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Die ursprüngliche Natur des Eids als einer Verwünschung von Leib und Leben des Mannes selbst oder der Seinen tritt noch deutlich in Schwurformeln hervor, die im spätern römischen Recht, von Ulpian und Paulus, für rechtsgiltig gehalten wurden: beim eigenen Haupt, bei dem Haupt der Söhne oder der eigenen Gesundheit1).

Von dem Eid der Germanen ist vorhin schon gesprochen. Der Unschuldseid war das Recht des Mannes, der auf diese Weise sich von der Anklage entsühnte; er musste seine Unschuld beweisen 2), hierzu genügte aber die Leistung des Eides. Insoweit war er »näher zum Eide«. Die aus alter Zeit erhaltenen Eidesformeln beziehen sich zum grossen Teil auf die Waffen, wie oben schon des Zusammenhangs mit dem Waffenordal gedacht war; so schwuren die Helden der Edda bei Schiffes Bord und Schildes Rand, bei Rosses Bug und Schwertes Spitze3). Und bereits in alter Zeit bestand der Glaube, dass

1) 1. 3, § 4, l. 4, l. 5 pr. D. 12, 2.

2) Ganz ebenso war die Regelung der Beweislast bei den Indern; auch hier musste der auf Verdacht Festgenommene sich reinigen, und konnte dies nur durch Gottesurteil tun (vergl. den altindischen Kommentar in Zeitschrift, Bd. 16, S. 146, 147).

3) So heisst es im Fluch der Sigrun (im 2. Liede von Helgi bei GRIMM, Lieder der alten Edda, S. 109):

Dich sollen alle Eide schneiden,

Die du dem Helgi geschworen hattest
bei der Leiptur glänzendem Wasser

und dem urkalten Unnarstein.

Das Schiff schreite nicht, das unter dir schreitet,

wenn auch erwünschter Wind dahinter wehe!

Das Ross renne nicht, das unter dir rennt,

wenn auch vor deinem Feinde du fliehen müssest.
Das Schwert schneide nicht, das du ziehst,

wo nicht dir selber es singe ums Haupt.<

GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 50. ED. CHILPERICI regis C. 4 (Mon. Ger

man. Leg. II, S. 6) SCHULTE, Reichs- und Rechtsgeschichte, 5. Aufl., S. 412, Anm. 6.

der falsch Schwörende auch im Jenseits harte Strafe zu gewärtigen habe; nach der Völuspâ müssen die Meineidigen nach ihrem Tode in der Unterwelt durch Ströme von Gift waten 1). In allen wichtigeren Sachen hatte nicht nur der Beschuldigte selbst den Eid zu leisten, sondern Eideshelfer hatten zu schwören, dass jener Eid des Beschuldigten »rein und unmein<< sei. Dies waren Verwandte oder Gemeindegenossen 2), also die alte Sippe, die ebenso dem Verletzten bei der Blutrache half und mit dem Täter die Blutbusse zahlte, hier mit dem Verdächtigten dessen Unschuld bekräftigte. Nur ihre Überzeugung betätigten sie mit dem Eide, sodass sie nicht meineidig wurden, wenn sie die Unschuld eines Schuldigen beschworen hatten 3).

Von den alten Slaven wissen wir, dass sie auf ihre Waffen und bei dem Gotte Perun schwuren). Die Einrichtung der Eideshelfer war bei ihnen ebenso verbreitet wie bei den Germanen 5). Furchtbar ist der Eid der Montenegriner: wenn das Beschworene nicht wahr sei, solle Gott geben, dass sie ihre Kinder nicht gross sehen, dass ihr Samen in der Erde, die Frucht in ihrem Vieh, die Kinder in ihren Weibern zu Stein werden; dass sie alle der Aussatz lebendig zerfresse, dass sie kein Glück haben u. s. w. 7.6).

1) Völuspá 43. Edda, übers. von HOLTZMANN, S. 23.

2) GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 859 ff.; BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 433 ff.; GIERKE, Deutsches Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 72, Anm. 42.

3) GRIMM a. a. O., S. 862; über die Eideshelfer der Germanen vergl. noch ROGGE, Gerichtswesen der Germanen, S. 136 ff.; SIEGEL, Geschichte des Deutschen Gerichtsverfahrens, Bd. 1, S. 176 ff.; WAITZ, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl., Bd. 1, S. 413 ff., WALTER, das alte Wales,

S. 479.

4) MACIEJOWSKI, Slavische Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 101.

5) MACIEJOWSKI a. a. O., Bd. 2, S. 93 ff.

6) Montenegro und die Montenegriner, Stuttgart und Tübingen 1837, S. 38.

Die Eideshelfer kannte man auch im Kaukasus, wo ihre Zahl, gerade wie in den alten deutschen Volksrechten 1), sich nach der Schwere der abzuleugnenden Missetat und dem Stande des Schwörenden (von 2-60) bestimmte 2).

Besonders deutlich springt die Natur des Gottesurteils bei dem Eid der Kalmücken hervor, welche beim Schwur den Fuss des Götzen auf ihr Haupt legen3). Bei den Samojeden küsst, ähnlich den indischen Rechtssitten, der Beschuldigte eine Bärenpfote mit der Verwünschung, es solle ihn ein Bär zerreissen, wenn er unwahr rede; und gilt er zunächst als gerechtfertigt, dann aber, wenn ihn ein Bär auf der Jagd verwundet, durch den Ausgang der Dinge als schuldig).

Mit Eideshelfern (3, 4, 7) wird auch bei einigen Stämmen der Kabylen Afrikas geschworen 5). Weit verbreitet ist in Afrika, dem Ahnenkult entsprechend, der Eid bei den Vorfahren, so bei des Vaters Tränen, dem Ahn des Häuptlings, dem Begräbnisplatz, oder auch totemistisch bei dem Tiere, das dem Stamm heilig ist).

1) Lex Bajuv. 9, 2; Lex Thuringorum 52; Lex Fris, 2, 11; Lex Alaman. 27, 3; GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 860, 861; SIEGEL, Geschichte des Deutschen Gerichts verfahrens, Bd. 1, S. 277 ff.

2) R. DARESTE, Études d'histoire de droit, S. 130, 131.

3) KÜHNE in Zeitschrift, Bd. 9, S. 472.

4) Ebenso mit einem Stück Eis: >> wenn ich unwahr rede, so möge das Wasser unter dem Eis mich verschlingen« u. s. w. STRUVE im Ausland, 1880, S. 796.

5) HANOTEAU et LETOURNEUX, La Kabylie et les coutumes Kabyles, Bd. 3, S. 317.

6) Wegen der Herero, Zeitschrift, Bd. 14, S. 318; wegen der AmaxosaKaffern ebenda, Bd. 10, S. 61. An der westafrikanischen Goldküste schwört man beim Fetisch oder beim Häuptling oder beim Kormanten-Sonnabend«, dem Tag einer grossen Unglücksschlacht; es soll also den falsch Schwörenden ein Unheil treffen so furchtbar wie jene Schlacht (CRUICKSHANK, 18 years on the Gold Coast of Africa, Bd. 2, S. 258 A.; 266. BEECHAM, Ashantee and the Gold Coast, S. 217 ff.).

Den Schwerteid der Malaien haben wir bereits1) erwähnt. Es gibt Stämme der Malaien, die unter offenem Himmel schwören, das Antlitz zur Sonne gerichtet). Und ist bei ihnen eine verbreitete Sitte, welche auf den Ursprung der Eideshelfer zurückweist, dass nicht nur der Verdächtigte selbst, sondern auch seine ganze Familie oder eine Anzahl seiner Verwandten seine Unschuld beschwört3). So wird bei den in den inneren Gebirgsgegenden Sumatras lebenden Lubus die Eidesformel dahin vorgesprochen1), dass der Beeidete mit seiner ganzen Familie durch Tiger zerrissen, durch das Wasser entführt, durch Krokodile verschlungen, durch Schlangen getötet werden solle, im Falle er nicht die Wahrheit spricht; dann wird ein brennendes Stück Hoiz ins Wasser gesteckt und gesagt: >> Ebenso wie dieses Feuer im Wasser erlischt, sollst du sterben, wenn du Unwahrheit sprichst« 5).

Auch die Papuas auf Neu-Guinea schwören, wie unsere Altvordern, auf ein Waffenstück: dies solle den Schwörenden töten (aufessen), wenn er schuldig sei, und wird berichtet, dass eine grosse Scheu vor diesem Eid bestehe, weil man das Unheil fürchte, das über den Schuldigen hereinbrechen werdeo). Auf den Aaru-Inseln bei Neu-Guinea rufen die Schwörenden Sonne und Mond an1).

Gegenüber dem Eid und den Eideshelfern scheint die Berufung auf Zeugen, die die Einzelheiten der Tat oder des Rechtsgeschäfts bekunden, ein später entstandenes Beweismittel zu sein, und wird ihr Ursprung in der notorischen Kenntnis

1) Oben, S. 152, Anm. 3.

) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 350.

" KOHLER ebenda, Bd. 5, S. 375.

Also wie im alten Deutschen Recht, gestabt; vergl. GRIMM, Rechts

altertümer, S. 902.

5) Globus, Bd. 45 (1884), S. 319.

6) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 378.

7) KOHLER ebenda, Bd. 6, S. 350.

von Tatsachen durch die Sippe oder die Markgenossen zú suchen sein 1). Jedenfalls treten die Zeugen, die rein zufällig gesehen oder gehört haben ohne die im heutigen Straf

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prozess garnicht auszukommen wäre uns viel später entgegen, als die Gemeindegenossen und die bei einem Rechtsgeschäft feierlich zugezogenen Zeugen, von denen wir früher schon gesprochen haben). Und zunächst wird auch der zufällige Zeuge der Tat, gerade wie die schwörende Partei oder ihr Eideshelfer, den Regeln des Gottesurteils unterstellt; so sagt das altindische Gesetzbuch des MANU3) ausdrücklich: »der Zeuge, dem binnen sieben Tagen nach Abgabe seines Zeugnisses eine Krankheit oder eine Feuersbrunst oder der Tod eines Verwandten widerfährt, soll zur Bezahlung der Schuld und einer Busse angehalten werden«. Also auch hier wird das Gericht Gottes über die Wahrheit der Aussage abgewartet. Überhaupt liefert dieses alt- ehrwürdige Gesetzbuch uns ein sehr anschauliches Bild des damaligen Zeugenbeweises. Der Schuldner, der seine Schuld vor Gericht ableugnet, muss durch mindesten drei klassische Zeugen überführt werden1). Ausführlich beschrieben wird uns ihre Vernehmung bei Grenzstreitigkeiten; sie müssen mit roten Blumen bekränzt und mit roten Gewändern bekleidet sein (um sich ein schreckliches

1) GRIMM, Rechtsalterümer, S. 858.

2) Oben, Bd. 2, S. 143 ff. Vergl. BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 391 ff.

3) Buch 8, V. 108.

4) Ebenda, V. 60 ff. Die ausführlichen Bestimmungen, welche Ausnahme auf Ausnahme häufen und die Zuziehung von Zeugen sehr erschwert haben müssen, erinnern an das, was DARESTE von den Völkern des Kaukasus erzählt, dass bei ihnen soviele Erfordernisse an die Zeugen gestellt werden, dass dadurch ein Zeugenbeweis in der Regel unmöglich gemacht wird (Études d'histoire de droit, S. 130). Auch dies ist eine Bestätigung des Satzes, dass das alte Recht der Berufung auf zufällig zugegen gewesene Zeugen nicht günstig ist.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts III

II

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