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Also die neue Theorie vom Entstehungsverhältnis der Prophetenvereine und der Hauptrepräsentanten des alttestamentlichen Prophetismus schlägt den Tatsachen ins Gesicht. Diese Theorie kann nur aus der evolutionistischen Grundanschauung geboren sein, wonach alle Geschichtserscheinungen von unten nach oben sich entwickelt haben sollen.

§ 31. Beginn der irdischen Leitung des Gottesreiches durch prophetisch berufene, aber weltartige Herrscher.

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1. Die ursprüngliche Idee der Form des Gottesreiches, die oben in § 25, 3 durch positive Beweisführung als die alte geschichtliche Wirklichkeit erwiesen worden ist, fand nicht auf die Dauer den Beifall der Majorität des Volkes Israel. Vielmehr hat diese, wie schon in Gideons Tagen (§ 30, 2, e), auch in Samuels späterer Zeit gemeint, das politische Heil der Nation nur dadurch begründen zu können, daß deren staatliche Verfassung die Form eines weltförmigen und darum irdischen Königtums annehme. Diese Meinung kam in dem an den alternden Samuel gebrachten Antrag zum Ausdruck, daß er dem Volke Israel „einen König, wie alle andern Nationen" ihn hätten, erwählen möge (1 Sam 85). Da also jene Partei sich auf das Vorbild der fremden Nationen berief, so stellte sie sich jedenfalls auch ein erbliches Königtum vor, wie ja eine erbliche Herrschaft ausdrücklich Gideon angeboten worden war (Richt 8 22). Dann waren diese Könige nicht jeder einzelne von Gott berufen. Aber auch abgesehen davon, mußte jeder einzelne König, weil mit lebenslanger und umfangreicher äußerlicher Gewalt ausgestattet, in ganz anderer Weise, als die bloß durch das Wort wirkenden Propheten und Priester und vorübergehend fungierenden Helden, die Herrschaft des himmlischen Königs von Israel in den Hintergrund drängen. Wegen dieser naheliegenden Beziehung des menschlichen Königtums zur Gottesherrschaft wurde die Erstrebung dieses Königtums einer Verwerfung des himmlischen Königs gleichgesetzt (1 Sam 86-9). Aber von der oft bewährten göttlichen Langmut (Exod 34 6f. usw.) wurde dem „,trotzigen und verzagten Menschenherzen" (Jer 179) doch die Einführung des irdischen Königtums zugestanden (1 Sam 8 10a), nur wurden zugleich die Pflichten und Rechte festgestellt, die dem Könige Israels als dem irdischen Vermittler der speziellen Gottesherrschaft über dieses Volk gelten sollten (10b).

Über die Einführung des irdischen Königtums in Israel gibt es allerdings mehr als einen Bericht. In der einen

Reihe von Abschnitten (1 Sam 8. 10 17-27 und Kap. 12) tritt als Anlaß des Wunsches nach dem Königtum die Entartung der Söhne Samuels auf, und in diesen Abschnitten wird bei und nach der Wahl des ersten Vertreters des irdischen Königtums dieses als Verletzung der ursprünglichen Gottesherrschaft hingestellt. In einer andern Reihe von Abschnitten (91 bis 10 16) gibt das Geschrei Israels über die Bedrängnis durch die Philister den Anlaß dazu, daß Gott durch Samuel einen „Anführer oder Fürsten" (nagid) über sein Volk zu dessen Befreiung salben ließ (9 16 und 101), denn der in 9 16 gelesene Ausdruck,,Geschrei" kann nicht das Aussprechen des Wunsches, auch einen König zu haben, bezeichnen. Diese Verschiedenheit der Berichterstattung braucht allerdings nicht die Anlässe zu betreffen, die zur Wahl des ersten Königs in Israel geführt haben, sondern die wirklichen geschichtlichen Anlässe können auf beide Reihen von Abschnitten sich unwillkürlich verteilt haben. Aber in bezug auf das Verhältnis des irdischen Königtums zum wahren Ideal der Gottesherrschaft in Israel gehen beide Reihen bestimmt auseinander. Denn solche Sätze, wie in 86-9 oder 10 18 ff. über die Unrichtigkeit der Erstrebung des irdischen Königtums ausgesprochen sind, begegnen in 91 bis 10 16 nicht, obgleich auch darin, wie z. B. vor 101, zu ihrer Äußerung Gelegenheit gewesen wäre. Folglich ist die Frage zu beantworten, welches von beiden Urteilen dem älteren und eigentlichen Prinzip des Gottesreiches entsprochen hat.

Vielen gilt nun jetzt das in 91-10 16 ausgeprägte Urteil als das, welches die Entstehung des irdischen Königtums in Israel nach ihrem wirklichen Hergang darstelle. Diese Ansicht ist neuestens von Budde in seiner Rede über die Schätzung des Königtums im AT" (1903) und von Stade (ATliche Theol. I, 1905, § 21) vertreten worden, während übrigens G. Beer (Saul usw. 1906, 15) eine dritte Berichterstattung über den Anfang des Königtums in Kap 11 finden will, aber dazu kein Recht besitzt, da die Abtrennung der Erzählung 111ff. von 91-10 16 nicht begründet werden kann. Aber sichere positive Gründe für die zuletzt von Budde und Stade vertretene Ansicht besitzt man nicht. Freilich meint Budde (S. 19), aus Richt 223 und 32 sogar den Gedanken ,,Jahve hat die Philisternot über Israel verhängt, um es für die Segnungen des Königtums reif, empfänglich und dankbar zu machen" herauslesen zu können, oder er verweist auf die

Sätze,,In jener Zeit war kein König in Israel, und jedermann tat, was ihm Recht deuchte" (Richt 176 181 191 21 25). Aber dieser Hinweis verschiebt nur die Frage, ob in diesen Sätzen und in 1 Sam 91-10 16 die ursprüngliche Stellung der führenden Geister Israels zum irdischen Königtum sich ausprägt. Diese Frage wird also von den Gelehrten, die sich auf Richt 176 usw. berufen, einfach unbeantwortet gelassen. Der Umstand ferner, daß die Reihe der Abschnitte 1 Sam 8. 10 17-27 und Kap. 12 nach sprachlichen Anzeichen die später schriftlich fixierten Partien sind, verhindert nicht, daß die darin ausgeprägte Anschauung über das irdische Königtum Israels die dem Prophetentum ursprünglich eigene gewesen ist. Denn nicht nur hat es sich öfter in der Literaturgeschichte gezeigt, daß später geschriebene Quellen doch eine frühere Phase eines Textes oder einer Überlieferung repräsentieren (vgl. Belege in „Die bab. Gefangenschaft der Bibel" 1905, 13f.!), sondern es läßt sich auch leicht denken, daß die in der letzterwähnten Reihe von Abschnitten ausgesprochene Idee in den Kreisen der Prophetenvereine bewahrt worden ist und nur zufällig uns in einer späteren Niederschrift vorliegt.

Die in 1 Sam 8. 10 17-27 und Kap. 12 ausgesprochene Anschauung ist nicht nur oben § 25, 3 durch positive Zeugnisse als das ältere Prinzip des Gottesreiches erwiesen, sondern dies wird auch durch die Tatsache begünstigt, daß Israel zuerst faktisch keine Könige hatte. Wenn die Verfassung des Gottesreiches auf die Königsherrschaft angelegt gewesen wäre, weshalb würden denn dann nicht gleich Könige eingesetzt worden sein? Die in diesen Abschnitten vertretene Anschauung wird aber auch nicht etwa dadurch als unursprünglich und unprophetisch erwiesen, daß das Königtum z. B. in seiner Vertretung durch David von den Propheten gebilligt wurde. Denn etwas anderes ist die prinzipielle Beurteilung einer Institution und wieder etwas anderes ihre Duldung und eventuelle Begünstigung. Diese letztere konnte sich zeigen, als das irdische Königtum in David einen relativ gottesfürchtigen Träger gefunden hatte. Aber der Grundton von der alles überragenden Autorität der Gottheit im Königreiche Israel ist ja auch in diesen Zeiten nicht verstummt. Er klingt durch jenen ersten Konflikt zwischen Prophetentum und Königtum zu Sauls Zeit hindurch (1 Sam 15 22), und man hört ihn sogar

aus Davids Zeit mehrfach heraus. Denn z. B. sobald David bei der Volkszählung den Stolz auf irdische Machtmittel zum Vorschein kommen ließ, mußte er den Tadel des prophetischen Gottesvertreters vernehmen (2 Sam 2411), und gegenüber Salomos altersschwacher Neigung, das iraelitische Königtum weltförmig werden zu lassen, erschallt jener alte Grundton von Jahves Hegemonie aus Ahias zwölffacher Mantelzerreißung doch schrill genug an unser Ohr (1 Kön 11 29 ff.).

Infolgedessen bin ich überzeugt, mit der hier gegebenen Darlegung die prinzipielle Seite der Sache richtig ans Licht gestellt zu haben. Das alttestamentliche Gottesreich hat gegenüber andern Königreichen (Jul. Boehmer, Reichsgottesspuren usw. 1906, 77) seine Eigenart darin besessen, daß das irdische Königtum erst später und nur mit Herabdrückung des ursprünglichen Ideals zur Vermittelung der Gottesherrschaft dienen durfte.

Was übrigens die Salbung anlangt, so bemerkt Wellhausen im Archiv für Religionswissenschaft 1904, 13f., maschach bedeute ursprünglich,,mit der Hand streichen, bestreichen. Öl ist dazu nicht nötig und wird bei den Arabern nicht angewendet". Aber bei den Hebräern bezeichnet maschîach auch im profanen Sprachgebrauch,,bestrichen, eingerieben, eingefettet" in bezug auf den Schild (2 Sam 1 21). Da zeigt sich eben eine Eigenheit des hebräischen Sprachgebrauchs, wie es auch andere gibt. Ferner fügt Wellhausen hinzu,,,wie der Geist im Öl sitzen soll, könne er zur Zeit noch nicht einsehen". Aber der Gedanke des ATs ist doch dieser. Wie das Öl des Leuchters im Heiligtum den das göttliche Licht symbolisierenden Lichtstrahl speise, so könne das Öl auch den Quell der religiös-sittlichen Erleuchtung, d. h. den Gottesgeist, symbolisieren. Die an die Salbung der Könige im AT geknüpften Wirkungen sind in „Der Offenbarungsbegriff des ATS" I, 174-181

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untersucht worden. Jedenfalls aber ist der Sinn des ATs nicht damit getroffen, wenn Frd. Schwally (im Archiv f. Rel.-Wiss. 1906, 510) sagt, daß die,,Salbung ursprünglich nur den Zweck gehabt haben könne, den König,,tabu" [unberührbar usw.] zu machen". Keinenfalls kann die Königssalbung von der Priestersalbung getrennt werden.

2. Daß die Herkunft Sauls aus dem kleinen Stamme Benjamins die Gefahr der Zurückdrängung der früheren Vermittler der Gottesherrschaft habe vermindern sollen, läßt sich nicht behaupten. Denn schon bei der Wahl des zweiten Königs zeigt sich keine solche Rücksicht. Vielmehr besaß Saul natürliche Eigenschaften, die ihn der Wahl zum Könige würdig machten. Denn über alles Volk ragte er nicht bloß durch seine hochgewachsene Statur, sondern auch durch seine benjaminitische Waffengeübtheit (Richt 20 16, 2 Sam 1 22f.) und durch liebenswürdige Bescheidenheit (1 Sam 10 22) hinaus - dem kemacharîsch „wie ein Schweigender" (27) ist allerdings doch

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die griechische Übersetzung (m. Syntax § 401 g) vorzuziehen wie er sich auch durch Energie des Entschlusses (11 6: Zerstückelung der Rinder) und Feldherrnkunst (11 11 usw.: Bildung dreier Hauptabteilungen) auszeichnete. Als er durch das Salböl (101) sinnbildlich zum irdischen Vertreter des himmlischen Königs gemacht worden war, wurde die Hinwendung auf die Vertretung des Ewigen (109) zu einem neuen Kraftquell in ihm: der Geist Gottes umwaltete ihn. Er zeigte sich auch für die Begeisterung der Prophetenjünger empfänglich (1012) und betätigte seine Religiosität, indem er vor und nach wichtigen Staatshandlungen Opfer darbrachte (13 8 usw.), den Willen Gottes erforschte (142 usw.), seinen Eidschwur sogar mit Aufopferung des Sohnes halten wollte (1414) und solchen Eifer für die religiös-nationale Reinhaltung seines Volkes entfaltete, daß er die Wahrsager und Zauberer aus dem Lande trieb (1 Sam 289) und die kanaanitischen Gibeoniten verfolgte (2 Sam 212). Trotzdem kam es unter seiner Regierung zu einem Zusammenstoß zwischen Prophetentum und Königtum.

Um diesen Konflikt zu verstehen, muß man vor allem dieses Moment berücksichtigen. Gerade in der ersten Zeit des von der göttlich-prophetischen Leitung des Jahvevolkes doch bloß zugestandenen Königtums in Israel mußte das Prinzip der Gottesherrschaft sich natürlicherweise am strengsten geltend machen. Dieselbe konnte ihr Ziel, in Israel ein hohes religiös-sittliches Ideal zu verwirklichen, nicht aus dem Auge lassen. Sie mußte also das volle Zusammenwirken der königlichen Macht mit der prophetischen Leitung Israels fordern und sowohl die Loslösung des Königtums von den eigentlichen Kraftquellen des Jahvevolkes als auch das Hinausstreben des Königtums über seine Aufgabe, die Unabhängigkeit des irdischen Grund und Bodens des Gottesreiches zu schützen, zu verhindern suchen.

Nun brachte Saul trotz der Religiosität, die ihn nachgewiesenermaßen beseelte, es doch in einigen Fällen nicht fertig, einer Anordnung des Propheten voll nachzukommen oder eine alte Gesetzesforderung äußerlich durchzuführen. Als Samuel im ersten Kriege gegen die Philister in der Stunde der militärischen Gefahr zu kommen zögerte, meinte der Feldherr, es nicht mehr verantworten zu können, wenn er mit dem Opfer und dem davon abhängigen Beginn des Angriffes

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