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ein Lübecker Chronist aus dem 14. Jahrhundert1): »Und es war in dem Lande zu Holstein eine jämmerliche, böse, schnöde Sitte, nämlich dass ein Bauer den andern totschlug auf seine Fehde: dies war ihre schnöde Willkür (d. h. selbstgekürtes Recht) und doch Unrecht. Diese Totschläge und Morde geschahen gar viel und hatten eine wunderliche Weise, die war also: Wurde einem sein Vater oder sein Bruder oder sein Vetter erschlagen, und hatte der Totschläger einen Vater, einen Bruder, einen Vetter oder wer sonst sein Schwertmage sein mochte, den schlugen sie wieder tot, wenn es ihnen gelang, gleichviel ob es ihm leid war (d. h. ob er die Bluttat beklagte) oder nicht, ob er davon Wissen hatte oder ob er zur Zeit des Totschlags über See war zu Rom (d. h. auf der Pilgerfahrt) oder in Norwegen. Auf diese Art wurde mancher biedere Mann erschlagen und war es richtiger Mord, für den es auch Kaiser Karl erklärte, als er zu Lübeck war (1375) und gebot, dass sie von der Mörderei ablassen sollten«. Es ist jedenfalls sehr bezeichnend, dass sich gerade in Gegenden mit vorwiegend bäuerlicher Bevölkerung die alte Blutrache am längsten erhalten hat, und werden wir nicht fehlgehen, den Grund in dem dortigen längeren Fortbestehen der alten Hausgenossenschaften zu suchen. Seltener wird uns derartiges aus den Städten berichtet, aber auch hier haben wir ein grausiges Beispiel in der Erzählung eines elsässischen Chronisten2): »Als man zählte nach Gottes Geburt 1374 Jahr, am St. Georgentag nach Nachtessen, da erhub sich ein Krieg und ein Geschelle bei St. Thomas zwischen den zwei Geschlechtern zu Strassburg genannt die Rebenstöcke und die von Rosheim. Und derer von Rosheim wurden 3 erschlagen. Darum wurde zwölfen von den Rebenstöcken die Stadt verboten (d. h. wurden aus der Stadt verbannt), die zogen zu

1) FRAUENSTÄDT a. a. O., S. 13.
2) Bei FRAUENSTÄDT a. a, O., S. 32.

hand nach Molsheim und waren da gesessen (machten sich daselbst ansässig). Als die von Rosheim erkundschafteten (befundent), dass ihre Feinde zu Molsheim wohnten, da schlichen sie heimlich in die Stadt nach Molsheim und lagen so manchen Tag in einem Hause verborgen und warteten, wenn sie über ihre Feinde könnten kommen. Hierum wussten die Rebenstöcke nicht und gingen ungewarnt zehren und essen auf der Edelleute Trinkstube zu Molsheim. Und als die Rebenstöcke eines Mals alle zehn auf der Stube zu Nacht gegessen hatten und bei einander waren, da liefen die von Rosheim heimlich aus dem Hause, darin sie verborgen waren, und kamen gewaffnet auf die Trinkstube über die Rebenstöcke und stachen ihrer 8 zu Tode und zwei junge Knaben, die entrannen. Und als die von Rosheim ihre Feinde also erstochen hatten, da liefen sie an die Ringmauer zu Molsheim und da es Nacht war und die Pforten geschlossen waren, kamen sie mit Leitern und mit Seilen über die Mauer hinaus, wie sie es vorher bestellt hatten. Dies geschah an St. Valentinsabend nach Gottes Geburt 1375 Jahr. Danach klagten die Rebenstöcke, die noch zu Strassburg waren, vor dem Rate diesen Mord (d. h. sie erhoben die Klage auf Mord). Da erkannten Meister und Rat, dass die von Rosheim keinen Mord damit hätten begangen, dass sie ihre Feinde erschlagen hätten, und verboten jeglichen, die dies getan, die Stadt Io Jahr, wie man denen tut, die einen Totschlag begangen haben.<<

Und vollständige Kriegszüge der Geschlechter zur Ausübung der Blutrache werden uns aus der Schweiz berichtet. Denn hier zog noch im Jahre 1533 Kaspar Wernli von Freiburg, um seinen Bruder zu rächen, »sampt seiner starken Freundschaft und Gesellschaft, auf 80 Mann gerechnet, alle wohl gewappnet«<, auf Genf und begann hartnäckig einen Privatkrieg. So erteilt das Stadt- und Amtsbuch von Zug noch 1566 den Leib des Todschlägers, wenn er flüchtig geworden war und deshalb

verrufen und in den Unfrieden verkündet wurde, den Verwandten des Getöteten. Es war dies aber nicht nur dort, sondern ein mindestens über einen grossen Teil der Schweiz (Luzern, Thurgau, Glarus u. S w.) verbreitetes Recht und wird in einer »Ordnung« aus dem 15. Jahrhundert deutlich dahin ausgesprochen: »so ihn (den Totschläger) der entlypten fryndschaft in der Landgrafschaft uff Wasser oder Land betreten, das sy in mit oder ohne Recht vom Leben zum Tode bringen mögend.<< Und wurde ihnen zu diesem Zweck nach einem hergebrachten Formular ein Freibrief erteilt, kraft dessen sie im Gebiet der Verrufung die Blutrache ausüben konnten1).

So also war es mit unsern Altvordern. Ähnlich wird uns aus dem alten Wales bezeugt, dass dort der Stolz auf die Reinheit und Ehre des Geschlechts und die den Kymren angeborene Leidenschaftlichkeit bei einer Verletzung des Bluts und der Familienehre das ganze Geschlecht gegen das Geschlecht des Täters zur Rache waffnete, und Mord mit einer gleichen Anzahl von Tötungen in der Sippe des Mörders vergolten wurde 2).

Ganz besonders war die Blutrache heimisch bei den slavischen Völkern, die in heidnischer Zeit einen eigenen Gott der Blutrache (Wit oder Wet)3) hatten. Bei den Russen kommt in ihrer ältesten Geschichte die Blutrache sogar in der Herrscherfamilie vor4). Und noch die sogenannte Russkaja Prawda des Fürsten Jaroslaw Volodimeritsch von Nowgorod (1018-1054) sanktioniert ausdrücklich die Blutrache und regelt,

1) OSENBRÜGGEN, deutsche Rechtsaltertümer in der Schweiz, Zürich 1858, S. 16 ff.

2) WALTER, Wales, S. 138.

3) F. S. TOBIEN, die Blutrache nach altem russischen Recht, Dorpat 1840, Bd. I, S. 101 ff. Über diese Gottheit vergl. J. HANUSCH, die Wissenschaft des slavischen Mythus, Lemberg 1842, S. 171 ff.

4) J. EWERS, das älteste Recht der Russen, Dorpat 1826, S. 50 ff., 97 ff., 109 ff. TÓBIEN a. a. O., S. 169 ff.

wer zu ihr berufen ist: »Erschlägt der Mann einen Mann, so räche der Bruder den Bruder oder der Sohn den Vater oder der Vater den Sohn oder der Brudersohn oder der Schwestersohn << 1). Die Ähnlichkeit des Gesetzes mit dem nordgermanischen Recht ist so gross, dass einer der besten Kenner dieses Rechts Entlehnungen für sehr wahrscheinlich hält3).

In Polen findet sich die Blutrache sogar bis in den Anfang des 15. Jahrhunderts nicht nur zwischen den stolzen polnischen Adelsgeschlechtern, sondern auch unter der untertänigen Bauernschaft, und waren oft jahrelange Fehden die Folgen eines Totschlags3).

Auch in Böhmen galt sie bis in das 14. Jahrhundert hinein1), und war es hier insbesondere die katholische Kirche, die durch Einführung geistlicher Gerichte (Synodal- oder Sendgerichte) der Blutrache nach Kräften entgegenzutreten suchte").

Und jetzt zu einem klassischen Gebiet der Blutrache, den Ländern der Südslaven! In Serbien, Bosnien, Montenegro wo sich die Hausgenossenschaften bis in die Gegenwart hinein erhalten hatten! gilt die Blutrache als eine heilige Pflicht, der sich der Mann unterziehen muss, und wird entfesselt, wenn seine empfindliche Ehre auch nur im geringsten Gegenstande verletzt wird. Als Grund zur Blutrache wird

1) EWERS, S. 264, 273. Ähnliche genaue Regelungen enthält ein züricher Ratsbeschluss vom Jahr 1448, den OSENBRÜGGEN in seinen deutschen Rechtsaltertümern aus der Schweiz, Zürich 1858, S. 16 ff. mitteilt.

2) WILDA, Strafrecht der Germanen, S. 180 in der Anm. 2.
3) WESNITSCH in Zeitschrift, Bd. 8, S. 451.

4) WESNITSCH a. a. O., S. 454, KOHLER, Shakespeare, S. 147.

5) WESNITSCH a. a. O., S. 454; vergl. die Sühneurkunde bei FR. MIKLOSICH, Die Blutrache bei den Slaven, in den Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften, Bd. 36 (1888), S. 195. Über diese kirchlichen Sendgerichte vergl. auch FRAUENSTÄDT, Blutrache und Todschlagssühne, S. 113 ff.

nicht nur, wie bei andern Völkern, Tötung, Verwundung, Entführung eines Mädchens, Untreue gegen die Braut u. s. w. angesehen, sondern jede Beleidigung, ja sogar ungünstige Zeugenaussagen in einem Prozess, Streitigkeiten über Weide. gerechtigkeiten und was noch sonst ist, sodass die Blutrache mitunter nicht nur den Straf-, sondern auch den Civilprozess zu ersetzen scheint. Und jede Kleinigkeit kann ein unabsehbares Blutvergiessen nach sich ziehen1). Es genügt zu fürchterlichster Blutrache, wenn vom Bart eines andern mit Geringschätzung gesprochen, oder dass die Herde an der Quelle eines andern Dorfes getränkt wird. Ganz, wie bei andern Völkern, wird dieser Kampf von Geschlecht zu Geschlecht, von Dorf gegen Dorf geführt, und die vollzogene Blutrache ruft von der andern Seite wieder neue Rache hervor (vendetta traversa). Und wie wir bei den Germanen sahen, auch hier wird kein Unterschied zwischen dem Schuldigen und dem Unschuldigen, dem zum Kampf gerüsteten und dem sich ihrer nicht erwehrenden Manne gemacht. Nicht einmal die Geistlichen sind davor geschützt, wie es noch vor 50 Jahren vorgekommen ist, dass man den Priester in der Kirche erschoss, als er das Evangelium verlas und nur, weil er als Bewohner seines Dorfs der Blutrache preisgegeben war. Die Strafgewalt des Staats, als ein Stück fremder aufgedrängter Kultur, wird ignoriert, und es hat sich in den österreichischen Provinzen sogar zugetragen, dass die Richter vor der Sippe des Verurteilten ihres Lebens nicht sicher waren. So wütet die Rache verheerend in diesen Ländern, und droht mitunter die Ausrottung der männlichen Bevölkerung ganzer Gegenden. Denn nur die Frauen und die Kinder sind vor der Blutrache gesichert und

1) So wird berichtet, dass noch heute in Montenegro Leute zu erzählen wissen, dass aus dem Grunde der Blutrache an einem Tage 72 Mann deshalb gefallen sind, weil ein Mitglied ihres Stammes ein Mädchen eines anderen Stamms ausgelacht hat (WESNITSCH a. a. O., S. 470).

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