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als ethisches Princip, sondern als Palme für den geistigen Kampf, die erst nach langem Ringen gesichert wird. Wie kann mir etwas ethische Norm sein, was ich noch nicht befize! Der Mensch wäre in diesem Falle ohne ethisches Grundgeseß, bis in ihm die Tugend zum Habitus geworden wäre. Ohne bestimmende Richtschnur aber würde er nie diesen vollkommenen Standpunkt erreichen können.

Daß Cicero der Natur eine so hohe Aufgabe vindicirt, hängt zusammen mit seiner pantheistischen Anschauung. Er sieht in der Natur nicht wie Ambrosius ein Schöpfungswerk Gottes, sondern er läßt Gott selbst aufgegangen sein in dieser Natur 1). Deßhalb ist ihm die Natur ethisches Princip weil sie die verkörperte Gottheit ist; der Christ aber kennt einen persönlichen Gott, von der Natur selbst unterschieden, weit über die Natur erhaben, der deßhalb oberstes Geseß ist, weil er wie der Schöpfer so auch der Erhalter und Regierer der Gesammt-Natur ist. Der Christ sieht in Gott noch mehr als den höchsten Gesetzgeber; er weiß, daß dieser Gott dann, wenn der Mensch selbst nicht mehr an die Naturgeseze gebunden ist, sein Richter sein wird 2); daß er ihn richtet, je nachdem er im Leibesleben seinen individuellen Willen in Einklang oder Widerspruch mit dem göttlichen Willen gesetzt hat. Gerade aber in der Eigenschaft als Richter und Bestrafer des Bösen, der Untreue und des Ungehorsams, wollte Cicero Gott nicht anerkennen. Sein Gott konnte weder zürnen 3) noch schaden; nie hatte er von seinem Gotte etwas Unangenehmes zu befürchten, denn das Böse, das er gethan, hat er ja gewissermassen unfreiwillig gethan.

Der Umstand, daß die Natur in sich selbst widerstrebende Elemente nähre, die ein harmonisches Zusammen

1) Cicero de leg. I, 6. de off. III, 29.

2) Ambros. de off. I, 26.

3) Cicero

wirken der Theile mit dem Ganzen entweder erschweren, oder geradezu unmöglich machen, kann gewiß nicht zur Annahme berechtigen, als sei diese mit sich selbst im Zerwürfniß stehende Natur fähig, die fittliche Aufgabe zu lösen. Illusion war der Staat eines Plato und eine Anstalt sittlicher Gebrechen, statt eine unfehlbare Heilsökonomie der Staat des Cicero, da er auf eine Unnatur gegründet war. Die ursprüngliche Natur war allerdings darauf angelegt und so ausgerüstet, den fittlichen Endzweck, die Verherrlichung Gottes, des absolut Guten zu realisiren. Diese Fähigkeit verlor die Natur durch den Fall Adams. Die von Cicero mit Natur identificirte Vernunft blieb nicht frei vom Erbverderben. Ihr Licht ward durch die Sünde verdunkelt; fie kann daher nicht mehr unbedingtes Vertrauen in ihre Leitung beanspruchen, kann nicht mehr jene Autorität behaupten, welche alle antiken Moralphilosophen ihr zugestehen zu müssen glaubten. Die Vernunft ist an eine accidentelle Ausbildung gebunden und beeinflußt von der historischen Entwicklung. Sie kann fich nie ganz frei machen von der herrschenden Idee der Gegenwart und muß es sich gefallen lassen, wenn Zeit und Verhältnisse auf sie bestimmend einwirken. Eine solche an wandelbare Accidentien gebundene Vernunft kann unmöglich ethisches Princip sein; denn das oberste Sittengeset muß unwandelbar und frei sein von Zeit und Verhältnissen. Diese Natur oder Vernunft des Cicero muß im ewig unwandelbaren Geseße eine über ihr stehende Autorität anerkennen, wenn sie selbst ihre Bestimmung erreichen und ihre Aufgabe lösen will. Nur dann, wenn menschliches und göttliches Geseß mit einander harmoniren und das erstere gleichsam der Refler des letteren ist, dann ist der Mensch auf jener Stufe fittlicher Vollkommenheit angekommen, daß er vom pflichtmäßigen Standpunkt hinweg sich zur vollkommenen Tugend erschwingen, daß er

die xaτopóuara der Stoa üben kann. Solange aber nur die menschliche Vernunft auf den Willen bestimmend einwirkt und handeln lehrt, wird der fittliche Erfolg klein, im besten Falle strenge Legalität sein. Die Vernunft macht die That des Willens nicht immer sittlich gnt.

Die Handlung empfängt erst dann einen sittlichen Charakter, wenn der göttliche Wille der Beweggrund des von der Vernunft in Thätigkeit gefeßten menschlichen Willens ist. Vorerst schuldet der creatürliche Wille der ewigen Vernunft, Gott, Gehorsam und erst sekundär der eigenen, rationellen Natur, in so fern diese mit jener übereinstimmt. Die Vernunft kann seit dem Sündenfalle sich einer verzerrenden Phantasie nie ganz erwehren und das Erzeugniß beider Faktoren muß ein Gemisch von Wahrem und Falschem sein. Deßhalb bedarf die Vernunft selcst wieder eine Führerin und diese hat sie erhalten in der Offenbarung. In der göttlichen Offenbarnng ist das Licht der ewigen Vernunft aufgeblißt, um der verdunkelten, menschlichen Vernunft zu leuchten. Erhellt vom ewigen Lichte kann sie wieder Richtschnur unserer sittlichen Handlungen sein. So die menschliche Natur, erleuchtet und erwärmt am göttlichen Lichte der Offenbarung, gefaßt, konnte gesagt werden; der Natur gemäß leben ist sitte lich gut, ihr zuwiderhandeln ist schlecht und unsittlich. Wenn man aber seine auf sich gestellte Vernunft, wie Cicero gethan, zur Richterin über die eigene Moralität aufstellt, so muß bald das Utilitätsprincip - dominiren. Nur von einem solchen Gesichtspunkte aus kann Ciceró sagen 1): Es gehört zu den Grundgesehen der Natur, daß wir Alle nach dem streben, was vortheilhaft ist: ein unwiderstehlicher Drang zieht uns dahin, wo wir Nußen gewahren; anders zu handeln ist uns unmöglich. Eine

1) Cicero de off. III, 28.

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arme Vernunft, die sich hinreißen lassen muß von den Begierden und Trieben einer verderbten Natur, ohne daß sie Widerstand zu leisten vermag. Eine so schwache von den Leidenschaften beherrschte, rationelle Natur kann nicht ethisches Princip sein. Was könnte denn sonst noch ver hindern, böse Wege zu gehen, wenn sie nur mit Blumen bestreut sind! Vielleicht die öffentliche Meinung; aber diese vermag oft die schwärzesten Vergehen nicht zu erreichen. Um die Tugend sich abzuringen, wird man in diesem Falle für verlorne Mühe erachten, da man doch für dieß Bestreben nichts hoffen kann, als was man sich auf leichtere Weise zu verschaffen oft Gelegenheit hat. Lug und Trug müßte bald das sociale Leben vergiften und zerstören, wenn eine von Leidenschaften beherrschte Vernunft die Wege vorzuzeichnen hätte. Es gibt eine Sphäre, in welche die menschliche Vernunft nicht klar zu blicken vermag, und doch hat der Mensch Pflichten, die ihn in Beziehung mit jener seßen. Wie sollte der Mensch diesen Pflichten genügen können, wenn, wie Cicero glaubt, der Vernunft die Aufgabe gestellt wäre, allein die fittliche Aufgabe zu lösen! Die natürliche auf sich selbst gestellte Vernunft wird sich zufrieden stellen, ein Sittengeseß gegeben zu haben, wie es für die materillen Zwecke des Individuums und im besten Falle für die des socialen Lebens, für den gesellschaftlichen Bestand der Menschen, nothwendig erscheint. Eine höhere Bedeutung und einen übernatürlichen Endzweck in der Ethik zu suchen und zu finden, daran denkt wohl kaum die vom übernatürlichen Lichte nicht berührte und durch die Offenbarung nicht erleuchtete, natürliche Vernunft. Dafür zeugen alle ethischen Disciplinen und philosophischen Systeme, wie sie dem antiken Standpunkte entwachsen sind, so weit sie sich mit sittlichen Fragen beschäftigt haben. Bei allen tritt das Mittel als Zweck auf und bei der materiellen Auffassung der sittlichen

Aufgabe des Menschen haben die Moralphilosophen vergeffen, die Religion als Fundament für das sittliche Lehrgebäude herbeizuziehen. Wenn es keinen Gott gibt, so folgert nur der Böse richtig, der Gute ist ein Thor. Allerdings verwahrt sich Cicero vor einem solchen Schlusse, aber seine Theorie wird doch in ihren strengen Consequenzen verfolgt, zu keinem andern Resultate führen, da er die Ethik nur von ihrer materiell-praktischen Seite auffaßt und fie nicht in Beziehung bringt mit Gott, dem höchsten Gute. Die stoisch-peripatetische Apathie 1), der Cicero so oft das Wort redet, schüßte ihn nicht vor den schädlichen Einflüssen der abnormen Natur; er fühlte und kannte sie, sonst hätte er in seiner Pflichtenlehre nicht Heilmittel dagegen verordnet; gleichwohl aber hielt er fest, daß diese Unordnung in der Natur die Göttlichkeit ihr nicht benehme; daß sie auch deßhalb nicht aufhöre, oberstes Geseß zu sein für die Sittlichkeit des Einzelnen und des Ganzen. Der Mensch, dessen Vernunft ein Theil der Gesammt - Natur ist, die daher immer dasselbe gebietet, was in der ganzen Natur Gesez ist, darf nur dieser Führerin folgen, um durch ein naturgemäßes Leben sittlich vollkommen zu werden. Das ist der in Ciceros Pflichtenlehre immer wiederkehrende Gedanke. Zu einem solchen, Irrthume bemerkt Friedrich von Schlegel in seiner Philosophie des Lebens: Es ist ein Hauptirrthum der Philosophen, daß fie das natürliche Bewußtsein nur so nehmen, als wenn es schon ganz das rechte wäre, welches nur höher gesteigert zu werden brauchte, um es von der anklebenden Gemeinheit des gewöhnlichen Menschenfinnes zu säubern und dann in setlsam künstliche und scheinbar tiefsinnige Formeln zu faffen. Mein es ist der Zwiespalt des menschlichen Bewußtseins im wahren Sinne des Wortes eine Thatsache, die Einzige,

1) Cicero Tuscul. III, 6. V, 12.

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