ftehen die Pflichten gegen Gott und Vaterland; aber während er sich über die Pflichten gegen das Vaterland in weitschweifigen Erörterungen ergeht, weiß er seinen Lesern von der vornehmsten Art der Pflichten, in denen alle übrigen Pflichten schon miteinbegriffen sind, von den Pflichten gegen Gott nur den Namen anzuführen. Sein Gesichtskreis ist eingeengt in die natürlichen Verhältnisse, und die pantheistische Anschauung macht überhaupt eine Beziehung der sittlichen Verpflichtung Gott gegenüber überflüssig. Die Pflichten gegen Gott haben aber auch in der Pflichtenlehre des Ambrosius keine eigene Stelle gefunden. Er nennt 1) sie zwar die ersten und vornehmsten Pflichten; worin sie aber bestehen, erfahren wir von ihm nicht. Indeß zieht sich bei ihm das religiöse Moment durch seine ganze Schrift von den Pflichten, und werden alle Pflichten gegen das eigene Ich und gegen den Nächsten durch Beziehung auf Gott, der geboten hat, ,,Liebe Gott über Alles und deinen Nächsten wie dich selbst,“ mit religiösem Charakter angethan. Dadurch zeichnet sich auch hauptsächlich Ambrosius Pflichtenlehre von der Cicero's vortheilhaft aus. Cicero legt das Hauptgewicht auf die Rechtspflichten; diese liegen seiner Stellung als Staatsmann am nächsten; die Liebespflichten finden nur dann Erwähnung, wenn er davon spricht, wie man sich die Gunst des Volkes verschaffen und wie man sich beliebt machen könne. Diesen Liebespflichten räumt der heilige Ambrosius im Geiste des Christenthumes, in welchem die Liebe Grundtugend geworden ist, eine auszeichnende Stellung ein; von diesen spricht er am liebsten; für sie weiß er aus der heiligen Schrift treffende Beispiele anzuführen. Liebespflichten kannte das Heidenthum im eigentlich strengen Sinne nicht; diese sind Früchte der christlichen 1) Ambros. de off. I, 27. 4 Nächstenliebe; Früchte, welche der Heide wohl dem Namen aber nicht ihrem Wesen nach kannte. Je nachdem die Tugend hervortritt in der Erfüllung eines Rathes oder Gebotes macht sich auch ein Unterschied im Grade des Tugendcharakters geltend und es erwächst die vollkommene Tugend aus der Beobachtung der Räthe, während die geseßliche Tugend eine Frucht der Erfüllung eines Gebotes ist. Dieser Unterscheidung der vollkommenen Pflichten und Tugenden von den gemeinen, oder gebotenen gefeßlichen Handlungen begegnen wir wie bei Cicero so auch bei Ambrosius, freilich in verschiedenem Sinne, wie schon in der Einleitung erwähnt wurde. Diese Unterscheidung ist natürlich und deßhalb schon von der Vernunft geboten 1). Der Grundsaß der Pelagianer, daß Tugend Tugend und Laster eben Lafter sei ohne Graddifferenz hat selbst im Heidenthume wenig Vorkämpfer gehabt. Nur die Stoiker waren inconsequent genug 2), troß ihrer Unterscheidung von mittLeren und vollkommenen Pflichten zu behaupten, daß alles Gute gleich und alles Böse gleich sei, weil das Gute von einem Principe wie das Böse von einem Principe ausgehe 3). Wenn Cicero in seinen Paradoxen diesem stoischen Grundgeseße Beifall gibt, so will er ihn doch nicht in seine Pflichtenlehre hereinziehen, sondern zeigt hier 4), wie es so vielerlei Arten von Pflichten und Tugenden gibt, als Beziehungen und Seiten der einen Grundtugend und Hauptpflicht der Natur gemäß leben“. Wenn derjenige, bemerkt er 5), der den Hausvater mordet, nicht schwerer fündigt als wer den Haushahn tödtet, so ist die menschliche Gesellschaft der Gefahr der gänzlichen AufLösung nahe gebracht. 1) Matth. VII, 5. cf. 1 Joh. V, 16. 2) Cicero paradox. 3) Chrysipp. 4 Eth. Diog. Laert. VII, 1. — 4) Cicero de off. I, 3 — 4 u. III, 4 u. 5. - 5), Cicero oratio pro Muraena c. 29. B. Besondere Ethik. §. 13. Aelteste Auffassung der einzelnen Pythagoras, der Vater der jonischen Schule, ließ sich von der Idee der Harmonie beherrschen. Diese Harmonie ist ihm wie das kosmologische so auch das sittliche Princip. Der Pythagoreismus zweckte in sittlicher Beziehung auf strenge Zucht ab. Pythagoreische Grundsäße halten einen Vergleich aus mit den Principien der am meisten entwickelten Disciplinen griechischer Philosophen. Dieß springt so recht in die Augen, wenn man didaktische Produkte pythagoreischer Denk- und Sinnesart zusammenhält mit den Tugendbegriffen und Pflichtenlehren anderer Meister griechischer Philosophie. So finden wir in den im Sinne des Pythagoras geschriebenen sogenannten, „goldenen Sprüchen“ eine edlere Auffassung der einzelnen Gebote, Pflichten und Tugenden, als bei den Cynifern, Kyrenäern, Epikureern, ja selbst bei den Stoifern. Kurz und gleichwohl klar ist in den goldenen Sprüchen des Pythagoras die Norm gezeichnet, nach welcher die Pythagoreer ein sittliches Leben gelebt wissen wollten. So heißt es dort: Daß unsterbliche Götter du ehrst, wie die Sitt' es gebietet, Ist das erste Gebot; dann den Eid und erhab’ne Heroen Und der Dämonen irdisch Geschlecht, das Gesetzliche - leistend. Ehre sodann die Eltern und die, so zunächst dir verwandt sind, Nimm von den andern zum Freund, wer an Tugend der erste hervorragt. Fügsam sei dem sanfteren Wort und dem nüßlichen Werke Und nie hasse den Freund, wenn er blos ein Kleines versehen, Wo du nur kannst; doch es wohnt beisammen das Können und Müssen. Solches behalte dir wohl und lerne dich also beherrschen, Daß du zuvörderst den Bauch, dann den Schlaf und die finnlichen Lüfte Bändigest, wie auch den Zorn; nie treibe mit Anderen Unzucht, Nie einschüchtern mit Zwang, und wenn man Lügen verbreitet, Dieses sei Arbeit allein; dieß Sorge dir, dieses nur Liebe, In diesem sinnigen Lehrgedicht ist die ganze specielle oder praktische Ethik, soweit sie in das Gebiet der heidnischen Moralphilosophie fällt, beleuchtet. Die Pflicht, die Götter zu ehren, den Eid heilig zu halten, das Geseß zu beachten, die Eltern zu lieben; dann die Pflichten der Freundschaft, der Selbst- und Nächstenliebe, der Geduld und besonders die Pflichten, welche Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Tapferkeit nahe legen, sind in einer Weise behandelt, daß die späteren heidnischen Philosophen über diese Pflichten wohl mehr aber nicht Besseres vorbringen fonnten. Kardinaltugenden. §. 14. Die Klugheit Weisheit. Die vier Haupttugenden, oder wie sie seit Ambrosius gewöhnlich heißen, Kardinaltugenden 1), wurden schon frühzeitig als Anknüpfungspunkte der christlichen Sittenlehre an die heidnische Moralphilosophie betrachtet. Der heilige Ambrosius, Bischof von Mailand hat es zuerst versucht, in der Erörterung dieser Kardinaltugenden Parallelen zwischen der sittlichen Anschauung der heide nischen und christlichen Welt zu ziehen. Gelang es ihm, an diesen vier Tugenden zu zeigen, daß der christliche Tugendbegriff den heidnischen überrage, so war damit die heidnische Ethik von Sokrates bis auf Plotinus herab gerichtet; denn diese vier Grundtugenden bildeten seit Plato die vier Angelpunkte, um welche sich die sittliche Weltanschauung des klassischen Heidenthums drehte. Unter diesen vier Tugenden galt besonders die Klugheit als jene Tugend, welche den Grund aller übrigen Tugenden bildet und in welcher sich dieselben zur Einheit gestalten. Schon Plato hat nach dem Vorgange seines Meisters Sokrates, dessen getreuester Schüler er war, die Klugheit als den Einigungspunkt aller Tugenden hingestellt. Das innere Geistesleben erzeugt nach seiner Theorie die Erkenntniß und diese beherrscht als Tugend der Klugheit und 1) Ambros. de sacram. III, 2, 8. cf. Bern. in libr. de consider. |