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Luther's Leben und Wirken.

Erstes Buch.

Erstes Kapitel.

Trauriger Zustand der Christenheit am Ende des fünfzehnten und zu Anfange des sechszehnten Jahrhunderts.

Der Anblick des großen Kampfes zwischen Licht und Finsterniß, der sich seit der Entste hung des Menschengeschlechts über die ganze Erde hinzieht und in den sich jeder einzelne Sterbliche verwickelt sieht, hat für denjenigen, der an eine höhere Weltordnung glaubt, so wenig etwas Anstößiges, daß er ihn vielmehr als eine Wohlthat erkennt und segnet. Er erscheint ihm als das Lebenselement des Geis stes, aus welchem seine Entwicklung reift. Gleichwie ihn nun die Gottheit zu diesem weifen Zwecke zugelassen hat, also hält sie auch ju allen Zeiten die Mittel bereit, mit deren Hülfe er siegreich bestanden werden kann. Sie sind nicht diejenigen, welche in der Menschen brust selber liegen Bernunft und Freiheit, denn auch der Heide freut sich ihres Besitzes, und doch belehrt uns ein Blick in die Schrift auf die Vorwelt und auf die lebende Mitweit jur Genüge, wie wenig sie ausreichen, wenn sich's um die Bewahrung der höchsten Interes sen der Menschheit handelt. Auch ist es das in stehende Schrift verfaßte und der Mensch heit zum Gebrauche bargebotene Wort nicht allein, denn wie hätte sonst je in der Christenheit eine Störung, oder gar ein Rückfall in Bahn, Aberglauben und Ruchlosigkeit auf eine solche Weise erfølgen können, wie so man

che Jahrhunderte davon traurige Belege lies fern? Nein, er ist der allstets wirksame Gottesgeist, der über der Menschheit schützend schwebt und den von der Macht der Finsterniß gestörten Einklang zwischen dem menschlichen Herzen und zwischen dem göttlichen Wort und Recht zu vermitteln rastlos sich bemüht. Ist nun die rechte Zeit und Stunde erschienen, welche die Gottheit ausersehen hat, um den Gang der Dinge, den Unvernunft und Leidenschaft, oder berechnende Arglist und Selbstsucht verkehrt haben, wieder zum Heile der Welt zu ordnen und die Sterblichen auf ihre Bahn, d. i. die Bahn der Wahrheit und des Rechts, zurückzuleiten, dann wählt sie nicht selten die Vollstrecker ihres Willens da, wo die Menschen ohne Ahnung oder mit stolzem Blicke vorübergingen. Unscheinbar sind die Anfänge und gering die Mittel, aber sicher das Ziel, denn gewaltig ist die Hand, welche sie lenkt, und unversehens entfalten sich die staunenswerthes sten Erfolge vor dem überraschten Auge des Menschen. Vom Hauche des Gottesgeistes angeweht, treten Männer aus dunkler Ver borgenheit, in der sie in treuer Entwicklung ihrer Kräfte, wenn gleich ohne Ahnung des ihnen vom Himmel bestimmten Berufes, leb ten, auf den Schauplah des Wirkens, vor deren überwiegender Größe sich bewundernd die Menge beugt. Je höher der Grad ist, den Berwirrung und Noth erreicht haben, desto schneller wächst das Vertrauen, und desto ungetheilter ist die Hingebung.

Eine solche Anerkennung wurde nun auch von der Vorsehung demjenigen Manne bereitet, deffen Bild wir uns jetzt im treuen Spiegel seiner Lehren und Thaten vergegenwärtigen

wollen. Und es war hohe Zeit, daß Hülfe kam, denn wann kann es schlimmer um die Angelegenheiten der Menschheit stehen, als wenn diejenigen, welche Gott zu Hütern und Bewahrern seiner Ordnung eingesetzt hat, frech an derselben freveln und sie ihrer Selbstsucht, Ueppigkeit und ihrem Ehrgeiz zum Opfer brins gen? Die Päpste, welche sich Stellvertreter Gottes nannten und alle Rechte, welche ein solcher Mann in sich begreift, mit gewaltiger Faust festhielten, hatten längst aufgehört, die Ehre Gottes auf Erden und die Ausbreitung seines Reichs zum Ziel ihres Strebens zu machen. Sie scheueten sich nicht, im Gefühle der Ueberlegenheit, welche ihnen der Aberglaube eingeräumt hatte, ihre Geringschätzung gegen Alles, was der Menschheit heilig seyn soll, öffentlich zur Schau zu tragen und sich den gröbsten Ausschweisungen und Lastern hinzugeben.

Bom Jahre 1492 an regierte Papst Alerander VI., aus dem Hause Borgia, von dem gleichzeitige Geschichtschreiber die schändlichsten Dinge berichten; namentlich bezeichnen sie ihn als einen frechen Gottesläugner, als einen grausamen, arglistigen Wütherich, der einem Caligula, Nero und anderen Ungeheuern unter den Kaisern des alten Roms an die Seite gestellt zu werden verdiene, und als einen so schamlosen Verächter des Wohlstandes und der Zucht, daß er sich nicht gescheut habe, die Baterschaft von fünf Kindern ganz offen zur Schau zu tragen, und bei der Vermählung einer seiner Töchter, Lucretia, sogar im Ba tican öffentliche Spiele zu veranstalten ").

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Als er im Jahr 1503 unvermuthet, wie Einige meinen, an Gift, das er Anderen gemischt hatte, hinweggerafft wurde, folgte ihm Pius III., dessen besseren Grundsätze von keinem Einfluß waren, da er schon nach 26 Tagen starb. Ehe nun die Cardinäle eine neue Wahl trafen, vereinigten sie sich eidlich über gewisse Maßregeln, namentlich, daß der neue Papst innerhalb zweier Jahre ein allgemeines Concilium zur Reformation der Kirche einberufen solle. Das erwählte Oberhaupt der Kirche mußte diesen Eid gleichfalls mit dem

*) Der Ceremonienmeister dieses Papsts, Johann Burchard, berichtet in seiner geheimen Geschichte solche Abscheulichkeiten von ihm, daß sie sich nicht einmal nacherzählen lassen. Und ein Anderer, sein Hofdichter, Jakob Sannazar, fagt gleichfalls, die Scham verbiete, Alles von ihm namhaft zu machen, und man könne ihm mit Recht die Grabschrift sehen: Hier liegt das Bubenstück und das Laster! Bergl. Geschichte Europas von Fr. v. Raumer Bd. 1. S. 31 f.

Beifahe schwören, daß er, wenn dieses Versprechen von ihm unerfüllt bliebe, des Meineids und Banns schuldig sey, sich auch das von weder selbst lossprechen, noch Jemand, ihn desselben zu entbinden, gestatten wolle, so wahr ihm Gött helfe und sein heiliges Evangelium.

Unter folchen Bedingungen wurde nun der Cardinal Julian von Novera gewählt, der unter dem Namen Julius II. den päpstlichen Stuhl bestieg, aber denselben durch seine Wort: brüchigkeit und Wildheit, seinen Uebermuth und seine Sucht, Kriege zu führen und an der Spize seines Heers zu ziehen, so schnell befleckte, daß der König von Frankreich, Ludwig XII., ihm den Untergang schwur, und eine Münze mit der Inschrift: „ich werde Babylon vernichten," auf ihn schlagen ließ. Auch die Kirchenversammlung, welche einige römische Cardinäle im Vertrauen auf die Unterstüßung des deutschen Kaisers Maximilian I. *) nach Pisa im Jahre 1511 ausgeschrieben hatten, erklärte sich feierlich gegen ihn und sein verderbliches Beispiel, indem er durch seine Gewaltthätigkeit und Kriegslust die ganze Belt verwirret. Nach einigen, am genannten Orte gehaltenen Sitzungen, begab sich die Kirs chenversammlung nach Mailand, lud den Papst dahin vor und sehte ihn ab, da er nicht erschien. Als Gründe dieser Absehung, welche den 21. April 1512 ausgesprochen wurde, gab die Synode folgende an: Der Papst sey ein Feind des Friedens, erwecke zwischen christlichen Fürsten nichts, als Zwietracht und Blutver gießen, streue unter das Volk Gottes den Saamen der Uneinigkeit und jegliches Un kraut aus und zeige sich überhaupt in allen seinen gräulichen, unabläßigen und offenbaren Lastern und Verbrechen durchaus unverbesserlich, verhärtet und verstockt. Allein ihre Beschlüsse blieben ohne Kraft, da sich der Kaiser Marimilian inzwischen mit dem Papst ausgeföhnt und überhaupt nur Bischöfe aus Frankreich die Kirchenversammlung gebildet hatten. Julius II. sette ihr eine andere in der Laterankirche zu Rom entgegen, welche jedoch eben so wenig sich den Titel einer allgemeinen geben konnte, indem sich meist nur italienische Bischöfe auf derselben einfanden. Sie richtete sich, wie man zum voraus erwarten konnte, ganz nach dem Willen des

*) Diesem Kaiser war die tiefe Entartung des Papst, thums so klar und so sehr zum Abscheu geworden, daß er sich ernstlich mit dem Gedanken trug, demselben ein Ende zu machen.

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Vapses, verdammte die zu Pisa gefaßten Be- | welcher das Predigen von der Erscheinung schlüsse und erließ unter Zustimmung der | des Antichrists verboten wurde, weil man zu kaiserlichen Gesandten scharfe Beschlüsse gegen | Rom wohl wußte, wohin solche Predigten Frankreich. Allein schon nach der fünften zielen. Sigung starb Papst Julius, unter deffen Ein flusse sle stand, und sein Nachfolger Leo X. aus dem staatsklugen Hause der Medici erachtete es für zweckdienlich, von dem eingeschlagenen Bege abzulenken und solche Maaßregeln zu nehmen, daß sich selbst Ludwig XII. damit ein verstanden erklärte und den Beschlüssen, die nach einer Bertagung in den folgenden sechs Sigungen gefaßt wurden, förmlich beitrat. Auch diese Kirchenversammlung nahm ein Ende, wie so manche vor ihr. Man blieb bei Kleis nigkeiten stehen und von Abschaffung der gegründeten Beschwerden war keine Rede. Leo X. hatte zwar nicht dieselben Fehler, wie sein Vorgänger, vielmehr war er von sanfter Ge: müthsart und ein Freund der Gelehrsamkeit | und Kunst, aber seine Prachtliebe und Ueppigs keit kannten keine Grenzen. Er war schon in früher Jugend Cardinal geworden und hatte sich dann so sehr in den Strudel der sinnlichen Bergnügungen hineingeworfen, daß der religiöse Sinn bereits in ihm erstorben war, als er zur Würde des höchsten Kirchenfürsten erhoben wurde. Um die erschöpfte | päpstliche Schazkammer wieder zu füllen und | feinen Hang nach Sinnengenuß ungestört zu befriedigen, erlaubte er sich jedes Mittel, das zum Zwecke führte. Statt der vielen Belege, die uns zu Gebot ständen, führen wir hier nur den einzigen an, daß er einst auf Einen Tag 31 Cardinale und unter diesen einen Knas | ben von acht Jahren ernannte. Einem so gewiffenlosen, schwelgerischen und der ernsten Seite seines Amts so abholden Papste kam es natürlich nicht in den Sinn, die Gebrechen der Kirche genau zu erforschen und zu heilen; vielmehr war er eifrig darauf bedacht, die unter seinem Vorgänger von Seite Frank reichs eingeleiteten, dem Papstthum ungünstigen Verhandlungen und Beschlüsse zu hir tertreiben. War es ein Bunder, wenn ends lich Biele zwischen dem der Entwicklung fo günstigen Evangelium und zwischen dem gegen diefelbe so feindseligen Papsthum Berglei chungen anstellten und die Ueberzeugung ge wannen, der Contrast sey nicht geringer, als zwischen Licht und Finsterniß, auch diese Ans sicht laut äußerten. Noch ehe der von Luther angeregte Sturm über dem Haupte des Papstes sich entlub, nämlich im Jahre 1516, fand fidh das Oberhaupt der Kirche gedrungen, eine eigene Bulle ausgehen zu lassen, in

Daß unter solchen Oberhäuptern der Kirche die denselben untergeordnete Geißtlichkeit nach und nach ganz aus den Schranken der Zucht und Ordnung wich und das verderbliche Beispiel von oben herab nach allen Theilen nachahmte, läßt sich leicht denken. Die Bischöfe mit ihren Domherren sehten die Pflichten ih res Berufs größtentheils schnöde hintan, schwelgten in allen erdenklichen Sinnengenüs sen, erlaubten sich gegen ihre Unterthanen die härtesten Erpressungen, plünderten ohne Scham und Scheu die frommen Stiftungen der Vorfahren, und hielten den gegründetsten Klagen Troß und Uebermuth entgegen. Bereits war es so weit gekommen, daß nicht bloß die Ge: bildeten, sondern sogar das gemeine Volk auf die Priester mit Berachtung blickten, und sich öffentlich theils in Spott, theils in Klagen über ihre Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Ueppigkeit und zügellose Sitten ergoffen. Allein wie viele Feinde des Lichts standen ihnen gegenüber, emsig bemüht, den geweckten Funken schnell wieder in den Gemüthern zu ersticken. Das Volk stand ganz unter der Leitung von Geistlichen, die ihre Rechnung dabei fanden, wenn Wahn und Aberglauben sich in ihrer alten Herrschaft behaupteten, und denen noch dazu die reine Quelle himmlischer Erkenntniß selbst verborgen geblieben war. Wenn nach so elender Vorbildung in einzelnen Lehrern ein edlerer Trieb erwachte, wie schwer war es, denselben zu befriedigen, bei gänzlichem Mangel an Hülfsmitteln und äußerer Aufmunterung! Wie bald verbumpfte der Geist unter dem gedankenlosen Ableiern der Messen und Litaneien und dem ganzen mechanischen Gottesdienste, der bald seinen Eindruck auf die Sinne und das Gefühl verlor, während er den Geist von Anfang an leer ließ!

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Mit den Weltgeistlichen wetteiferte in Ge ringschätzung der Wissenschaften und in Nichtswürdigkeit der Grundsätze und Sitten das zahllose Heer der Ordensgeistlichen, eine wahre Landplage der damaligen Beit. 3war verdienen die Benedictiner in gewissem Sinn eine Ausnahme; sie thaten in ihren Klösteru Manches für die Erhaltung der Wissenschaften und bei ihnen war noch gelehrtes Forschen und redliches Streben zu finden, die Quelle des Wissens wenigstens sich offen zu erhalten, allein daneben legten sie sich über die Gebühr auf Erwerb von Grundeigenthum, häuften Reich

thümer und Schäße zusammen, und versanken | mäßig erhoben, daß man zweifeln möchte, ob

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es Scherz oder Ernst gewesen sey *).

Seine Regeln waren denen des Dominikanerordens ähnlich, denn auch sie mußten sich zur größten Armuth, Enthaltsamkeit und Keuschheit verpflichten, die tiefste Demuth und Selbstverachtung an den Tag legen und ihren Oberen unbedingten Gehorsam leisten. Diese beiden Orden standen aber nicht lange friedlich neben einander, vielmehr entbrannten sie in gegenseitiger Eifersucht und gaben durch ihre steten Händel und Streitigkeiten großes Aergerniß. Wenn gleich die Franziskaner von den Päpsten gleichfalls bedeutende Privilegien erhalten hatten, so blieben sie doch hinter den Dominikanern zurück; auch bewiesen sie sich nicht so unterwürfig gegen die Päpste, sondern traten oft in gewaltige Opposition gegen sie. Unter dem Volke verschafften sich übri

in Ueppigkeit und Laster aller Art. schlimmer dagegen stand es bei den Bettels mönchen, namentlich bei den Dominikanern und Franziskanern, welche sich gar keine Mühe gaben, die Achtung ihrer Zeitgenossen zu verbienen, vielmehr sich bei allen nachdenkenden und rechtlich gesinnten Menschen durch ihre Unwissenheit und Aberglauben lächerlich, so wie durch ihre Rohheit, Schamlosigkeit und Nichtswürdigkeit der Sitten verächtlich machs ten. In ihren Augen waren Männer, welche Sinn für Wissenschaften und Aufklärung verriethen, ein Reuchlin, Erasmus und Andere fluchwürdige Keher, die mit Feuer und Schwert verfolgt zu werden verdienten, und ihre Be strebungen, die heiligen Schriften aufzuhellen und dem Volke zugänglich zu machen, Sünden wider den heiligen Geist. Doch um so beffer paßten Menschen dieser Art zu Werkzeugen ingens die Franziskaner darum größern Eingang, den Händen selbstfüchtiger, eigennütziger und gewaltthätiger Bischöfe. Den Vorrang unter den Mönchsorden behaupteten in damaliger Zeit die Dominikaner, von dem Spanier Do | minikus Guzmann im Jahre 1215 ins Leben gerufen. Ihr ursprünglicher Zweck war Ausrottung der Keßerei und Befestigung der Rechts glaubigkeit. Die vielen Privilegien, welche der Papst Honorius im folgenden Jahre zu seiner Bestätigung hinzufügte, waren die Urs fache, daß der Orden sich sehr schnell ausbreitete und alle anderen weit überflügelte. Sur Befestigung seines Ansehens diente namentlich auch der Umstand, daß ihm das Inquisitions: gericht übertragen wurde, ein Recht, dessen er sich bald ohne alle Schonung bediente. Zu dem bekleidete stets ein Dominikaner das wich: tige Amt eines Haushofmeisters im päpstlichen Palaste zu Rom, wobei es ihm natürlich leicht wurde, bei dem Oberhaupte der Christenheit bedeutenden Einfluß zu gewinnen. Was diesen Mönchen an Gelehrsamkeit und wissen. schaftlicher Bildung abging, das ersetzten sie durch Gewaltthätigkeit, Arglist und Gauke feien aller Art, und lange glückte ihnen das verderbliche Spiel, da sie nicht bloß in der Gunst der Päpste fest standen, sondern auch fast an allen Höfen sich in das Amt der Beichtväter eingedrängt hatten. Bu gleicher Beit war auch der Orden der Franziskaner ins Daseyn (im Jahr 1210) getreten, gestiftet von einem Bettelmönch, Franz von Assisi, einem Manne von der größten Einfalt, aber ange steckt von der glühendsten Schwärmerei, den seine Anhänger im Laufe der Zeiten so uns

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weil sie die Jungfrau Maria höher ehrten, indem sie mit Bonaventura und Duns Scotus die unbefleckte Empfängniß derselben lehrten, während die Dominikaner mit Thomas von Aquino annahmen, sie sey in Erbsünde gebo ren. Nach und nach ging alle Gewalt auf diese beiden Orden über. Was half es, daß die Päpste verordneten, die Bettelmönche sollten sich keine Eingriffe in die Befugnisse der Ortsgeistlichen erlauben? Gleich Schlingpflan zen ergriffen sie Alles, was in ihren Bereich kam, und bei dem ihnen zustehenden Rechte, Beichte zu hören, war es ihnen leicht, ihr Ansehen immer mehr zu verstärken und in alle Familiengeheimnisse einzudringen. Die vielfachen Klagen, welche gegen sie erhoben wurden, veranlaßten zwar den Papst Innocenz VI. im Jahre 1243 und in den folgenden,

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*) 3u seiner Zeit wurde ein Buch geschrieben, das den Titel führte: Bon der gleichen Würde des heil. Franziskus mit Christus.“ Dasselbe wurde später vermehrt und am Anfange des sechzehnten Jahrhunderts durch einen Franziskaner, Namens Barthelemi Albici, im Drud herausgegeben. Christus wird darin als der Vorläufer des heiligen Franziskus dargestellt, und zum Beweise der göttlichen Sendung und Würde eine Menge der erbaulichsten Wunder erzählt, z. B. von einer Schneefrau, die Franziskus mit eigenen Händen machte und sodann belebte; von einem wüthenden Wolfe, den er wunderbar heilte und von dem er sich versprechen ließ keine Schafe mehr zu fressen; von einem Frans ziskaner, der Bischof geworden, von dem Papst abgescht und nach seiner Absehung gestorben, aber aus dem Sarge hervorgegangen war, um dem Bapst einen Un: klagebrief zu überreichen; von einem Arzte, den er in Rovera durch sein Gebet sterben ließ, um sich die Freude zu machen, ihn durch ein neues Gebet wieder aufzus wecken, und dergleichen Unsinn mehr.

einige Berordnungen zu ihrer Einschränkung zu erlassen, allein sein Nachfolger Alexander IV. hob sie wieder auf und stellte ihre Vorrechte im ganzen Umfange wieder her. Diesen

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müther mit Sinn fürs Erhabene, Wahre und Schöne. Besonders aber standen in Italien Männer von großem Geist und Seelenstärke auf, und übten durch ihre herrlichen Dichtun auf einer so tiefen Stufe der Geistesbildung gen, in denen sie die in Kirche und Staat stehenden Menschen war nun die Pflege der herrschenden Gebrechen mit beißendem Spotte Religion, Wissenschaft und Sittlichkeit größ geißelten, einen mächtigen Einfluß auf die tentheils anvertraut. Sie hatten die wich Gemüther aus. Aber wenn gleich dadurch die tigsten Lehrstellen auf Universitäten und an Wißbegierde reger, der Geschmack reiner und anderen Anstalten inne und gaben überall die Ansicht freier wurde, so zeigte sich doch der den Ton an. Wehe jedem Selbstdenker, der wohlthätige Eindruck nur sehr langsam, und sich aus dem um ihn scharf gezogenen und ei namentlich wurde es in der höchsten der Wisfersüchtig bewachten Kreis herauswagte! Ver- senschaften, in der Wissenschaft des Göttlichen, teherung, Gefängniß, Feuer oder Schwert weit später Tag. Wie konnte es auch anders waren die unausbleiblichen Folgen seines seyn, da die Quelle, aus welcher allein WahrStrebens, die starken Fesseln zu zersprengen. heit geschöpft werden konnte, fast ganz verAber aus ihrer Mitte selbst sollte ein Rächer schüttet war? Denn von einer Kenntniß der der so lange verhöhnten Menschheit erstehen. heiligen Schrift war keine Rede. Man berief Bereits standen freimüthige Redner, z. B. sich zum Beweise der Wahrheit christlicher Geiler von Kaisersberg und der Augustiner: Lehrsätze auf Ueberlieferungen und menschliche provinzial Andreas Proles, auf, entwarfen Schriften, die sich nach den Bestimmungen vor den Ohren des Volks ein getreues Bild der Päpste und Bischöfe modelten und in von dem in der Kirche herrschenden Aberglaus kleinlichten, unnüßen Untersuchungen erschöpf ben und den in seinem Gefolge befindlichen | ten, statt in das wahre Heiligthum der gött vielfachen Mißbräuchen, und stellten die Ver: lichen Urkunden einzudringen. Allerdings war besserung der Kirche als dringendes Bedürfniß | auf Universitäten und in Collegien die Freidar. Und was die Herzen wahrheitliebender heit, über Gegenstände der Religion, Moral und rechtschaffener Männer bewegte, u. f. w. zu sprechen, weniger gehemmt; man konnte nun auch leichter die Masse des Volks durfte sich in gewisser Hinsicht ziemlich frei durchdringen, denn bereits trug die Erfindung bewegen und äußern: allein es fehlte am tieder Buchdruckerkunst ihre segensreichen Früchte. fern Grunde, d. i. an der vertrauten BekanntDie Abschriften der Mönche hörten auf, die schaft mit der heiligen Schrift und an der Ehrwillkürlichen und langsamen Kanäle der Ver- furcht vor ihrem Inhalt, oder wenigstens an der rechten Beziehung auf Wissenschaft und breitung von Kenntnissen zu seyn; schneller und reiner floß fortan der Strom des Wissens die Verhältnisse des Lebens. Ein redendes durch die Welt; namentlich fanden die herr- Beispiel hievon ist D. Carlstadt, welcher in lichen Erbauungsschriften eines Tauler und späteren Jahren das offene Bekenntniß ab Thomas von Kempen Eingang in manches legte, er sey schon Doctor der Theologie geDesHaus, und stifteten reichen Segen. Schon wesen, ehe er die Bibel gelesen habe. begann auch eine rege Thätigkeit der Geister gleichen sagt Mathesius in seinen Predigten auf den Universitäten, und wenn gleich die über das Leben Luthers (6te Predigt S. 56): Geschmacklosigkeit in Behandlung der Wissen.,,auf der Kanzel kann ich mich nicht erinnern, schaften und ihrer wichtigsten Fragen noch daß ich in meiner Jugend, der ich doch bis vorherrschend war, also daß die große Mehrsins 25ste Jahr meines Alters im Papsthume zahl derer, die sich auf diesem Gebiete beweg ten, im alten Schlendrian erstarrt zu seyn schien, so wurde doch in kräftigern Gemüthern der Sinn für Wahrheit angefacht, und hie und da durchbrach ein lichter Strahl den dichten Nebel des Vorurtheils und des Aberglaubens. Man übte sich an den Fragen und Sähen der aristotelischen und platonischen Philosophie, zu deren Kenntniß das neuerwachte Studium der griechischen und römischen Klassiker geführt hatte. Französische und deutsche Volksdichter erhoben ihren Gesang und erfüllten die Ge

leider bin gefangen gelegen, die zehn Gebote, das Symbolum, Baterunser oder die Taufe gehört hätte. In Schulen las man in den Fasten von der Beicht und einerlei Gestalt des Abendmahls; der Absolution und des Tro: stes, so man durch glaubige Nießung des Leibs und Bluts Christi bekäme, hab' ich mit Wissen mein Lebtag, ehe ich gen Wittenberg kam, weder in Kirchen noch Schulen mit einem Wort gedenken hören. Wie ich mich auch keiner gedruckten oder geschriebenen Auslegung der Kinderlehre im Papsithum zu erinnern

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