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AUG 29 lv

Mohammed und der Jslâm.

Bon Pastor M. Lüttke zu Schleudit.

II.

Der Islâm als Glaubens- und Sittenlehre.

Aus den in einem früheren ersten Artikel1) gegebenen historischen Darlegungen, sowohl in Betreff der Persönlichkeit und der persönlichen Anschauungen Mohammeds als der allgemeinen religions- und zeitgeschichtlichen Momente, welche für die Entstehung des Islam in Betracht zu ziehen sind, ergeben sich hereits die Voraussetzungen und Vorbedingungen auch für die Lehre dieser neuen in Arabien geborenen Religion. Bedingt wird nämlich dieselbe auf der einen Seite durch die Anknüpfung an die im Lande noch vorhandene abrahamisch-monotheistische Tradition und durch den daraus von selbst entspringenden Kampf gegen das sabäischgößendienerische Heidenthum, welches die herrschende Religion bildete; auf der anderen Seite durch die Entlehnung mancher grundlegenden Ideen und Vorschriften aus dem Zudenthum und Christenthum, und hinwiederum zugleich durch den bewußten und immer schroffer werdenden Gegensatz gegen andere Hauptlehren dieser beiden Religionen, insonderheit des Christenthums.

Die Gestalten Abrahams und der übrigen Patriarchen waren in der Borstellung der Semiten, die zu ihnen als zu ihren Stammvätern mit Stolz und Verehrung emporblickten, immer noch mit jenem Glanze umgeben, welchen die beherrschende Macht ihrer Persönlichkeit und der weithin wirkende Einfluß auf ihre Nachkommen ihnen verliehen hatte. Ihre Religion, die auf dem Glauben an den Einen, lebendigen, allmächtigen und barmherzigen Gott basirte, war keineswegs gänzlich vergessen oder verloren, und in Arabien, wie wir früher gesehen, vielleicht mehr noch als in andern semitischen Gebieten, abgesehen von Palästina, festgehalten und lebendig geblieben. Verehrer des Einen wahren Gottes fanden sich daselbst vor Mohammed, die sogenannten Hanyfe, und Mohammed, selbst ihnen angehörig ehe er Religionsstifter wurde, konnte aus ihnen mehrere seiner ersten

1) „Zur Geschichte Mohammeds des Propheten und des Islam." Allg. Miss. Zeitschrift 1875, S. 5-19 und S. 66 -81. Die dort gewünschte Uebersetzung des Arnoldschen Buches ist bereits in Angriff genommen. D. H.

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Anhänger sammeln, während wiederum Diejenigen dieser ersten Gläubigen, die zuvor nicht Hanyfe gewesen, sich nach ihrer Bekehrung zunächst keinen andern Namen als diesen beilegten. Ursprünglich hatte auch wohl Mohammed keine andere Absicht als die, jene wahre Religion,“ die Religion Abrahams wieder herzustellen und durch den Glauben an den Einen ewigen Gott, der unmittelbar oder durch menschliche Organe sich der Welt offenbart habe, das Heidenthum seines Volkes zu überwinden. Auch war es, wie sich aus Manchem schließen läßt, zunächst durchaus nicht sein Plan, eine Universalreligion zu stiften, sondern er wollte nur eine Reform der Religion seiner Volksgenossen bewirken, deren Vielgötterei, Gestirndienst, Aberglaube, Dämonenanbetung und Gößenbilderverehrung ihn empörte, nachdem er selbst sich mit der Idee des Einen Gottes durchdrungen hatte.

Die kräftigste Stüße seiner Anschauung und seiner Absichten konnte er natürlich im Judenthum und Christenthum finden, die ja beide auf der gleichen Grundidee des Monotheismus und der Offenbarung Gottes an die Welt ruhten. Mit Vertretern beider Religionen in mehrfache Berührung gekommen, nach und nach auch, wenngleich höchst mangelhaft und oberflächlich, mit ihren heiligen Schriften bekannt geworden, entnahm er daraus dasjenige, was mit der von ihm erfaßten Idee übereinstimmte und mas seine Pläne fördern konnte. Während er sich aber dem Judenthum ziemlich nahe verwandt fühlte und manches sowohl von dem historischen wie von dem dogmatischen, moral und ceremonialgeseßlichen Inhalte des Alten Testaments sich aneignen konnte und aneignete, wollte er das Christenthum nur insofern als wahr und berechtigt gelten lassen, als es den Glauben an den Einen Gott bekannte und die nächsten Consequenzen desselben annahm, verwarf dagegen mit der äußersten Entschiedenheit, ja Erbitterung alles Dasjenige, was ihm darüber hinauszugehen, oder vielmehr davon abzuweichen schien. — Wir werden auf diese Gegenstände noch des Näheren zurückkommen müssen; hier genügen diese allgemeinen Andeutungen, sofern sie uns direct auf die Haupt- und Grundlehren des Islam führen.

Diese Haupt- und Grundlehren sind zuvörderst die Lehre vonder Einheit Gottes und die Lehre von einer göttlichen Offenbarung, die durch viele Vorstufen hindurchgehend endlich in Mohammed und seinem Korân gipfelt. Dies Beides findet sich in dem kurzen, zum Schibboleth der Moslem gewordenen Glaubensbekenntniß ausgesprochen: La ilaha ill-Alâlh, wa Mohammed rasûl Allâh," es ist keine Gott heit außer Gott (dem Einen, Höchsten, Allah) und Mohammed ist der Ge

jandte (Prophet) Gottes." Als dritte, diesen beiden zur Seite tretende und aus ihnen folgende Hauptlehre ist sodann die von einem Endgericht oder einer einstigen Vergeltung durch Paradies und Hölle zu nennen, welche natürlich den Glauben an eine Unsterblichkeit der Seele zur Voraussetzung hat. Die übrigen zum Gesammtsystem der moslemischen Dogmatik gehörigen Lehren sind secundärer Natur, lassen sich zum Theil aus jenen Hauptlehren von selbst ableiten und haben auch meistens neben ihnen eine untergeordnete Bedeutung.

Wenn wir indeß von einem System moslemischer Dogmatik reden, so ist freilich zu bemerken, daß dieser Ausdruck nur in sehr uneigentlichem Sinne angewandt werden kann, und daß eine geordnete und klar zu übersehende Darstellung der Glaubenslehre des Islam ihre eigenthümlichen Schwierigkeiten hat. Es fehlt dem Koran nicht nur an jeder chronologischen sondern auch an jeder sachlichen Ordnung, und irgendwelche an Systematik oder auch nur an principielle Erörterung streifende Darlegungen der Glaubens- oder Sittenlehre wie auf dem Boden des Christenthums die Schriften des Neuen Testaments, namentlich die Briefe der Apostel, trotz aller Mannigfaltigkeit der Gegenstände und aller Freiheit in ihrer Behandlung, sie doch so vielfach darbieten sucht man hier vergebens. Man ist daher darauf angewiesen, aus den überall zerstreuten, oft absichtlich durcheinandergeworfenen, nicht selten auch in Widerspruch unter einander stehenden Aeußerungen Mohammeds sich eine Vorstellung von seiner Gesammtanschaunng zu machen. Es ist dies gewiß eine höchst eigenthümliche und auffallende Erscheinung. Wir haben in dem Koran eine Religionsurkunde vor uns, die nicht etwa wie die heilige Schrift von einer ganzen Anzahl verschiedener Verfasser und aus ganz verschiedenen weit auseinanderliegenden Zeiten stammt, sondern die von einem einzigen Manne herrührt, noch dazu von einem Manne, der die bemußte Absicht hatte, der Stifter einer Religion zu sein und in diesem Buche die einzig authentische Grundlage für den Glauben seiner Anhänger zu geben, und dennoch finden wir so wenig Bestimmtheit, Klarheit und Ordnung in der Ausprägung und Mittheilung dessen, was dem rechten Glauben und dem gottwohlge= fälligen Leben zur Richtschnur dienen soll. Wenn wir uns denken, daß etwa der Apostel Paulus es für nothwendig gehalten hätte, eine vollständige und zusammenfassende Darlegung der von ihm verkündeten Heilslehre zu schreiben und dies unternommen hätte in dem Bewußtsein, damit ein Buch schaffen zu müssen, welches bestimmt wäre, den Christen für alle Zukunft als einzige Quelle ihrer Glaubens- und Sittenlehre zu dienen, wir würden

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