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Martin Luther.

Sein Leben und Wirken;

geschildert

von

Dr. Christian Franz Gottl. Stang,

Pfarrer in Siglingen.

Mit sieben Stahlst ichen.

Stuttgart:

Literatur Comptoir.

1858.

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as Leben und Wirken des großen Mannes, dessen Gedächtniß zu ers neuern sich die vorliegende Darstellung zum Ziele gesezt hat, war von so mächtigem und entscheidendem Einfluß auf das religiös-sittliche, wissenschaftliche und gesellschaftliche Leben der Menschheit, daß ihm die Bewuns derung aller vorurtheilsfreien, für Wehrheit und Recht begeisterten Sterblichen gesichert bleibt. Aus diesem Grunde darf Jeder, der sein Nachdenken diesem Gegenstande zuwendet, nicht allein auf eigene volle Befries digang zählen, sondern auch auf die ungetheilte Aufmerksamkeit der Mitwelt rechnen, wofern er es versteht, fest und sicher in den Mittelpunkt hineinzutreten und von demselben die Lichtstrahlen, welche ihn ungeben, in ihrer eigenthümlichen Reinheit nach ihren verschiedenen Richtungen ausströmen zu lassen.

Aber dieß ist freilich eine große, schwierige Aufgabe, wozu nicht gewöhnlicher Muth und nicht geringe Kraft erfordert werden, denn er muß nach Vorstellung und Empfindung eins mit dem Gegenstande werden, den er schildert. Ob der Verfasser hiezu Beruf und Weihe gehabt habe, darüber steht ihm naturlich die Entscheidung nicht zu; er kann und will zu seiner Rechtfertigung nur sagen, daß zum innern Drang Aufforderuus gen von außen gekommen sind, die seine gerechten Bedenklichkeiten gehos ben und den Ausschlag gegeben haben. Mit größerm Rechte dagegen glaubt er, behaupten zu dürfen, daß er von Anfang bis zu Ende darnach gerungen hat, troß der vielen von ihm benußten fremden Quellen und Bearbeitungen ersten and zweiten Rangs aus alter und neuer Zeit, des ren Nachweisung sich im Werke selbst findet, den selbstständig entworfenen Plan nie allzuweit sich aus den Augen rücken zu lassen und die Empfindungen der Ehrfurcht und Bewunderung den Manen eines Mannes zu bewahren, dessen Name, wenn er gleich zu allen Zeiten, auch der unferen, durch Ehre und Schande, durch gute und böse Gerüchte aller Art gehen mußte, dennoch in der Hauptsache so herrlich strahlt, daß alle Veruns glimpfungen nur auf denjenigen zurückfallen, der sie wagt.

Es lag nicht in der Absicht des Verfassers, Dinge ins Andenken zu rufen, die als bloße Persönlichkeiten jest nichts mehr frommen, weswegen Manches gemildert oder weggelassen wurde, was in diesen Kreis gehört; aber was die Sache selbst, d. i. die Charakteristik des Mannes und seiz ner Zeit mit ihren Gebrechen, an deren Nachwehen unsere Zeit noch im mer leidet, betrifft, das durfte nicht verschleiert werden. Freilich muß auch jest wie damals die Entschiedenheit der Sprache, die den Schein des Doppelsinnes und der Anbequemung verschmähte, dazu dienen, Luther bald

zu einem Schmeichler oder Feind der Fürsten, bald zu einem Freund oder Feind des Volkes zu stempeln, allein der Unbefangene wird bald erkennen, daß in ihm nur Ein leitendes Princip vorherrschend war die Wahrs heit, und daß die Liebe zu ihr auch da unverkennbar hervorleuchtete, er irrte.

wo

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Eine weitere Absicht ging dahin, nicht sowohl die Thatsachen und die aus ihnen hervorgegangenen zwar großen, aber längst bekannten Res faltate in ihrem ganzen Umfange zu beleuchten, als vielmehr einen ties fern Blick in das Geistes- und Gemüthsleben des großen Mannes thun zu lassen. Daher kam es auch, daß man Luther oft mit größerer Auss führlichkeit sprechen ließ, deun die Nachwelt sollte nicht blos erfahren, was, sondern wie und in welchem Zusammenhang er geredet habe, da an fragmentarischen Berichten eine zahllose Menge vorhanden ist. Die vielen Aufhellungen chronologischer Standpuncte, welche dieses Werk zur Berichtigung Anderer gibt, werden, wie man hofft, nicht übersehen werden. Und nun, lieber Leser! hast du eine kurze Rechenschaft über das Ents stehen dieser Schrift, so wie über die in derselben vorherrschenden Grundfäße.

Ich hätte freilich irgend einen in der gelehrten Welt bedeutenden Mann oder geistesverwandten Freund ersuchen können, eine Vorrede zu dem vorliegenden Werke oder eine Empfehlung desselben in anderer Form zu schreiben, allein was Jene betrifft, so erscheint es immer als eine kleine Indiscretion; zudem ist es eine eigene Sache, Anderer Geistesgeburten ins Daseyu einzuführen, da man sie doch nicht liebt wie eigene Kinder, noch sie schelten will wie - fremde.

Was aber die gelehrten Freunde anlangt, die anonym sich hören laffen sollen, so kommt neben dem bereits Erwähnten noch häufig hinzu, daß sie entweder zu bequem sind und den armen, selbst ungeduldigen und unter fremder Ungeduld leidenden Verfasser durch Zaudern oft auf harte Proben stellen, oder daß sie im Drange des Wohlwollens mehr sagen, als ihre Ueberzeugung mit sich bringt, oder daß man eine geheime Vers schwörung zwischen ihnen und dem Verfasser auf Kosten eines Dritten wittert. Und auf diese Weise gewinnt das liebe Publikum nichts dabei, selbst wenn es auch Vorreden liest, was ich nicht so allgemein behaupten möchte.

Nimm also, lieber Leser, mit dem Verfasser selbst vorlieb! Taugt sein Werk etwas, so wirst du ihm seine Vorrede zu gut halten, sey fie, wie sie wolle; ist aber sein Werk nicht nach deinem Sinn, nun so wird ein fremdes Vorwort es auch nicht höher in deinen Augen heben, selbst wenn ein Stern erster Größe gleich dem heurigen Kometen seinen Glanz darüber ausgegossen hätte.

Siglingen, am 24. Julius 1835.

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