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ebenso treten in den Sagen der Germanen Götter und Häuptlinge häufig als Richter auf1). Bei TACITUS finden wir die Häuptlinge als die Vorsitzenden des Gerichts und die Vollstrecker der Urteile). Im Kriege aber hatte der Häuptling als Heerführer Gewalt über Leben und Tod3) und wie der Krieg stets die Häuptlingsgewalt steigerte — können wir auch annehmen, dass aus dieser Quelle der Ursprung der höchsten Richtergewalt der späteren Zeit herzuleiten ist. Denn es ist sicher kein Zufall, dass wir gerade nach den Heerzügen der Völkerwanderung und den schweren Stürmen, die die Franken in den Kriegen gegen die Alamannen zu bestehen hatten, die Merovinger als unumschränkte Gerichtsherren ihres Landes finden, die in ausserordentlichem Königsgericht nicht nach den alten Volksrechten, sondern nach ihrem eigenen Recht und nach der Billigkeit entscheiden1). Und so blieb es durch Jahr

1) Vergl. z. B. Edda Wöluspa 6, übersetzt von HOLTZMANN, S. 18. 2) Germania C. 12: principes, qui jura per pagos vicosque reddunt; centeni singulis ex plebe comites, consilium simul et auctoritas adsunt. Ebenso CÄSAR, bell. gall. 6, 23: principes regionum atque pagorum inter suos ius dicunt controversiasque minuunt. GIERKE, (Genossenschaftsrecht, Bd. 2, S. 497 ff.), macht mit Recht darauf aufmerksam, dass der Gemeindevorsteher bis in späte Zeiten hinein gleichzeitig der Dorfrichter war, »das Dorfgericht zu hegen, die Fragen zu stellen, die Beschlüsse und Urteile zu vollziehen hatte. Wegen des Richteramts des Häuptlings, vergl. WAITZ' deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 333; SCHRÖDER, deutsche Rechtsgeschichte, S. 33 ff.; BAUMSTARK, Ausführliche Erläuterung des Allgemeinen Teils der Germania des Tacitus, Leipzig 1875, S. 498-502. Ebenso werden bei den afrikanischen Bantuvölkern (Zeitschrift, Bd. 15, S. 82) wie bei den Hottentotten (v. BURGSDORFF ebenda, S. 356), die Prozesse durch einen Rat unter dem Vorsitz des Häuptlings entschieden, dem aber häufig ein weitgehender Einfluss zusteht.

3) Cäsar a. a. O.: magistratus, qui ei bello praesint et vitae necisque habeant potestatem, vergl. auch, was TACITUS, Germania, C. 30 von der strengen Heereszucht der Chatten sagt.

4) SCHRÖDER a. a. O., S. 114, 169 ff.; BARCHEWITZ, das Königsgericht der Merovinger und Karolinger 1882, Inauguraldissertation. GIERKE, Genossenschaftsrecht, Bd. 1, S. 112. Ähnlich liegt bei den Betschu

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts III

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hunderte; noch der Sachsenspiegel kennt es nicht anders. Hier ist die höchste Gerichtsbarkeit beim König: er ist der Richter über das Eigentum des Mannes wie über sein Lehn, und über Leib und Leben; nur weil er nicht in allen deutschen Landen sein kann, verleiht er den Fürsten und Grafen die Ausübung der Gerichtsbarkeit '). Die koning is gemene richtere over al3). Und in welches deutsche Land er kommt, ist »das Gericht ihm ledig,« alle Klagen werden vor ihn gebracht und alle Gefangenen vor ihn geführt3). Besonders gehört der Raub, als Bruch des öffentlichen Friedens, vor seinen Richterstuhl). Er ist der höchste Richter, vor den beim UrteilSchelten die Sache gezogen werden kann5), und er sitzt auch über die Fürsten zu Gericht, wenn sie auf Leib und Leben angeklagt werden 6).

Diese Machtfülle des Häuptlings als Richter war dem ältesten germanischen Recht sicherlich fremd; wir sehen hier die unumschränkte richterliche Gewalt, die ehedem nur dem Heerkönig auf dem Kriegszug zustand, in den schweren Stürmen, die mit und seit der Völkerwanderung gekommen waren, auch für die Friedenszeiten gefestigt und nunmehr untrennbar mit der Königsherrschaft verbunden. Diese Entwickelung ist lehrreich; denn wir können annehmen, dass, wie es hier gegangen ist, der Werdegang sich auch anderwärts gestaltet hat. Nichts ist vereinzelt; die Dinge wandeln ihren ewigen Gang, dort wie hier, hier wie dort.

anen in Deutsch-Südwest-Afrika die Strafgewalt in der Hand des Häuptlings (HELDT in Zeitschrift, Bd. 15, S. 333, 335).

1) Sachsenspiegel 3, 52, § 2.

2) Ebenda 3, 26, § 1.

3) Ebenda 3, 60, §§ 2. 3; vergl. auch 1, 34, § 3; 3, 33.

4) Ebenda 2, 25, § 2.

5) Ebenda 2, 12, §§ 4, 12.

6) Ebenda 3, 55, § I.

Auffällig ist, auf wie frühe Zeit die Vererbung der Häuptlingswürde zurückreicht1). Auch hierin möchte ich ein Zeugnis für die innere Verwandtschaft finden, die wir vorhin schon mit der Stellung des Vorstands in der Hausgenossenschaft nachgewiesen haben: wie es hier durch die Natur der Dinge gegeben war, dass der älteste Sohn wenn er nicht ein Trottel oder sonst unfähig zur Leitung des Hausstandes war nach dem Tode des Vaters an die Spitze trat, so mag dies von vorbildlicher Bedeutung für die Nachfolge des Häuptlings gewesen sein. Und ebenso lässt sich hieraus erklären, dass wir auf frühen Kulturstufen einen nicht unbedeutenden Einfluss der Frauen auf die Wahl des Häuptlings feststellen können 2); denn

1) Über die Hereros in Deutsch-Südwestafrika, BENSEN in Zeitschrift, Bd. 14, S. 315; wegen der Indianer, KOHLER ebenda, Bd. 12, S. 355 und wegen der afrikanischen Bantuvölker ebenda, Bd. 15, S. 71 ff; über die Südsee - Insulaner W. ELLIS, Polynesian Researches, 1830, Bd. 2 S. 346. Vielfach fasst man den Erbgang ganz sinnlich als Übergang der Seele des Toten auf den Lebenden auf (vielleicht die älteste Bedeutung des bekannten Rechtssatzes »le mort saisit le vif«). So glaubt man auf Nias (holländisch Indier), dass beim Tode ein Teil der Seele als Hauch sich aus dem Munde entfernt und in die Luft verfliegt. >> Wenn dagegen der Sterbende ein Dorfhäuptling ist, der Reichtümer und Nachkommen besitzt, dann geht noch ein anderer Geist von ihm aus, der auf seine Erben übertragen werden kann. Dieser erbliche Geist heist ehèha, befindet sich im Munde des Sterbenden und muss von dem Sohne mit dem eigenen Munde aufgefangen werden. Den Sohn eines Häuptlings, der nicht selbst den väterlichen ehèha in sich genommen hätte, würde man nie zu seinem Nachfolger ernennen, wohl aber den, der ihn aufgefangen hat, und wäre es selbst ein Fremder, weil man glaubt, dass jede Tugend und Fähigkeit nur auf diese Art vom Vater auf den Sohn übergeht.« (SCHURTZ, Urgeschichte der Kultur, S. 141 nach MODIGLIANI).

2) So bei den nordamerikanischen Indianern; vergl. KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12, S. 355. Bei den afrikanischen Bantuvölkern kommen Frauen als Häuptlinge vor (KOHLER ebenda, Bd. 15, S. 72), und bei dem südamerikanischen Stamm der Arekunas führt bei der Abwesenheit eines Häuptlings dessen Schwester den Oberbefehl (SCHOMBURGK, Reise in BritischGuyana, Bd. 2, S. 344).

wir sahen vorhin, eine wie bedeutsame Rolle in mutterrechtlichen Verhältnissen, aber auch später den Matronen bei der inneren Verwaltung der Hausgenossenschaft vielfach eingeräumt worden ist.

Also, wie im Engen, so im Weiten. Die Grundsätze, die wir in den früheren Blättern für die Hausgenossenschaften gefunden haben, sind auch nicht ohne Einwirkung auf den Stamm und das Volk geblieben auch diese grösseren Verbände schlossen sich gewissermassen zu Gedeih und Verderb zusammen und, was von der Vorstandsschaft des Hauses gesagt ist, kann in so mancher Hinsicht auch auf den Häuptling angewendet werden. Vor allen Dingen bleibt auffällig die Parallele, die sich in den bei steigender Kultur immer mehr wachsenden Machtbefugnissen bietet. Wir sahen bei der Hausgenosssenschaft ursprünglich eine Beschränkung durch die Rechte der übrigen Hausgenossen, die bei Verfügungen über das Eigentum zunächst dem Recht des Hausvorstands gleichwertig erschienen und sodann z. B. im altsächsischen Beispruchsrecht noch starke Wirkungen bis in späte Zeiten hinein. äussern, und im weiteren Entwickelungsgang die Stellung des Vorstands immer autokratischer zugespitzt, bis das Recht des Hausältesten zum vollen privatrechtlichen Eigentum des Hausvaters an dem alten Familiengut wird1). Auch hier können wir die merkwürdige Wechselbeziehung zwischen Hausgenossenschaft und Stamm verfolgen. Denn der Werdegang des Häuptlingtums weist unverkennbare Ähnlichkeit auf. Auch hier steht der absolute Despotismus durchaus nicht am Anfang der Entwickelung. Wie schon vorher betont, bedurfte es vielmehr gewaltiger kriegerischer Erschütterungen, um das Häuptlingtum zu dieser Gestaltung die den Despoten direkt als

1) Wo nicht etwa aber dies liegt auf dem ganz anderen Gebiet der Auszeichnung des Adels als der Kriegshauptleute die Entwickelung der Fideikommisse eingegriffen hat. Und auch hier ist die Stellung des Fideikommissbesitzers gar sehr weit von der des Hausältesten der Vorzeit entfernt.

Eigentümer alles Grundes und Bodens, aller Habe, ja der Untertanen selbst auffasst, also direkt dem Privateigentum des vaterrechtlichen Hausvaters an Habe, Haus, Hof und an den Seinen entspricht zu bringen. Am Beginn der Dinge aber stand anscheinend der Häuptling unter seinen Stammesgenossen in ähnlicher Stellung, wie der Hausälteste grauer Vorzeit unter seinen Hausgenossen. So ist das Bild des Königtums, das uns die homerischen Dichtungen zeigen, wo nicht Agamemnon allein, sondern die Ratsversammlung der Fürsten entscheidet, und auch daheim der König in der Volksversammlung nur den Ehrensitz hat1). Ebenso muss es aber auch im ältesten Rom gewesen sein: wenigstens wurde dem Romulus als Übermut und Frevel ausgelegt, dass er allein Strassenräuber verurteilte, ohne hierzu einen Beirat aus dem Volk zuzuziehen2); und L. Tarquinius erhielt den Beinamen Superbus, weil er ebenfalls ohne Beirat die Strafsachen allein entschied und über die wichtigsten Staatsangelegenheiten (bellum, paces, foedera, societates) ohne den Rat der Hausältesten aus den Geschlechtern (Senat) beschloss3). Wieviel hiervon nun Sage, wieviel Geschichte sein mag jedenfalls wurde die Entwickelung des Königtums bei den Römern da unterbrochen, wo es einen energischen Anlauf zum absoluten Despotismus nahm. Der römische Bauer lernte seinen Rücken nicht beugen und er hat es auch niemals gelernt; denn, als das Cäsarentum aufkam, war der alte Bauernstand längst durch die ewigen Kriege und durch die Latifundien zu Grunde gerichtet.

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Von den Germanen zu den Zeiten des Tacitus ist vorhin schon gesprochen. Dieser sagt von ihnen ausdrücklich, die

1) Od. 2, 14: (Τηλέμαχος) ἕζετο δ ̓ ἂν πατρὸς θώκῳ, εἶξαν δὲ γέροντες. 2) DIONYS 2, 56.

3) LIVIUS 1, 49; vergl. ZUMPT, Kriminalrecht der römischen Republik, Bd. 1 S. 14, 123. Über die Zusammensetzung des Senats aus den Häuptern der Gentes, BÜDINGER in Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften, Bd. 36 (1888) S. 98.

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