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Rückgabe des geraubten Menschen und bis zur Erstattung der Busse zurück1).

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So richtet sich die Blutrache in ihrem Anbeginn von Geschlecht gegen Geschlecht; wie die alten Sippen festgefügt zu Gedeih und Verderb auf derselben Scholle zusammen sassen, so standen sie auch zusammen, wo es die Abwehr nach aussen hin galt und überkamen wie es später dem Staate zukam das, was wir heute Strafverfolgung nennen würden. Es entspricht dies dem Gang der Entwickelung, indem die Menschheit allüberall von den engeren Vereinigungen erst mit dem Wachsen der Kultur zu weiteren und stärkeren Verbänden emporstieg, und der Staat konnte seine jetzt herrschende Rolle erst übernehmen, als die der alten Hausgenossenschaften ausgespielt war. Daher auch der durchaus altertümliche Charakter der Blutrache, die in einer Art von Symbiose mit den Vereinigungen alter Zeit und insbesondere den Hausgenossenschaften vorkommt, sich anscheinend aus diesem Grunde in Europa am längsten in den südslavischen Ländern bewahrt hat und untergeht, wo der moderne Staatsgedanke obsiegt. Dies mögen die folgenden Blätter bestätigen, die uns das universale Auftreten der Blutrache über den ganzen Erdball hin vorführen sollen. Für unsere Vorstellungen wilde und grausame Bräuche, bei denen Ströme von Blut in endlosen Fehden einer sich immer fortzeugenden Rache gefordert werden die furchtbare Verkörperung des Grundsatzes »Auge um Auge, Zahn um Zahn<< und doch der erste Beginn eines Strafverfahrens und der Ahn unserer Strafrechtspflege.

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Beginnen wir bei den Hebräern! Die Bücher des alten Testaments gewähren uns hier ein deutliches Bild. Die Blutrache lag der ganzen Verwandtschaft des Getöteten ob. So klagt das Weib, das vor den König David trat, dass, da einer ihrer Söhne den anderen im Zank erschlagen hatte, nunmehr

1) HENRICI ebenda, Bd. 11, S. 146.

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> die ganze Freundschaft<< wider den Täter aufstehe und ihn für die Seele seines Bruders, den er erwürgt hat,< töten wolle1). Also die Strafvollziehung lag noch, altertümlichem Recht entsprechend, in der Hand der gesamten Sippe. Dagegen war man, wie wir gesehen haben, zur Zeit der jüdischen Könige schon zu der Erkenntnis vorgedrungen, dass die Tat nur dem Täter selbst und nicht seinen Angehörigen zuzurechnen sei. Schwer mit dieser hohen Stufe vereinbar scheint, dass das althebräische Recht auf dem Standpunkt der strengen alten Blutrache stehen geblieben und nicht zu einer Abgeltung der Tat durch Entrichtung einer Busse übergegangen ist, ja diese geradezu verbietet. »Deine Augen sollen seiner nicht verschonen, und sollst das unschuldige Blut aus Israel tun, dass dir's wohl gehe< 2). Und wer Menschenblut vergiesset, dess Blut soll auch durch Menschen vergossen werden<< 3). Stellen dieser Art zeigen deutlich den Grund des Fortbestands; denn hier sind Recht und Religion untrennbar, der Mörder hat durch den Mord das ganze Volk mit Blutschuld befleckt und er muss wie ein Opfertier fallen, um das Volk wieder zu entsühnen. Es scheint, als ob man in späteren Zeiten durch Prozessvorschriften, die eine Verurteilung des Angeklagten auf das Äusserste erschwerten, der strengen alten Blutvergeltung des mosaischen Rechts, die man wegen ihrer religiösen Weihe nicht umzugestalten vermochte, die Spitze abzubrechen suchte. - ganz ähnlich, wie wir es bei den Eheverfassungen sahen, wo man ebenfalls uralte Anschauungen aus religiöser Scheu nicht beseitigte, sie aber durch Vorkehrungen (wie die Kinderverlobung) unschädlich machte. Im talmudischen Recht ist. das einzige zur Überführung des Angeklagten zulässige Beweismittel die Bekundung zweier unbescholtener und völlig unbefangener Augenzeugen der Tat; sogar das Geständnis des

1) 2. SAMUELIS 14, 7. 11.

2) 5. MOSE 19, 13; so auch 4. MOSE 35, 19. 21. 31.
3) I. MOSE 9, 6.

Angeklagten war ohne jede rechtliche Bedeutung. Und das Allersonderbarste ist, dass, wenn alle Richter übereinstimmend sich für schuldig aussprachen, Freisprechung erfolgen musste; denn, wie das im Jahr 589 n. Chr. abgeschlossene Rechtsbuch der Gemara sagt, müsse man dann annehmen, die Richter hätten sich ohne genügende Überlegung von einem Vorurteil leiten lassen. Sollte man aber in der Tat die Verurteilung nur erschwert haben, weil die alten Grundsätze den neuen Geschlechtern zu blutig erschienen? Es wäre dann also derselbe Entwicklungsgang wie bei der Ehe, nur in anderen Erscheinungen und unter anderen Verhältnissen derselbe innere Gedanke und derselbe äussere Vorgang.

So bei den Hebräern. Aber die Blutrache war eine unter allen Zonen verbreitete Einrichtung. So fand sie sich in alter Zeit bei allen Völkern Europas 1). Der Vortritt gebührt den Hellenen. Denn ihre alte Heldensage hallt von den fürchterlichen Kämpfen der Biutrache im Atridenhause wieder, bis alles überbietend Orestes die leibliche Mutter erschlug, um den Mord des Vaters zu rächen. Wir haben kein gewaltigeres Beispiel, wie zwingend und furchtbar heilig, im Widerstreit der Pflichten alle anderen überwindend, diesen alten Geschlechtern die Pflicht der Blutrache vorschwebte, und was für eine Gewissenslast der zu ihr Berufene überkommen konnte. Und gierigen Ohres lauscht Orestes bei ÄSCHYLOS den aufreizenden Worten, die, bezeichnend genug, von Frauen, den Dienerinnen des Totenopfers, ausgehen2):

wie gewaltig

der Hass der Toten in der Tiefe sei,

Und der Erschlag'ne grolle seinem Mörder.

1) KOHLER, Shakespeare, S. 130-185. POST, Bausteine, Bd. 1, S. 142 ff. Beide mit zahlreichen Nachweisungen aus den verschiedensten Gegenden der Erde. TYLOR, Einleitung in das Studium der Anthropologie, übersetzt von SIEBERT, S. 500 ff.

2) Choéphoren V. 37 f.: κριταί τε τῶνδ ̓ ὀνειράτων θεόθεν έλαχον ὑπέγγυοι — μέμφεσθαι τοὺς γᾶς - νέρθεν περιθύμως - τοῖς κτανοῦσί τ ̓ ἐγκοτεῖν.

Und weiter1):

Kind, nicht bewältigt wird der Toten Sinn

Vom raschen Zahn der Glut; es zeigt der Zorn
Spät erst, doch grässlich seine grimme Kraft.
Bejammert wird die Mordtat, aufgespürt

Der Mörder; Vätern und Voreltern schreit

Nach voller Rache ringsher wilde Klage.

Das ist das alte grause böse Rachelied der Menschheit, das aus Blut neues Blutvergiessen rief und die Geschlechter zu immer neuem Hass entflammte dem der grosse Dichter

hier eherne Worte geliehen hat. Ganz ebenso finden wir auch bei HOMER die Blutrache in voller Übung. Die Täter fliehen vor ihr2), und gelingt es ihnen nicht zu entrinnen, so ruft die Vollziehung wieder neue Blutrache von Seiten ihrer Sippe hervor. So sehen wir die Angehörigen der getöteten Freier in der Odyssee sich zur Rache als einer ihnen obliegenden Pflicht rüsten; denn Schande wäre es, der Söhne und der Brüder Tod nicht an den Tätern zu rächen3); und

1) ebenda, V. 322 f. : τέκνον, φρόνημα τοῦ θανόντος οὐ δαμάζει πυρὸς μαλερὰ γνάθος, φαίνει δ ̓ ὕστερον ὀργάς ὀτοτύζεται δ ̓ ὁ θνήσκων, ἀναφαίνεται δ' ὁ βλάπτων. — πατέρων τε καὶ τεκόντων γόος ἔνδικος ματεύει

τὸ πᾶν ἀμφιλαφὴς ταραχθείς. Wegen des furchtbaren Schicksals dessen, der sich der heiligen Pflicht der Blutrache entzieht, ebenda die Drohungen Apolls an Orestes, V. 272 ff.; und andererseits wieder die Schilderung des Orestes von der Scheu, mit der man ihn nach vollbrachter Rache wie einen Aussätzigen, weil Blutschuld auf ihm lastete, behandelte, bei EURIPIDES (Iphig. Taur. 954). »Und als ich ankam (in Athen), nahm zuerst kein Gastfreund freiwillig in sein Haus mich auf als gottverhasst; doch die's erbarmte, setzten Gastkost vor mich hin, wiewohl im selben Zimmer, am geschiedenen Tisch, und hielten schweigend mich vom Redewechsel fern, damit ich Mahlzeit sowie Trank abseits genoss. Sicher ist in dieser Dichterstelle die Ansicht und Überzeugung des Volkes wiedergegeben,

2) Odyss. 13, 256 ff.; 15, 272 ff. Ilias 23, 85 ff. Vergl. auch PLATO, de legibus 9, 8, wo als Grund der Flucht, gerade wie bei ÄSCHYLOS, angegeben wird, dass der Geist des Toten die alten Stätten umschwebe und dem Täter Unruhe und Gemütsverwirrung bringe.

3) Odyss. 24, 432 ff.

WILUTZKY, Vorgeschichte des Rechts III

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die Götter selbst müssen einschreiten, um weiteres Unheil zu verhüten 1).

Bei den Römern war die Blutrache noch das Recht der 12 Tafeln. Wenn es hier heisst, dass das Recht der Wiedervergeltung (Talion) stattfinde, falls ein Glied gebrochen ist 2), so wissen wir aus einer uns erhaltenen Stelle der Schriften des Cato, dass die Pflicht zur Wiedervergeltung als Rache dem nächsten Angehörigen des Verletzten zustand3). Und scheint der doppelköpfige Janus in ältester Zeit der Gott der Blutrache gewesen zu sein 4).

Und wir können uns einen andern Zustand der Dinge im alten Rom auch kaum vorstellen, da wir vorhin sahen, dass

1) Über die Blutrache bei den Hellenen vergl. SCHÖMANN, Griechische Altertümer, Bd. 1, S. 46; KOHLER, Skakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz, S. 152 ff., 226 ff.; die ausgezeichneten Ausführungen von K. O. MÜLLER, Äschylos' Eumeniden mit erläuternden Abhandlungen, Göttingen 1833, S. 126- 151; ED. PLATNER, Notiones juris et justi ex HOMERI et HESIODI carminib. explan., Marburg 1819, S. 119 ff. Über Spuren noch in Solons Gesetzgebung LÖFFLER, Schuldformen des Strafrechts, Bd. 1, S. 51 ff.; E. S. TOBIEN, Die Blutrache nach altem russischem Recht, Dorpat 1840, Bd. 1, S. 49.

2) Si membrum rup[s]it, ni cum eo pacit, talio esto.

3) PRISCIANI Institutiones grammaticae 6, 69 (in den Grammatici latini, Bd. 2, S. 254): Cato tamen >>os<< protulit in IV. orig.: »Si quis membrum rupit aut os fregit, talione proximus cognatus ulciscitur.<< Man sollte übrigens nach der durchaus vaterrechtlichen Familienverfassung der alten Römer hier das Wort agnatus erwarten. Sollte ein Erinnerungsfehler des PRISCIANUS vorliegen, oder sollten bei dem altertümlichen Brauch der Blutrache sich noch Reste mutterrechtlicher Vorstellungen bewahrt haben?

*) VOIGT, die leges regiae (in Abhandlungen der Kgl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Bd. 17 (der phil.-hist. Klasse, Bd. 7), S. 622 ff. Über die Spuren der Blutrache im römischen Recht, vergl. LÖFFLER a. a. O., Bd. 1, S. 59 ff. Später scheinen diese alten Erinnerungen ganz in Vergessenheit geraten zu sein; wenigstens ruft CICERO (pro Lig. 4, 11) aus: Hoc egit civis Romanus ante te nemo: externi isti mores usque ad sanguinem incitari solent odio aut levium Graecorum aut immanium barbarorum.

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