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willen zu verlassen und verlegte seinen Wohnsiß nach der Stadt St. Gallen. Von nun an hörte er auf, der appenzellischen Gerichtsbarkeit unterworfen zu sein, deren Gebiet er verlassen. Nur im Sommer besuchte er seine Güter und Befißungen zu Trogen. Das Gebirg, voll jugendlicher Erinnerungen und Gewohnheiten, wie er war, blieb ihm immer theuer.

So gedachte er bei vorgerücktem Alter des unver fümmerten Daseins im häuslichen Zirkel, fern von jeder fremden Berührung, zu genießen. Von seinen vier Söhnen besorgen die ältern die Landwirthschaft, die jüngern ligen ihrer Erziehung ob. Seine einzige Tochter, von Kindheit an schwachen Körpers und fränflicher Art, mit einem reizbaren Nervensystem begabt, dabei düstern, fast melancholischen Sinnes, wich selten von der Seite der Mutter, einer geschäß. ten, ehrenwerthen Frau. Nicht ohne Besorgnisse nahmen die Eltern ihr stetes Streben nach Heirath wahr und einen Hang zur Schwärmerei, der ihrem Alter nicht natürlich schien.

Um diese Zeit (im Jahr 1812) trat eine gewisse Friederike Obert, aus Durlach im Großherzogthum Baden, eine Wittwe, die durch Unglück gedrückt schien, in den Dienst des Hauses. Sie verrieth nicht gemeine Menschenkenntniß und führte eine geläufige Zunge. Ihr Karakter trug das Gepräge seltener Arglist und Verschmißtheit. Wegen Untreue und Trunkenheit ward ihr der Abschied ertheilt. Unver muthet kam dieselbe in das benachbarte Haus des Kaufmanns Michael Tobler, batte aber auch da kein Bleiben; lebte dann bald für sich, bald in andern Diensten, durch Kniffe und prellerische Künste

berüchtigt, aus der Gemeinde Speicher durch die Polizei fortgeschafft.

Dieses Weib wußte mit der Tochter der Familie Zellweger fortwährend ähere Bekanntschaft zu unterhalten. Zu Intriguen abgefeimt, fand sie bald die schwache Seite des unerfahrnen Mädchens, und bot sich unter dem Scheine der Freundschaft als Unterhändlerin für geheime Liebschaften und Heirathsprojekte an, die sie fein einzuleiten verstand.

Die Eltern, als sie von mehren Heirathsentwürfen der Tochter vernahmen, mußten ihr pflichtmäßig ab rathen; keiner eignete sich für ihre Verhältnisse. Darum wähnte sie, man mißgönne ihr eine Verbindung, und schloß sich enger an die Verführerin, vor allfälligen Entdeckungen des Vaters bangend. Sie zu beschwichtigen, verhieß die Obert es auf sich zu nehmen, seinen Widerstand zu brechen, wenn sie sich ihrer Leitung, unbedingt " anvertrauen wolle. Immer mehr ihren Raub umstrickend, strebte die Verführerin, durch geheimnißvolle Warnungen das Kind ganz vom Vater abzuziehen, und erzählte, wie dieser ihr nachgestellt hätte, und wie sie selbst Gefahr laufe, ein Opfer seiner Begierden zu werden. Die Seite des Gewissens ward angeregt, und unter andern Hirn gespinnsten rieth fie bald zur Flucht, bald zum Verschließen der Kammerthür, die Unschuld zu bewahren. So vorbereitend, begann die Obert mit der in Träumereien Gewiegten einen verstohlnen Brief. wechsel, worin sie dieselbe veranlaßte, auf die ihr eingeflößten Besorgnisse und unterlegten mysteriösen Phrasen, in dem angesponnenen Tone zu antworten.

Schlau befahl die Unterhändlerin, „daß die junge

Person alle zu empfangende Briefe vertilge, wie auch sie hinwieder ihre Schreiben vernichten würde.“ Während den Sommermonaten` Juli und August 1817, dauerte diese Korrespondenz ununterbrochen, als das Mädchen eben eine Kur zu Trogen brauchte, und mehr als je mit hysterischen Leiden kämpfte. Den Oberst und seine Frau, denen alles das unbekannt war, befremdete das sonderbare Betragen ihres Kindes. Seine Verschlagenheit und Verschlossenheit des Gemüths, sein stilles Weinen fiel eben so sehr auf, als die sonderbare Beflissenheit, sich einzusperren und die Thüren des Schlafgemachs (das unmittelbar an das Gemach der Eltern stieß) bet Tag und Nacht zu verriegeln. Die eigenthümliche Beschaffenheit der schleichenden Krankheit entschuldigte jedoch das Räth. felhafte der Sache, und man hoffte mit der Wiedergenesung auch Erbeiterung des Gemüths.

Im Herbst 1817 erholte sich das Mädchen, und mit gestärkter Gesundheit kehrte die Heiterkeit des Verstandes zurück. Ihr erster Entschluß war, mit der Obert abzubrechen und sich von ihr los zu machen. Kaum bemerkte diese die Sinnesänderung, als sie fich spröde benahm und drohend äusserte: „daß die frühere Korrespondenz nicht vertilgt wäre." In trüber Ahnung eines Mißbrauchs, schmerzlich getäuscht, bat die junge Zellweger um ihre Briefe. Hohnlächelnd wieß die Betrügerin auf einen verschlossenen Kasten, der sie enthielt, und meinte: „die Briefe seien und blieben da wohl verwahrt."

Voll der bittersten Beklemmung fann die Ver höhnte auf Mittel und Wege, die ihr unter der Maske der Freundschaft abgeschwaßten Papiere wieder zu er

halten. Aber sie durfte sich niemand vertrauen, der mit Kraft handeln konnte; sie fürchtete den Zorn ihrer Eltern. Ohne Freund, ohne Hilfe, verschloß sie ihr Geheimniß in die eigene Brust. Großsprechend äusferte nun die Obert gegen Vertraute: „sie habe Briefe von der jungen Zellweger, wichtigen Inhalts, die ihr einst Nußen bringen dürften." In der Folge reiste sie in ihr Vaterland zurück.

Bald nach diesen Ereignissen, im Frühling 1818, bewarb sich der Sohn des Kaufmanns Michael Tob. ler, zu Trogen, beim Oberst Zellweger um die Hand seiner Tochter. Unter verschiedenen Heirathsplänen hatte die Obert auch diesen bearbeitet.

Nach kurzer Bekanntschaft ward die Ehe richtig. Der junge Tobler, ohne Vermögen, bildete sich un. gemessene Erwartungen über einen reichen Brautschaß, der ihn zum großen Herrn machen sollte.

Die bürgerliche Aussteuer entsprach seinen hoch. fliegenden Spekulationen nicht. Von dem Tage, wo er davon sich überzeugte, ließ er die Gattin das ganze Gewicht seiner Rohheit fühlen. Sie war ihm gewogen, als sie ihm die Hand gab; ihre Liebe schwächten selbst seine Unbilden nicht. Keine Duldung, keine Langmuth war ihr zu groß, ihn zu gewinnen. Litt die Unglückliche viel unter den unverschuldeten Mißhandlungen ihres Mannes, so litt sie noch weit mehr und namenlos unter dem Drucke ihrer Schwiegermutter. Die alte Frau trieb die Arme, durch plan. mäßige Sucht sie zu kränken, und eine angeborne Eust an Blackerei, ihrer zweiten Natur, bis zur Verzweiflung.

Mochte die junge Gemahlin den harten Gram über

die gehäuften Beleidigungen auch noch so sorgfältig verschweigen, fie offenbarten sich auf dem Gesichte, und ihre Gesundheit welkte zusehends.

Fremde Leute, Nachbarn, trugen Erbarmen und machten die Eltern auf ihren Zustand aufmerksam. Sie antwortete schonend, als man sie fragte; sie wollte nicht flagen, um nicht die leßte Hoffnung zu zerstören. Es kam zu Erklärungen gegen den Schwiegersohn; umsonst. Länger durften die Zellweger ihr Kind der verzehrenden Marter nicht Preis geben, ohne sich den Vorwurf aufzubürden, zu seinem unvermeidlichen Verderben still geschwiegen zu haben. Sie nahmen die Tochter zurück. Von Seite der Tob ler fümmerte man sich wenig darum; kein Schritt zur Aussöhnung geschah; beißender Spott begleitete den Abschied der Schwiegertochter. Mit blutendem Herzen fehrte sie, nach einer kurzen Verbindung von faum vier Monaten, in das väterliche Haus zurück. Das ruhige Bewußtsein, die Treue, die Pflicht, die fie am Altar geschworen, redlich erfüllt zu haben, gab ihr Kraft, ein so unverdientes Schicksal zu tragen.

Nun forderte der Oberst die Mitgift zurück. Tobler, der Vater, verbieß die Zurückerstattung binnen acht Tagen, brach aber sogleich sein Wort und erklärte sich, bis zum Ausgang der Sache warten zu wollen.

Während diesen Umständen erhielt die Tochter des Oberst Zellweger, ohne alle Veranlassung ein Schrei ben der Friederike Obert, voll glatter Worte und Beglückwünschungen zu ihrer Verbindung mit Tobler, zu welcher sie mitgewirkt haben wollte, und darum in vielerlei Unkosten gerathen sei. Gegen Ersaß einer

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