ภาพหน้าหนังสือ
PDF
ePub

Das Laster ist ihm nicht als Laster angerechnet, weil er sich selbst Gesez ist; was an gewöhnlichen Sterblichen ein Verbrechen wäre, das wandelt sich am stoischen Weisen zur Tugend um 1).

Wenn Cicero von seinem Weisen sagt, daß er in diesem Leben schon den Höhepunkt der Tugend und Glückseligkeit erreicht habe; wenn er ihm eine Vollkommenheit vindicirt, die keine Grade zulassen 2): so hat er wie die menschliche Natur, ihre Dürftigkeit und Gebrechlichkeit, so auch des Menschen übernatürlichen Antheil ganz verkannt.

Diesem Ueberheben der menschlichen Natur von Seite Cicero's stellt der heilige Ambrosius im Geiste und im Sinne des Christenthums seinen Begriff von menschlicher Vollkommenheit gegenüber und beweist, um wie viel ge= nauer der Christ die menschliche Natur in ihrer krankhaften Zuständlichkeit kenne.

Hier auf Erden ist die Gebrechlichkeit 3) ein Hinderniß der Vollkommenheit, sagt unser Kirchenlehrer. Erst im Jenseits tritt die Vollkommenheit hervor. Der Christ hält das vollkommenste Leben auf Erden nicht für absolut vollkommen; es bleibt immer eine relative, der Steigerung fähige Vollkommenheit, welche der Mensch hienieden mit göttlicher Gnade und eigener Mitwirkung erringen kann. Die absolute Vollkommenheit, ein Prärogativ Gottes kann der Mensch nie erreichen; in der Gottähnlichkeit 4) besteht des Christen relative Vollkommenheit, und diese ist, da ihr Vorbild unendlich ist, eines steten Wachsthumes fähig. Dieses Leben, fügt der heilige Ambrosius bei, ist ein be ständiges Ningen nach Tugend und Vollkommenheit.

Schon deßhalb, weil dieses Dasein ein Leben voll Kampf und Streit ist 5), kann es nicht, wie Cicero meint,

[ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small]

dem Menschen vollkommene Glückseligkeit gewähren; diese erwartet der Christ erst im zukünftigen Leben, wenn der Kampf ausgekämpft ist und ewiger Friede herrscht 1).

Der Hochmuth des stoischen Weisen, seine Apathie und Härte, benahm seiner Geduld, Seelengröße, Wohlthätigkeit den sittlichen Charakter; denn diese Eigenschaften können nur. sittlichen Werth haben, wenn sie neben der Demuth zurecht bestehen 2). Der Stolz, dieser Grundzug des stoischen Weisen 3); der Egoismus, sowie ihn Cicero als Charakteristik seines Ideals zeichnet, steht im geraden Gegensaße zur Lehre des christlichen Meisters, der gesagt hat ): wer mein Jünger sein will, verläugne sich selbst... und wenn ihr nicht werdet wie diese Kleinen, könnt ihr nicht eingehen in das Reich Gottes. Das Jdeal, welches dem Christen vorschwebt, predigt fort und fort: lernet von mir, denn ich bin demüthig und von Herzen sanftmüthig ; und der Christ, welcher dieses Wort hört und beherzigt, ist weise im besseren als stoischen Sinne. Mit der Selbstsucht 5) des Stoikers kann sich schon das erste Gebot des Christen nicht vertragen 6). Der Grundsaß, daß es schimpflich und eines Mannes unwerth sei, dem Beleidiger zu verzeihen 7), muß die Nächstenliebe des Stoikers als Fronie oder als hohle Phrase erscheinen lassen.

Der heilige Augustin rühmt von Cicero, daß er gerade in dieser Beziehung menschlicher als die Stoa ge= dacht habe, indem er das Mitleid, welches im Auge der Stoiker als Laster gebrandmarkt war, zu den Tugenden zählte. Ohne Bedenken, so erzählt uns der heilige Augustin 3),

3) Diog.

1) Ambros. de off. I, 48. 2) Ambros. de off. II, 17. Laert. VII, 119. 4) Luc. XVIII, 10. cf. Col. III, 12. 5) Cicero

[ocr errors]
[ocr errors][merged small][merged small]
[ocr errors]
[merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors]

.

nennt Cicero das Mitleid eine Tugend, indeß die Stoiker ungescheut dasselbe zu den Fehlern rechneten, dagegen aber, wie aus der Schrift des Epiktet, des edelsten der Stoiker, nach den Sazungen eines Zeno und Chrysippus, welche die erste Rolle in dieser Schule spielten, erhellt, das Herz des Weisen von Leidenschaften beherrscht sein ließen, während sie ihn fehlerfrei hingestellt wissen wollten.

Wie kann dieser stoische Weise ein Ideal sein, da er behaftet mit den gröbsten Fehlern und Mängeln gleichwohl vollkommen ist, wenn er nur kein Herz hat für den bedrängten Mitmenschen, und wenn er dem Beleidiger grollt, bis es ihm gelungen, fühnende Rache an ihm zu nehmen.

Ein Staat, der ganz von solchen Weisen bevölkert wäre und eine Gesellschaft, die lauter stoische Ideale zu ihren Mitgliedern zählte, würde statt einen Zustand der Glückseligkeit herbeizuführen, alle Societät vernichten, und den Fortbestand des Zusammenlebens unmöglich machen.

§. 6. Vollkommene und gefeßliche Tugenden. Pflicht und Rath.

Die Frage, was ist Geseß, was Pflicht, wurde schon mit Strömen von Blut beantwortet. Hier ist nicht vom bürgerlichen, sondern vom Moralgefeße die Rede. Im Gewissen kündigt sich uns ein Gesez und zwar mit so großem Nachdrucke an, daß der Mensch, so sehr er sich dagegen sträuben mag, unwillkührlich zur Hochachtung dieses Gesezes moralisch gezwungen wird. Dieses Gesez bindet den menschlichen Willen und gibt ihm eine bestimmte Richtung. Diese sittliche Schranke tritt uns in der Ethik als Pflicht entgegen. Leistet der Mensch dieser Pflicht Genüge, so übt er den Akt einer gefeßlichen Tugend.

Aber der göttliche Wille tritt nicht immer als moralische Nöthigung auf; nicht selten legt er uns auch

ein Streben nach höherer Vollkommenheit nahe 1); diesen Zug des inneren Menschen nach einem Besseren, Vollkommeneren nennen wir Rath. Gibt der Mensch diesem Rathe Folge, so übt er einen Akt der Vollkommenheit ; er begeht eine vollkommene Tugend.

Wie das Gefeß, so wird auch die Pflicht, wenn schon idealiter blos Eine, gegen Gott nämlich, doch sich realiter. dreifach gestalten; je nachdem das Gesez unmittelbar gegen Gott verpflichtet und mittelbar gegen das eigene Ich, und den Nächsten, oder mittelbar gegen Gott und unmittelbar gegen uns selbst oder gegen den Nebenmenschen.

Die Pflichten gegen Gott, unter welche im strengen Sinne alle Verpflichtungen fallen, hat das Heidenthum gänzlich ignorirt oder im besten Falle blos den Namen erwähnt. So begegnet uns auch in Cicero's Pflichtenlehre 2) nur der Name von den Pflichten gegen Gott, obschon er ihnen die erste Stelle einräumt. Die mangelhaften, zuweilen ganz entstellten Begriffe von Gott, wie fie im Heidenthume gewachsen sind, erklären uns hinlänglich die Verlegenheit der heidnischen Moralphilosophen, wenn es sich darum handelte, der Wechselbeziehung des Menschen zu Gott das Wort zu reden und über die Pflichten gegen dieses unbekannte göttliche Wesen sich auszulassen.

Der heilige Ambrosius hat im geraden Gegensatze zu seiner Vorlage seine Pflichtenlehre mit religiösem Charakter angethan und den leßten Grund aller Pflichten in der einen Hauptpflicht gefunden, welcher der Mensch durch Befolgung des göttlichen Liebewillens ) nachkommen foll. All' unser Denken, Thun und Lassen, sagt unser Kirchenlehrer, müssen wir Gott weihen und anempfehlen. Wie Cicero unterscheidet auch er Pflichten und Pflichten,

1) Matth. XIX, 11. 2) Cicero de off. I, 45.

cf. 1 Cor. VII, 25. cf. Matth. XIX, 16.

3) Ambros. de off. I, 50.

je nachdem sie vom vollkommenen oder gefeßlichen Standpunkte aus geübt werden.

Er hält die Begriffe der Stoa mit der christlichen Anschauung von Pflicht und Rath zusammen 1) und wendet die von Cicero der stoischen Disciplin entnommene Lehre von einem officium perfectum und officium medium 2), oder wie der Stoiker sich ausdrückt von xarógdwuɑ und μécor vollkommene und mittlere Pflicht, auf das Verhältniß der christlichen Vollkommenheit, wie sie im Rathe fich nahe legt, zur bloßen Gefeßeserfüllung an.

Hiebei beruft er sich auf das Wort Christi an den reichen Jüngling 3): Willst du vollkommen sein, so geh' hin und verkauf Alles, was du hast und gib es den Armen und du wirst einen Schaß im Himmel haben.

Indeß würde es irrig sein zu glauben: der heilige Ambrosius habe die vollkommene christliche Tugend mit dem officium perfectum des Cicero oder dem zaróętwμa der Stoa identificirt. Ebenso irrig wäre die Ansicht, als habe Ambrosius die μéoa = media des Stoikers zusammenμέσα geworfen mit der pflichtmäßigen Tugend des Christenthums. Denn weder ist die durch Befolgung eines evangelischen Rathes entstandene Tugend des Christen absolut, wie dieß Cicero 4) im Sinne der Stoa von seiner vollkommenen Tugend geltend macht; noch sind die geseßlichen Handlungen indifferent, wie die mittlere Tugend Cicero's.

Wenn Cicero 5) von seiner mittleren Tugend sagt, daß sie nur eine Aehnlichkeit mit der Tugend habe und daß, wer die vollkommene Tugend nicht besige, nur mit dem Tugendhaften gewisse Verwandtschaft habe, selbst aber nicht tugendhaft, nicht gut und nicht schlecht sei; so hat

[ocr errors]

1) Ambros. ep. 92. 2) Cicero de off. I, 3. cf. Ambros. de off. III, 2. 3) Matth. XIX, 21. cf. Marc. X, 17. cf. Lucas XIX, 18.

4) Cicero de off. III, 3.

[ocr errors]

5) Cicero de off. III, 3.

« ก่อนหน้าดำเนินการต่อ
 »