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er mit dieser schroffen Behauptung dem ganzen menschlichen Leben den sittlichen Charakter abgesprochen; denn er sagt ja selbst, daß die gewöhnlichen Menschen nur die mittleren Pflichten zu üben vermögen; das moralisch Gute im wahren Sinne sei Prärogativ des Weisen und läßt fich nur da finden, wo absolute Vollkommenheit ist 1). Die Existenz eines solchen Weisen stellt aber Cicero in Frage. Wo bleibt da die Tugend im wahren Sinne!

Eine solche in der Luft hängende Ansicht konnte der heilige Ambrosius 2), so eng er sich auch in dieser Materie der Form Cicero's angeschlossen hat, nicht acceptiren. Er sucht und findet die absolute Tugend nur in Gott; die relative Vollkommenheit des Menschen läßt er beschränkt sein auf eine Gottähnlichkeit, zu welcher auch die mittleren oder geseßlichen Pflichten und Tugenden führen können. Er scheidet auseinander absolute und relative Vollkommenheit, diese als menschliche, jene als göttliche Eigenschaftlichkeit betonend, und mißt die menschliche Vollkommenheit am Maßstabe der Gottähnlichkeit, während Cicero gerade hier, wo der geeignete Plag gewesen wäre, auch nicht eine leise Ahnung von einem göttlichen Wesen durchblicken läßt. Er stellt lediglich seinen Weisen gegenüber dem großen Haufen der Menschen, um zu zeigen wie diese wohl legal sein, aber nicht wahre Tugend üben können. Nach Cicero's Ansicht sind die gewöhnlichen (media) Lebenspflichten nur für den zeitlichen Vortheil des Individuums und insbefondere der menschlichen Gesellschaft berechnet; den Weg aber zum sittlich Guten zeigen nur die vollkommenen Pflichten, fie allein führen zur sittlichen Vollkommenheit. Durch die größten Incosequenzen mußte eine solche Theorie bedingt und gestützt werden. Einer solchen Inconsequenz

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begegnen wir bei Cicero wie an anderen Stellen so besonders in seiner Rede für Sestius, wo er sagt: Gegen den Staat gut gesinnt sein, ist Klugheit; für sein Gedeihen handeln Tapferkeit; für denselben in guter Absicht mit Thaten einstehen, das ist übergroße, vollkommene Tugend. Der Gutgesinnte und Thatkräftige kann also nach diesem Ausspruche Cicero's auch vollkommene Tugenden üben, und doch wird unser Tullius anstehen, jeden der gutgesinnt und thatkräftig ist, d. h. jeden Patrioten als ein Ideal, als einen Weisen hinzustellen. Er hat hier nahe gelegt: daß nicht die That allein, nicht die Individualität, `nicht die Größe des Erfolges einer Tugend den Charakter der Vollkommenheit gebe, sondern der sittliche Beweggrund, die

§. 7. Intention.

Aristoteles hat in dieser Materie bereits allen heidnischen Moralphilosophen in einer Weise vorgearbeitet, daß kein origineller Gedanke in deren Schriften sich findet, welcher über dieses Thema sich verbreitet hätte. Der Grundsaß: nur derjenige ist gut, welcher das Gute als folches erkennt und es als solches will, erfuhr unter der Meisterhand des Stagiriten 1) eine Entwicklung und Beleuchtung, wie sie nur ein spekulativer Scharfsinn erdenken kann. Gestehen die Menschen zu sagt er in seiner

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Ethif „ad Nicomachum" III, 1, 2, 4 daß das Gute mit ihrem Willen geschehe, so müssen sie auch zugeben, daß das Böse von ihnen freiwillig gethan werde. Die Wahl ist freiwillig, weil die Ueberlegung vorausgeht. Man überlegt nicht Nothwendiges, nicht Zufälliges, sondern nur solches, was in unsere Macht gegeben ist.

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Die Stoiker entlehnten diesen aristotelischen Grundgedanken, verzerrten ihn aber durch falsche Schlußfolgerungen

1) Arist. Mag. Mor. I, 4.

zur Unkenntlichkeit. Diesen unzuverläßigen Führern folgt Cicero 1) gleichwohl ganz getreu. Schon bei seiner Eintheilung der Pflichten weist er darauf hin, wie die Gefinnung und Willensrichtung maßgebend sein müsse, ob ein und dieselbe Handlung eine mittlere oder vollkommene Tugend sei.

Mit psychologischem Kennerauge prüft Tullius die Gesinnungen der Menschen, um ihren Handlungen einen sittlichen Charakter beizulegen, oder ihnen denselben geradezu abzusprechen. Der Scharfblick der Philosophen, sagt er, bemerkt da, wo das gemeine Volk eine gleiche Moralität in der menschlichen Handlungsweise zu sehen glaubt, daß ein spezifischer Unterschied ist, ob ein und dieselbe Handlung der Weise, oder ob sie ein gewöhnlicher Mensch verrichtet hat. Lezterer sieht nur darauf, seinem Akte den Schein der Gerechtigkeit umzuhängen, mag die Gesinnung auch noch so unlauter sein. Der Weise indeß handelt wie er denkt. Dieser Weise Cicero's wäre demnach der Mensch, wie er seiner wahren Gesinnung durch Wort und That einen untrüglichen, ungeheuchelten Ausdruck gibt. Hätte Cicero seinen Weisen immer so aufge= faßt, so wäre die Unterscheidung in mittlere und vollkommene Tugenden in ihrer Beziehung auf das gemeine Volk und den Weisen ganz berechtigt gewesen. Denn daß der Mensch nicht mit einer unlauteren Absicht einen sittlich guten Aft vollbringen könne, dieß anerkennt und urgirt auch das Christenthum.

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In diesem Sinne kann der Christ auch die Behauptung des Chrysippus unangefochten lassen: daß ein äußeres Gesez nicht jene Tugend erzeugen könne, welche aus der Gesinnung des Weisen erwachse. Ein solcher Gedanke mußte im sinnenden Stoiker wach gerufen werden beim

1) Cicero de off. III, 3, 4.

Anblicke der schaalen Legalität, deren Gepräge das ganze Heidenthum an der Stirne trug. Cicero fühlte inmitten einer ausgebildeten Rechtswelt, daß mit der Legalität dem Sittengeseße nicht genügt und dem Sittenverderben nicht gesteuert werden könne; daß der Schein der Sittlichkeit das moralische Bewußtsein nicht befriedige; daß die Moralität einer Handlung in der Gesinnung, in der Intention des Handelnden den richtigen Maßstab erhalten müsse 1); kurz, daß nur jene Handlungen sittlichen Werth haben, welche aus reinem Herzen den Impuls erhalten und eines fittlichen Beweggrundes nicht entbehren. Eben weil dem Stoifer im täglichen Leben gar selten eine That begegnete, die so zu sagen aus dem Herzen herausgewachsen war, so nahm er seine Zuflucht zum Ideale eines Weisen, um an einer konkreten Erscheinung seine ethischen Grundsäße anschaulich zu machen, da er sie praktisch unausführbar finden mußte. Nur dadurch, daß die Stoa immer höhere Forderungen stellte, als der Heide aktiviren konnte; und hinwiederum dadurch, daß der Stoiker selbst weniger leistete, als er hätte leisten können und sollen, kam jene Zwittergestalt von einem Weisen in die stoische Schule.

Zu folch' einem elenden Phantasiegebilde braucht das Christenthum nicht seine Zuflucht nehmen, um daran die vollkommene Tugend zur Erscheinung kommen zu lassen. Freilich sieht auch der Christ da wo die Tugend nicht zum Habitus geworden, keine vollkommene Tugend; es können in diesem Falle höchstens einzelne Tugendakte, der Stoa, oder media officia des Cicero - geübt werden, ohne daß diese Akte den Charakter der Vollkommenheit an fich trügen oder erzeugten.

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Der nicht Gerechtfertigte kann lediglich legale Handlungen, Gefeßeswerke, wie sie der Apostel nennt, voll

1) Cicero de fin. II, 10. III, 14. cf. Cicero de off. I, 5. III, 3.

bringen, wofür sich nach Cicero's Ausdruď nur rationelle Gründe anführen lassen 1).

Aber der Christ kennt auch einen Zustand der Rechtfertigung; einen Gnadenstand, in welchem der Mensch wahrhaft gute und verdienstliche Werke, die åɣaðà éoya des heiligen Paulus,' wirkt. In diesem Gnadenstande herrscht durch das ganze menschliche Wesen Harmonie; Harmonie zwischen Herz und Zunge.

Diesen Zustand hat Cicero geahnt, und hat sich darnach gesehnt, aber einer verderbten Natur gegenüber war er rathlos, denn er fühlte, daß er selbst einen Widerspruch mit sich herumtrage, welcher den schönsten Ideen, die sein besseres Jch realisirt sehen wollte, ihre Lebensfähigkeit benahm.

Dieser abnorme Thatbestand machte auch sein Ideal, in welchem eine reine Gesinnung jeder Handlung den fittlichen Charakter aufprägen sollte, zur Illusion. Hat Cicero die innere Gesinnung, die Intention, auch noch so sehr betont und wiederholt ausgesprochen, daß eine Handlung, und sollte sie von den größten und wohlthätigsten Folgen begleitet gewesen sein, doch keinen sittlichen Werth habe, wenn ihr nicht eine reine Absicht zu Grunde gelegen sei: so ließ er sich doch im Laufe der Erörterung nicht von dieser wahren und schönen Idee leiten, sondern sprach nicht selten dem Utilitätsprincipe das Wort. Im ganzen zweiten Buche spricht er von den Mitteln, die Menschen sich nüßlich zu machen. Es gehört zur Tugend, behauptet er 2), die Menschen zu gewinnen und ihnen Gesinnungen einzuflößen, die uns vortheilhaft sind. Den Nugen, welchen wir aus der Zuneigung der Menschen ziehen können, müssen wir uns selbst verschaffen. Im geraden Gegensaße zu dieser Aeußerung Cicero's weist der heilige Ambro

1) Cicero de off. I, 3.

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*) Cicero de off. II, 5.

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