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ebenso stellt man sich auch bei Lebzeiten die Seele als ein reales Ding vor, das mitunter den Körper verlässt und dann bedrohlich und Verderben bringend umherschweift also dieselbe Idee, aus welcher der Glauben an Vampyre und Werwölfe entstanden ist1). Seltsam, dass der Mensch die Seele, die sich aus dem Körper entbindet, zunächst für ein Schreckgespenst ansieht! so bei dem Gespensterglauben, überhaupt bei der vorhin von uns beim Ahnenkult ausführlich betrachteten Furcht vor dem Geiste des soeben Verstorbenen, und hier in Anwendung auf eine Seele, die unheimliche Wanderungen antritt, um zu ihrem Körper wieder zurückzukehren. Oder hat man dabei an die Kraft des menschlichen Willens gedacht, welcher im Stande wäre, ohne äusserliche Hilfsmittel den Willen und Körper des Andern zu zwingen? geistige Kraft, die unkörperlich doch den Körper beherrscht? Jedenfalls aus welcher Wurzel auch diese Vorstellung entsprang sie hat schlimme Früchte weit in aller Welt getragen. Wir finden den Hexenglauben noch heute in Afrika, wie bei ostindischen Völkern 2), wie bei den Malaien des ostindischen Archipels, wo die vermeintlichen Hexen ohne Weiteres umgebracht werden 3). Von der Geschichte der europäischen Völker wollen wir lieber ganz schweigen. Ebenso ausgebreitet ist der Wahn, dass die Macht des Hexenmeisters oder Zauberers sich besonders darin äussere, Menschen eines unerklärlichen Todes sterben zu lassen. Wenn wir nun bedenken, dass die Völker auf einfacher Stufe sich keiner oder nur höchst geringer ärztlicher Kenntnisse erfreuen, so kann es uns nicht verwundern, dass ihnen eine Menge von Todesfällen, die jeder Arzt der Kulturvölker auf eine ihm erkennbare Ursache zurückführen würde, rätselhaft

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1) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 410 ff. Vergl. BASTIAN, Allgemeine Grundzüge der Ethnologie, S. 62.

2) KOHLER a. a. O., Bd. 8, S. 146, Bd. 9, S. 357, Bd. 10, S. 178. 3) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 347, 348. KUBARY, die sozialen Einrichtungen der Pelauer, S. 74.

erscheint und nur als Zauberei gedeutet werden kann. Dann geht man auf die Suche, den vermeintlichen Schuldigen zu ermitteln, und gegen ihn richtet sich die Blutrache oder in vorgeschritteneren Zuständen das staatliche Strafgericht. Wieviel Blut und Greuel, Qualen und Scheiterhaufen hat dieser fürchterliche Glauben veranlasst! Wie hat man den Scharfsinn auf das Äusserste zur Ausheckung von Systemen angestrengt, um Unglückliche zu Grunde zu richten! So hat die Menscheit bald in dieser, bald in jener Form gegen sich selbst gewütet. Wird denn niemals eine Zeit kommen, in der die Worte der Bergpredigt auch unter Christen kein leerer Schall sind? Doch zurück zu den, den Wilden unerklärlichen Todesfällen! Hierfür fehlt es nicht an Belegen. So wird von den Bagirmistämmen der Sahara durch keinen Geringeren als den berühmten Reisenden NACHTIGAL berichtet, dass, wenn vornehme Leute nicht aus Altersschwäche gestorben sind, stets der zauberische Einfluss Böswilliger angenommen, und der Übeltäter dann durch die später zu besprechende Bahrprobe ermittelt wird1). Und ganz so wurde es früher bei den ostafrikanischen Bantuvölkern gehalten, wo man den vermeintlichen Schuldigen auf schreckliche Weise mit dem Feuertode bestrafte 2). Und dieselbe Vorstellung bestand bei den nordamerikanischen Rothäuten 3), wie bei den Australnegern), also bei Völkern, die sich diese Ideen sicher nicht

1) NACHTIGAL, Sahara und Sudan, Bd. 2, S. 286. Ganz ebenso an der Goldküste Afrikas (CRUICKSHANK, 18 years on the Gold Coast of Africa, Bd. 2, S. 179 ff.), wo aber bei Reinigung von dem Verdacht schwere Strafen den Ankläger treffen (ebenda, S. 180.)

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 15. S. 55, 58, 63.

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4) Ebenda, S. 425 und Bd. 7, S. 365. Wegen der Papua auf NeuGuinea vergleiche die Schilderung eines Arztes, Dr. SCHELLONG, in Zeitschrift, für Ethnologie, Bd. 21, 1889, S. 19 ff., wegen Hexenproben bei den vorarischen Völkern des indischen Dekan KOHLER in Zeitschrift, Bd. 8, S. 146, 147. Über Tahiti, W. ELLIS, Polynesian Researches, London 1830, Bd. 1, S. 121.

mitgeteilt haben. Ein schwermütiges Lächeln entlockt dies, wenn man an die Geschichte auch des Abendlands denkt, und wie sehr der Aufstieg der Naturwissenschaften durch dies Hindernis erschwert worden sein muss. Jeder klarere Einblick in das Wesen der Naturmächte konnte dem Wissenden Verderben bringen, denn die Macht des Geistes über die Natur brachte in den Verdacht der Zauberei. Und lächeln kann man heute, siegesfroh und weiterer Siege gewiss, weil auch diese furchtbare Fessel den menschlichen Geist nicht überwältigen und auf die Dauer zurückhalten konnte. Schlimm genug aber war es. Die Geschichte der Naturwissenschaften kann ebenso gut, wie die der Hexenprozesse davon erzählen. Aber auch im grauen Altertum es lässt viel in jener Vergangenheit ahnen, dass das griechische Wort papuaxós ursprünglich nicht nur den Arzt, sondern auch den Zauberer bedeutete1). So finden wir auch bei den ostafrikanischen Negern eine den Ärzten unholde Übung, welche darauf hinweist, dass Zauberer und Arzt noch Eins sind; denn es heisst von ihnen: >>Wird jemand in Folge Zauberei krank<- und dies wird nach dem, was wir vorhin sahen, angenommen, sobald jemand auf eine diesen primitiven Völkern unerklärliche Weise erkrankt — »so muss der Zauberer ihn wieder gesund zaubern; kann er dies nicht, so wird er gebunden und geprügelt und muss dem Er. krankten eine Anzahl Rinder zahlen « 2). Bei den Amaxosa

1) Vergl. auch 1. 236 pr. D. 50, 16: Qui venenum dicit, adjicere debet, utrum malum an bonum: nam et medicamenta venena sunt. Und das altrömische Recht der 12 Tafeln hatte auch Strafen für den Zauberer: qui malum carmen incantassit . . . qui fruges excantassit . . . neve alienam segetem pellexeris (BRUNS, Fontes, 5. Aufl., S. 27 unter 1a, S. 29 unter 8).

2) MERKER bei KOHLER in Zeitschrift, Bd. 15, S. 60. Noch schlimmer ergeht es dem Arzt in Kilwa (Ostafrika); hier werden die Ärzte, denen ihre Kranken gestorben sind, als Ersatz für den Verstorbenen von den Hinterbliebenen in die Sklaverei verkauft (SCHURTZ, Urgeschichte der Kultur, S. 154; ebenso bei den Suaheli, NIESE in Zeitschrift, Bd. 16, S. 242).

Kaffern haben die Engländer es sogar für ratsam gehalten, in das den Kaffern von ihnen gegebene Gesetzbuch Strafen gegen den » Blitzdoktor« und gegen den »Regendoktor< u. s. w., überhaupt gegen jeden Zauberer und gegen die Lehrer der Zauberkunst aufzunehmen1). Mit welchem Lächeln auf den Lippen mögen die Verfasser des Gesetzbuches diese Bestimmungen niedergeschrieben haben!

So kommt der Zauberer für das unerklärliche Geschehnis auf. Für den Erfolg wird eine menschliche Ursache gesucht und diese wird in einem geheimnisvollen Zusammenhang gefunden, den man an die Stelle unseres heutigen Begriffs der Schuld setzt. So ist die ursächliche Kette, die jenen ältesten Zeiten genügt, von denkbar einfachster Art. Der Mensch, der die äussere erkennbare Ursache der Tat ist, oder wie der Hexenmeister zu seinem Unglück dafür gehalten wird, muss für die Tat einstehen. Es entscheidet also nicht die Schuld in unserem Sinn, sondern der Erfolg. Der Mann, der getötet hat, muss zum Entgelt dafür sein eigenes Leben einsetzen gleichviel ob er aus Vorbedacht oder aus Fahrlässigkeit oder aus Zufall getötet hat). Auch hier, wie bei der dem Körper entbundenen Seele, eine derbkörperliche Auffassung geistiger Dinge. Der Täter kommt gewissermassen als Körper auf die Hand, der Leib, der den Todesstreich versetzt hat, wird verantwortlich gemacht; der Wille, der nach unserer Vorstellung der Tat ihr eigenes Gesicht, ihren Tatbestand gibt, wird als etwas Innerliches dem rein körperlichen Vorgang gegenüber ausgeschaltet. Dies führt zu einer ungeheuren Vereinfachung

1) POST in Zeitschrift, Bd. 11, S. 248. Über die Wind und Regendoktoren auf Neu-Britannien und ihre wundersamen, anscheinend auf Suggestion beruhenden Heilungen, vergl. POWELL, Wanderings in a wild country, London 1884, S. 167 ff.

2) KOHLER, Shakespeare, S. 133, 188; POST, Anfänge, S. 173; LÖFFLER, die Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1, S. 19.

der strafrechtlichen Auffassung: Leben für Leben, Wunde für Wunde. Also genau so, wie die älteste Zeit den Begriff des Individuums überhaupt nicht kennt, sondern die Menschheit ihn erst aus der Hand höherer Kultur empfangen musste, so wurde damals auch die Straftat nicht individualisiert, sondern auch sie, gerade wie der Täter selbst und der Mensch überhaupt, nur als Gattung behandelt1). Und ebenso kommt man, weil das Moment des Willens noch gänzlich ausser Acht gelassen wird, im ältesten Strafrecht andererseits ganz konsequent dazu, den Versuch als blosse Willensbetätigung zu ignorieren 2). Denn der Erfolg, und nur der Erfolg entscheidet. So war es bei den Hellenen in alter Zeit. Die Blutrache richtet sich auch gegen den Unmündigen, der die Tat unwissentlich angerichtet hatte SO musste Patroklus als kleines Kind geflüchtet werden, weil er in kindlicher Torheit (výnos oùx èdéλwv) den Sohn des Königs beim Würfeln getötet hatte3). Und dies entspricht durchaus dem ältesten Recht, das auch den Unzurechnungsfähigen und sogar leblose Gegenstände bestrafte 1). Die Römer haben es in alter Zeit sicher auch nicht anders gekannt. Hierauf weist hin, dass nach dem vorhin von uns erwähnten Gesetz des NUMA POMPILIUS 5) der Stier, mit welchem der Grenzstein umgepflügt war, füir friedlos erklärt wurde. Aber

1) Was für ein ungeheurer Raum liegt zwischen dieser Zeit, die überhaupt noch gar nicht individualisiert, und den heutigen Bestrebungen, die in immer entschiedenerer Weise für die Individualisierung des Täters selbst und eine hiernach zu bemessende Strafe eintreten, (vergl. z. B. Professor PELMAN in Recht 1902, S. 469)!

2) Vergl. für Polynesien, Zeitschrift, Bd. 14, S. 449, für die Togoneger ebenda, Bd. 11, S. 454.

3) ILIAS 23, 88; vergl. noch aus viel späterer Zeit XENOPHON, Anabasis 4, 8; 25: Δρακόντιον Σπαρτιάτην, ὃς ἔφυγε παῖς ὢν οἴκοθεν, παῖδα ἄκων κατακτανὼν ξυήλῃ πατάξας.

4) HERMANN-THALHEIM, Griechische Rechtsaltertümer, 4. Aufl. 1895, S. 50, Anm. I.

5) Oben, Bd. 2, S. 131, Anm. 2.

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