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nichts Vereinzeltes.

Ich werde nicht müde, dies zu wiederholen, da ich dies Bild der Einheit des Menschengeschlechts als das grösste Ergebnis der Rechtsvergleichung betrachte.

Nicht anders ist auch die Auffassung in Polynesien '), wie bei den Rothäuten Nordamerikas) über die Haftung des Täters.

So ist der ältesten Stufe die Strafe, wenn man überhaupt dies heutige Wort dafür gebrauchen darf, nichts anderes als die Reaktion auf die Tat, der Gegenschlag auf den Schlag. Was du mir getan hast, tue ich dir wieder. Dies ist der bekannte Grundsatz der sogenannten Talion, die grobsinnlich Gleiches für Gleiches setzt: Auge für Auge, Zahn für Zahn3). Dass das mosaische Recht auf diesem Standpunkt steht, wissen wir alle. Wir kennen die ernsten Worte, die sich uns allen in der Kindheit schauerlich eingeprägt haben: »Wer irgend einen Menschen erschlägt, der soll des Todes sterben. Und wer seinen Nächsten verletzt, dem soll man tun, wie er getan hat, Schade um Schade, Auge um Auge, Zahn um Zahn; wie er hat einen Menschen verletzt, so soll man ihm wieder tun1)< oder wie es auch heisst: »Dein Auge soll sein nicht schonen. Seele um Seele, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um

1) Zeitschrift, Bd. 14, S. 443.

2) Ebenda, Bd. 12, S. 405 ff.

3) BRUNNER, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 589 nennt spiegelnde Strafen diejenigen späterer Zeit, welche nur das Verbrechen wiederspiegeln wollen, ohne den Vergeltungszweck der Talion im Auge zu haben. Die Grenzlinie wird sich hier im einzelnen schwer ziehen lassen. Jedenfalls ist auf ältester Stufe von irgend einem Strafzweck keine Rede; man hält sich lediglich an den äusseren, körperlichen Vorgang und gibt gleiches mit gleichem wieder. Über die spätere Anwendung auf die falsche Anschuldigung, sodass der Bezichtiger dieselbe Strafe erleiden muss, die er dem andern herbeigeführt haben würde, vergl. auch OSENBRÜGGEN, Studien S. 171 ff.

4) 3. MOSE 24, 17 ff.

Hand, Fuss um Fuss1)«. Dagegen das milde, versöhnende Wort einer Talion, die nicht von dieser Welt ist, die frohe Botschaft der Bergpredigt: »Ich habe gehört, dass da gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel, sondern so dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den anderen auch dar. Und so jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem lass auch den Mantel2)«. Schon Spinoza fragte, ob nach diesen Grundsätzen die Generalstaaten von Holland regieren könnten und wollten; es ist nicht die Politik der Grossen und der Klugen, aber die tiefste Weisheit, die der Liebe des Menschen zum Menschen, und wo ist der Platz auf Erden, wo der Christ nicht verlacht würde, der nach ihr leben wollte? Wann wird jemals eine solche Zeit kommen, in der die Menschheit so weise sein wird, die Weisheit zu üben?

Und wie das mosaische Recht, war auch das Recht des alten Babylon. In dem Gesetz des Königs HAMMURABI finden wir den Satz: »>Wenn jemand einem anderen das Auge zerstört, so soll man ihm sein Auge zerstören. Wenn er einem anderen einen Knochen zerbricht, so soll man ihm seinen Knochen zerbrechen << 3). Und so durchweg. « Wer während einer Feuers

brunst im brennenden Hause stiehlt, soll in das Feuer geworfen werden); der Amme, die ihr eigenes Kind unterschiebt, soll die Brust abgeschnitten; dem Sohn, der den Vater schlägt, die Hand abgehauen werden3).

Dies ist aber keine Besonderheit der semitischen Völker, sondern wir finden dieselbe Anschauung auch bei den Indo

1) 5. MOSE 19, 21; 2. MOSE 21, 23 ff.

2) Ev. MATTH. 5, 38 ff.

3) Übersetzt von WINCKLER, §§ 196, 197.

4) Ebenda, § 125.

5) Ebenda, §§ 194, 195; vergl. auch die eigentümliche Bestimmung, § 230, wo Sohn für Sohn getötet wird und § 21; auch sonst z. B. §§ 192, 218, 226.

germanen. Das altindische Gesetzbuch des MANU geht durchweg von dem Grundsatz der Talion aus. So bestimmt es die Strafe des Diebstahls in höchst merkwürdiger Weise dahin: >>Mit welchem Gliede immer ein Dieb auf irgend eine Weise die Leute beschädigt, das soll der König ihm zur Warnung (Abschreckung) abhauen lassen<1). Nach der Meinung der meisten Kommentatoren ist dies dahin zu verstehen, dass ein Beutelschneider die Hand, wer mit einer Leiter ein Haus erstiegen oder sich auf die Schnelligkeit seiner Füsse verlassen hat, den Fuss verlieren soll2). Schrecklich ist die Sühne, welche auf Beleidigungen gesetzt ist, besonders wenn man sie mit der Nachsicht, welche manche neuere Gesetzbücher hier zur Anwendung bringen, vergleicht; der altindische Gesetzgeber droht die fürchterlichsten Strafen, Abschneiden der Zunge, Hineinstossen eines glühenden Eisens in den Mund, Eingiessen heissen Öls in Mund und Ohren an, wenn die Beleidigungen von einem Angehörigen der untersten Kaste gegen einen der höheren Kasten, insbesondere einen Bramanen ausgestossen sind3); überhaupt wussten die oberen Kasten ihre Stellung mit Grausen erregender Strenge zu schützen. So sagt MANU) »Vergreift sich ein Angehöriger der untersten Kasten mit irgend einem Gliede an einem Mitglied der (3) höchsten Kasten, so muss ihm eben dieses Glied abgeschnitten werden. Dies ist MANU'S Gebot.<< Dies wird nun im Einzelnen durchgeführt3); für Ausholen mit Hand oder Stock: Abhacken der Hand, für Ausholen

1) Buch 8, V. 334.

2) Zeitschrift, Bd. 4, S. 327. Vergl. auch die eigentümlichen Brandmalstrafen bei MANU, Buch 9, V. 237: »für den Genuss geistiger Getränke das Abzeichen einer Schenke, für Diebstahl ein Hundefuss, für Brahmanenmord ein Mann ohne Kopf.<

3) Buch 8, V. 270 ff.

4) Ebenda, V. 279. Vergl. hierzu auch den altindischen Kommentar

in Zeitschrift Bd. 16, S. 118.

5) Ebenda, V. 280 ff.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts III

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mit dem Fuss: Abhacken des Fusses, sogar für den Versuch, sich neben einen Hochgeborenen zu setzen, Brandmarken der Hüfte und Verbrennung oder Abschneiden des Hinterteils u. s. w. Nein, diese Inder waren niemals Freiheitshelden; sie waren gewohnt, beherrscht zu werden, und wie sie früher die Herrschaft ihrer oberen Kasten mit Unterwürfigkeit trugen, so wurden sie später die Knechte fremder Völker. Der erkennbare und oben deutlich ausgesprochene Grundgedanke aller dieser Strafen aber ist: mit welchem Gliede du gesündigt hast, mit demselben Gliede sollst du büssen1).

Auch das römische Recht hat es in alter Zeit nicht anders gekannt. Die 12 Tafeln sagen noch ausdrücklich, dass für ein gebrochenes Glied die Talion Anwendung zu finden habe (si membrum rup (s) it, ni cum eo pacit, talio esto)2) — also genau so wie die alten semitischen und das altindische Recht. Und ebenso bestimmt dasselbe Gesetz, dass der vorsätzliche Brandstifter den Feuertod erleiden soll3), was an den beim Brande ertappten Dieb der Babylonier erinnert. Sicher hat kein Volk dies vom andern entlehnt, aber die Quelle derselben Idee ist allen gemeinsam.

Bei den Germanen lässt sich in den Strafen ältester Zeit für >>Neidingswerke« (Aufhängen des Verräters, Ertränken des Feiglings im Schlamm u. s. w.)) der Gedanke der Talion nicht nach

1) Vergl. auch ebenda, V. 125 und zu dieser Stelle den alten indischen Kommentar bei JOLLY in Zeitschrift, Bd. 3, S. 255, auch LÖFFLER, die Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1, S. 16, Anm. 8, S. 29, Anhang IV.

2) BRUNS, Fontes 5. Aufl., S. 28 unter 2, vergl. GAJUS 3, 223. Über Spuren der Talion in den ältesten griechischen Gesetzgebungen, LÖFFLER a. a. O., S. 53, Anm. 17. Vergl. auch die Bemerkung bei PLUTARCH, Theseus c. II.

3) Gajus in l. 4, D. 47, 9: qui aedes acervumve frumenti juxta domum positum combusserit, vinctus, verberatus igni necari jubetur, si modo sciens prudensque id commiserit.

4) TACITUS, Germania, C. 12, vergl. auch GRIMM, Rechtsaltertümer, S. 680 ff.

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weisen. Es hat den Anschein, als ob für die spätere weitgehende Durchführung des Talionsprinzips im Mittelalter die Vorschriften des mosaischen Rechts massgebend gewesen wären 1). Nunmehr wird dem Brandstifter der Feuertod, dem Meineidigen das Abhauen des Schwurfingers oder der Hand, dem Verräter das Ausreissen der Zunge angedroht3) kurz, es wird, wie das Sprüchwort sagt, »bar für bar« in gleicher Münze heimgezahlt3). Auch fehlt es nicht an Ausschreitungen der Idee in fürchterlichster Art. Dem, der einen Baum abgeschält hat, sollen die Gedärme aus dem Leibe gerissen und wie ein Ersatz der Rinde um den Stamm gewickelt werden; auf das Beschädigen von Grenz- und Marksteinen wird Tod durch den Pflug gesetzt; wer die Schöffen eines ungerechten Urteils zeiht, soll mit der Zunge so lange an den Pfahl genagelt werden, bis er sich selbst die Zunge abschneidet1). Und was es sonst an raffinierten und unmenschlich ausgeklügelten Grausamkeiten gibt. Diese auf das alte Testament zurückführende Talion ist dem ganzen Mittelalter gemein und hat ihre dichterische Verkörperung in den Strafen des DANTE'schen Inferno gefunden. Was hier die Verstorbenen erdulden, ist Geist von demselben Geist, in dem den Lebenden Recht gesprochen wurde3).

Auch der Islam kennt die Talion; er geht offenbar auf alte semitische Vorstellungen zurück, wenn im Koran erheblichere Diebstähle mit Verlust der rechten Hand bestraft werden).

1) WILDA, Strafrecht der Germanen, S. 158, Osenbrüggen, Studien

zur deutschen und schweizerischen Rechtsgeschichte, S. 150 ff.

2) Vergl. z. B. Carolina Artt. 107, 108, 125. Bamberger Stadtrecht, Ausgabe von ZÖPFL, 1839, §§ 144, 138. Über Ausreissen der Zunge auch OSENBRÜGGEN, Studien, S. 294 ff.

3) SIEGEL, deutsche Rechtsgeschichte, S. 407.

4) GRIMM, Weistümer, Bd. 3, S. 489, 590.

5) Über die italienischen Statuten des Mittelalters, vergl. KOHLER, Studien aus dem Strafrecht, Heft 2, S. 144 ff.

6) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 8, S. 255; über das Recht der Beduinen BURCKHARDT, Bemerkungen über die Beduinen und Wahaby, S. 100.

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