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Der Ursprung der Buchstabenschrift.

Von Ernst Kalinka 1).

Die Buchstabenschrift ist eine Schöpfung der alten Griechen. Es war die erste Großtat des griechischen Geistes, der noch viele andere folgten, und begründete zusammen mit ihnen jene Kultur. in der die heutige wurzelt. Das wesentliche Kennzeichen der Buchstabenschrift ist es. daß jeder Sprachlaut grundsätzlich durch ein eigenes Schriftbild ausgedrückt wird. Doch ist dieser Grundsatz natürlich nicht mit der Strenge der Lautwissenschaft durchgeführt, sondern es sind größtenteils nur die groben, ohrenfälligen Unterschiede berücksichtigt. Keine Buchstabenschrift, weder die griechische noch die aus ihr abgeleiteten der gegenwärtigen Kultursprachen, stellt für die große Mannigfaltigkeit der Vokale eine entsprechende Zahl von Schriftzeichen zur Verfügung. Wie verschieden klingt das e in Berg. Sendung. Vater. und doch begnügen wir uns mit einem Buchstaben für diese und noch andere Laute. Man darf damit umsoweniger streng zu Gericht gehen, als gerade die Einführung von Vokalzeichen das Hauptverdienst der griechischen Buchstabenschrift bildet2), während die anderen Lautschriften, wie die semitischen, sich zunächst auf den Ausdruck der Konsonanten beschränkten und darum eher als Silbenschriften bezeichnet werden können, weil sie für eine aus einem Konsonanten und einem beliebigen Vokal bestehende Silbe ein einziges Zeichen zu verwenden pflegen. Allerdings sind ihnen die eigentlichen Silbenschriften, z. B. die altkyprische, dadurch überlegen, daß diese nicht für alle mit demselben Konsonanten beginnenden Silben dasselbe Schriftzeichen setzten, sondern so viele verschiedene, als verschiedene Vokale auf den Konsonanten folgten.

1) Es sei von vornherein verwiesen auf C. F. Lehmann Haupt's Abhandlung Zur Herkunft des Alphabets, Zeitschrift der deutschen morgenländ. Gesellschaft [ZDMG] LXXIII (1919), S. 51-79, in der er für den Vorgang bei der Bildung des semitischen Alphabets wichtige und lehrreiche moderne Parallelen, bes, die Erfindung einer Silbenschrift durch den Theroki Sikwayı im 19. Jahrhundert verwertet, und auf deren Fortsetzung (..Forts."), deren wesentlicher Inhalt mir durch des Verfassers Mitteilungen bekannt ist. Beide Arbeiten ergänzen sich in verschiedenen Richtungen.

2) Vgl. über diesen Vorgang Ed. Hermann, Der Ursprung des Alphabets (Deutsche Literaturzeitung 1919, Sp. 54f.)

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Unleugbar ging die griechische Buchstabenschrift aus einer älteren Schriftart hervor, die sich aus einer Bilderschrift entwickelt hatte. Darin aber gehen die Ansichten auseinander. welches diese ältere Schrift gewesen sei. Bis zum Anfang dieses Jahrhunderts herrschte die Überzeugung, daß die Mutter der griechischen Schrift die phönizische gewesen sei, wie schon das Altertum lehrte und wie die semitischen Buchstabennamen der Griechen zu bestätigen schienen. Als aber die Ausgrabungen vorgriechischer Bauwerke besonders auf Kréta zahlreiche mit Schrift bedeckte Tontafeln zutage förderten, erhoben sich eindringliche Stimmen. die einer mittelbaren oder sogar unmittelbaren Herleitung der griechischen Schrift aus dieser vorgriechischen das Wort redeten; vgl. Bauer-Leander. Historische Grammatik der hebräischen Sprache I (1918, 61. Sie fanden die Zustimmung Dussauds'), und Lidzbarski) ging soweit, einzelne Buchstaben für Bilder von Gegenständen zu erklären, deren griechische Benennung mit dem durch den Buchstaben bezeichneten Laut begann. in der Meinung, daß jene kretischen Schriftzeichen für die griechische Sprache erfunden worden seien. So erblickt er in das Bild eines Pfluges ¿gorgor (S. 373f.). Ich bin weit davon entfernt." sagt er freilich S. 374. „hieraus einen festen Schluß auf den griechischen Ursprung des Alphabets zu ziehen . . . Vor allem ist es fraglich, ob um 1500 oder noch früher die betr. griechischen Wörter ähnlich lauteten, vor allem, ob sie so anlauteten: aber vielleicht wird doch ein kompetenter Beurteiler dieser Dinge es für wert halten, der Frage nachzugehen“. Ich würde das für verlorene Mühe halten: denn wenn etwas, so steht das fest. daß die kretische Schrift, deren Anfänge ins 3. Jahrtausend zurückreichen, nicht auf die griechische Sprache zugeschnitten war, die sich damals noch gar nicht gebildet hatte, sondern daß sie vielmehr gerade dem vordringenden Griechentum zum Opfer fiel und die Griechen sich erst Jahrhunderte später neuerdings eine Schrift aneignen mußten. Wie immer. jedenfalls war der Gedanke bestechend. daß die griechische Schrift aus einer schon vorher in derselben Gegend üblichen hervorgegangen sei: und die Ähnlichkeit melírerer Schriftzeichen schien diese Ansicht zu bekräftigen. Ein strengerer Beweis ließ sich nicht führen. weil bis jetzt weder Lautwert noch Name jener älteren Schriftzeichen bekannt sind. so daß man sich lediglich auf ihre äußere Form stützen muß. Doch schon in der Beschränkung auf diesen engen Rahmen läßt sich die Herleitung der griechischen Schrift aus der vorgriechischen Kretas widerlegen). Denn

1) Les civilisations préhelléniques 1910. 297 ff.

2) Ephemeris für semitische Epigraphik II 371 ft.

3) Gegen Dussaud und Lidzbarski und deren Herleitung des phönizischen“ Alphabets in seiner Gesamtheit aus der kretischen Linearschrift, die sie als eine griechische Schöpfung betrachten, wendet sich auch Lehmann-Haupt a. a. O. S. 67 f.

vor allem ist es mehr als wahrscheinlich. daß die kretische Linearschrift mit ihrer großen Zahl verschiedener Zeichen, die über den Bedarf einer Lautschrift weit hinausging, eine ausgebildete Silbenschrift gewesen sei, zumal da gelegentliche Worttrennung nur wenige Zeichen zu einem Wortganzen vereinigt. Auch ist die Abhängigkeit der Gestalt griechischer Buchstaben von kretischen nur eine scheinbare, die tiefer eindringender Prüfung nicht standhält. Ohne jede Beweiskraft sind geometrische Gebilde einfacher Art, die sich ungesucht einstellen konnten, wie + X Y QE). Im übrigen müssen zum Vergleich natürlich die ältesten Formen der griechischen Buchstaben herangezogen werden, während die jüngeren, die sich aus ihnen im Laufe von Jahrhunderten allmählich entwickelt haben, ganz aus dem Spiel zu bleiben haben. Die vorgriechischen Schriftzeichen Kretas aber weisen, soweit sie überhaupt vergleichbar sind, eher Ähnlichkeit mit jüngeren und jüngsten Formen griechischer Buchstaben auf als mit ältesten, die doch unmittelbar aus ihnen hervorgegangen sein müßten. So findet sich in jener vorgriechischen Schrift ein E, während die älteste Gestalt dieses griechischen Buchstaben ganz anders aussah oder vielmehr linksläufig . Es ist völlig ausgeschlossen, daß die regelmäßige Form Ẹ zunächst in oder gar in ヨ übergegangen sei, um sich erst später wieder in E zu verwandeln. Tatsächlich ist das griechische E aus erwachsen infolge des Strebens nach Gleichmäßigkeit und Gefälligkeit der Form: und es ist überhaupt nur ein Zufall, daß später gerade diese Gestalt des Buchstaben allgemein durchgedrungen ist, während und &, die demselben Streben ihre Entstehung verdankten, auf kleine Gebiete beschränkt blieben und schließlich eingingen. Es ist daher auch nur ein Zufall, daß dieser Buchstabe äußerliche Ähnlichkeit mit einem der geometrischen Gebilde gewann, die in der kretischen Linearschrift zahlreich vertreten sind. Nicht viel anders steht es mit HA AANM. Während aber alle diese griechischen Buchstaben ihre regelmäßige Gestalt, die in der vorgriechischen Schrift erscheint, doch schon im VI. und V. Jahrhundert, wenn nicht früher, gewonnen haben, gehört erst der späthellenistischen Zeit, [ gar erst der römischen Kaiserzeit an. Unbestritten griechische Neugebilde, die sich erst im VIII. Jahrhundert an den Grundstock der griechischen Schrift angesetzt haben, sind Y und und doch sind auch sie bereits in der vorgriechischen Schrift Kretas vertreten, sogar in der jungen Form. Solche Tatsachen führen die Ableitung der griechi1) Vgl. Sethe, Nachrichten der Göttinger Ges. der Wiss. 1916, Geschäftliche Mitteilungen 148.

schen Schrift aus der altkretischen ad absurdum. Der einzige urgriechische Buchstabe, der in einer seiner ältesten Gestalten innerhalb der kretischen Linearschrift auftauchte. ist aber uia dor lag of лoist.

Schon die semitischen Namen der meisten griechischen Buchstaben sind eine kräftige Stütze der alten Überlieferung vom semitischen Ursprung der griechischen Schrift. Zu einem unwiderleglichen Beweismittel würden diese Namen im Zusammenhalt mit der Form und dem Lautwert der einzelnen Buchstaben, wenn für alle Buchstaben nachgewiesen werden kann, was für einige längst nachgewiesen ist, daß der Name in einer semitischen Sprache den Gegenstand, von dem der Buchstabe ein, wenn auch flüchtiges, so doch kenntliches Bild entwirft, bezeichnet, andererseits der Buchstabe den Laut ausdrückt, mit dem der Buchstabenname beginnt: die Darstellung eines Kreuzes (Taw) bezeichnet den Laut t, mit dem der Buchstabenname anfängt.

Dieser Anschauung, die als die landläufige betrachtet werden kann1), suchte vor kurzem Hans Bauer) den Boden zu entziehen. Er schließt seine kleine Abhandlung S. 27 mit dem Bekenntnis: „Wir glauben somit das Prinzip der Akrophonie, das uns für die Erklärung der phönizischen Zeichen eher störend als förderlich dünkt und das überdies bei dem nun wohl außer Zweifel gestellten ägyptischen Ursprung des semitischen Alphabets als Fremdkörper erscheinen muß, solange ablehnen zu müssen, als nicht durch die Auffindung älterer Zeichen seine tatsächliche Geltung einwandfrei bewiesen wird." Begründet hat er diese Ansicht S. 25 f. damit, daß der Erfinder der semitischen Schrift sich an die demotischen Zeichen der Ägypter gehalten habe, „die ihm als willkürliche Figuren erscheinen mußten", und demgemäß ähnliche geometrische Gebilde, wie sie die Eingebung des Augenblickes ihm darbot oder wie er sie nach irgend einem Prinzip formte, zu Buchstabenzeichen gestempelt hat". „Auf eine solche Entstehung weist auch die Existenz der sekundären Zeichen

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im phönizischen Alphabet hin; wenn diese allem Anschein nach durch rein geometrische Modifikation aus anderen Zeichen“ (0 IZ) gebildet sind, so ist doch zu vermuten, daß auch bei den übrigen Zeichen dasselbe Prinzip und nicht das der Akrophonie zugrunde liegt. Eine Art geometrischer Verwandtschaft wurde auch bei anderen aufeinanderfolgenden Zeichen, besonders für die Reihe 11 Z Z

1) Schon Gesenius, Scripturae linguaeque Phoeniciae monumenta 1837 17: satis enim constat litterarum inventores in eligendis elementorum figuris nominibusque id egisse ut cuius rei imaginem rudiorem elementum aliquod referret, eiusdem nomen ei tribueretur.

2) Zur Entzifferung der neuentdeckten Sinaischrift und zur Entstehung des semitischen Alphabets 1918.

Klio, Beiträge zur alten Geschichte XVI 3/4.

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aufzuzeigen versucht". Dieselben Gedanken hat Bauer in der gleichfalls 1918 mit Leander herausgegebenen Hist. Gramm. der hebr. Sprache I 64 ff. vorgetragen und nur noch um etliche Belege vermehrt (so 1 und). Erst nachträglich habe man den Buchstaben, um die Verständigung über sie zu erleichtern, Namen gegeben, wofür die geläufigsten Sachbezeichnungen gewählt worden seien und teilweise auch die Gestalt des Zeichens von Einfluß gewesen sei.

Gegen diese neue Lehre muß grundsätzlich Stellung genommen werden1): denn nicht mit luftigen Möglichkeiten hat die Wissenschaft. Fangball zu spielen, sondern sie muß erwägen, was wahrscheinlich ist. Wie eine Schrift aussieht, die sich auf geometrischen Figuren aufbaut, das lehrt beispielsweise die Kurzschrift der athenischen Burg. So krause Zeichen aber wie beth kaf lamd pe qof muß man Bedenken tragen als rein geometrische Figuren zu erklären. Wenn nun zudem der Buchstabenname, der so gewählt ist, daß sein Anlaut den Lautwert angibt, aufs beste zur Gestalt des Buchstabens stimmt, was für die Hälfte der semitischen Buchstaben fast allgemein zugegeben wird, so tut der wirklich den Tatsachen Gewalt an, der diese doppelte Übereinstimmung dem Zufall der nachträglichen Benennung anheimstellt. Auch ist es schwer zu glauben, daß diese Namen, wenn sie ihre Entstehung nur der Laune eines Epigonen verdankten, sich mit wenigen Ausnahmen so hartnäckig an die Buchstaben geheftet hätten, daß sie mit ihnen zu anderen Stämmen und Völkern wanderten. Muß somit die geometrische Erklärung der semitischen Buchstaben nebst der dadurch bedingten Annahme nachträglicher, willkürlicher Benennung abgelehnt werden, so gilt diese Ablehnung besonders den sogenannten sekundären Zeichen, für die sich Bauer auf Levy und Halévy beruft, und für seine eigenen Verwandtschaftsreihen. Wie unwahrscheinlich, daß zwei verschiedene Formen desselben Buchstaben I und Z, dessen älteste nachweisbare Gestalt überdies Z war, als Vorbilder hätten dienen müssen; wie wenig überzeugend die Verknüpfung von mit Z; wie willkürlich die Umgestaltung von I nicht etwa zu E, sondern zu ‡ ; 手: wie unberechtigt vollends der Ersatz von Y durch, von Zdurch Z, von Z durch Z, von 3 durch, nur um nicht vorhandene Zusammenhänge vorzutäuschen 2). Wer kann endlich glauben, daß und

1) Vgl. hierzu Gardiner, The Egyptian Origin of the Semitic Alphabet, Journal of Egyptian Archaeology III S. 1 ff.; Sethe, Die neuentdeckte Sinai-Schrift und die Entstehung der semitischen Schrift, Nachr. der Gött. Ges. d. W. 1917, S. 470 ff.; LehmannHaupt, Forts.

2) Vgl. Lehmann-Haupt S. 66: „Bei der Vergleichung der Zeichen ist zu fordern, daß wirklich eine volle Identität vorliege, denn daß man bei Gebilden,

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