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Das Individuum muß klar und deutlich seinen Vortheil sehen, sonst wird es dem Zauber der Gegenwart unfehlbar unterliegen.

Hieraus ergiebt sich, daß der Mensch eine vollkommene Deliberationsfähigkeit, resp. eine vollkommene Wahlentschei dung hat und unter Umständen gegen seinen Charakter handeln muß, nämlich, wenn eine Handlung seinem Wohle, im Ganzen betrachtet, oder seinem allgemeinen Wohle, entgegen wäre.

5.

Es ist der Geist, der dieses allgemeine Wohl in jedem einzelnen Falle, oder auch ein für alle Mal, feststellt; denn obgleich es der Wille selbst ist, der denkt, wie er verdaut, greift, geht, zeugt u. s. w., so dürfen wir doch, aus dem oben angegebenen Grunde, das Erkenntnißvermögen vom Willen getrennt halten. Wir sind uns dabei stets bewußt, daß wir es mit einer untrennbaren Verbindung und, im Grunde, mit einem einzigen Princip zu thun haben, sowie ferner, daß, wie wir in der Physik gesehen haben, ein Antago= nismus zwischen Willen und Geist nie stattfinden kann. Nur bildlich kann man sagen: der Geist giebt dem Willen Rath, oder hadert mit ihm u. s. w., denn immer ist es der Wille selbst, der vermöge eines seiner Organe, sich beräth, mit sich hadert. Aber völlig unzulässig, selbst im Bilde, ist vom Zwange der Vernunft und von einer möglichen Herrschaft derselben über den Willen zu sprechen; denn selbst, wenn wir es wirklich mit einer Zusammenschweißung zweier selbständigen Principien zu thun hätten, so würde doch nie der Geist zum Willen in das Verhältniß eines Herrn zum Diener treten, sondern höchstens sein machtloser Berather sein können.

Wie wir wissen, ist nun der Geist, obgleich er mit bestimmten Anlagen in das Leben tritt, sehr ausbildungsfähig. Die Hülfsvermögen der Vernunft, von denen der Grad der Intelligenz allein abhängt, können, je nach Behandlung, verkümmern, so daß Blödsinn eintritt, oder zu einer Entfaltung gebracht werden, die Genialität genannt wird. Den Geist zu entwickeln, ist die einzige Aufgabe der Erziehung, wenn man von der körperlichen Ausbildung absieht; denn auf den Charakter kann nur durch den Geist eingewirkt werden und zwar so, daß dem Zögling klar und deutlich die Nachtheile nnd Vortheile gezeigt werden, welche die Folgen von Handlungen sind, oder, mit

anderen Worten, daß man ihn deutlich erkennen läßt, wo sein wahres Wohl liegt.

Die gute Erziehung stärkt Urtheilskraft und Gedächtniß und weckt entweder die Phantasie, oder zügelt sie. Zu gleicher Zeit läßt sie den Geist eine größere oder kleinere Summe von Erkenntnissen in sich aufnehmen, die auf der Erfahrung beruhen und jederzeit von ihr bestätigt werden. Alle anderen Erkenntnisse, mit denen sie ihn vertraut macht, versieht sie mit dem Stempel der Ungewißheit.

Neben dieser guten Erziehung geht die schlechte, in Schule und Familie, her, welche den Kopf des Menschen mit Hirngespinnsten, Aberglauben und Vorurtheilen erfüllt und ihn dadurch unfähig macht, einen klaren Blick in die Welt zu werfen. Die spätere Erfahrung wird ihn allerdings untersuchen und vieles Eingebildete und Falsche herausnehmen, aber auch oft eben dieses Eingebildete und Falsche stärken und erst recht hervortreten lassen, wenn das Individuum das Unglück hat, in Kreise zu gerathen, wo alles Absurde in ihm gedeihliche Pflege empfängt.

Je nachdem nun der Geist eines Menschen ein mehr oder weniger gebildeter oder verbildeter, ein entwickelter oder ein verkümmerter ist, wird der Wille mehr oder weniger befähigt sein, sowohl sein ächtes Wohl im Allgemeinen zu erkennen, als in jedem einzelnen Falle zu beurtheilen, welche Handlung seinem Interesse am besten entspricht, und hiernach sich entscheiden.

6.

Der Charakter des Menschen ist angeboren, aber nicht unveränderlich; seine Veränderlichkeit jedoch bewegt sich in sehr engen Grenzen, da das Temperament gar nicht und einzelne Willensqualitäten nur insofern eine Veränderung erleiden können, als durch frühe Einprägung von Lehren und durch Beispiele, oder durch die Keulenschläge des Schicksals, durch großes Unglück und schweres Leiden — was Alles von der Erkenntniß abhängt, da es nur durch den Geist auf den Willen einfließen kann eine hervorstechende Willensqualität wieder zum bloßen Keim herabgedrückt, eine andere erweckt und entfaltet werden kann.

Wäre der menschliche Wille nicht erkennend, so würde er schlechthin unveränderlich sein, wie die Natur der chemischen Kraft, oder besser, es würden die unablässigen Einwirkungen des Klimas, des

Kampfes um das Dasein von Jahrtausenden nöthig sein, um eine leichte Veränderung hervorzubringen, wie sie an Pflanzen und Thieren nachgewiesen worden ist. Aber vermittelst seines Geistes ist er Einwirkungen ausgesetzt, die viel tiefer in ihn eindringen als die gedachten Einflüsse, die ihn würgen und erschüttern. Ja, wie wir später sehen werden, können ihn Erkenntnisse derartig entflammen, daß er schmilzt und insofern als ein total anderer angesehen werden muß, als seine Thaten jezt ganz andere sind. Dann ist es, als ob ein Dornbusch plößlich Feigen trüge, und dennoch hat sich kein Wunder begeben.

7.

In jedem Augenblicke seines Lebens aber ist der Mensch die Verbindung eines bestimmten Dämons und eines bestimmten Geistes, kurz, zeigt er eine ganz bestimmte Individualität, wie jedes Ding in der Natur. Jede seiner Handlungen ist das Produkt dieses für den Augenblick festen Charakters und eines zureichenden Motivs und muß mit derselben Nothwendigkeit erfolgen, mit der ein Stein zur Erde fällt. Wirken mehrere Motive zu gleicher Zeit auf ihn ein, sie mögen nun anschaulich vor ihm stehen oder in der Vergangenheit und Zukunft liegen, so findet ein Kampf statt, aus dem dasjenige siegreich hervorgeht, welches das stärkste ist. Dann erfolgt auch die That gerade so, als wäre von vornherein nur ein zu= reichendes Motiv vorhanden gewesen.

8.

Aus dem Bisherigen ergiebt sich, daß die Thaten des Menschen nicht stets auf die gleiche Weise entstehen: entweder folgt der Wille nur seiner Neigung in der Gegenwart, ohne die Zukunft zu berücksichtigen, ohne überhaupt auf sein Wissen im weitesten Sinne zu achten, oder er entscheidet sich nach seinem allgemeinen Wohle. Im lezteren Falle handelt er entweder in Uebereinstimmung mit der Natur seines Willens, oder gegen dieselbe.

Handelt er nun, unter dem Zauber der Gegenwart stehend, seiner Neigung gemäß, aber gegen sein besseres Wissen, so wird er nach der That, je nach ihrer Bedeutung, heftige oder leise Gewissens bisse empfinden, d. h. dieselbe Stimme in ihm, welche vor der That, im Hinblick auf sein allgemeines Wohl, rieth, dem

gegenwärtigen Genuß zu entsagen, wird nach der That wieder laut und wirft ihm seine Unbesonnenheit vor. Sie sagt ihm: du hast gewußt, daß die Unterlassung in deinem wahren Interesse lag und hast die That dennoch gethan.

Die Gewissensbisse steigern sich zur Gewissensangst, entweder aus Furcht vor Entdeckung einer strafwürdigen Handlung, oder aus Furcht vor einer gewissen Strafe nach dem Tode.

Vom Gewissensbisse verschieden, aber sehr nahe mit ihm verwandt, ist die Reue; denn die Reue entsteht nur aus einem nach= träglichen Wissen. Habe ich in der Uebereilung gehandelt, d. h. hatte mein Gewissen keine Zeit, mich zu warnen, oder handelte ich unter dem Einflusse eines Motivs, das ich für echt hielt, das sich aber hintennach als falsch erwies, oder seße ich überhaupt später, in Folge einer berichtigten Erkenntniß, mein Wohl in etwas ganz Anderes, als zur Zeit der That, so bereue ich Thaten, die in keiner Weise mein Gewissen belasten können; denn die Stimme, die in der Reue zu mir spricht, hat vor der That nicht gesprochen.

Gewissensbisse, Gewissensangst und Reue sind ethische Zustände des Willens und zwar der Unlust.

Hierher gehört auch die Hallucination. Von Gewissensbissen gefoltert, kommt der Dämon (objektiv ausgedrückt: das Blut) in eine so gewaltige Aufregung, daß er den Geist zwingt, immer nur mit Einem Gegenstand sich zu beschäftigen, wodurch, und durch die erhöhte Actuirung des Gehirnlebens, die Eindrücke der Außenwelt unterdrückt werden und nun der Ermordete z. B. deutlich und rein objektiv aus der Dunkelheit hervortritt und sich vor den entsegensvollen Dämon stellt.

9.

Es möchte nun scheinen, daß der Mensch das liberum arbitrium indifferentiae habe, d. h. daß sein Wille frei sei, weil er, wie wir gesehen haben, Thaten ausführen kann, die durchaus nicht seinem Charakter gemäß, vielmehr seiner Natur gänzlich zuwider sind. Dies ist aber nicht der Fall: der Wille ist niemals frei und Alles in der Welt geschieht mit Nothwendigkeit.

Jeder Mensch hat zur Zeit, wo ein Motiv an ihn herantritt, einen bestimmten Charakter, der, ist das Motiv zureichend, handeln muß. Das Motiv tritt mit Nothwendigkeit auf (denn jedes Motiv

ist immer das Glied einer Causalreihe, welche die Nothwendigkeit beherrscht), und der Charakter muß ihm mit Nothwendigkeit folgen, denn er ist ein bestimmter und das Motiv ist zureichend.

Nun sehe ich den Fall: das Motiv sei zureichend für meinen Charakter, aber unzureichend für mein ganzes Jch, weil mein Geist mein allgemeines Wohl, als Gegenmotiv, aufstellt und dieses stärker als jenes ist. Habe ich nun frei gehandelt, weil ich einem für meinen Charakter zureichenden Motiv nicht nachgab? In keiner Weise! Denn mein Geist ist von Natur ein bestimmter und seine Ausbildung, nach irgend einer Nichtung hin, geschah mit Nothwendigkeit, weil ich zu dieser Familie gehöre, in dieser Stadt geboren wurde, diese Lehrer hatte, diesen Umgang pflegte, diese bestimmten Erfahrungen machte u. s. w. Daß dieser mit Nothwendigkeit gewordene Geist mir, im Moment der Versuchung, ein Gegenmotiv geben kann, das stärker ist als alle anderen, durchbricht die Nothwendigkeit durchaus nicht. Auch die Kaße handelt gegen ihren Charakter, unter dem Einflusse eines Gegenmotivs, wenn sie in Gegenwart der Köchin nicht nascht, und doch hat noch Niemand einem Thiere den freien Willen zugesprochen.

Ich deute ferner schon jezt an, daß der Wille, durch Erkenntniß seines wahren Wohls, so weit gebracht werden kann, daß er seinen innersten Kern verneint und das Leben nicht mehr will, d. h. sich in vollen Widerspruch mit sich selbst sezt. Aber, wenn er dies thut, handelt er frei? Nein! Denn alsdann ist die Erkenntniß mit Nothwendigkeit in ihm aufgegangen und mit Nothwendigkeit muß er ihr folgen. Er kann nicht anders, so wenig als das Wasser bergauf fließen kann.

Wenn wir demnach einen Menschen nicht seinem bekannten Charakter gemäß handeln sehen, so stehen wir dennoch vor einer Handlung, die ebenso nothwendig eintreten mußte, wie die eines anderen Menschen, der nur seiner Neigung folgte; denn im ersteren Falle entstand sie aus einem bestimmten Willen und einem bestimmten deliberationsfähigen Geiste, welche beide mit Nothwendigkeit zusammen wirkten. Aus der Deliberationsfähigkeit des Geistes auf die Freiheit des Willens zu schließen, ist der größte Fehlschluß, der gemacht

werden kann.

Wir haben es in der Welt immer nur mit nothwendigen Bewegungen des individuellen Willens zu thun, es seien nun einfache

Mainländer, Philosophie.

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