ÀҾ˹éÒ˹ѧÊ×Í
PDF
ePub
[ocr errors]

Philosophie Hegels († 1831) gewonnen. Denn dieser Philosoph meinte, den Verlauf aller Geschichte in der einzigen starren Formel ausdrücken zu können, daß im Geschichtsverlauf immer Satz und Gegensatz, dann eine Ausgleichung der Gegensätze und endlich die Bildung neuer Gegensätze aufeinander folgten. Nach dieser Philosophie sollte also die Weltgeschichte ein immerwährender gleicher Fluß sein, und nur in ihrem Gesamtverlaufe sollte sich die Idee wessen Idee darf man nicht fragen! verkörpern dürfen. Innerhalb des Geschichtsverlaufs soll eine eigenartige unübersteigbare Wellenkrone nicht emporsteigen dürfen. Aber die Aufstellung dieser Theorie war ein Gewaltakt gegen die Wirklichkeit der Geschichte. Treffliche Worte gegen diese Neigung, die Weltgeschichte nach Ideen kommandieren zu wollen, hat auch Ed. Meyer in seiner bedeutenden Schrift „Zur Theorie und Methodik der Geschichte" (1902), S. 9. 26f. usw. geschrieben. Wenn aber die Behauptung vom bloß verhältnismäßigen Werte" aller Geschichtserscheinungen und ihrem immerwährenden Fluktuieren trotzdem einen nahezu faszinierenden Einfluß auf viele Geister unserer Tage ausübt, so hängt dies auch damit zusammen, daß dieses moderne Dogma ja auch mit dem blendenden Satze Lessings Zufällige Geschichtswahrheiten können der Beweis von notwendigen Vernunftwahrheiten nie werden" zusammengebracht werden kann, und daß dieses Dogma auch der Entwicklungstheorie, dem evolutionistischen Standpunkt weiter Kreise unserer Zeitgenossenschaft entspricht. Aber in alle Wege wird es die einzige richtige Methode der Geschichtsforschung bleiben, die geschichtliche Wirklichkeit aus den Quellen zu erheben und den Quellenbefund in seiner Eigenart auch seiner etwaigen überragenden Größe zu belassen. Möge man doch den Wirklichkeitssinn“, von dem in modernen Schriften ebenfalls soviel die Rede ist, auch inbezug auf den Tatbestand der Geschichtsquellenaussagen verwenden! Möge man sich doch ja vor dem Dogma hüten, daß Gewöhnlichkeit der Maßstab der Wirklichkeit sei! Wolle man sich doch, wie allerneuesten Veröffentlichungen auf dem Gebiete der Geschichte Israels gegenüber leider betont werden muß, fragen, ob man mit Anwendung eines solchen Maßstabes dem innersten Geiste, den zentralsten Triebkräften und der weltgeschichtlichen Gesamtstellung der Geschichte dieses Volkes gerecht werden kann!

"

[ocr errors]

Speziell über den erwähnten scheinbar so richtigen Satz Lessings von den angeblich zufälligen Geschichtswahrheiten" ist noch dies zu bemerken. Erstens sind die Geschichtswahrheiten, die aus den Aussagen der ersten Zeugen eines geschichtlichen Vorgangs sich ergeben, keine „zufälligen“. Sie sind es zunächst nicht in dem Sinne, in welchem dieses Wort jetzt gebraucht zu werden pflegt, d. h. ursachlose, sie sind aber sodann auch nicht in dem Sinne,,zufällig", in welchem Lessing es gemeint hat, wonach „Zufälliges" das genannt wurde, was in der philosophischen Ausdrucksweise auch,,aposteriorisch d. h. nachfolgend, Wirkungen betreffend" heißt. In diesem Lessingschen Sinne sollten nämlich alle geschichtlichen Ereignisse oder Gegenstände der Erfahrung, so sehr sie auch als Wirkungen von Ursachen anerkannt werden, doch als angeblich vereinzelte Geschehnisse für nebensächlich gegenüber angeblichen,,notwendigen Vernunftwahrheiten" angesehen werden, die man auf diesem Standpunkt dann ,,apriorische“ zu nennen beliebt, als wären sie von vornherein gegeben oder dem Menschen_angeboren. Ein so geringschätziges Urteil wurde von manchen Personen in gewissen Perioden der Philosophie über angeblich zufällige Geschichtswahrheiten" gefällt, weil in diesen Perioden Gegenstände der empirischen Erfahrung und so auch die geschichtlichen Ereignisse als minderwertig betrachtet wurden. Aber je vollständiger die allein richtige Auffassung des Begriffes Vernunft" zur Anerkennung gebracht wurde, wonach sie nur die höchste formale Fähigkeit und nicht die Besitzerin angeborener Ideen ist, desto mehr gelangte auch die Erkenntnis zum Siege, daß es,,notwendige Vernunftwahrheiten" nicht gibt. Denn z. B. auch die Wahrheit, daß zweimal zwei das Produkt,,vier" gibt, und so auch alle sogenannten mathematischen Axiome oder Grundannahmen sind aus der Erfahrung abgeleitet. Folglich können auch die aus den besten Quellen erhobenen Geschichtstatsachen nicht zugunsten angeblicher notwendiger Vernunftwahrheiten" in den Hintergrund gedrängt werden. Übrigens sind alle jene so leicht blendenden Sätze Lessings, die in den modernen Diskussionen so häufig verwendet werden, in meinem Schriftchen,,Die Religion unserer Klassiker, oder die Klassiker unserer Religion?" (1905 aus besonderem Anlaß geschrieben und bei Kielmann in Stuttgart erschienen), S. 32-46 diskutiert worden.

[ocr errors]

Was ferner die oben berührte evolutionistische Welt- und Geschichtsanschauung betrifft, die E. Haeckel hauptsächlich in seinen Büchern,,Die Welträtsel" (1899) und „Die Lebenswunder" (1904) vertritt, so will sie ja eingestandenermaßen (Die Lebenswunder, S. 92) eine Erneuernng der Philosophie Baruch Spinozas († 1677) sein. Dieser wollte nämlich als Grundlage des Weltganzen eine einheitliche Substanz voraussetzen (Ethica I, definitio 6). Aber bei diesem philosophischen Erklärungsversuch wird Bestandteilen der Welt, die nach der empirischen Forschung nicht geistbegabt sind, doch Geist zugeschrieben, und dem Geistlosen werden, um eine mechanisch-einheitliche (sogenannte monistische) Auffassung des Weltganzen herzustellen, Wirkungen zugemutet, die mit der Natur der geistlosen Materie in Widerspruch stehen. Denn um

dieses beides nur ganz kurz zu beweisen, so schreibt Haeckel der Zelle, also der allereinfachsten Grundlage der organischen Gebilde, ein Seelenleben zu, und er läßt den Korallen-Stock, demnach sogar ein unorganisches Gebilde, einen Teil des Mineralreichs, aus Personen zusammengesetzt sein, wie in _,,Die Lebenswunder" (1904, S. 168) in Sperrdruck verkündet ist. So will Haeckel seinerseits der Wirklichkeit zu Hilfe kommen. Will man dies aber, wie andere Vertreter des Materialismus, mit Recht nicht tun, so muß man, um vom materialistischen Standpunkt aus das Weltsystem erklärlich zu machen, der geistlosen Materie Wirkungen zuschreiben, die nach aller Erfahrung bloß von der Intelligenz geleistet werden können, wie z. B. die Herstellung des Gleichgewichts der Weltkörper, das Zusammenstimmen des pflanzlichen und tierischen Lebensbedürfnisses mit der Beschaffung von Kohlensäure und Sauerstoff, das Ineinandergreifen der Organe von Tieren und Menschen usw. usw., wie dies ebenfalls in „Die Religion unserer Klassiker usw.“ (S. 23—32) deshalb erörtert worden ist, weil Haeckel auch wieder in Die Lebenswunder" (1904) S. 353 u. 514f. sich auf Goethe als seinen Vorgänger berufen hatte.

Folglich können die althebräischen Geschichtsquellenaussagen auch durch diesen neueren Welterklärungsversuch ihres Wertes nicht beraubt werden.

§ 3. Frühere Hauptarbeiten zur Darstellung der Geschichte Israels und des Gottesreiches insbesondere.

1. Darstellungen von jüdischer Seite her.

Josephus, der vom Flavier Titus mit nach Rom genommen wurde und daher als dessen Freigelassener den Beinamen „Flavius" bekam, schrieb eine Ἰουδαϊκή Αρχαιολογία (Jüdische Altertumskunde) in 20 Büchern (beste Ausgabe von B. Niese). Sie erzählt vom Anfang aller Erdgeschichte bis zum 13. Jahr des Domitian, also bis 94 n. Chr., wo überdies Josephus selbst in seinem 56. Lebensjahr stand, wie er beides in den Antiquitates XX, 12, 1 ausdrücklich bemerkt. In der Schrift Περὶ τῆς ἀρχαιότητος τῶν Ἰουδαίων κατ' Απίωνος (Über das Alter der Juden gegen Apion; gewöhnlich mit contra Apionem" zitiert) verteidigte er die Zuverlässigkeit der israelitischen Überlieferung und die Gerechtigkeit der religionsgeschichtlichen Ansprüche seines Volkes gegen Apion, einen alexandrinischen Gelehrten, welcher der schon damals weit verbreiteten Befeindung der Juden in seinen Schriften einen pikanten Ausdruck gegeben hatte. Dies ersieht man aus den Anfangsworten dieser Schrift des Josephus: Da ich sehe, daß zahlreiche Personen auf die Schmähungen achten, die aus Übelwollen von gewissen Leuten ausgesprochen worden sind, und demjenigen mißtrauen, was über die Archäologie (das

[ocr errors]
[ocr errors]

jüdische Altertum) von mir geschrieben worden ist, und sich einen Beweis für die Jugend unserer Nation daraus herstellen, daß diese bei den Berühmtheiten unter den griechischen Geschichtsschreibern keiner Erwähnung gewürdigt worden ist: so habe ich im Interesse aller dieser eine kurze Darlegung (nämlich im Gegensatz zu seiner Archäologie) abfassen zu müssen gemeint." Was den Wert seiner Schriften anlangt, so hat er für die Darstellung der alten Zeiten vielfach den babylonischen Belspriester Berossos (um 280 v. Chr., vgl. Berosi Chaldaeorum historiae quae supersunt, ed. J. D. G. Richter, p. 5), den ägyptischen Historiker Máněthon (Mavεáv, ein Priester von Sebennytos um 270 v. Chr.) u. a. und insbesondere das AT nach dem Hebr. und Griech. (Adam Mez, die Bibel des Josephus 1895, 80) verwertet, aber andere israelitische Quellen hat er für die früheren Jahrhunderte nicht besessen (contra Ap. I, 8). Auch hat er der schon in der alttestamentlichen Chronika bemerkbaren (meine Einleitung 275) menschlichen Neigung, Zahlenangaben in bewundernder Betrachtung der Vorzeit zu steigern, im Anschluß an die Tradition seinen Tribut gezollt. Für die Darstellung der späteren und hauptsächlich der von ihm selbst erlebten Zeit, der auch noch seine ,,Sieben Bücher vom jüdischen Krieg" (De bello iudaico" 66-70 n. Chr.) gewidmet sind, ist er eine unersetzliche Quelle.

[ocr errors]

Insbesondere auch für die Chronologie kommen noch folgende Schriften in Betracht: das Séder 'olam rabba, d. h. Chronicon mundi maius, welches vom Anfange der Geschichte bis 132 n. Chr. erzählt und gewöhnlich, aber ohne sicheren Grund (Marx-Dalman, Traditio Rabbinorum veterrima, p. 39), dem Rabbi Jose ben Chilpeta, dem Lehrer Judas des Heiligen, zugeschrieben wird. Ferner das Séder olam zûța (oder zoța bei Dalman, Aramäisch-neuhebräisches WB. 1901, 118), d. h. Chronicon_mundi minus mag erst um 800 geschrieben sein. Beide sind von Joh. Meyer zu Amsterdam herausgegeben worden. Ferner in der ältesten hebr. Gammatik, den Diqdûqê ha-te amîm (edd. Baer et Strack 1879), p. 57-60 findet sich eine interessante Berechnung der Jahre, welche die meisten Bücher des AT umfassen (von mir in The Expository Times 1900, p. 229 f. übersetzt und erläutert). Von neueren jüdischen Darstellungen kommen hauptsächlich folgende drei in Betracht: H. Grätz, Gesch. der Juden, 4. Aufl., Abr. Geiger, Das Judentum und seine Geschichte, 2. Aufl. (1865) und Herzfeld, Gesch. des V. Israel von der Zerstörung des ersten Tempels bis zur Einsetzung des Makkabäers Simon, 3 Bde. 1847-67. Dazu kommen noch viele Artikel in Hamburgers Realencyklopädie für Bibel und Talmud, 2. Aufl. und in der Jewish Encyclopedia, 12 Bde. (Neuyork bei Funk & Wagnalls) 1901-1905.

2. Auf christlicher Seite widmete man, da die Geschichtserzählung ja im AT selbst vorliegt,

a) zuerst bloß der Chronologie ein besonderes Studium.

Mit der Chronologie der Bibel beschäftigte sich z. B. Klemens Alexandrinus, Zrowμatɛis 1, § 21 (herausgegeben und mit vielem andern Material verglichen von P. de Lagarde, Septuaginta-Studien 1892, 73-92). Vgl. auch Hippolyts Danielkommentar, ed. Ed. Bratke 1891, S. 19f. 26. Aber ein zusammenhängendes Werk über Chronologie schrieb zuerst Julius Africanus, der nach Suidas s. v. ein geborener Libyer war, aber dann zu Emmaûs in Palästina und zwar wahrscheinlich bis nach 240 p. Chr. lebte. Er schrieb Πέντε σπουδάσματα χρονογραφῶν ἐπ ̓ ἀκριβὲς πεπονημένα. Sie begannen mit der Schöpfung, gaben Tabellen über die alten Staatengeschichten und reichten bis zur 250. Olympiade, d. h. dem dritten Jahre des Kaisers Elagabal (219-222). Ein großer Teil des Inhalts ist durch Eusebius von Cäsarea aufbewahrt worden, indem er als eine Vorhalle seiner Kirchengeschichte auch Χρονικά συγγράμματα schrieb (Schoene, Eusebii Chronica 1866. 75). Vgl. auch die alte Chronik aus einem nordafrikanischen Manuskript bei de Lagarde (Septuaginta-Studien 2, 1-58) und die Zivoчis év éлiτóμg ins лakaiãs diɑdýxns ebenda S. 59-102. Sehr interessant sind auch die chronologischen Erörterungen Georgs des Arabers (vgl. darüber bei V. Ryssel in TSK 1883, 297f. 319f. 323f. 330f.). Die Zeitverhältnisse des AT wurden mit besonderem Fleiße erörtert von Joseph Scaliger zu Leyden, der 1583 De emendatione temporum" schrieb. An ihn schloß sich Seth Calvisius in Leipzig in seinem Opus chronologicum (1605 u. ö.) an. Nach seiner Berechnung pflegen ja die Jahre der Welt" in den Kalendern angegeben zu werden, wie z. B. das Jahr 5856 seit der Weltschöpfung nach Calvisius das Jahr 1907 der Aera Dionysiaca ist. Der Franzose Denis Petau (Petavius) und der Engländer Usher und andere folgten ihm, aber hier braucht nur noch auf F. K. Ginzels Handbuch der mathematischen und technischen Chronologie hingewiesen zu werden: 1. Bd.: die Zeitrechnung der Babylonier usw. (1906).

b) Aber die Christenheit fühlte doch bald auch das Bedürfnis, die Ereignisse der Gottesreichsgeschichte nach ihrer Sicherheit und inneren Harmonie sowie ihrem Konnex mit der Profangeschichte darzustellen. Deshalb schrieb schon Eusebius von Cäsarea († 340) seine ПIρолαрaonεvñs ßißria TEVTEXαidExα (Praeparatio evangelica"), ein uns noch erhaltenes reichhaltiges Werk über die Vorgeschichte des Momentes, wo die frohe Botschaft von der Begründung des wahren Gottesreiches erscholl (herausgegeben z. B. von Heinichen mit reichem Kommentar, oder von Dindorf in der Bibliotheca Teubneriana). Seine Nachfolger waren in der alten Kirche Sulpicius Severus mit seiner Historia Sacra" (um 400),

[ocr errors]
[ocr errors]
« ¡è͹˹éÒ´Óà¹Ô¹¡ÒõèÍ
 »