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Kirchenraum beschränkt, sondern, um den Altarraum und das Allerheiligste der Kirche nicht zum Wohn-, Ess- und Schlafzimmer der Flüchtlinge zu machen, auch auf den ganzen inneren Bereich der Kirchengebäude, »Häuser, Gärten, Baderäume, Höfe und Säulenhallen « 1) ausgedehnt. Das Konzil von Toledo im Jahre 681 bedrohte sogar den mit Exkommunikation, der in einem Umkreis von 30 Schritten, von der Kirche aus gerechnet, die Verfolgung eines Verbrechers fortsetzte 2). Dies wurde dem Mittelalter vorbildlich, sodass also germanische und antike Überlieferungen zusammentrafen und in der nämlichen Richtung wirkten; und so finden wir weitgehendes Asylrecht der Kirchen bereits in den Gesetzen der merowingischen Herrscher und der Karolinger3), ebenso wie in denen der westund ostgothischen Könige). Auch hier stand auf der Verletzung des Asyls, wie auf einem Majestätsverbrechen, Acht und Aberacht und die Kirche schritt gegen die Verächter ihrer Privilegien mit den geistlichen Strafen von Exkommunikation und Interdikt ein. Der endgiltige Rückgang dieser Entwickelung beginnt erst mit dem Zeitalter der Reformation 5).

1) 1. 3, C. 1, 12. Ähnlich dehnten die Mohammedaner das Asylrecht auf die Umgebung der Moscheen aus. Non seulement la mosquée, mais un certain espace de terrain environnant, jouit de cette prérogative (QUATREMÈRE, Mélanges d'histoire et de philologie orientale, S. 197 auf Grund eines Reiseberichts aus Tunis).

2) FULD in Zeitschrift, Bd. 7, S. 138.

3) So im decretum de partibus Saxoniae (PERTZ, Leges, Bd. 1, S. 48 und bei BORETIUS, Capitularia regum Francorum, Bd. 1, S. 68) mit der bezeichnenden Einleitung, welche auf ein altes Asylrecht der heidnischen Tempel hinweist: ut ecclesiae Christi, quo modo construuntur in Saxonia et Deo sacratae sunt, non minorem habeant honorem, sed majorem et excellentiorem, quam vana habuissent idolorum.

4) Vergl. z. B. edict. Theodorici C. 70, 71.

5) Über das Asylrecht des deutschen Mittelalters FRAUENSTÄDT, Blutrache und Todschlagsühne, S. 51 ff.

Den besten Beweis, dass es sich hierbei nicht nur um altrömische, sondern auch um altgermanische Rechtsgedanken handelte, sehe ich darin, dass wir diesen Asylschutz schon früh im hohen Norden finden. So musste nach dem alten Recht der Insel Gothland der Totschläger sich zunächst in Begleitung von Vater, Sohn oder Bruder, also einem Vertreter seiner Sippe, in eine der drei Kirchen des Landes, welche den höchsten und beständigen Frieden genossen, flüchten und dort ein Jahr lang in einer Art von Verstrickung (»in dem Schutzbande<) fern vom Verkehr aller Menschen, seiner eigenen Verwandten wie des Gegners leben; dann erst sollte er das Wergeld bieten 1). Und auch bei den Germanen wurde, gerade wie wir es bei den Griechen gesehen haben), der Schutz des Heiligtumes so weit ausgedehnt, dass es genügte, wenn es dem verfolgten Verbrecher gelang, auch nur den Ring an der Kirchentür anzufassen).

Auch das persönliche Asyl als Schutz des Totschlägers findet sich bei den Deutschen. Ähnlich wie bei der vestalischen Jungfrau, scheint überhaupt die Nähe einer Frau Schutz geboten zu haben. Darauf weist wenigstens das altdeutsche Rechtssprichwort: >flühe ein Wolf zu Frowen, man soll in durch ire liebe lazen leben« (Wolfsfrieden des Verbrechers)4). So ist es nicht ungeschichtlich gedacht, wenn bei Richard Wagner Tannhäuser vor den Schwertern der ergrimmten Wartburgritter durch Elisabeth gerettet wird.

Ebenso schützte nach angelsächsischem Recht die Nähe des Herrschers den Verbrecher. Und genügte auch, dass der

1) WILDA, Strafrecht der Germanen, S, 183.

2) HERODOT 6, 91.

3) Schwabenspiegel, S. 258 (ed. WackernageL): unde ermac der mensche niht in die kirchen komen, unde vâhet ez den rinc an der kirchen tür, ez hât den selben vride.

4) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 892. Über die Bedeutung, die das Wort Wolf hier hat, vergl. unten S. 114.

Flüchtling den Palast des Königs betrat; auch hier war er vor den Verfolgern sicher1). Hieraus mag sich in späterer Zeit das gleiche Recht der kleinen Machthaber und Grundherren entwickelt haben, wonach ihre Häuser (die Fronhöfe Herrenhöfe) und deren Umgebung ein weitgehendes Asylrecht gewährten 2).

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So heisst es in einem alten Rechtsbuch (Pantaiding d. h. Bannrecht) der Herrschaft Tachenstein3). »Ob zween in unwillen oder Krieg sich gegen einander aufwurffen, von wort zum Streichen kämmen, undt der aine erreichet den Grundt zur Herschafft Tachenstein gehörend, mit einen Huet, Stein, oder Hackhen: undt sprach dreymahl: »Hie freyung<4), so soll er zur Handt versichert sein mit der freyung, so wohl, alss wäre er im Schloss Tachenstain«. Und nach den Weistümern reicht es vielfach aus, wenn ein für Flüchtlinge aufgestellter Stein vor dem Fronhof erreicht oder ein Fuss an den Hofzaun gestellt ist, und soll das Hoftor für den, der des Weges kommt und sich retten will, jeder Zeit offen bleiben oder nur so be festigt sein, dass es beim ersten Anlauf vom Verfolgten aufgestossen werden kann5). Oder, wie es in einem Pantaiding

1) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 888.

2) KOHLER, Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 186; FRAUENSTÄDT, Blutrache und Todschlagsühne, S. 66 ff.; GRIMM, Weistümer, Bd. 6, S. 501, 561, 689, Bd. 2, S. 138, wo der dem Missetäter in das Asyl des Fronhofs Nachdringende gehenkt werden kann. Dann in Zeitschrift für deutsches Recht, Bd. 3, S. 359 ff. Vergl. auch BENEKE, Von unehrlichen Leuten, 2. Aufl., S. 150.

3) KALTENBÄCK, Pan- und Bergtaidingbücher in Österreich unter der Enns, Wien 1846-47. No. 184, 4, (Bd. 2, S. 219).

4) Also fast wörtlich, wie im letzten Nachhall unsere Kinder im Spiel noch heute rufen hier frei«.

5) FRAUENSTÄDT a. a. O., S. 68 ff. Ganz Ähnliches finden wir auf Hawaii; auch hier mussten die Tore zum Asyl, welche das Königsgrab gewährte, beständig offen stehen, um dem Schutzsuchenden den Zutritt zu erleichtern (HELLWIG, das Asylrecht der Naturvölker, S. 12).

von Oberdöbbling1) heisst: sollen Ime seine feindt ferrer nit nachkhommen, dann drey tritt von des Hauss Tachtropfen<. Überall klingt hier das Bestreben ältester Zeit nach, dem im ersten Zorn nachstürmenden Bluträcher den Täter zu entziehen, um bei kühler gewordenem Blut über die Sühne verhandeln zu können; diese Wohltat des Altertums musste in Zeiten geordneter Rechtspflege allerdings als schlimmes Erbteil der Vergangenheit erscheinen, weil es den Frevler der Gerechtigkeit entzog, und sehen wir aus diesem Anlass besonders die Städte bei zunehmendem Selbstgefühl in ernsten Auseinandersetzungen mit Ritterschaft und Geistlichkeit.

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So mag es sein, dass dies Recht der Fronhöfe zunächst als ein persönliches Recht ihrer Eigentümer, der mächtigen Grundherren, gedacht war. Aber es war vor allem auch ein an das Haus als solches geknüpftes Asyl. Denn dies und hier liegt eine Besonderheit des germanischen Rechts vor, die in dieser Entwickelung wohl schwerlich bei irgend einem andern Volk sich findet?) - ist nicht dem Königspalast oder dem Schloss des Grundherrn, sondern jedem Haus, des Bauern wie des Niedrigsten, eigen. Es ist auch nicht der Schutz des Herdes als Hausaltars, wie wir ihn im Altertum sahen, sondern die Behausung, die vier Pfähle, innerhalb deren ursprünglich die Hausgenossenschaft, später der Mann mit den Seinen lebte, sind ein kleines Herrscherbereich für sich, in welches fremde Gewalt nicht einzudringen hat. Der Satz »Mein Haus ist meine Burg<< (my house is my castle) ist keineswegs englischer oder angelsächsischer, sondern altgermanischer Rechtsgrund

1) KALTENBÄCK a. a. O., No. 204, 28, (Bd. 2, S. 284).

2) Allerdings ist auch nach ältestem russischen Recht das Haus unverletzlich (REUTZ in Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes, Bd. 12, S. 72); aber zu derartiger Ausbildung des Rechtsgedankens, wie bei den germanischen Völkern, ist es hier doch nicht gekommen.

satz1) und nur von dem konservativen Sinn der Engländer länger festgehalten als anderswo.

Das Haus war noch im mittelalterlichen Deutschland derart geschützt, dass, wenn sich ein wegen Totschlags Verfolgter hineinflüchtete, er nicht herausgeholt werden durfte. Und in gleicher Weise kam dem Totschläger der Frieden seines eigenen Hauses zu Gute. Aber all dies galt nur, bis das Urteil ergangen war. Und daher sehen wir, wie man bei erstarkender staatlicher Rechtspflege die bösen Folgen des zum Unfug gewordenen alten Rechts auf eigentümliche Weise zu beseitigen sucht. Der Richter setzt vor dem belagerten Haus sofort die Schöffenbänke, d. h. er hält eine Gerichtssitzung ab, bei welcher der Totschläger sich vom Fenster des Hauses aus verteidigen kann, und das Urteil wird gesprochen, worauf der Gerichtsdiener nicht mehr am Eintritt und am Herausholen des Verurteilten gehindert werden darf2). Ebenso sucht man, gerade wie bei der Blutrache, die alte Rechtssatzung durch zeitliche Beschränkung möglichst unschädlich zu machen, indem die Weistümer vielfach das Asyl des Hauses nur auf eine Nacht ausdehnen, wobei aber dem Hausherrn gestattet war, dem, der sich in sein Haus geflüchtet hatte, aus Barmherzigkeit zur weiteren Flucht zu verhelfen3). Für die Fronhöfe war die Frist vielfach auf sechs Wochen und drei Tage festgesetzt; diese »entsprechen

1) Glosse zum Sachsenspiegel III 78, § 7: wer seine vier phell beschützet, der tut jo als wohl eine notwere doran, als ob er seinen leib rettete. OSENBRÜGGEN, Studien zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte, S. 189; derselbe, der Hausfrieden, S. 10 ff. Über Ähnliches im Rechte der Palauer (Südsee), vergl. HELLWIG, das Asylrecht der Naturvölker, S. 21. Sehr weit ausgedehnt ist das Hausrecht in den Weistümern bei GRIMM, Bd. 1, S. 414, 422, 335 (der Hauseigentümer kann den Beamten, der ihn in sein Haus verfolgt, ungestraft erschlagen). Vergl. auch GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 628 und Osenbrüggen a. a. O., S. 211 ff.; derselbe, der Hausfrieden, S. 60 ff. wegen der Strafe des Heimsuchers.

2) FRAUENSTÄDT a. a. O., S. 63 ff.

3) FRAUENSTÄDT a. a. O., S. 64, Anm. 52.

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