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In Indien finden wir bereits in den alten Rechtsbüchern die Blutrache nicht mehr1); es ist dies ein Zeugnis für die frühe Entwickelung des Königtums und Staats, die den Hausgenossenschaften dort schon in sehr alter Zeit die Strafverfolgung abgenommen hat. Trotzdem lassen sich einzelne verstreute Spuren noch bis in die neueste Zeit nachweisen. So hat sich in Kathiamar (Provinz Bombay) die Blutrache in das 19. Jahrhundert hinein erhalten 2).

Im alten Arabien aber war die Blutrache heilige Pflicht der Hinterbliebenen gegen den Toten, und noch heute kann den Beduinen keine irdische Rücksicht veranlassen, von ihr abzustehen 3). Er hat sogar das Sprichwort: »Und wäre Höllenfeuer mein Los, so würde ich die Blutrache nicht aufgeben < *). Bei manchen Stämmen richtet sich die Rache gegen die gesamte Sippe des Täters, bei andern bis in den fünften Verwandtschaftsgrad, und haben die Verwandten nach alter Sitte 3 Tage 4 Stunden Zeit zum Auswandern; erst von Ablauf dieser Frist ab dürfen sie verfolgt werden 5). Aus dem altarabischen Recht her ist die Blutrache vom Koran sogar als religiöses Recht des Islam anerkannt). Eins aber sei als

1) Nur mit Mühe ist es gelungen, in den Veden ein Wergeld (vaira, d. h. das, was für den Mann gehört, also Manngeld), das für den vornehmen Mann in 100 Kühen bestand, festzustellen (ROTH in Zeitschr. der morgenländischen Gesellschaft, Bd. 41, S. 672 ff.).

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 10, S. 174 und die weiteren Nachweise ebenda Bd. 8, S. 143; Bd. 9, S. 357; Bd. 16, S. 180.

3) BURCKHARDT, Bemerkungen über die Beduinen und Wahaby, S. 252. Ausland 1873, S. 511, Anm. I.

4) BURCKHARDT a. a. O., S. 253.

5) BURCKHARDT a. a. O., S. 121 ff., 258; auch MALTZAN, Reise nach Südarabien, S. 263: »Jeder Stamm ist für jedes seiner Mitglieder solidarisch, und es genügt, wenn nur irgend ein Mitglied vom Stamm des Mörders durch den Stamm des Ermordeten umkommt. Meist rächt sich dann aber der Stamm des ersten Mörders wieder, und so entseht oft eine unabsehbare Kette bluträcherischer Tötungen. <<

6) TORNAUW in Zeitschrift, Bd. 5, S. 183.

tiefer Unterschied gegen die germanische Auffassung hervorgehoben. Bei unseren Altvordern gehörte es zum Wesen der Blutrache, dass sie offen und im ehrlichen Kampf, nicht hinterlistig vollzogen wurde1); ganz im Gegensatz hierzu preist die Dichtung der Araber den, der die Rache meuchlings, heimlich und listig übt, den Mörder des Vaters, Sohnes oder Bruders aus dem Hinterhalt überfällt und ihm einen besonders schmerzhaften und grausamen Tod, bereitet.2). Wir sehen hier also einen Kontrast, der tief in den Charakteren der Völker wurzeln muss; und doch, diese ganz verschiedenen Völker sind unabhängig von einander auf denselben Rechtsgedanken geraten, den sie nur verschieden nach ihrer Eigenart ausgebaut haben.

Auch bei den Kabylen wird die Blutrache noch bis auf den heutigen Tag in weitem Masse ausgeübt. Auch hier geht der Kampf in der Regel3) zwischen der Familie des Erschlagenen und der Familie des Täters und ist durch die Ehre des Geschlechts geboten. Vergolten wird in gleichem Masse, so dass für den Trefflichen ein gleich Trefflicher erschlagen wird. Kommt es in einem seltenen Ausnahmefall zu einer gütlichen Einigung, so wird nach festlichem Schmaus der Täter in die Familie des Erschlagenen aufgenommen *).

1) Vergl. hierzu auch den durchaus mit dieser germanischen Rechtsüberzeugung übereinstimmenden Zug in Shakespeares Hamlet, der den im Gebet liegenden Mörder seines Vaters nicht von hinten erstechen will: >hinein, du Schwert! sei schrecklicher gezückt!«

2) MICHAELIS, Mosaisches Recht, Bd, 2, S. 396 ff.

3) HANOTEAU et LETOURNEUX, La Kabylie et les Kabyles, Bd. 3,

S. 70, 71.

4) HANOTEAU et LETOURNEUX a. a. O., S. 60 ff. 68 ff. Ähnliches ist von dem neugriechischen Bergvolk der Mainoten bezeugt (G. GEIB, Darstellung des Rechtszustands in Griechenland, S. 99 ff.). Es weist dies auf das Alter der Blutrache bei diesen Völkern hin; denn wir haben hier den altertümlichsten Vertragsschluss, bei welchem zur Bekräftigung der eine Vertragsteil in die Familiengemeinschaft des anderen eintritt; vergl. oben Bd. 2, S. 144. Die Erklärung, welche man für diese auch anderwärts vor

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Auch bei den Negervölkern Afrikas ist die Blutrache, wie wir nun schon so oft anderwärts gesehen haben, heilige Pflicht. Wir finden hier in diesem so lange abgeschlossen gewesenen Weltteil dieselben Erscheinungen, wie in Europa und Asien. Auch hier richtet sich bei den Kamerun- wie bei den weitverzweigten Bantuvölkern, also in den verschiedensten Gegenden Afrikas, die Rache nicht nur gegen den Täter, sondern auch gegen seine ganze Familie, ja gegen seine ganze Ortschaft 1). Innerhalb des eigenen Orts findet sie nicht statt: hier bemächtigt sich die Gemeinde des Täters und tötet ihn; eine sehr interessante Rechtserscheinung, da wir vorhin sahen, dass gerade bei den scheusslichsten Morden in der eigenen Familie, wie des Sohnes am Vater, das Prinzip der Blutrache versagt und und hier also bei diesen Stämmen, wohl von der öffentlichen Empörung getragen, in einer Art von allgemeiner Lynchjustiz der Gedanke des Strafvollzugs durch den grösseren staatlichen Verband zum Durchbruch kommt. Eigentümlich auch sind die hier vielfach vorkommenden Übergangsformen. So untersteht bei den Hottentotten Totschlag und Mord der Blutrache, während die fahrlässige Tötung mit Vermögensstrafen geahndet wird). Und bei den Amaxosa-Kaffern, bei denen die Blutrache nicht mehr vorkommt, wird doch die Tötung eines Mörders durch die Verwandten des Gemordeten offenbar Nachklang uralter Rechtsgewohnheiten! milder als Mord bestraft3).

Ähnlich finden wir es weit von diesen Ländern, auf den Neu-Guinea benachbarten Aaruinseln, bei den dortigen Malayen

kommende Sitte zu geben versucht hat, dass der Täter das Wergeld in der Familie des Erschlagenen abverdienen musste, wird wohl dem ehrwürdigen geschichtlichen Zusammenhang dieser Dinge nicht gerecht.

1) Zeitschrift, Bd. 11, S. 453, Bd. 15, S. 53, 56; vergl. auch THEOPHILUS HAHN im Globus, Bd. 12, S. 306 und FRITSCH, die Eingeborenen Südafrikas, S. 363.

2) FRIEDRICHS, Universales Obligationenrecht, S. 131.
3) REHME in Zeitschrift, Bd. 10, S. 49.

stämmen. Auch hier ist nur noch der Mord der Blutrache vorbehalten 1), und wird diese dann auch in der alten Strenge von Familie gegen Familie ausgeführt, so dass für den Erschlagenen ein Mitglied aus der Familie des Mörders getötet wird 2).

Heilige Verpflichtung ist die Blutrache auch bei den Australnegern. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, ist der allgemeinen Verachtung verfallen; kein Weib spricht mit ihm, Vater und Mutter verfolgen ihn mit Vorwürfen3). Auch hier geht die Rache von Sippe gegen Sippe und kann statt des Täters auch sein Totemgenosse getötet werden; denn, wie in so vielen andern Hinsichten, treten auch hier die Totemgenossenschaften an die Stelle, die in andern Teilen der Erde die Familien einnehmen1).

Furchtbar ist die Blutrache der Papuas auf Neu-Guinea. Sie wird als eine dem Toten geschuldete Pflicht vollzogen, weil man fürchtet, dass seine Seele den säumigen Rächer heimsucht 5). Auch sie ist gegen den ganzen Stamm des Täters gerichtet, und hier sind nicht einmal Weiber und Kinder, vor denen doch die Flinte des Südslaven sich senkt, sicher; ja, sie sind am meisten ausgesetzt, weil sie am leichtesten zu erreichen sind"). Und die Rache wird auf eine seltsame Art über die Sippe hinaus weitergetragen. >Hat jemand z. B. sein Weib durch Raub verloren, ein ungemein häufiger Fall,

1) Die Entwickelung hat sich also in umgekehrter Linie vollzogen, wie bei uns in Deutschland; während hier der Blutrache nur die kleineren Vergehen bei der Erwiderung von Beleidigungen und Körperverletzungen >auf der Stelle (§§ 199, 233 St. G. B.), ist ihr bei diesen Stämmen gerade das schwerste Verbrechen verblieben.

2) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 6, S. 348.

3) KOHLER ebenda, Bd. 7, S. 364.

4) KOHLER a. a. O. und ebenda, Bd. 12, S. 425.

5) Über diese Furcht vor der Seele des Ermordeten vergl. FRIEDMANN in Zeitschrift für allgemeine Erdkunde. N. F., Bd. 13, S. 281.

6) KOHLER in Zeitschrift, Bd. 7, S. 376.

und vermag keine Hilfe zu erlangen, so ergreift er seinen Kampfspeer, zieht in den Busch und stösst den nächsten ihm Begegnenden nieder. Dessen Angehörige geben die Untat weiter und der allgemeine Mord und Schrecken greift solange und soweit um sich, bis durch Weitertragung an den ersten Urheber das Unrecht gesühnt wird. Dessen Vermögen hat dann auch für den gesamten Schaden aufzukommen« 1).

Auch bei den nordamerikanischen Indianern sind die totemistischen Gruppen die Träger wie das Ziel der Blutrache2). Bei manchen Stämmen war die Staatsgewalt schon soweit erstarkt, dass zunächst Aussöhnung durch die Volksversammlung versucht wurde und erst, wenn dies Einschreiten der Gesamtheit nichts fruchtete, die Blutrache mit ihren unheilvollen Folgen entbrennen durfte3).

Auch aus Südamerika wird uns von den Grajiroindianern Venezuelas berichtet, dass eine Tötung den Kampf von Horde zu Horde entfesselte 4). Und bei den Botokuden veranstalten die beteiligten Familien oder Horden ebenfalls einen Kampf miteinander, nach dessen Beendigung die Tat als gestihnt gilt 5).

1) HAHL in Zeitschrift, Bd. 14, S. 381; über die Blutrache gegen den Ehebrecher vergl. ebenda, S. 348, 379. Die Ähnlichkeit mit dem bekannten sogen. Amoklaufen der Malayen, wobei der wütend Gewordene alles mordet, was ihm in den Weg kommt, ist offenbar.

2) DORSEY im Third Annual Report of the Bureau of Ethnology, Washington 1884, S. XLIX; SCHOOLCRAFT, Bd. 2, S. 131; KOHLER in Zeitschrift, Bd. 12, S. 405 ff.

3) KOHLER a. a. O., S. 407, 408.

4) KOHLER ebenda, Bd. 7, S. 383. Die Blutrache ist überhaupt dem südamerikanischen Indianer bekannt; so wird uns von Stämmen in BritischGujana berichtet: »Jede Kränkung an der Ehre, an Frau und Kind wäscht der Mann meist durch blutige Rache ab, ohne sie vor die Entscheidung der Volksversammlung zu bringen« (SCHOMBURGK, Reise in Britisch-Gujana, Bd. 2, S. 321).

5) Zeitschrift, Bd. 13, S. 316.

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