetzt aufs prompteste ablaufenden Reaktionen, ohne doch dazu von der ihr nur in begrenztem Maße jederzeit zur Verfügung stehenden Kraft nennenswerte Aufwendungen nötig zu haben. Ohne demnach das Alltägliche und dadurch Wichtige zu vernachlässigen, behält sie jederzeit fast ihre volle Energie übrig, um sich dem Abweichenden, Neuen und Überraschenden zu widmen.

§ 12. Ermüdung.

Unter ähnlichen Bedingungen wie die Übung tritt die Erscheinung der Ermüdung auf: wenn nämlich die Wiederholungen einer seelischen Leistung in großer Häufigkeit unmittelbar aufeinander folgen. Sie äußert sich aber in gerade entgegengesetzter Weise, nicht als eine weitere Vervollkommnung, sondern als eine Verschlechterung der Leistung. Die Empfindlichkeit für äußere Reize und für ihre Unterschiede wird stumpfer; die Aufmerksamkeit läßt sich weniger energisch konzentrieren und ist zugleich weniger umfassend; die Aufnahme neuer Vorstellungen in das Gedächtnis ist erschwert, die Reproduktion bereits angeeigneter, z. B. beim Rechnen, Lesen, Nachdenken, verlangsamt und fehlerhaft. Ebenso der Ablauf der Bewegungen und Handlungen, in denen die seelischen Gegenwirkungen nach außen treten:

sie erfolgen langsamer, weniger ausgiebig, ungeschickter, unter Umständen hören sie ganz auf.

Die Ermüdung ist offenbar eine Schutz- und Abwehrmaßregel der Seele. Allzu lange und zugleich stärkere Inanspruchnahme durch eine bestimmte Art von Leistungen schädigt sie; sie vermag den Anforderungen auch nicht mehr gerecht zu werden und entzieht sich ihnen daher. Bei der Kontinuität der organischen Einrichtungen aber kann sie das Zuviel nicht erfolgreich abwehren, wenn sie nicht bei dem Wenig schon einen gewissen Anfang macht. Die ersten Spuren der Ermüdung zeigen sich daher schon sehr bald nach dem Beginn einer mehrfach wiederholten geistigen Tätigkeit, und zwar zunächst in einer zunehmenden Beeinträchtigung der Fortschritte, die infolge der Übung eintreten. Nicht selten führt das zu der auffallenden Erscheinung, daß eine selbst für längere Zeit unterbrochene Tätigkeit unmittelbar nach ihrer Wiederaufnahme besser vollzogen wird als am Ende der vorangegangenen Übungsperiode. Die vorher erworbene Übung besteht dann, wenn auch etwas abgeschwächt, fort; die Ermüdung aber, durch die ihre Wirkungen vorher teilweise verdeckt wurden, ist verschwunden, und es entsteht der paradoxe Anschein, als ob die Befähigung zu der Tätigkeit in der übungsfreien Zwischenzeit Fortschritte gemacht hätte.

Die große praktische Bedeutung, die die Ermüdung durch ihre Beziehung zu einer Schädigung des Seelenerlebens und des Organismus besitzt, hat in den letzten Jahren zu zahlreichen Untersuchungen ihres näherens Verhaltens geführt. Namentlich die durch den Schulunterricht bewirkte Ermüdung hat die Geister viel beschäftigt. Aber befriedigende Aufklärung hierüber hat bei der großen Verwicklung der Dinge und der Schwierigkeit der Auffindung geeigneter Prüfungsmethoden erst in geringem Maße gewonnen werden können. Vielfach hat man versucht, sozusagen von außen in die Sache einzudringen: die geistige Ermüdung z. B. durch die Größe und das schnellere Eintreten der Muskelermüdung zu erkennen, wie sie durch wiederholtes Heben eines Gewichts hervorgebracht wird, oder sie durch die Verschlechterung einer bestimmten Empfindungsleistung zu messen, nämlich der Fähigkeit, zwei in geringer Entfernung auf die Haut gesetzte Zirkelspitzen auch als zwei wahrzunehmen. Allein eine Beziehung dieser Leistung zu allgemeiner geistiger Ermüdung ist, wenn auch wahrscheinlich, doch bestritten; namentlich aber ist die Art und Größe der Abhängigkeit ganz unbekannt. Bei anderen viel angewandten Prüfungsmitteln - Addieren mehrstelliger Zahlen, fortlaufendes Addieren einzelner Ziffern, Schreiben nach Diktat, Wiedergabe vorgesprochener Worte ist die geistige Inanspruchnahme sehr einseitig und einfach, sodaß Rückschlüsse auf allgemeinere geistige Ermüdung auch hier nicht ohne weiteres gestattet erscheinen; außerdem stört die anfängliche rasche Vervollkommnung der Prüfungsleistungen durch Übung. Bei schwierigeren geistigen Leistungen dagegen, wie Übersetzungen, der Lösung mathematischer Aufgaben, der sinnvollen Ergänzung lückenhafter

Texte, ist es nicht leicht, eine größere Anzahl von Prüfungsaufgaben gleich-
mäßig zu gestalten und also die unter verschiedenen Umständen erhaltenen
Resultate zu vergleichen. Dazu kommt endlich eine allen erdenklichen
Prüfungsmethoden gemeinsame Schwierigkeit. Wenn nämlich auch eine
geistige Ermüdung auf irgendwelche Weise unzweifelhaft als vorhanden
festgestellt sein mag, so fehlt uns doch einstweilen jede Möglichkeit, zu
entscheiden, ob und wann sie nun als schädlich betrachtet werden muß.
Daß das bei geringeren Graden nicht im mindesten der Fall ist, unterliegt
keinem Zweifel; sonst wären die meisten Menschen geistig längst ruiniert.
Nach den Erfahrungen bei körperlicher Ermüdung, z. B. beim Marschieren,
Exerzieren, Fechten, wirken aber vielleicht auch höhere Grade nicht
schlechthin und für jeden nachteilig, sondern vertragen sich, bei gehöriger Comp
Erholung, ganz gut mit zunehmender Kräftigung. Wo aber die Grenze
des Zulässigen liegt, ist einstweilen unbekannt.

Weder über die Größe noch die Schädlichkeit der geistigen Ermüdung durch den Schulunterricht ist mithin auf Grund der bisherigen Untersuchungen ein völlig sicheres Urteil möglich. Soweit man aber dem durch diese Untersuchungen geweckten allgemeinen Eindruck trauen darf, sind die Behauptungen schwerer Schädigungen durch die gegenwärtige Unterrichtsgestaltung selbstredend nur für Schüler, deren geistige Veranlagung nicht erheblich hinter der Norm zurückbleibt als übertrieben zu betrachten.

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Literatur.

Zahlreiche Einzelarbeiten über den Gegenstand in KRAEPELINS Psycholog. Arbeiten Bd. 1-4. Außerdem: Zeitschrift für Psychol. usw. Bd. 6, 13, 24. GRIESBACH, Energetik und Hygiene des Nervensystems (1895). Intern. Archiv f. Schulhygiene Bd. 1 (1905). Zusammenfassende Darstellung: Binet et Henri, La fatigue intellectuelle (1898).

C. Die äußeren Wirkungen der seelischen Vorgänge.

§ 13. Empfindungen und Bewegungen.

Indem die Vorgänge der Außenwelt der von ihnen berührten Seele Veranlassung werden zur Bildung der mannigfachsten Eindrücke und je nach ihren Interessen und Erfahrungen zu deren auslesender, bereichernder und zusammendrängender Auffassung, geschieht allemal zugleich noch etwas anderes. Die der Außenwelt entstammenden und von dem materiellen Organismus aufgenommenen Einwirkungen entladen sich auch wieder nach außen; sie münden jederzeit aus in den mannigfachsten Bewegungen der körperlichen Organe, die wir hier, den tieferen Zusammenhang der Dinge (S. 39) außer acht lassend, mit der naiven Auffassung als äußere Gegenwirkungen der Seele betrachten können. Unter den Verwicklungen des ausgebildeten Seelenlebens ist dieser Zusammenhang oft

verdunkelt: man gibt sich träumerisch und rein passiv bestimmten Eindrücken hin, oder man legt Wert darauf, bei den aufregendsten Veranlassungen eine vornehme Ruhe oder stoische Gelassenheit zu bewahren. Aber ursprünglich besteht er durchaus. Von Hause aus wird jede Einwirkung der Außenwelt auf die Seele von ihr mit mannigfachen Bewegungen beantwortet: Bewegungen der vermittelnden Sinnesorgane, der Arme und Beine, des Kopfes, der Sprachwerkzeuge, auch Bewegungen innerer Organe wie des Herzens und der Blutgefäße, der Lunge usw. Für viele von diesen Reaktionen, nämlich die meisten sog. Ausdrucksbewegungen, wie die Änderungen in der Blutzirkulation und Atmung, die Bewegungen des Lachens, Weinens, Zitterns u. a., haben wir noch kein genügendes Verständnis. Bei den direkt in die Außenwelt eingreifenden oder die Beziehungen des Organismus zu ihr ändernden Bewegungen aber erkennen wir mit großer Deutlichkeit einen zwiefachen Charakter.

Die einen zielen direkt ab auf die Erhaltung des Organismus unter den obwaltenden Umständen. Die für ihn im ganzen oder für seine Organe förderlichen Reize, d. h. also zugleich die Erreger lustvoller Eindrücke, werden festgehalten, zu längerer Einwirkung veranlaßt oder direkt in den Körper aufgenommen (Angriffsbewegungen). Schädliche und störende Reize dagegen, für die Seele zugleich die Erreger unlustvoller Eindrücke, werden abgewehrt und der Körper möglichst ihrer weiteren Einwirkung entzogen (Abwehr- oder Fluchtbewegungen). Es ist schwer, die Fülle der zuströmenden Beispiele zu beschränken. Wird ein Bissen auf die Zungenwurzel gebracht, so wird er durch entsprechende Muskelkontraktionen unter gleichzeitigem Verschluß aller übrigen Auswege die Speiseröhre hinunter in den Magen geschoben; gerät durch Zufall eine Partikel ,,in die falsche Kehle", so wird sie durch Husten wieder hinausbefördert. Streichelt man die Handfläche eines kleinen Kindes, so schließt sich die Hand und hält die streichelnden Finger fest; von den kratzenden Fingern zieht sie sich schnell zurück. Ein mildes und ruhig brennendes Licht saugt das Kind fixierend gewissermaßen in sich auf und folgt seinen Bewegungen mit Kopf und Augen; von einem allzu intensiven und flackernden wendet es den Blick weg. Den angenehmen und als Bestandteil der Nahrung notwendigen Zucker umspielt und umspült es unter Zuspitzung des Mundes mit der Zunge, bis er aufgelöst und einverleibt ist; eine bittere Wurzel stößt es unter Zurückziehen der Lippen aus dem Munde heraus. Ist das Kind hungrig, so wirft es sich suchend umher und schreit, bis seinem Nahrungsbedürfnis abgeholfen wird; ist es satt, so liegt es regungslos da, und die beginnende Verdauung wird durch anderweitige Inanspruchnahme der Blutzufuhr nicht gestört usw.

Daneben aber gibt es nun eine zweite Klasse ursprünglicher Bewegungsreaktionen. Wenn eine Katze eine Maus erblickt, so erhascht sie sie und frißt sie auf; das ist zweckmäßig für ihre Erhaltung. Aber in der Regel läßt sie sie vorher noch einige Male laufen und erhascht sie wieder,

obwohl dabei doch eine gewisse Möglichkeit des Entwischens besteht; und wenn sie ein Garnknäuel oder eine rollende Kugel erblickt, so behandelt sie diese mit Haschen und Loslassen ganz ähnlich wie eine Maus, obwohl sie über ihre Ungenießbarkeit doch sogleich im klaren sein muß. Ein Hund benagt einen ihm zugeworfenen Knochen; das trägt bei zu seiner Ernährung. Aber er benagt auch Tischbeine und Teppichkanten, von denen seine Ernährung keinen Vorteil hat. Er verfolgt instinktiv den fliehenden Hasen und andere Tiere, die für ihn als Beute geeignet sind; aber ebenso hitzig verfolgt er seinesgleichen, vorbeirollende Wagen, Reiter usw., deren Erbeutung für ihn keinen Sinn hätte. Ganz ebenso beim Menschen. Außer mit Erhaltungs- und Kampfreaktionen, wie den vorhin erwähnten, beantwortet er ursprünglich und unvermittelt eine große Fülle der ihn treffenden Eindrücke mit Bewegungen, denen ein unmittelbarer Wert für seine Erhaltung gar nicht zukommt: Strampeln und Zappeln, Zerreißen und Zusammensetzen, Herumhantieren mit den Dingen und mit seinen Gliedmaßen, Herumbalgen mit seinesgleichen usw. Menschen und Tiere kämpfen nicht nur mit den Dingen, sie spielen auch mit ihnen. Was in solchem Spielen verwirklicht wird und seinen. Sinn ausmacht, ist lediglich die Betätigung ihrer Organe und ihrer Kräfte, die Ausbildung, Übung und Erhaltung der ihnen nun einmal verliehenen Fähig keiten. Und wie bei den Erhaltungsbewegungen erscheint psychisch auch hier wieder als Begleiterscheinung oder Ziel des Tuns die Gewinnung von Lust und die Vermeidung von Unlust. Die ausgiebige Betätigung der Kräfte und zumal die Erreichung des auch nur spielend gesetzten Zweckes ist in hohem Maße lustvoll, die Untätigkeit, das Rasten und Rosten, quälend und unerträglich.

Mit der hierdurch angezeigten unmittelbaren Förderlichkeit des Spiels für den Organismus verbindet sich dann indirekt noch eine weitere. Die in dem Spiel betätigten Kräfte und Fähigkeiten sind natürlich keine anderen als die auch für den Kampf mit der Außenwelt in Betracht kommenden. Indem sie also betätigt und dadurch geübt werden, wird der Spielende zugleich für seine Erhaltung geschickter gemacht. Das Tier, das sich im spielerischen Erspähen, Jagen und Fangen der Scheinbeute Gewandtheit erwirbt, vervollkommnet damit zugleich seine Ausrüstung für den Kampf mit der wirklichen Beute. Die Spielbewegungen, obwohl ihrem Charakter und nächsten Zwecke nach von den Erhaltungsbewegungen verschieden, sind also doch zugleich als Vorbereitungen und Übungen für diese aufzufassen. Und biologisch haben sie vielleicht dadurch ihre große Bedeutung gewonnen, daß ein starker Spieltrieb einen großen Vorteil für die Erhaltung im Kampf ums Dasein bedeutet und die durch Naturanlage weniger spielerisch veranlagten Individuen leichter unterliegen.

Kampf und Spiel begleiten den Menschen und die Tiere ihr ganzes Leben hindurch. Aber doch in verschiedenem Verhältnis. Das junge Tier und vor allem der junge Mensch wird zunächst beschützt und er

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