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mehr zu singen und zu sagen. Die Göttin Poesie ist verarmt, ihre Blumenflur abgepflückt und leer, der Born (Quell) ihrer Lieder erschöpft, und der Überfluß ihres Füllhorns geht zur Neige (zu Ende). Was wollt ihr, Dichter, euch noch länger plagen? Das Singenswerte ist gesungen, und Neues findet ihr nicht mehr. Hängt euer Saitenspiel an die Wand oder zerschlagt die Harfe an einem Steine! Das alte Lied ist aus; was wollt ihr es ewig wiederholen und die Hörer dadurch langweilen?“

So und ähnlich ging die Rede besonders nach Goethes Tode 1832. Vielen stand es fest, daß nach einem Lessing, Herder, Schiller und Goethe ein wahrer Dichter, ein neuer Stoff, ein großer Erfolg nicht mehr möglich, ein jeder Dichter, der noch zu singen wage, ein Nachgeborener (Epigone) ohne Kraft und Ursprünglichkeit sei.

Diesen Tadlern und Zweiflern warf Anastasius Grün (Anton Graf von Auersperg) sein keckes, frisches und treffendes Lied „Der lezte Dichter" entgegen. Er zeigt darin, daß es der Poesie nie an Stoffen und an Jüngern fehlen wird, solange die Natur lebt und ein. Menschenherz schlägt. Das Alte wird immer wieder neu, gewinnt Farbe, Klang und Reiz, so oft es aufs neue durch ein Menschenherz geht. Die Geschlechter der Menschen können wechseln, die Dichter verstummen und sterben, aber stetig bleibt die Wirkung der Natur auf die Menschheit. Natur und Menschheit in ihrer Wechselwirkung sind und bleiben die unversiegliche Quelle der Poesie. Und immer wird die Menschheit in den Dichtern ihre Dolmetscher und die Poesie in ihnen ihre geweihten Priester finden.

II. Vertiefung. 1. Gesamtbild. Am azurblauen Himmel zieht die Sonne ihr strahlendes Geleise. Manch Menschenantlig sieht entzückt empor zu ihr. Der Lenz hat alles grün gekleidet, und die ganze Erde gleicht einer Riesenblume. Schön blühen und duften die Rosen an der Laube. Drin fizen glückliche Menschen, denen die Freude aus den Augen spricht. Im schattigen Walde rasten die müden Wanderer. Mitten in dem Blütenglück liegt ein Kirchhof mit Gräbern, auf denen Zypressen ihre Zweige niederhängen lassen. In Trauer knien dort Menschen und lassen ihre Tränen in das Gras fließen. Doch jezt bedecken schwarze Wolken den Himmel. Ein Wetter zieht heran; der Sturm braust daher, und die Blize fahren wie glühende Donnerkeile durch die Wolken zur Erde, als ob sie von der Hand eines zornigen Gottes geschleudert wären. Zitternd und zagend verhüllt der Mensch sein Antlig und schlägt reumütig an seine Brust. Das Gewitter verzieht sich, und der Bogen des Friedens glänzt wie sprühendes, farbiges Feuer am Himmel. Dankbar schaut der Mensch empor und fühlt Trost in seinem Herzen. Die Nacht kommt. Der unendliche Himmelsraum, den der Äther füllt, ist mit blinkenden Sternen besäet wie das Feld mit Körnern. Sinnend schaut der Mensch hinauf, um diese himmlischen Schriftzeichen zu verstehen. Der Mond wandelt durch das Sternengefilde, gießt sein mildes Licht herab auf die Erde und erfüllt das Herz mit Frieden.

2. Wesen der Poesie. Sie ist eine Himmelsgabe, eine Göttin, die mit ihrem Zauberstabe das Jrdische weiht und das Schlichte verschönt.

Sie zeigt in der Natur, in dem Menschenherzen und Menschenleben das Schöne und kleidet es in ein Festtagsgewand. Sie weiht die Dichter zu ihren Priestern und zu Dolmetschern der Gesamtheit. Sie ist unermüdlich wie die ewig schaffende Gotteskraft in der Natur und unendlich wie diese. Sie freut sich mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden; fie begleitet den Menschen beim Tun und Leiden, beim Lieben und Hoffen, beim Streben und Forschen. Ein Dichter kann sterben, aber die Dichtkunst und die Freude an ihren Werken niemals. 3. Gedankengang. A. Die Frage der Tadler: Str. 1. Wann hört ihr Dichter auf zu fingen? Str. 2. Sind eure Stoffe nicht längst erschöpft?

B. Die Antwort des Dichters. 1) Str. 3-9: Der Stoff der Poesie ist unerschöpflich, solange der blaue Himmel mit der strahlenden Sonne (3), die furchtbare Pracht des Gewitters (4), der farbenreiche Regenbogen (5), der gestirnte Himmel (6), der milde Mond und der schattige Wald (7), der Lenz mit seinen Blumen (8) und das Grab mit seinen Zypreffen (9) ihre Wirkung auf das Menschenherz ausüben; 2) Str. 10-14: Die Gesangskunst wird niemals schweigen; denn die Poesie weiht sich immer neue Jünger (10); der lehte Dichter wird der lezte Mensch sein (11). Die ungeknickte Riesenblume der Schöpfung ist der unversiegliche Duell der Poesie (12). Wenn jene verblüht, Erd- und Sonnenbälle zerstäubt sein werden (13), dann wiederholt eure Frage, wenn euch die Lust dazu nicht vergangen ist (14)!

4. Grundgedanke. Die Poesie, des Gesanges Gabe, ist ein unverlierbares göttliches Recht und Eigentum der Menschheit. Solange die Natur lebt und ein Menschenherz empfindet, werden Dichter den Gedanken und Gefühlen der Gesamtheit im Liede Ausdruck geben und dadurch alle erfreuen und erheben.

5. Eigentümlichkeiten. Die Wahl des Stoffes, der alle fesselt, ist ein glücklicher Dichtergriff. Die Form des Gedichts: auf eine spöttische Zweiflerfrage eine zuversichtliche Dichterantwort! spannt das Interesse. Der Gleichschritt und die Wechselwirkung zwischen dem Leben in der Natur und dem Leben des Herzens bringt eine frische Bewegung in den Gang der Dichtung: Der Sonnenwagen im Azurgeleise des Himmels weckt Bewunderung, der Grimm des Himmels im Gewitter Angst, Schrecken und Buße ob unserer Schuld, der Regenbogen Frieden und Versöhnung in der Brust, der gestirnte Himmel sinnige Betrachtungen, der stille Mond und der schattige Wald Sehnsucht nach Ruhe, die Blütenpracht des Lenzes Freude und Liebe, die Zypresse auf Gräbern Trauer und Tränen. Der Periodenbau mit dem elfmaligen Solang'" statt des ungesprochenen: Immer werden wir singen; niemals werden wir des Dichtens müde werden!" erhöht durch rednerischen Schwung die Wirkung der Antwort. Die dreifüßigen jambischen Verse mit den gekreuzten Reimen, von denen die weiblichen reimlos und die männlichen gereimt sind, entsprechen ganz dem feuerflüssigen Inhalte. - Kühn und schön sind die

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Bilder: Der Reichtum an poetischen Stoffen ist mit dem Füllhorn einer Göttin, einer Blumenflur und einem Born, die Sonne mit einem goldenen Wagen, ihre Lichtspur mit einem Geleise, die Farbe des Himmels mit dem Azur, der Bliz mit dem Donnerkeile, den ein grimmer Gott (Zeus, Jupiter, Thor) schleudert, der Regenbogen mit farbigem Feuer, der Himmelsäther mit einem sternbesäeten Saatfelde, die Erde mit einem Wohnhause, die Schöpfung mit einer ungeknickten Riesenblume verglichen.

Am wenigsten gelungen ist der Schluß des Gedichtes. Str. 11 enthält die Spite desselben, die sachliche Antwort auf die Frage der Zweifler und Tadler. Sie lautet: „Solange ein Mensch lebt, so lange wird gedichtet werden. Der lezte Dichter wird der letzte Mensch sein.“ Die meisten Anthologien, die das Gedicht bringen, schließen mit Str. 11. Die folgenden drei Strophen geben die formelle Antwort auf die Eingangsfrage, fassen alles zusammen und haken gleichsam den Schluß an den Anfang zu einem kunstvollen Ringe. Aber dieser Schluß klingt etwas matt, ja sogar gekünftelt der Saz: „wenn zu fragen die Lust euch noch nicht mied“, d. h. wenn euch die Lust zum Fragen noch nicht vergangen ist. Die ursprüngliche Lesart: „Erst dann fragt, wenn des Fragens bis dahin ihr nicht müd', ob -" war entschieden besser. Sie hatte in -"war die Anfangsfrage zurück, gab die Antwort in der etwas umgebildeten Form der Frage und schloß das ganze Lied wirkungsvoll ab. Der Dichter hat sich wohl zu der Abänderung bewegen lassen durch den unreinen Reim müd-Lied" und die hart klingende Auslassung von „geworden seid" hinter „müd“, denn vollständig müßte es heißen: „Erst dann fragt, wenn des Fragens ihr bis dahin nicht müde geworden seid!"

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III. Verwertung in Aufgaben! 1. Vergleiche das vorstehende Lied mit Uhlands Freie Kunst" (II, Nr. 233)! 2. Vergleiche es mit dem nachstehenden Sonett, indem du folgende Fragen aus beiden Gedichten beantwortest: Was ist Poesie? Was ist ein Poet? Wo findet sich die Poesie? Wann schlägt sie ihren goldnen Schleier um die Dinge der Erde? Wie verhält sich die Natur zum Menschen? Wie der Dichter zur Menschheit? Welchen Zweifel hat A und welchen B? Welchen Grundgedanken A und welchen B? Wovor warnt A und wovor B? (A: an der Kraft und Dauer der Poesie zu verzweifeln, B: in Kleinlichkeit und Armseligkeit zu verfallen und am Großen nur das Kleine zu sehen.) Wie unterscheidet sich der Aufbau und die Form der beiden Gedichte?

B. Den Naturdichtern. (Herbst 1840.)

Georg Herwegh. Gedichte eines Lebendigen. Zürich 1843. Teil I, S. 109. Titan und Zwerg, das Große wie das Wo euch des Himmels heil'ge Luft umKleine

ift Poesie, und Poesie im Halme
wie in des Orients stolzer Palme,
und Poesie noch in der Weisen Steine;
und Poesie die Müd' im Sonnenscheine,
und Poesie in eines Dampfschiffs Qualme,
und Poesie auf einer Schweizeralme,
und Poesie vor allem auch im Weine.

weht,

da rauscht die Poesie mit ihren Schwin-
gen,

sie fehlet nie, oft fehlt nur der Poet.
Wie Gott ist sie zuleßt in allen Dingen:
Doch wenn einmal ein Löwe vor euch steht,
sollt ihr nicht das Insekt auf ihm be-
fingen.
P.

2. A. Die Macht des Gesanges. (1795.)

Fr. v. Schiller.. Werke, herausgegeb. von Heinr. Kurz. Leipzig, Bibliogr. Institut. I, 252.

1. Ein Regenstrom aus Felsenrissen,
er kommt mit Donners Ungestüm,
Bergtrümmer folgen seinen Güssen,
und Eichen stürzen unter ihm;
erstaunt, mit wolluftvollem Grausen
hört ihn der Wanderer und lauscht,
er hört die Flut vom Felsen brausen,
doch weiß er nicht, woher sie rauscht:
So strömen des Gesanges Wellen
hervor aus nie entdeckten Quellen.

2. Verbündet mit den furchtbar'n Wesen,
die still des Lebens Faden drehn,
wer kann des Sängers Zauber lösen,
wer seinen Tönen widerstehn?
Wie mit dem Stab des Götterboten
beherrscht er das bewegte Herz;
er taucht es in das Reich der Toten,
er hebt es staunend himmelwärts
und wiegt es zwischen Ernst und Spiele
auf schwanker Leiter der Gefühle.

3. Wie wenn auf einmal in die Kreise
der Freude mit Gigantenschritt
geheimnisvoll nach Götterweise
ein ungeheures Schicksal tritt;
da beugt sich jede Erdengröße
dem Fremdling aus der andern Welt;
des Jubels nichtiges Getöse
verstummt, und jede Larve fällt,
und vor der Wahrheit mächt’gem Siege
verschwindet jedes Werk der Lüge.

4. So rafft von jeder eiteln Bürde,
wenn des Gesanges Ruf erschallt,
der Mensch sich auf zur Geisterwürde
und tritt in heilige Gewalt;
den hohen Göttern ist er eigen,
ihm darf nichts Irdisches sich nahn,
und jede andre Macht muß schweigen,
und kein Verhängnis fällt ihn an;
es schwinden jedes Kummers Falten,
solang des Liedes Zauber walten.

5. Und wie nach hoffnungslosem Sehnen,
nach langer Trennung bitterm Schmerz
ein Kind mit heißen Reuetränen
sich stürzt an seiner Mutter Herz:
so führt zu seiner Jugend Hütten,
zu seiner Unschuld reinem Glück,
vom fernen Ausland fremder Sitten
den Flüchtling der Gesang zurück,
in der Natur getreuen Armen
von kalten Regeln zu erwarmen.

I. Vorbereitung und dann Vortrag. Den göttlichen Ursprung und die unwiderstehliche Macht des Gesanges, d. h. der Poesie und Musik, haben die Griechen in der Sage von dem Sängerhelden Orpheus dargestellt. Orpheus galt als Sohn des Lichtgottes Apollon und der Muse Kalliope. Apollon war der Verkünder des Götterwillens, ein allwissender Seher, ein geschickter Arzt und ein unvergleichlicher Meister der Gesangeskunst. Kalliope war unter den neun Musen oder Kunstgöttinnen die Vertreterin der Dichtkunst und Wissenschaft. Von den göttlichen Eltern hatte Orpheus die himmlische Gabe der Gesangeskunst geerbt, und wie aus verborgenen Quellen strömten ihm die Lieder geheimnisvoll zu. Die Macht seines Gesanges zur siebensaitigen Lyra waren so gewaltig, daß er Bäume und Felsen bewegte und wilde Tiere zähmte. Die Herzen der Menschen mit der ganzen beweglichen Leiter der Gefühle, vom tiefsten Schmerz und Ernst bis zur höchsten Lust, beherrschte er wie der Götterbote Hermes, der mit seinem geflügelten Schlangenstabe (Caduceus) die Herzen anrührte und bezwang, die Seelen in die Tiefe der Unterwelt und zu der Seligkeit des Himmels führte. Ja, Tote weckte er zum Leben, so daß er mit den drei Parzen Klotho, Lachesis und Atropos im Bunde schien die den Lebens- und Schicksalsfaden der Menschen spinnen, abmessen und

abschneiden. Hinab in das Reich der Toten tauchte er, um seine am Schlangenbiß gestorbene geliebte Gattin Eurydice wieder in das Reich des Lichtes zu führen. Wie ein Bote des Schicksals, wie ein Fremdling aus der Geisterwelt trat er mit Giganten- (Riesen-) Gewalt in die Kreise der Menschen, und wie vor einer Zaubergewalt beugten sich ihm die Herzen. Jedes Getöse verstummte, jede Larve (Maske) der Verstellung fiel, und siegreich trat die Wahrheit hervor. Das Jrdische mit seinen Freuden und Sorgen erschien klein und verächtlich, der Druck der Erdenbürde aufgehoben, der Geist emporgetragen und verwandt mit den himmlischen Göttern, von ihrer Gewalt geschüßt und ihrer Kräfte teilhaftig. Die Falten des Kummers verschwanden aus dem Antlig, die Furcht vor einem feindlichen Verhängnis aus dem Herzen, der Zwang fremder Sitten und kalter, unnatürlicher Regeln und Formen aus dem Leben.

Der Sängerheld Orpheus ist zwar gestorben, aber seine göttliche Kunst lebt noch und übt immer noch ihren alten Zauber über das Menschenherz aus. Diesen Gedanken hat Schiller in dem schwungvollen Liede „Die Macht des Gesanges" ausgeführt.

II. Vertiefung. 1. Situationsbilder. a) Nach Str. 1: Ein Gewitter mit furchtbaren Regengüssen ist im Gebirge niedergegangen. Zu einem Strome angeschwollen, bricht die wilde Flut mit Donnergebrüll durch das Felsengewirr und schießt rauschend durch die Risse und Spalten der Felsen. Felsblöcke wälzt der Strom mit fort, und Eichen stürzt er nieder. Am Ausgange des Felsentales steht ein Wanderer, sieht plöglich die Flut brausend herabstürzen und empfindet bei dem schaurig - schönen Schauspiele Grauen mit Freude gemischt (wollustvolles Grausen). Staunend fragt er, woher dieser Strom urplöglich komme, und welchen Quellen er entstamme; doch niemand gibt ihm Antwort.

b) Nach Str. 3: Das Bild zeigt uns eine bunte Schar festlich ge= kleideter Menschen. Zelte, bekränzte Bogen, Fahnen in fröhlichen Farben lassen erraten, daß ein großes Volksfest gefeiert wird. Aber der bewölkte Himmel verbreitet ein unheimliches Dunkel, in welches gerade ein Bliz seine grell leuchtenden Zacken hineinschießt. Aus der Mitte eines Zeltes schlagen Flammen hoch zum Himmel auf. Eine Gruppe umsteht mehrere vom Blitz Getroffene, und eine andere kniet vor einem unfern am Wege stehenden Bilde des Gekreuzigten und fleht Gott um Abwehr weiteren Unglücks an. Von jedem Antlig ist der Ausdruck ausgelassener Freude gewichen, denn gewaltig hat das plöglich eingetretene, schreckliche Ereignis an den Unbestand und die Hinfälligkeit menschlicher Kraft erinnert. (G. St.)

c) Nach Str. 4: Der Sänger steht mit seiner Harfe im Kreise Lauschender Menschen. Jede Bürde ist zu Boden gesunken. Frei und furchtlos, mit leuchtendem Blicke und wie gehoben und verklärt steht jeder da. Jeder unnatürliche Zwang, jede fremde, angelernte Sitte, jede kalte Anstandsregel fällt, und die lautere Natur tritt in ihre Rechte.

2. Wesen des Gesanges. Weise aus dem Gedichte nach, daß sein Ursprung geheimnisvoll, sein Reich die Welt der Gefühle, seine

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