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Auf diese Weise wurde die Sittenlehre losgeriffen von der Religion. Die Ethik ist aber nur in und neben der Religion lebensfähig; sobald sie des religiösen Momentes entkleidet wird, tritt die Zerfahrenheit ein. Das Losgetrenntsein der Religion von der Sittenlehre ist das Hauptgebrechen, an welchem alle heidnischen Moraltheorien mehr oder weniger kranken. Die ganze Geschichte der Moralphilosophie beweist zur Genüge, daß die Sittenlehre in der Religion nur festen Halt gewinne, ohne eine religiöse Grundlage aber in der Luft hänge.

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So sehr sich die Moralphilosophen abgerungen haben, ein befriedigendes, ethisches Lehrgebäude aufzuführen, so ist ihnen doch nicht mehr gelungen, als daß sie im besten Falle bei dieser Sisyphus - Arbeit zum Bewußtsein ihrer Schwäche und Ohnmacht gekommen sind. Was der Eine aufgebaut, das suchte ein Anderer wieder einzureißen, und in dem ununterbrochenen Kampfe der verschiedenen, philosophischen Sekten, welche oft die schmählichste Kampfesweise nicht verschmähten, war wie ihre Kraft so auch ihr Ansehen beim Volke geschwächt worden. Cicero fühlte zwar die Mängel der Moralphilosophien seiner Zeit und erkannte ganz richtig in einem falschen Begriffe vom leßten Endzwecke den Grund dieser Mangelhaftigkeit; aber er ist im Auffinden des lezten Grundes nicht glücklicher gewesen, als die Philosophen der Vergangenheit und seiner Gegenwart. In der Religion ein Fundament für die Ethik zu suchen, daran dachte Cicero so wenig als seine Zeitgenossen, die er gleichwohl tadelte, bemerkend: daß es gewisse ethische Lehrgebäude gebe, in denen die Begriffe vom legten Endzwecke alle Moral auf den Kopf stellen 1). Denn, fährt er fort, wer sein höchstes Gut so bestimmt, daß es mit der Tugend in keinem nothwendigen Zusammenhange steht

1) Cicero de off. I, 2.

und den Werth der Handlungen nach den äußern Vorthei Len, nicht nach der innern Güte bemißt, der kann, wenn er seinen Grundsäßen treu bleibt und nicht zuweilen die bessere Natur über die Theorie die Oberhand gewinnt, weder Gerechtigkeit, noch Freigebigkeit, noch Freundschaft üben. Nur jene Philosophen, bemerkt Cicero selbstgefällig, können im Zusammenhange mit ihren Grundsäßen eine Pflichtenlehre aufstellen, die das sittlich Gute für das einzige oder doch für das höchste Gut halten. So gegründet dieser Vorwurf ist, so ungereimt ist er im Munde Cicero's, der, während er Andere tadelt, denselben Fehler begeht. Auch Cicero hat Mittel und Zweck nicht zu unterscheiden gewußt und so ist seine Tugend, anstatt den Weg zum höchsten Gute zu zeigen und zu führen, selbst auf den göttlichen Thron gestiegen, wo sie von Cicero und allen ftoischen Moralphilosophen durch Sophismen personifizirt worden ist. Durch derartige philosophische Operationen ließ sich aber das Volk den Glauben an eine Gottheit nicht entreißen, und so mußte Cicero, so die übrigen Philosophen des Heidenthums, so sehr ihr Inneres sich dagegen sträubte, sich doch wieder dem Volksglauben anbequemen, wenn sie nicht als gottlose Frevler gehaßt und verfolgt sein wollten.

Deßhalb spricht Cicero in seiner Pflichtenlehre auch einmal von Pflichten gegen Gott; ja er nennt sie sogar an erster Stelle 1); allein er weiß nicht anzugeben, worin diese Pflichten bestehen. Er weiß nicht einmal, was man unter dem göttlichen Wesen sich denn eigentlich zu denken habe. Sein Gott tritt einmal als Naturkraft, ein ander mal als der menschliche Geist, als Vernunft, ja selbst als freie, Alles beherrschende und von Nichts bedingte Gottheit auf 2). Wohl nimmt er auch eine göttliche Vorsehung an,

1) Cicero de off. II, 3. 2) Cicero Tusc. I, 27.

die sich aber nur auf große Ereignisse erstreckt. Daß Gott um Geringes sich bekümmere, dieß schien einem Cicero als der Gottheit unwürdig. Ganz im Widerspruche mit dieser von ihm der Gottheit vindicirten Eigenschaftlichkeit sagt er an einer andern Stelle 1): die Gottheit sei der menschliche Geist. Dieses vermessene Wort ist aus der Seele des ganzen Stoizismus gesprochen. Eine solche Anschauung vom göttlichen Wesen erklärt allerdings leicht, warum Cicero und warum alle stoischen Moralphilosophen in ihrer Sittenlehre das religiöse Moment außer Acht gelassen und das ethische Lehrgebäude lediglich auf Natur- und Vernunftgeseze construirt haben. Die Religion hielten sie nur für nothwendig, um das durch ein überkluges Vernünfteln so wenig befriedigte Bewußtsein der großen Menge zu befriedigen. Das Verhältniß Gottes zum Sittengeseße, zur Wahl-` freiheit, zur Bestimmung des Menschen kennen zu lernen, war dem Volke ein Bedürfniß und den Philosophen ein unlösbares Problem, weil sie Gott nicht als ein absolutes, persönliches Wesen faßten.

Das heidnische Volk sonderte sich deßhalb von den Philosophen, die sich berufen glaubten, Führer des Volkes zu sein, in der That aber zumeist dessen Verführer waren, ab und legte sich in seiner Neigung zum Anthropomorphismus ein Gottesbild zurecht, das alle menschlichen Eigenschaften, selbst die gröbsten Fehler und Laster an sich trug. Daß ein solcher Gottesbegriff nicht einen besonders wohlthätigen Einfluß auf die Sitten der Menschen zu üben vermöge, leuchtet unschwer ein und hat die Geschichte zur Genüge bewiesen. Unter solchen Verhältnissen konnten ethische Disciplinen im Heidenthume auftauchen, die vom thierischen Instinkte eingegeben erscheinen oder als Produkte des rohen Empirismus erkennbar sind. Die Tugend trat in den

1) Cicero de off. III, 10.

heterogensten Gestalten auf. Die Anhänger der einen Disciplin verdächtigten und bekämpften die Schüler einer anderen und machten es so dem redlichen Beobachter schwer, das Wahre herauszufinden.

Die Verzerrung der Gottesidee bei dem Volke; seine geistige Knechtung, Entwürdigung und Verthierung; der Zwiespalt unter den Philosophen; die Kreisbewegung, in welche sie unbewußt mit ihren bodenlosen Theorien hineingeriethen, indem sie eine absolute Tugend personificirten, ohne dafür eine concrete Realität zu finden 1): diese traurigen Verhältnisse weckten immer stärker das Bedürfniß nach einer sicheren Richtschnur des religiös-sittlichen Lebens. Cicero 2) erkannte wohl, daß die auf sich selbst gestellte Vernunft die sittliche Aufgabe nicht zu lösen vermöge; daß ein Stärkerer kommen müsse, um die Wirren auf dem geistigen und socialen Gebiete zu heben und die furchtbaren Schäden zu heilen, welche die immer mehr und mehr_entartenden Philosophen-Schulen angerichtet hatten; gleichwohl flammerte er sich immer ängstlicher an die Philosophie an, von ihr allein das Heil erwartend. Aber die Blüthezeit der Philosophenschulen war vorüber und wollte nicht wiederkehren. Das Unsicherwerden aller metaphysischen Wahrheiten in den lezten zwei Jahrhunderten vor Christus leistete zwar der Ausbreitung des Skepticismus, wie er in der neuern Akademie hervortrat, gewaltigen Vorschub; aber zu einer festen Schule konnten sich die Anhänger der Akademie nicht mehr vereinigen. Die speculative Wissenschaft war längst von ihrer Höhe herabgesunken und es fand sich unter den jezigen Philosophen kein Geist mehr, der an das Genie eines Plato und Aristoteles hinanreichte und welcher Kraft genug besessen hätte, der herabgekomme

1) Aulus Gellius noct. Atticis XVII, 19.

2) Cicero Acad. II, 31. cf. Tuscul. quaest. lib. V.

nen Philosophie wieder aufzuhelfen. An die Stelle ernster Denker waren zur Zeit Cicero's Sophisten getreten 1) und es war keine Ehre mehr, Philosoph zu heißen. Eine Lockerung und Auflösung der menschlichen Gesellschaft war bereits eingetreten; das religiöse Bewußtsein verzerrt bei den Heiden und verflacht bei den Juden. Beim Volke der Offenbarung war der typische Kult zum Buchstabendienst herabgesunken, in dem eine schaale Legalität die innere Verkehrtheit übertünchte.

In dieser Zeit der Revolution und der Wirren trat jenes epochemachende Ereigniß ein, das bei seinem Aufblißen das Dunkel der Geister erhellte, die Finsterniß verscheuchte, die Kinder der Finsterniß aber blendete.

Die Erscheinung des Erlösers im Fleische ist ein Aufgang der Sonne, um welche die Geister wie Planeten kreisen und von der sie Licht und Wärme erhalten. So flein die Anfänge des Christenthums auch waren, so stand es doch bald als weltumbilsende Macht da, deren Ausbreitung keine menschliche Kraft Schranken seßen konnte. Die Menschheit mußte sich den alle Zustände des religiös - sittlichen und socialen Lebens wohlthätig umgestaltenden Einfluß des Christenthums gefallen lassen. Der Umschwung, den diese größte aller Erscheinungen hervorbrachte, war der einer regenerirenden Kraft. Die Verhältnisse und Zustände, unter welchen das Christenthum neues Leben verbreiten sollte, waren der Art zerrüttet, daß nur jener helfen konnte, auf den die Völker seit der Verkündung des Protevange liums hofften. In der Zeit der größten politischen Umwälzungen trat der König aller Könige, der von Heiden und Juden ersehnte Restaurator in die Welt; aber diese nahm ihn nicht auf, weil er, statt in der gehofften Gestalt

1) Aul. Gellius noct. Atticis XVII, 19. cf. Cicero ad. Piso 16, §. 36. cf. Hor. ep. I, 4. 15.

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